Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.281/2002
Zurück zum Index II. Zivilabteilung 2002
Retour à l'indice II. Zivilabteilung 2002


5C.281/2002 /min

Urteil vom 14. März 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber von Roten.

K. K.________,
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Advokat Andreas Faller,
Mattweg 153, 4144 Arlesheim,

gegen

B.K.-B.________,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Advokatin  Elisabeth
Freivogel, Hauptstrasse 104, 4102 Binningen.

Abänderung des Scheidungsurteils,

Berufung gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 30. August 2002.

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 2. Juli 1997 schied das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt
die Ehe, die Frau B.B.________ (Jahrgang 1935) seinerzeit mit Herrn
K.________ (heute: Frau K.________) K.________ (Jahrgang 1930) geschlossen
hatte. Das Zivilgericht genehmigte die Vereinbarung der Ehegatten über die
vermögensrechtlichen Nebenfolgen der Scheidung. Danach übernahm
B.K.-B.________ die Liegenschaft X.________ in Basel - einschliesslich der
darauf lastenden Grundpfandschuld - zu Alleineigentum gegen Zahlung von Fr.
347'000.-- an K.K.________ für deren Miteigentumshälfte (Ziffer 1). Die
Parteien erklärten sich damit für güterrechtlich auseinander gesetzt (Ziffer
2). K.K.________ verpflichtete sich, B.K.-B.________ gestützt auf Art. 152
ZGB ab 1. August 1997 indexierte Unterhaltsbeiträge von Fr. 1'500.-- pro
Monat zu bezahlen (Ziffer 4).

B.
Am 29. September 1998 verstarb ein Onkel von K.K.________. Dieser hatte
B.K.-B.________ nebst acht weiteren Personen testamentarisch als Erbin
eingesetzt mit der Bestimmung, dass der auf sie entfallende Erbanteil mit
einem ihr früher gewährten zinslosen Darlehen von Fr. 350'000.-- verrechnet
werden sollte. Gemäss Erbteilungsvertrag schuldete B.K.-B.________ der
Erbmasse Fr. 173'811.40 als Differenz zwischen dem Darlehen und ihrem
Erbanteil (Fr. 176'188.60).

C.
Mit Klage vom 24. September 1999 und Klageänderung vom 21. Dezember 2000
begehrte K.K.________ zur Hauptsache, den Unterhaltsbeitrag für
B.K.-B.________ mit Wirkung ab Klageeinreichung auf Fr. 620.-- herabzusetzen
und mit Wirkung ab Klageänderung vollumfänglich aufzuheben. Das Zivilgericht
Basel-Stadt wies die Klage ab (Urteil vom 14. September 2001). Das von
K.K.________ angerufene kantonale Appellationsgericht bestätigte das
erstinstanzliche Urteil am 30. August 2002.

D.
Mit eidgenössischer Berufung erneuert die Klägerin K.K.________ ihre im
kantonalen Verfahren gestellten Anträge. Das Appellationsgericht hat auf
Gegenbemerkungen verzichtet. Die Beklagte B.K.-B.________ ist zur
Beantwortung der Berufung nicht eingeladen worden.

E.
Mit Urteil von heute hat die II. Zivilabteilung die gleichzeitig gegen das
nämliche Urteil von K.K.________ erhobene staatsrechtliche Beschwerde
abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte (5P.475/2002).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Scheidungsurteil ist am 2. Juli 1997 und damit vor Inkrafttreten der
ZGB-Revision von 1998/2000 ergangen. Die Abänderung des Ehegattenunterhalts
beurteilt sich deshalb nach den Bestimmungen des früheren Rechts (Art. 7a
Abs. 3 SchlTZGB). Gemäss aArt. 153 Abs. 2 ZGB wird eine wegen Bedürftigkeit
ausgesetzte Rente auf Verlangen des pflichtigen Ehegatten aufgehoben oder
herabgesetzt, wenn die Bedürftigkeit nicht mehr besteht oder in erheblichem
Masse abgenommen hat, sowie wenn die Vermögensverhältnisse des Pflichtigen
der Höhe der Rente nicht mehr entsprechen.

1.1 Ihr Abänderungsbegehren hatte die unterhaltspflichtige Klägerin im
kantonalen Verfahren damit begründet, bei der unterhaltsberechtigten
Beklagten sei seit dem Scheidungsurteil ein Vermögenszuwachs eingetreten, der
neu einen erheblich höheren Vermögensertrag ermögliche als im Zeitpunkt des
Scheidungsurteils. Entscheidend für die Frage, ob tatsächlich eine
Verbesserung der Vermögensverhältnisse auf Seiten der Beklagte vorgelegen
hat, ist die Einordnung des Darlehens von Fr. 350'000.-- in der damaligen
Unterhaltsberechnung gewesen. Dieses zinslose Darlehen war der Beklagten -
wie erst später bekannt wurde - von einem Onkel der Klägerin eingeräumt
worden und hat der Beklagten dazu gedient, der Klägerin schon vor Rechtskraft
des Scheidungsurteils den güterrechtlichen Ausgleich von Fr. 347'000.-- für
die Übernahme der Liegenschaft zu Alleineigentum zu bezahlen.

1.2 Die kantonalen Gerichte sind - in Übereinstimmung mit der ursprünglichen
Darstellung der Klägerin - davon ausgegangen, dass das erwähnte Darlehen im
Scheidungszeitpunkt nicht unter den Passiven berücksichtigt worden sei. Die
Klägerin wendet sich nicht gegen diese verbindliche Feststellung darüber, von
welchen Vorstellungen die Parteien bei Abschluss der Scheidungsvereinbarung
ausgegangen sind (Art. 63 f. OG; BGE 105 II 166 E. 2 S. 169; 96 II 301 E. 4
S. 302). Sie macht geltend, es könne gar nicht relevant sein, ob und aus
welchen Gründen bei der Ausfällung des Scheidungsurteils Passiven vergessen
oder "nicht berücksichtigt" worden seien. Im Rahmen des Abänderungsprozesses
sei die Vermögenssituation der unterhaltsberechtigten Person im Zeitpunkt der
Scheidung vielmehr vollumfänglich mit derjenigen bei Einreichung der
Abänderungsklage zu vergleichen (S. 7/8). Die Klägerin wirft damit die Frage
auf, ob das derzeitige Vermögen der Beklagten mit jenem zu vergleichen ist,
das diese im Zeitpunkt der Scheidung tatsächlich besessen hat, oder ob von
den Angaben auszugehen ist, die das Scheidungsgericht seinem Urteil bzw. die
Parteien ihrer Konvention zu Grunde gelegt haben.

Das Bundesgericht hat die aufgeworfene Frage in seiner Rechtsprechung bereits
beantwortet: Da es sich bei der Abänderung eines Scheidungsurteils nicht um
eine Revision desselben handelt, ist das Abänderungsgericht an die
Feststellungen gebunden, die dem Scheidungsurteil zugrunde lagen. Dies
bedeutet, dass für die Frage, ob sich das Einkommen der Beklagten seit der
Scheidung erheblich verändert hat, von jenem auszugehen ist, das das
Scheidungsgericht festgestellt hat, und nicht von einem gegebenenfalls damals
bereits höheren (BGE 117 II 359 E. 6 S. 367/368; zuletzt: Urteile 5C.62/2002
vom 11. April 2002, E. 3, und 5C.322/2001 vom 9. Juli 2002, E. 5). Für die
Vermögensverhältnisse gilt kein anderer Grundsatz.

Dieser ständigen Praxis des Bundesgerichts wird in der Lehre nicht
widersprochen (Lüchinger/Geiser, Basler Kommentar, 1996, N. 7 und N. 16 zu
aArt. 153 ZGB; Deschenaux/Tercier/Werro, Le mariage et le divorce, 4.A. Bern
1995, N. 740 S. 147; Hinderling/Steck, Das schweizerische Ehescheidungsrecht,
4.A. Zürich 1995, S. 360 Anm. 5b und S. 362 Anm. 8c, mit Nachweisen). Ein
Abweichen davon rechtfertigt sich umso weniger, als seit 1. Januar 2000 ein
revidiertes Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht in Kraft steht (vgl. zur
Unzulässigkeit rückwirkender Praxisänderung: BGE 128 III 257 E. 4a/cc S.
259).

1.3 Muss das Darlehen von Fr. 350'000.-- ausser Betracht bleiben, stehen den
Aktiven von Fr. 124'590.-- und den Passiven von Fr. 68'500.-- (übernommene
Grundpfandschuld) im Scheidungszeitpunkt die Aktiven von Fr. 735'432.-- und
die Passiven von Fr. 500'000.-- per 1. Januar 2000 gegenüber. Der
Vermögenszuwachs auf der Seite der Beklagten beläuft sich damit auf Fr.
179'342.-- und nicht auf rund Fr. 500'000.--, wie die Klägerin in ihren
Berechnungsmodellen behauptet (S. 8 ff.), die von den - hier nicht geltend
gemachte Ausnahmen vorbehalten - verbindlichen Feststellungen über die
konkreten finanziellen Verhältnisse abweichen (Art. 63 f. OG; z.B. BGE 122
III 97 E. 3a S. 99) und namentlich durch die Berücksichtigung des zinslosen
Darlehens von Fr. 350'000.-- bei den Passiven der Beklagten verfälscht werden
(E. 1.2 soeben). Das Vermögen per 1. Januar 2000 setzt sich zusammen aus
Wertschriften (Fr. 623'870.--), Bankguthaben (Fr. 72'000.--) und Namenaktien
der Swissair Group (Fr. 39'562.--; E. 3b S. 7 des appellationsgerichtlichen
und E. 3.2.4 S. 9 des zivilgerichtlichen Urteils).

2.
Das Appellationsgericht hat es abgelehnt, den Vermögenszuwachs bzw. den
daherigen Vermögensertrag auf Seiten der Beklagten als wesentliche
Veränderung der Verhältnisse im Sinne von aArt. 153 Abs. 2 ZGB anzusehen. In
der Zeit zwischen 1996 bis 1999 seien die Wertschriften im Kurs erheblich
gestiegen, seither aber auf Grund der Situation an den Finanzmärkten sei ein
nicht unwesentlicher Wertverlust eingetreten, der sich in letzter Zeit noch
erheblich erhöht habe; insbesondere könne als notorisch gelten, dass die
Aktien der Swissair Group heute nichts mehr wert seien (E. 3b S. 7). Das
Appellationsgericht ist weiter davon ausgegangen, die Beklagte vermöge mit
ihren Einkünften (einschliesslich Unterhaltsbeitrag) nicht einmal ihr blankes
Existenzminimum zu decken, geschweige denn einen um zehn Prozent erhöhten
Notbedarf, wie er dem Scheidungsurteil zugrunde gelegen habe. Sie müsse somit
ihre Wertschriften angreifen, und mit einer Abnahme der Wertschriften werde
auch der Wertschriftenertrag zurückgehen (E. 3c S. 8).

2.1 Die Klägerin erblickt in der Berücksichtigung der Kursschwankungen eine
Verletzung von Art. 8 ZGB. Es hätte der Beklagten der Beweis oblegen, dass
bedingt durch die Börsenkurse kein wesentlicher Vermögenszuwachs vorliege (S.
12). Der Einwand ist unbegründet. Zum einen obliegt die Beweislast für die
Abänderungsvoraussetzungen - hier: Vermögenszuwachs und damit erhöhter
Vermögensertrag - der Klägerin, zumal sie aus dem Vorhandensein des von ihr
behaupteten Herabsetzungs- oder Aufhebungsgrundes Rechte ableitet (Art. 8
ZGB; statt vieler: Bühler/Spühler, Berner Kommentar, 1980, und
Ergänzungsband, 1991, je N. 54 zu aArt. 153 ZGB). Zum anderen müssen
gerichtsnotorische Tatsachen nicht bewiesen werden (vgl. etwa Hohl, Procédure
civile, t. I: Introduction et théorie générale, Bern 2001, S. 182 N. 945).
Soweit das Bundesgericht die Notorietät einer Tatsache überhaupt prüfen kann,
ist hier dem Appellationsgericht beizupflichten, dass die Börsenkurse nach
einem übermässigen Ansteigen in den Neunzigerjahren seit Ende des letzten
Jahrzehnts wieder und stetig im Fallen begriffen sind und dass Aktien der
Swissair Group heute wertlos sein dürften (vgl. zur Kognition des
Bundesgerichts im Berufungsverfahren: Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la
loi fédérale d'organisation judiciaire, II, Bern 1990, N. 4.2.1.8 zu Art. 63
OG).

2.2 Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Appellationsgericht nicht
die Erheblichkeit des Vermögenszuwachses, sondern die Dauerhaftigkeit der
wirtschaftlichen Besserstellung der Beklagten verneint. Die massgeblichen
wirtschaftlichen Verhältnisse müssen sich erheblich verändert haben und die
neuen Gegebenheiten nach menschlichem Ermessen von Dauer sein; bloss
vorübergehende Schwankungen vermögen den Abänderungsanspruch nicht zu
begründen (BGE 117 II 211 E. 5a S. 217). Es ist zu beachten, dass der einmal
herabgesetzte oder aufgehobene Unterhaltsbeitrag nachträglich nicht mehr
erhöht oder wiederhergestellt werden kann (BGE 120 II 4 E. 5d S. 5). Mit
Blick auf die Zusammensetzung des Vermögens (vorab Wertschriften) und in
Anbetracht der Situation auf den Finanzmärkten erscheint die Annahme nicht
als bundesrechtswidrig, es sei keine dauerhafte Verbesserung der
Vermögensverhältnisse auf Seiten der Beklagten eingetreten.

2.3 Was den Vermögensertrag angeht, trifft es zu, dass sich die tatsächlich
erzielte Rendite auf Fr. 969.-- pro Monat beläuft, was bei einem Vermögen von
Fr. 735'432.-- aufgerundet 1.6 % ausmacht. Die Beklagte vermag damit und mit
ihren Einkünften (AHV-Rente: Fr. 1'914.--; Unterhaltsbeitrag: Fr. 1'500.--)
ihren Notbedarf (Fr. 4'878.80) nicht zu decken; hiezu wäre ein
Vermögensertrag von Fr. 1'464.80 erforderlich. Werden von ihrem Vermögen die
wertlosen Aktien der Swissair Group (Fr. 39'562.--) ausgeklammert und die
Bankguthaben (Fr. 72'000.--) abgezogen, die mit gut einem Prozent verzinst
werden, müsste die Rendite auf dem Restvermögen von Fr. 623'870.-- rund 2.7 %
betragen, damit die Beklagte mit ihrem Vermögensertrag den für sie
massgebenden Notbedarf abdecken könnte. Eine noch erheblich höhere Rendite
kann auf Dauer nicht erwartet werden, nachdem der für vergleichbare
Anlagebedürfnisse (scil. Sicherheit und Ertrag) behördlich festgesetzte
Mindestzinssatz für Altersguthaben der beruflichen Vorsorge mit Wirkung ab
dem 1. Januar 2003 von 4 % auf 3.25 % zurückgenommen worden ist (Art. 12 BVV
2, Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge, SR 831.441.1). Es verletzt deshalb kein Bundesrecht, dass
es das Appellationsgericht abgelehnt hat, der Beklagten einen höheren auf
Dauer zu erzielenden hypothetischen Vermögensertrag anzurechnen und im
gleichen Umfang die Unterhaltsbeitragspflicht der Klägerin herabzusetzen
(vgl. für einen solchen Fall: BGE 115 II 309 E. 3b S. 314, mit einem
hypothetischen Zinssatz von 4.5 %).

3.
Die Berufung der Klägerin muss in den gezeigten Punkten abgewiesen werden.
Sie ist unzulässig, was die übrigen Einwände angeht, die vorab in
Verfassungsrügen bestehen, das kantonale Recht betreffen (Art. 43 Abs. 1 OG)
und sich gegen die verbindlichen Tatsachenfeststellungen richten (Art. 63 f.
OG; BGE 127 III 248 E. 2c S. 252). Die Klägerin wird bei diesem
Verfahrensausgang kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird der Klägerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. März 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: