Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.86/2002
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5C.86/2002 /min
Urteil vom 23. Mai 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Escher,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. Dolfi
Müller, Alpenstrasse 16, Postfach, 6301 Zug.

gegen

Y.________,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwältin lic.iur.
Nicole Kistler, Grosshaus am Kolinplatz 2, 6300 Zug.

Scheidungsfolgen (Besuchs- und Ferienrecht)

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche
Abteilung, vom 5. März 2002
Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 13. Dezember 2000 schied das Kantonsgericht des Kantons Zug
die Ehe von Y.________ (Klägerin) und X.________ (Beklagter); es übertrug die
elterliche Sorge über die gemeinsamen Kinder der Parteien, U.________ (geb.
1983) und V.________ (geb. 1996), der Klägerin und überwies ihr die Kinder
zur Pflege und Erziehung. Dem Beklagten räumte es das Recht ein, seine Kinder
jeweils am 1. und 3. Wochenende eines Monats von Samstag 10.00 Uhr bis
Sonntag 18.00 Uhr zum Besuch abzuholen oder zu empfangen und sie jährlich für
eine Woche (sieben Tage)  zu bzw. mit sich in die Ferien zu nehmen, wobei der
Ferientermin unter den Eltern mindestens zwei Monate im Voraus abzusprechen
sei (Dispositiv-Ziff. 2b). Mit dem Recht auf persönlichen Verkehr wurden die
Auflagen verbunden, der Beklagte habe der Klägerin für die Dauer der Ausübung
des Besuchs- und Ferienrechts seinen Pass auszuhändigen und sein Recht auf
persönlichen Verkehr mit den Kindern nur in der Schweiz auszuüben
(Dispositiv-Ziff. 2c).

Im Verlaufe des Scheidungsverfahrens erliess der Stadtrat Zug als
Vormundschaftsbehörde am 5. Juni 2001 auf Ersuchen der Klägerin eine
Besuchsrechtsbeistandschaft im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZGB. Er beauftragte
die Beiständin namentlich mit der Organisation und Überwachung des vom
Kantonsgericht bestimmten Besuchsrechts und hiess sie des Weiteren, sich im
Einvernehmen mit der Klägerin über das Wohlergehen der beiden Kinder
Rechenschaft zu geben.

B.
In teilweiser Gutheissung der Berufung des Beklagten hob das Obergericht des
Kantons Zug Dispositiv-Ziff. 2c des erstinstanzlichen Urteils auf und
erkannte, mit dem Recht auf persönlichen Kontakt zu den Kindern werde
lediglich die Auflage verbunden, dass der Beklagte das Besuchs- und
Ferienrecht nur in der Schweiz ausüben dürfe (Dispositiv-Ziff. 1). Im Übrigen
wurde das kantonsgerichtliche Urteil bestätigt (Dispositiv-Ziff. 2). Dabei
äusserte sich das Obergericht im Dispositiv nicht zu allfälligen
Kindesschutzmassnahmen, verwies aber in den Erwägungen seines Urteils auf die
vom Stadtrat Zug angeordnete Besuchsrechtsbeistandschaft gemäss Verfügung vom
5. Juni 2001.

C.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte eidgenössische Berufung eingereicht. Er
beantragt sinngemäss, es sei ihm ein Besuchs- und Ferienrecht ohne Auflagen
und überdies ein Ferienrecht von drei Wochen zu gewähren. Für das Verfahren
vor Bundesgericht ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

Es ist keine Berufungsantwort eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Soweit der Beklagte eine Verletzung von Art. 8 BV rügt, ist auf seine
Berufung nicht einzutreten, wäre doch die entsprechende Rüge mit
staatsrechtlicher Beschwerde vorzubringen gewesen (Art. 43 Abs. 1 OG).

2.
Der Beklagte richtet sich einmal gegen die Auflage, wonach er die Besuchs-
und Ferientage mit seinen Kindern ausschliesslich in der Schweiz zu
verbringen hat.

Das Obergericht hat erwogen, die von der ersten Instanz verfügte Auflage,
dass das Besuchs- und Ferienrecht nur in der Schweiz ausgeübt werden könne,
sei zu bestätigen, damit die von der Vormundschaftsbehörde eingesetzte
Beiständin ihre Aufgabe wahrnehmen könne.

2.1 Der Beklagte macht geltend, das Obergericht verhalte sich
widersprüchlich, indem es einerseits eine ernsthafte Gefahr der
Kindesentführung verneine, die örtliche Beschränkung in der Ausübung des
Besuchs- und Ferienrechts aber dennoch aufrechterhalte. Die Hauptfunktion der
Beiständin bestehe einzig darin, als Anlaufstelle zwischen den Parteien zu
fungieren und Besuchspläne aufzustellen; das Obergericht verletze überdies
die Beweisregeln aus Art. 8 ZGB, wenn es die einseitig geäusserten und
eindeutig bestrittenen Befürchtungen der Klägerin bezüglich der Betreuung der
Kinder einfach als erwiesen erachte.

2.2 Der Beklagte lässt dabei allerdings unerwähnt, dass der Stadtrat Zug als
Vormundschaftsbehörde am 5. Juni 2001 vorsorglich eine
Besuchsrechtsbeistandschaft im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZGB angeordnet hat
(zur Dringlichkeitszuständigkeit der Vormundschaftsbehörde im Verlaufe des
hängigen Scheidungsverfahrens: Art. 315a Abs. 3 Ziff. 2 ZGB; Breitschmid,
Basler Kommentar, N. 9 zu Art. 315 und 315a ZGB). Der Beklagte hat diese
Verfügung, aus der sich die Befürchtungen der Klägerin hinsichtlich der
Betreuung der Kinder durch den Beklagten ergeben, nicht mit den einschlägigen
kantonalen Rechtsmitteln angefochten. Die Vorinstanz hat im Rahmen des
Scheidungsverfahrens kein eigenes Verfahren (betreffend Erlass von
Kindesschutzmassnahmen) durchgeführt, sondern sich darauf beschränkt, die
Massnahme der Vormundschaftsbehörde  (stillschweigend) zu bestätigen, indem
sie in den Erwägungen darauf verwiesen hat (zur Möglichkeit stillschweigender
Bestätigung: Eckert, Compétences et procédures au sujet de l'autorité
parentale dans les causes matrimioniales, Diss. Lausanne 1990, S. 78). Der
Vorwurf der Verletzung von Art. 8 ZGB geht demnach ins Leere. Der Beklagte
zeigt sodann auch nicht auf, dass er die Aussage der Klägerin im Verlaufe des
Scheidungsverfahrens den kantonalen Bestimmungen entsprechend rechtzeitig
bestritten hat. Im Übrigen trifft denn auch nicht zu, dass die angeordnete
Massnahme einzig auf Aussagen der Klägerin beruht, ist doch der Verfügung des
Stadtrates vom 5. Juni 2001 zu entnehmen, dass auch die zuständige
Sozialarbeiterin Probleme beim Vollzug des Besuchsrechts zu vermelden hatte
(Art. 64 Abs. 2 OG).

Gemäss der Verfügung des Stadtrates, auf welche das Obergericht verweist, hat
die Beiständin für die Organisation und Überwachung des Besuchsrechts besorgt
zu sein, und sich im Einvernehmen mit der Klägerin über das Wohlergehen der
Kinder Rechenschaft zu geben. Entgegen der Auffassung des Beklagten geht es
somit nicht einfach nur darum, Besuchspläne aufzustellen. Die Ausführungen
des Beklagten richten sich somit in unzulässiger Weise gegen anderslautende
tatsächliche Feststellungen des Obergerichts (Art. 63 Abs. 2 OG) und sind
deshalb nicht zu hören.

2.3 Der Umstand, dass eine Entführungsgefahr vom Obergericht ausdrücklich als
gering eingestuft worden ist, schliesst eine örtliche Beschränkung des
Besuchs- und Ferienrechts nicht schlechthin aus. Nach der Verfügung der
Vormundschaftsbehörde erweist sich die Überwachung des Besuchsrechts auch
wegen anderer Feststellungen (vgl. E. 2.2 hiervor) als angezeigt. Sodann ist
nicht zu verkennen, dass ein Auslandaufenthalt die Durchführung der Massnahme
wenn nicht vereitelt, so doch erheblich erschwert, was für sich allein eine
örtliche Beschränkung in der Ausübung des persönlichen Verkehrs allemal zu
rechtfertigen vermag. Eine Verletzung von Bundesrecht liegt demnach nicht
vor.

3.
Der Beklagte erblickt eine Verletzung von Art. 273 ZGB darin, dass ihm das
Obergericht entgegen der allgemein üblichen Praxis nur ein Ferienrecht von
einer Woche einräume.

3.1 Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das
unmündige Kind haben gemäss Art. 273 Abs. 1 ZGB Anspruch auf angemessenen
persönlichen Verkehr (vgl. dazu BGE 123 III 445 E. 3 S. 450 ff.; 120 II 229
E. 3 S. 232; 119 II 201 E. 3 S. 204; 111 II 405 E. 3 S. 407). Dabei haben
Vater und Mutter alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum
anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Aufgabe der erziehenden Person
erschwert (Art. 274 Abs. 1 ZGB). Die Vorstellung über das angemessene
Ferienrecht gehen in der Lehre und der Praxis auseinander, wobei auch
regionale Unterschiede festzustellen sind: Während der nicht
obhutsberechtigte Elter in der Westschweiz üblicherweise die Hälfte der
Schulferien mit seinem Kind verbringen kann, wird das Ferienrecht in der
Deutschschweiz - im Streitfall - üblicherweise für Schulkinder auf zwei bis
drei Wochen jährlich festgesetzt (Hegnauer, Berner Kommentar, 1997, N. 100 zu
Art. 273 ZGB, S.105/106; Schwenzer, Basler Kommentar, N. 14 zu Art. 273 ZGB,
S. 1422).

3.2 Auch wenn solchen Übungen bei der Bemessung des Besuchsrechtes eine
gewisse Bedeutung zukommt, kann im Einzelfall nicht allein darauf abgestellt
werden (BGE 123 III 445 E. 3a S. 451). Das Recht auf angemessenen
persönlichen Verkehr steht Eltern und Kindern um ihrer Persönlichkeit willen
zu (BBl 1974 II 52; BGE 119 II 201 E. 3 S. 204). In erster Linie dient das
Besuchsrecht indessen dem Interesse des Kindes. Bei der Festsetzung des
persönlichen Kontakts geht es nicht darum, einen gerechten
Interessenausgleich zwischen den Eltern zu finden, sondern den elterlichen
Kontakt mit dem Kind in dessen Interesse zu regeln (BGE 122 III 404 E. 3a S.
406 f. mit Hinweisen). Als oberste Richtschnur für die Ausgestaltung des
Besuchsrechts gilt somit immer das Kindeswohl, das anhand der Umstände des
konkreten Einzelfalles zu beurteilen ist; allfällige Interessen der Eltern
haben zurückzustehen (BGE 127 III 295 E. 4a S. 298; 123 III 445 E. 3b S.
451). Dem Beklagten kann somit nicht gefolgt werden, soweit er davon
auszugehen scheint, die übliche  Regel von drei Wochen Ferien stelle eine
Verpflichtung für den Richter dar und lasse keine Ausnahmen zu.

3.3 Wo das Gesetz verlangt, dass das Gericht eine angemessene Lösung treffe,
verweist es auf das richterliche Ermessen (zum Besuchsrecht: BGE 120 II 229
E. 4a S. 235; statt vieler: Theo Mayer-Maly, Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 4
ZGB). In diesem Fall hat der Richter seine Entscheidung nach Recht und
Billigkeit zu treffen (Art. 4 ZGB). Eine solche Billigkeitsentscheidung
verlangt, dass alle wesentlichen Besonderheiten des konkreten Falles beachtet
werden. Das Bundesgericht überprüft die Ausübung richterlichen Ermessens
durch die letzte kantonale Instanz mit Zurückhaltung; es schreitet nur dann
ein, wenn grundlos von den in Lehre und Rechtsprechung entwickelten
Grundsätzen abgegangen wird, wenn Tatsachen berücksichtigt werden, die keine
Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn umgekehrt Umstände ausser Betracht
geblieben sind, die zwingend hätten beachtet werden müssen (BGE 126 III 223
E. 4a S. 227/228; 116 II 145 E. 6a S. 149 mit Hinweisen).

3.4 Das Obergericht hat in seinem Entscheid insbesondere berücksichtigt, dass
die von der ersten Instanz getroffene Ferienregelung sich bereits während der
Dauer der Eheschutzmassnahmen bewährt hat. Dieser Umstand lässt darauf
schliessen, dass sie dem Kindeswohl entspricht. Wird sodann beachtet, dass
das jüngste Kind erst sechs Jahre alt ist und es ferner den persönlichen
Verkehr des Beklagten mit seinen Kindern zu überwachen gilt, so lässt sich
nicht sagen, das Obergericht habe nicht seinem Ermessensspielraum
entsprechend gehandelt.

3.5 Auch was der Beklagte im Übrigen vorbringt, ist nicht geeignet, das
obergerichtliche Urteil als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Er setzt
sich mit den obergerichtlichen Erwägungen nicht rechtsgenüglich auseinander
(Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; 116 II 745 E. 3 S. 748 mit Hinweisen), sondern
beschränkt sich im Wesentlichen einfach darauf, die Lehre und Rechtsprechung
zum Besuchs- und Ferienrecht zu zitieren, die getroffene Ferienregelung als
bundesrechtswidrig zu qualifizieren und eigene Tatsachen aufzulisten, mit
denen er aufzuzeigen versucht, dass sich die bisherige Ordnung nicht bewährt
hat. Das Obergericht hat indes keine Feststellungen im Sinne der Ausführungen
des Beklagten getroffen und dieser beruft sich auf keine der Ausnahmen von
Art. 63 Abs. 2 OG. Auf die Berufung ist demnach insoweit nicht einzutreten.

4.
Zusammenfassend ergibt sich demnach, dass die Berufung abzuweisen ist, soweit
darauf eingetreten werden kann. Das angefochtene Urteil ist demzufolge zu
bestätigen. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beklagte kostenpflichtig
(Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu sprechen, da
keine Berufungsantwort eingeholt worden ist.

Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen,
zumal sich die Berufung, so wie sie begründet worden ist, von Anfang an als
aussichtslos erwiesen hat. (Art. 152 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, vom 5. März 2002
wird                                          bestätigt.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beklagten auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Mai 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: