Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.34/2002
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5C.34/2002/bie

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
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                       3. April 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Raselli, präsidierendes
Mitglied, Bundesrichterin Escher, Ersatzrichter Zünd
und Gerichtsschreiber Zbinden.

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                         In Sachen

M.S.________, 6004 Luzern, Berufungsklägerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Manser,
Hirschmattstrasse 62, 6003 Luzern,

                           gegen

Verwaltungsgericht des Kantons  L u z e r n,
Verwaltungsrechtliche Abteilung,

                         betreffend
            fürsorgerische Freiheitsentziehung,

hat sich ergeben:

     A.- A.S.________, geboren 1990, wurde am 28. November
2001 vom Sozialdirektor der Stadt Luzern mit vorsorglicher
fürsorgerischer Freiheitsentziehung zu ärztlicher Abklärung
und Behandlung in das Kinderspital des Kantons Luzern ein-
gewiesen. Gleichzeitig wurde seiner Mutter, M.S.________,
die elterliche Obhut vorläufig entzogen.

        Eine gegen diese Verfügung erhobene Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern mit Urteil vom 7. Dezember 2001 ab.

     B.- Gegen dieses Urteil hat M.S.________ mit Eingabe
vom 31. Januar 2002 eidgenössische Berufung eingereicht,
verbunden mit dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche
Verfahren.

        Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern beantragt
in seinen Gegenbemerkungen, die Berufung abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Die Berufung an das Bundesgericht ist sowohl
zulässig im Fall der fürsorgerischen Freiheitsentziehung
(Art. 44 lit. f OG) als auch im Fall der Entziehung der
elterlichen Obhut (Art. 44 lit. d OG). Die Massnahmen wurden
hier vorsorglich angeordnet, weshalb sich die Frage stellt,
ob die Berufung zulässig ist; diese ist in der Regel erst

gegen Endentscheide zu erheben (Art. 48 Abs. 1 OG). Die Ver-
ordnung vom 28. August 2001 des Kantons Luzern über die für-
sorgerische Freiheitsentziehung sieht vor, dass die Regie-
rungsstatthalterin oder der Regierungsstatthalter bezie-
hungsweise der Gemeinderat eine vorsorgliche Anordnung nach
unbenutztem Ablauf der Beschwerdefrist unverzüglich zu über-
prüfen hat (§ 2 Abs. 1 der Verordnung), während eine aus-
drückliche Regelung für den Fall der Ergreifung des Rechts-
mittels fehlt. Es ist denkbar, dass die Luzerner Behörden
für diesen Fall davon ausgehen, dass der Entscheid des ange-
rufenen Richters die Überprüfung durch die Vormundschafts-
behörde ersetzt, so dass das Urteil des Verwaltungsgerichts
als Endentscheid bezüglich der fürsorgerischen Freiheitsent-
ziehung gelten müsste, wohl aber nicht unter dem Gesichts-
punkt des ebenfalls nur vorsorglich angeordneten Obhutsent-
zugs. Der definitiven Klärung bedarf die Frage aber mit
Blick auf die klare Rechtslage in materieller Hinsicht nicht
(vgl. nachstehend E. 2).

        b) Die Berufungsklägerin beantragt, Ziff. 1 des
Urteils vom 7. Dezember 2001 (Abweisung der Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde) aufzuheben und festzustellen, dass die-
ses Urteil in Verletzung von Bundesrecht ergangen sei. Ge-
mäss Art. 55 Abs. 1 lit. b OG muss die Berufungsschrift die
genaue Angabe enthalten, welche Punkte des Entscheides ange-
fochten und welche Abänderungen beantragt werden, wobei der
blosse Hinweis auf im kantonalen Verfahren gestellte Anträge
nicht genügt. Nach der Rechtsprechung ist diesen Anforderun-
gen Genüge getan, wenn in Verbindung mit der Begründung oder
dem angefochtenen Urteil ohne weiteres ersichtlich ist, in
welchem Sinne das angefochtene Urteil nach dem Willen der
Berufungsklägerin abgeändert werden soll (BGE 101 II 372;
110 II 74 E. 1). Ob das Berufungsbegehren noch als ausrei-
chend qualifiziert werden kann, bleibt zwar fraglich,
braucht aber wiederum mit Blick auf die klare materielle
Rechtslage nicht entschieden zu werden.

     2.- a) Unmündige Personen, die unter elterlicher Gewalt
stehen, können nach Massgabe der Art. 310 Abs. 1 in Verbin-
dung mit Art. 314a Abs. 1 ZGB in einer Anstalt untergebracht
werden. Gemäss Art. 310 Abs. 1 ZGB ist das Kind den Eltern
wegzunehmen und in angemessener Weise unterzubringen, wenn
das Wohl des Kindes gefährdet ist, die Eltern nicht von sich
aus für Abhilfe sorgen oder dazu ausserstande sind und wenn
der Gefährdung nicht anders begegnet werden kann. Die Gefähr-
dung des Kindes, die Anlass zur Wegnahme von den es betreu-
enden Eltern und im Besonderen zu seiner Unterbringung in
einer Anstalt gibt, muss darin liegen, dass das Kind in der
elterlichen Obhut nicht so geschützt und gefördert wird, wie
es für seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung
nötig wäre. Unerheblich ist, auf welche Ursachen die Gefähr-
dung zurückzuführen ist: Sie können in den Anlagen oder in
einem Fehlverhalten des Kindes, der Eltern oder der weiteren
Umgebung liegen. Entscheidend ist - wie bei allen Kindes-
schutzmassnahmen -, dass die Vorkehr das richtige Mittel zur
Verwirklichung des Ziels ist; das heisst, die Unterbringung
in der Anstalt muss besser als jene beim bisherigen Obhuts-
inhaber Gewähr dafür bieten, dass das Kind in seiner Entfal-
tung geschützt und gefördert wird. Dabei soll die elterliche
Sorge so wenig wie möglich aber so viel wie nötig einge-
schränkt werden (vgl. Urteile 5C.84/2001 vom 7. Mai 2001,
E. 2 sowie 5C.112/2001 vom 30. August 2001, E. 2a).

        b) Die Vorinstanz ist von folgenden Tatsachen aus-
gegangen: A.S.________, 11 Jahre alt, ist massiv übergewich-
tig. Er wiegt mehr als 90 kg bei einer Grösse von 1,47 m.
Allein im Verlaufe der letzten 1 1/2 Jahre hat er 17 kg zu-
genommen. Die Berufungsklägerin ihrerseits empfindet es
nicht als aussergewöhnlich, dass er bereits zum Frühstück
Wurst mit Mayonnaise isst. Im Kinderspital war A.S.________
erst nach entsprechender Anleitung in der Lage, aus einem
Glas zu trinken, weil er zu Hause noch immer aus dem Schop-
pen trinkt.

Zusätzlich leidet A.S.________ daran, dass er regelmässig
einnässt und einkotet. Die Mutter-Sohn-Bindung wird als
symbiotisch beschrieben.

        c) Diese Feststellungen belegen zur Genüge, dass
das Kind in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung
stark gefährdet ist. Ein Einschreiten der Behörden war da-
her ohne Zweifel notwendig. In der Berufungsschrift wird im
Grunde nur eingewendet, die Unterbringung in einer Anstalt
(Kinderspital) sei unverhältnismässig, weil aufgrund des
Einwirkens des Rechtsvertreters auf die Berufungsklägerin
bei dieser eine wohlwollende Kooperationsbereitschaft vor-
handen sei. Zu Recht verweist das Verwaltungsgericht dies-
bezüglich darauf, dass die Gefährdung A.S.________ gerade
auch in der zu engen, gar symbiotischen Beziehung zur Mutter
liegt, weshalb eine erfolgversprechende mildere Massnahme
als die Anstaltsunterbringung nicht zur Verfügung stand.
Daran ändert die Bemerkung im angefochtenen Urteil nichts,
das Verwaltungsgericht auferlege sich bei einer vorsorgli-
chen Einweisung eine gewisse Zurückhaltung, denn auch ohne
solche Zurückhaltung erscheint die getroffene Massnahme ohne
weiteres als gerechtfertigt.

     3.- Die Berufung ist demnach abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann, und das Urteil des Verwaltungs-
gerichts ist zu bestätigen.

        Bei diesem Verfahrensausgang sind der Berufungs-
klägerin die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens auf-
zuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG), wobei die Gerichtsgebühr den
wirtschaftlichen Verhältnissen der Berufungsklägerin ent-
sprechend festgesetzt werden kann (Art. 153a Abs. 1 OG).

        Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren ist mangels Erfolgschancen der
gestellten Begehren abzuweisen (Art. 152 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzu-
treten ist, und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kan-
tons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 7. Dezem-
ber 2001 wird bestätigt.

     2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Ver-
beiständung wird abgewiesen.

     3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 600.-- wird der Beru-
fungsklägerin auferlegt.

     4.- Dieses Urteil wird der Berufungsklägerin und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche
Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

                       _____________

Lausanne, 3. April 2002

              Im Namen der II. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                Das präsidierende Mitglied:

                   Der Gerichtsschreiber: