Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.68/2002
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5C.68/2002/zga

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
              ********************************

                       25. April 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, Präsident der
II. Zivilabteilung, Bundesrichterin Nordmann, Bundes-
richterin Escher und Gerichtsschreiber Schett.

                         In Sachen

X.________ AG, in Nachlassliquidation, Beklagte und
Berufungsklägerin, handelnd durch die Liquidatorin
A.________, vertreten durch Advokat Oscar Battegay, c/o
Holzach, Safarik & Partner, Advokaturbüro, Dufourstrasse 11,
Postfach 336, 4010 Basel,

                           gegen

B.________ AG, Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten
durch Rechtsanwalt Reto Caflisch, Rennweg 10, 8001 Zürich,

                         betreffend
                        Kollokation,

hat sich ergeben:

     A.- Der X.________ AG mit Sitz in Basel wurde vom
Zivilgericht Basel-Stadt am 17. Mai 1995 die Nachlass-
stundung bewilligt. Die Bestätigung des Nachlassvertrages
mit Vermögensabtretung erfolgte am 6. Dezember 1995; als
Liquidatorin wurde die A.________ eingesetzt. Das Landge-
richt Linz eröffnete am 19. Mai 1995 über die Tochterge-
sellschaft der X.________ AG in Basel, die X.________ GmbH
in Linz sowie über deren Tochtergesellschaft, die Z.________
GmbH in Linz, den Konkurs.

        Die B.________ AG hatte im Laufe einer langjäh-
rigen Geschäftsbeziehung den beiden Tochtergesellschaften
Kredite gewährt, die durch die X.________ AG in Basel
mittels abstrakter Garantieerklärungen gesichert wurden.
Gestützt darauf meldete sie am 8. Juni/31. August 1995 im
Nachlassverfahren der X.________ AG in Basel ihre Forde-
rungen gegenüber der X.________ GmbH in Linz an.

        Am 11. August 1997 kollozierte die  A.________
die Forderungen der B.________ AG in der fünften Klasse zu
einem Teilbetrag (Verfügung Nr. 105 lit. A), wies sie ganz
ab (lit. B) oder liess sie bedingt zu (lit. C, D und E).

     B.- Das Zivilgericht Basel-Stadt wies die Kolloka-
tionsklage der B.________ AG am 8. März 2000 ab, soweit es
darauf eintrat. Es behaftete die Klägerin bei ihrer Herab-
setzung der Eventualforderung auf Fr. 4'103'800.--.

     C.- Die von der B.________ AG dagegen erhobene Appella-
tion wurde vom Appellationsgericht Basel am 21. September
2001 gutgeheissen. Die Forderungen von Fr. 10'642'464.05 und
Fr. 289'186.-- (A) sowie die Forderung über Fr. 310'940.10
(B) wurden in der fünften Klasse und ohne Bedingung kollo-
ziert. Im Übrigen wurde die Kollokationsverfügung aufgehoben
(lit. C, D und E).

     D.- Die X.________ AG in Nachlassliquidation ge-
langt mit Berufung ans Bundesgericht. Sie beantragt die
Aufhebung des Urteils des Appellationsgerichts vom 21. Sep-
tember 2001 und die vollumfängliche Abweisung der Klage;
alle ordentlichen und ausserordentlichen Kosten erster und
zweiter Instanz sowie vor Bundesgericht seien der Klägerin
aufzuerlegen.

        Die B.________ AG ist nicht zu Vernehmlassung
eingeladen worden.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Kollokationsklage beschlägt eine Zivilrechts-
streitigkeit mit Vermögenswert. Der Streitwert richtet sich
nicht nach der Höhe der Forderung, sondern der mutmasslichen
Dividende darauf (Art. 46 OG; BGE 93 II 82 E. 1). Weder das
angefochtene Urteil noch die Berufungsschrift genügen hier
den gesetzlichen Anforderungen (Art. 51 Abs. 1 lit. a und
Art. 55 Abs. 1 lit. a OG). Immerhin ergibt sich aus dem in
den Akten liegenden 11. Zirkularschreiben an die Gläubiger,
dass die Liquidatorin per Ende 1998 mit einer Dividende von
14.3 % rechnet. Strittig ist die Kollokation von insgesamt

Fr. 11'242'590.15, womit der erforderliche Streitwert auch
bei einer zwischenzeitlich allenfalls nach unten korrigier-
ten Dividendenprognose noch erreicht sein dürfte. Damit kann
auf die vorliegende Berufung grundsätzlich eingetreten wer-
den (BGE 79 III 172).

     2.- a) Die Vorinstanz beurteilte die der Kolloka-
tionsklage zugrunde gelegten Garantieerklärungen der
X.________ AG nach schweizerischem und nach österreichischem
Recht. Ihrer Ansicht nach unterscheidet sich die Rechtslage
in den beiden Ländern nicht. In Zusammenhang mit der Umbu-
chungsermächtigung für die Kreditschuld der Z.________ auf
die X.________ GmbH verweist sie auf österreichisches Recht.
Bei der Frage, ob die Berufung auf eine abstrakte Garantie-
erklärung rechtsmissbräuchlich sein kann, zitiert sie schwei-
zerische Doktrin. Soweit die Vorinstanz den Anspruch der Klä-
gerin nach beiden Rechtsordnungen prüfte und die Frage des
anwendbaren Rechts in der Hauptfrage offen liess, liegt keine
Verletzung von Art. 51 Abs. 1 lit. c OG vor, als die betref-
fenden Regeln materiell übereinstimmen (Poudret, Commentaire
de la loi fédérale d'organisation judiciaire, art. 51 N. 4).

        b) Hat das kantonale Gericht neben dem schweize-
rischen auch ausländisches Recht angewendet, ist dessen Ver-
letzung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit staats-
rechtlicher Beschwerde geltend zu machen. In der Berufung
tritt das Bundesgericht auf entsprechende Rügen nicht ein
(Art. 43a Abs. 2 OG). In solchen Fällen muss aber aus dem
angefochtenen Entscheid ersichtlich sein, wie die kantonale
Instanz das massgebende Recht angewendet hat, um die Über-
prüfung im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde zu ermög-
lichen. Andernfalls ist die Rückweisung unumgänglich (nicht
publiziertes Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Dezember

2000 E. 2c mit Hinweisen, welches BGE 126 III 492 und 100 II
34 hinsichtlich der Anforderungen an das kantonale Urteil
präzisiert).

     3.- a) Gemäss Art. 43a Abs. 1 lit. a OG kann mit
Berufung vorgebracht werden, die Vorinstanz habe nicht
ausländisches Recht angewendet, wie es das schweizerische
internationale Privatrecht (IPRG) vorschreibe. Demnach un-
tersteht ein Vertrag grundsätzlich dem von den Parteien ge-
wählten Recht (Art. 116 Abs. 1 IPRG). Bereits in der ersten
von der X.________ AG (in Basel) gegenüber dem Bankinstitut
(in Wien) abgegebenen Garantieerklärung steht "für diese Ga-
rantie gilt Österreichisches Recht". Damit liegt eine aus-
drückliche Rechtswahl vor (Art. 116 Abs. 2 IPRG). Es gibt
keinerlei Hinweise, dass sie nachträglich geändert worden
ist (Art. 116 Abs. 3 IPRG). Auch die Kollokationsklage vom
13. November 1997 sowie die Klageantwort vom 28. August 1998
sprechen sich für die Anwendung österreichischen Rechts aus.
Es fehlen auch Anhaltspunkte, die auf eine Teilverweisung
auf schweizerisches Recht hinweisen könnten, womit zur Gül-
tigkeit einer solchen nicht Stellung zu nehmen ist (Keller/
Kren Kostkiewicz, IPRG-Kommentar, Art. 116 N. 92-97). Damit
richtet sich auch die im Zusammenhang mit der Garantieer-
klärung zu beurteilende Beweisstrenge und Beweislastver-
teilung sowie die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit des
Garantieabrufs entgegen der Ansicht der Beklagten aus-
schliesslich nach österreichischem Recht. Wie das Zivilge-
richt zum Ergebnis gelangen konnte, es komme vorliegend
schweizerisches Recht zur Anwendung, ist nicht nachvollzieh-
bar. Im angefochtenen Entscheid findet sich keine Antwort
darauf.

        b) Entgegen den Ausführungen der Beklagten wendet
die Vorinstanz jedoch nicht ausländisches statt schweizeri-

sches Recht, sondern beides an. Die materielle Hauptfrage
- die Gültigkeit abstrakter Garantieerklärungen - wird nach
schweizerischem und auch nach österreichischem Recht ge-
prüft. Es trifft auch nicht zu, dass Bundesrecht bloss er-
satzweise angewendet wird, wie die Beklagte behauptet. Ob-
gleich der angefochtene Entscheid auch auf schweizerischem
Recht gründet, wird den Parteien damit die Möglichkeit der
Berufung insoweit nicht gegeben, als dies - wie vorliegend
in Verletzung von IPRG und damit von Bundesrecht - geschehen
ist. Das Bundesgericht prüft die Frage des anzuwendenden
Rechts seit jeher von Amtes wegen (BGE 118 II 83 E. 2b mit
Hinweisen). Der Inhalt des anzuwendenden ausländischen
Rechts ist ebenfalls von Amtes wegen festzustellen, allen-
falls unter Einbezug der Parteien (Art. 16 Abs. 1 IPRG).

        Da die entscheidenden Fragen im vorliegenden Fall
nach österreichischem Recht zu beantworten sind, kann das
Bundesgericht den angefochtenen Entscheid nur im Rahmen
einer staatsrechtlichen Beschwerde überprüfen. Auf die Be-
rufung ist somit nicht einzutreten, soweit die Belangbarkeit
der Beklagten für ihre Garantieerklärungen in Frage steht
(nicht publiziertes Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. De-
zember 2000 E. 5; nicht publizierte E. 3 des BGE 119 II 173).

     4.- a) Die Vorinstanz verneinte die Anfechtbarkeit
von Umbuchungen, die kurz vor der Nachlassstundung der Be-
klagten durch die Klägerin auf Kosten der X.________ in Linz
zu Gunsten der Z.________ in Linz vorgenommen worden waren.
Vorerst stellt sie fest, dass in den beiden Konkursverfahren
in Linz keine paulianische Anfechtung dieses Transfers er-
folgt sei, und folgerte daraus zu Recht, dass es keine Wir-
kungen auf das Nachlassverfahren zu berücksichtigen gebe.
Alsdann verneinte sie unter Hinweis auf eine Lehrmeinung zu

Art. 285 SchKG die Berechtigung der Beklagten eine Rechts-
handlung anzufechten, an der sie als Gemeinschuldnerin nicht
mitgewirkt habe (Staehelin, in: Kommentar zum SchKG [Hrsg.
Staehelin/Bauer/ Staehelin], III, Art. 285 N. 16 und 17).

        b) Hierbei handelt es sich nicht um eine Zivil-
rechtsstreitigkeit, sondern eine betreibungsrechtliche mit
Reflexwirkung auf das materielle Recht. Praxisgemäss sind
derartige Fälle berufungsfähig. Der Streitwert ist vorlie-
gend gegeben (Vgl. E. 1b).

        c) Die Beurteilung der Vorinstanz geht still-
schweigend davon aus, dass eine Anfechtung der strittigen
Umbuchung im Rahmen des Nachlassverfahrens nach schweize-
rischem Recht zu erfolgen habe. Das in Basel durchgeführte
Nachlassverfahren über das Vermögen der Beklagten richtet
sich nach schweizerischem Recht (Art. 293 ff. SchKG). Dies
muss auch für die Anfechtungsklagen nach Art. 285 ff. SchKG
gelten, zu welcher der Liquidator berechtigt ist (Staehelin,
a.a.O., Art. 285 N. 36). Sie bezwecken nämlich, das Haf-
tungssubstrat in diesem Nachlassverfahren um Vermögenswerte
zu erweitern, welche ihm durch die in Art. 286-288 SchKG um-
schriebenen Rechtshandlungen entzogen worden sind. Die zi-
vilrechtliche Gültigkeit der Umbuchung wird dadurch nicht in
Frage gestellt (statt vieler: Staehelin, a.a.O., Art. 285
N. 1 und 8). Wäre dies der Fall, dann käme wohl österreichi-
sches Recht zu Anwendung. Denn immerhin haben die X.________
GmbH und die Z.________ in Linz am 16. Oktober 1991 unter
Bezugnahme auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der ös-
terreichischen Kreditunternehmungen eine entsprechende Er-
mächtigung gegenüber ihrem Bankinstitut in Wien abgegeben.

        d) Die Beklagte wirft der Vorinstanz im Zusam-
menhang mit der strittigen Umbuchung ein offensichtliches

Versehen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG vor. Diese sei von
der Klägerin nicht in eigenem Namen, wie im angefochtenen
Entscheid allenfalls unterstellt, sondern im Namen der Be-
klagten vorgenommen worden. Dass dem so sei, gehe aus den
bisherigen Rechtsschriften und der vorliegenden Berufungs-
schrift hervor, und sei von der Gegenseite nie bestritten
worden. Mit diesem Vorbringen rügt die Beklagte in Tat
und Wahrheit bloss die Würdigung des Sachverhaltes, wofür
ihr die staatsrechtliche Beschwerde offen gestanden wäre
(Art. 84 Abs. 1 lit. a, Art. 43 Abs. 1 OG). Im Berufungs-
verfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Fest-
stellungen der Vorinstanz gebunden, wenn sie nicht offen-
sichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundes-
rechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63
Abs. 2 OG) oder zu ergänzen sind (Art. 64 OG; BGE 126 III 59
E. 2a). Liegen solche Ausnahmen vor, so hat die Partei, die
den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt haben will, darüber
genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (BGE 115 II 484
E. 2a). Zumindest aus den pauschalen Angaben der Beklagten
ist im angefochtenen Entscheid kein Versehen der Vorinstanz
auszumachen.

        e) Es ist somit davon auszugehen, dass die Um-
buchung von der Klägerin aus eigenem Recht und nicht in Ver-
tretung der Beklagten veranlasst worden war. Es handelt sich
somit um eine Rechtshandlung, an welcher die Beklagte weder
beteiligt noch vertreten war. Durch die Umbuchung wurden ihr
keine Vermögenswerte entzogen, die nun der Zwangsvollstre-
ckung zugeführt werden sollen (Art. 285 Abs. 1 SchKG; Amonn/
Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts,
6 A., S. 427, N. 5 mit Hinweis auf BGE 95 III 83 E. 4b). In-
soweit erweist sich der angefochtene Entscheid als bundes-
rechtskonform. Wie es sich damit nach österreichischem Insol-
venzrecht verhält, ist nicht von Interesse, da vorliegend
schweizerisches Recht zur Anwendung gelangt. Selbst wenn dem

nicht so wäre, könnte auf die diesbezüglichen Vorbringen im
Rahmen einer Berufung nicht eingetreten werden (Art. 43 Abs. 1
OG).

     5.- Der Berufung ist nach dem Gesagten kein Erfolg be-
schieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beklagte
kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Da die Gegenpartei zur
Vernehmlassung nicht eingeladen worden ist, entfällt eine Par-
teientschädigung.

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf ein-
zutreten ist, und das Urteil des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt vom 21. September 2001 wird bestätigt.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 15'000.-- wird der Be-
klagten auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appella-
tionsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

                        _____________

Lausanne, 25. April 2002

               Im Namen der II. Zivilabteilung
              des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                        Der Präsident:

                    Der Gerichtsschreiber: