Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.259/2002
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5C.259/2002 /bnm

Urteil vom 6. Februar 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber von Roten.

B. ________,
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Romano Kunz, Ottoplatz 19, 7001 Chur,

gegen

1. K.________ und 8 Mitgeteiligte,

2. ...,

3. ...,

4. ...,

5. ...,

6. ...,

7. ...,

8. ...,

9. ...,
Kläger und Berufungsbeklagte,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Wilfried Caviezel, Masanserstrasse 35,
Postfach 414, 7001 Chur.

Testamentsanfechtung,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, Zivilkammer,
vom 19./20. August 2002.

Sachverhalt:

A.
E. ________ wurde am 8. November 1912 in O.________ geboren. Sie verbrachte
ihr Leben im familieneigenen Berglandwirtschaftsbetrieb, den sie nach dem Tod
ihrer Eltern (1945 bzw. 1963) und ihres jüngeren Bruders (1974) allein
weiterführte. Auf eigenes Begehren - wegen Altersschwäche und Unerfahrenheit,
ihre finanziellen Angelegenheiten gehörig besorgen zu können - wurde ihr 1976
ein Beistand bestellt, den die Vormundschaftsbehörde drei Jahre später auf
Wunsch von E.________ wieder entliess. Vor allem ab 1989 war E.________
mehrfach krank und musste teilweise hospitalisiert werden. Im Oktober 1997
wurde eine Beiratschaft angeordnet nach Rückfrage beim langjährigen Hausarzt,
der bestätigte, dass E.________ vor allem in Folge von Gedächtnisstörungen
nicht mehr im Stande sei, ihre Interessen wahrzunehmen. Am 8. Dezember 1997
trat E.________ in ein Alters- und Pflegeheim ein, woselbst sie am 29. August
1998 verstarb.

B.
E.________ blieb ledig und ohne direkte Nachkommen. Ihre gesetzlichen Erben
stammen von ihren Onkeln und Tanten ab (grosselterliche Parentel). Es handelt
sich um ihre Vettern und Basen und teilweise bereits wieder um deren
Nachkommen, also um ihre Grossvettern und Grossbasen. Mit ihrem Grossvetter
K.________ schloss sie am 28. März 1990 einen Erbvertrag ab, mit dem sie ihm
ein Maiensäss hinterliess. Wenige Tage nach ihrem vierundachtzigsten
Geburtstag setzte sie mit eigenhändiger letztwilliger Verfügung vom 12.
November 1996 B.________ als Alleinerben ein und vermachte ihm ihr ganzes
Vermögen. Die zuständigen Behörden erliessen Massregeln zur Sicherung des
Erbganges, da bereits bei der Eröffnung der letztwilligen Verfügung deren
Anfechtung von Seiten gesetzlicher Erben angekündigt worden war. Gemäss
Inventar beträgt der Nettowert des Nachlasses rund Fr. 620'000.--.

C.
Bei den im Rubrum als Kläger aufgeführten Personen handelt es sich um neun
von elf gesetzlichen Erben. Sie erhoben Ungültigkeitsklage gegen den
eingesetzten Erben B.________. Das Bezirksgericht O.________ hiess die Klage
gut und erklärte das durch E.________ verfasste Testament vom 12. November
1996 für ungültig. Die dagegen eingereichte Berufung des Beklagten wies das
Kantonsgericht von Graubünden ab. Beide kantonalen Gerichte verneinten den
behaupteten Formmangel betreffend Datum, kamen aber übereinstimmend zum
Schluss, dass E.________ zur Zeit der Testamentserrichtung nicht
verfügungsfähig war (Urteile vom 6. Juli/8. August 2001 und vom 19./20.
August 2002).

D.
Mit eidgenössischer Berufung beantragt der Beklagte dem Bundesgericht die
Abweisung der Klage. Das Kantonsgericht schliesst auf Abweisung, soweit auf
die Berufung eingetreten werden könne, hat aber auf Gegenbemerkungen
verzichtet. Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden.

E.
Mit Urteil vom heutigen Tag hat die II. Zivilabteilung die vom Beklagten
gleichzeitig gegen das nämliche Urteil erhobene staatsrechtliche Beschwerde
abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte (5P.444/2002).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die kantonalen Gerichte haben die Ungültigkeitsklage gutgeheissen, weil die
letztwillige Verfügung von der Erblasserin zu einer Zeit errichtet worden
sei, als sie nicht verfügungsfähig gewesen sei (Art. 519 Abs. 1 Ziffer 1
ZGB). Über sein Vermögen letztwillig zu verfügen, ist nur befugt, wer
urteilsfähig ist und das 18. Altersjahr zurückgelegt hat (Art. 467 ZGB).
Urteilsfähig ist gemäss Art. 16 ZGB ein jeder, dem nicht wegen seines
Kindesalters oder infolge von Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunkenheit
oder ähnlichen Zuständen die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.

1.1 Für die Beurteilung der Urteilsfähigkeit ist im Einzelfall von den
konkreten Umständen hinsichtlich einer bestimmten Handlung auszugehen.
Urteilsunfähigkeit kann angenommen werden, wenn es an der Fähigkeit fehlt,
eine bestimmte Lage richtig zu beurteilen und in Angelegenheiten der in Frage
stehenden Art ein vernünftiges Urteil zu bilden sowie die Beweggründe und
Folgen eines bestimmten Verhaltens richtig zu erkennen. Das Vorliegen einer
Geisteskrankheit hat nicht zwangsläufig Urteilsunfähigkeit zur Folge, sondern
ist mit der konkret zu beurteilenden Handlung in Beziehung zu setzen
(zuletzt: BGE 127 I 6 E. 7b/aa Abs. 2 S. 19; ausführlich zum Begriff: BGE 124
III 5 E. 1a S. 7).

1.2 Urteilsfähigkeit wird vermutet. Wer sie bestreitet, hat die
Urteilsunfähigkeit zu beweisen. Eine sehr grosse Wahrscheinlichkeit, die
jeden ernsthaften Zweifel ausschliesst, genügt dabei insbesondere bei
verstorbenen Personen, weil diesfalls die Natur der Dinge selber einen
strikten Beweis der Urteilsunfähigkeit verunmöglicht. Trotz dieser
Herabsetzung des Beweismasses auf überwiegende Wahrscheinlichkeit bleibt es
schwierig, die Urteilsunfähigkeit einer verstorbenen Person für einen
bestimmten Zeitpunkt nachzuweisen. Die Praxis behilft sich mit einer
Rechtsvermutung: Wenn die handelnde Person ihrer allgemeinen Verfassung nach
im Normalfall und mit Wahrscheinlichkeit als urteilsunfähig gelten muss, ist
der Beweispflicht insoweit Genüge getan und die Vermutung der
Urteilsfähigkeit umgestossen; der Gegenpartei steht in diesem Fall der
Gegenbeweis offen, dass die betreffende Person trotz ihrer grundsätzlichen
Urteilsunfähigkeit auf Grund ihrer allgemeinen Gesundheitssituation in einem
luziden Intervall gehandelt hat (BGE 124 III 5 E. 1b S. 8/9).

1.3 Mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung hebt der Kläger
richtig hervor, dass Geistesschwäche oder Geisteskrankheit nicht mit
Urteilsunfähigkeit gleichgesetzt werden darf. Demgegenüber trifft seine
Darstellung nicht zu, was das Beweisthema angeht. Die Kläger sind nicht auf
den Beweis beschränkt, dass bei der Erblasserin "wegen einer Geisteskrankheit
auf eine permanent vorhandene Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten zu
schliessen ist und damit auch luzide Intervalle auszuschliessen sind" (BGE
124 III 5 E. 1b S. 8). Es genügt vielmehr der Nachweis, dass die geistige
Verfassung im Normalfall ("en principe") gegen die Urteilsfähigkeit der
Erblasserin spricht (Deschenaux/ Steinauer, Personnes physiques et tutelle,
4.A. Bern 2001, N. 94a S. 30). Die Kläger haben - prozessrechtlich
ausgedrückt - die Vermutungsbasis (Urteilsunfähigkeit im Normalfall) zu
beweisen, während der Beklagte den Nachweis der Vermutungsfolge
(Urteilsfähigkeit in Bezug auf das konkret zu beurteilende Rechtsgeschäft) zu
leisten hat (Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 7.A. Bern 2001,
10 N. 47 f. S. 262). Abweichendes sagt auch die vom Beklagten angerufene
Kommentatorin nicht: Ist aber im Einzelfall Geisteskrankheit, Geistesschwäche
oder Trunkenheit offenkundig und unbestritten, hat z.B. der Testamentsinhalt
und der allgemeine Gesundheitszustand der testierenden Person die grosse
Wahrscheinlichkeit einer Urteilsunfähigkeit aufgezeigt, so erfolgt eine
Umkehr der Beweislast. Das heisst, die Beweislast liegt dann bei derjenigen
Person, welche für den massgebenden Zeitraum Urteilsfähigkeit behauptet
(Bigler-Eggenberger, Basler Kommentar, 2002, N. 48 zu Art. 16 ZGB).

2.
In tatsächlicher Hinsicht hatte das Kantonsgericht vorweg die Fragen zu
beantworten, ob bei der Erblasserin in der kritischen Zeit - vor und nach dem
12. November 1996 - eine geistige Störung festzustellen war und ob sich diese
allenfalls auf die Errichtung der letztwilligen Verfügung auswirkte.

2.1 Das Kantonsgericht hat die Fragen gestützt auf die Krankengeschichte des
behandelnden Hausarztes und dessen schriftlichen Bericht als sachverständigem
Zeugen, auf der Grundlage weiterer Zeugenaussagen und in Berücksichtigung
zweier Gutachten beantwortet. Seine Feststellungen über den geistigen Zustand
der Erblasserin im fraglichen Zeitraum sowie Art und Tragweite möglicher
störender Einwirkungen sind für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich
(Art. 63 f. OG; BGE 124 III 5 E. 4 S. 13).

2.2 Der Beklagte bringt vor, das Bundesgericht könne die kantonsgerichtlichen
Schlüsse aus der Krankengeschichte und der Aussage des Arztes korrigieren und
selber beurteilen, welche Zeugenaussage glaubhafter sei, die von Z-F.________
oder jene des Arztes. Der Beklagte beruft sich hiezu auf die allgemeine
Lebenserfahrung und behauptet zudem Aktenwidrigkeiten in der Beurteilung von
Zeugenaussagen. Was die kantonsgerichtlichen Feststellungen über die
allgemeine Gesundheitssituation der Erblasserin angeht, stimmen Berufungs-
und Beschwerdeschrift denn auch praktisch wörtlich überein; sie unterscheiden
sich lediglich in Überleitungen und in angepassten Formulierungen, wenn dem
Kantonsgericht eine Beweiswürdigung "gegen alle Lebenserfahrung" (S. 12 der
Berufungsschrift) statt "in gröbster Willkür" (S. 13 der Beschwerdeschrift)
vorgehalten wird.

Das materielle Recht (hier: Art. 16 und Art. 467 ZGB) bestimmt, was
rechtserheblich ist. Hat das Kantonsgericht über alle rechtserheblichen
Sachvorbringen Beweis führen lassen und die tauglichen und formgültigen
Beweisanträge der Parteien berücksichtigt, ist weder materielles Bundesrecht
noch die Beweisvorschrift in Art. 8 ZGB verletzt (BGE 123 III 35 E. 2b S.
40). Das Ergebnis des kantonalen Beweisverfahrens ist für das Bundesgericht
verbindlich (BGE 126 III 189 E. 2a Abs. 3 S. 191; 125 III 78 E. 3a S. 79).
Diese Unüberprüfbarkeit betrifft insbesondere die Beweiswürdigung, die immer
auch auf sachgerichtlicher Lebenserfahrung beruht (BGE 118 II 365 E. 1 S.
366/367). Nur wo sich das kantonale Gericht auf Erfahrungssätze stützt, die
über den konkreten Sachverhalt hinaus Bedeutung haben und damit gleichsam die
Funktion von Normen übernehmen, überprüft das Bundesgericht solche auf der
gerichtlichen Lebenserfahrung beruhenden Schlüsse im Berufungsverfahren frei.
Diese Regelfunktion kommt einem Erfahrungssatz nun aber bloss zu, wenn das in
ihm enthaltene hypothetische Urteil, das aus den in anderen Fällen gemachten
Erfahrungen gewonnen wird, in gleich gelagerten Fällen allgemeine Geltung für
die Zukunft beansprucht (vgl. die Zusammenfassung in BGE 117 II 256 E. 2b S.
258; seither: BGE 126 III 10 E. 2b S. 12/13). Diese Voraussetzung trifft auf
die kantonsgerichtlichen Schlüsse aus der Krankengeschichte und aus den
Zeugenaussagen nicht zu; sie bleiben im konkreten Einzelfall verhaftet und
beruhen nicht auf Erfahrungssätzen von allgemeiner Tragweite (vgl. dazu mit
Beispielen: Spühler, Wann sind Grundsätze der Lebenserfahrung allgemeine
Rechtssätze ?, SJZ 93/1997 S. 392 ff.; Hohl, Procédure civile, t. I:
Introduction et théorie générale, Bern 2001, S. 217 N. 1129 f., und t. II:
Organisation judiciaire, compétence, procédures et voies de recours, Bern
2002, S. 297 N. 3227 f.).

Ebenso wenig kann auf die Berufung eingetreten werden, soweit der Beklagte
Aktenwidrigkeiten rügt und damit ein offensichtliches Versehen im Sinne von
Art. 63 Abs. 2 OG meint. Sein Einwand bezieht sich wiederum auf die Schlüsse
des Kantonsgerichts aus einer Zeugenaussage und betrifft damit nur einen
Ausschnitt aus der Beweiswürdigung, gegen die mit einer Versehensrüge nicht
aufzukommen ist; die Rüge läuft auf eine unzulässige Kritik an der
kantonsgerichtlichen Beweiswürdigung hinaus (vgl. Messmer/Imboden, Die
eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, S. 138 bei/in Anm.
8; Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation
judiciaire, II, Bern 1990, N. 1.6.3 zu Art. 55 und N. 5.4 zu Art. 63 OG, mit
Nachweisen).

2.3 Gestützt auf die Krankengeschichte des langjährigen Hausarztes der
Erblasserin und in Würdigung des schriftlichen Berichts dieses
sachverständigen Zeugen hat das Kantonsgericht angenommen, dass der
Gesundheitszustand der Erblasserin 1996 durch ein Herzleiden mässig stark
sowie durch Symptome einer senilen Demenz vom Alzheimer-Typ
(Gedächtnisstörungen und Verkennungen v.a.) beeinträchtigt war (E. 3c S. 20
ff.). Auf der Grundlage der weiteren Aussagen von Zeugen und unter
Berücksichtigung des Gutachtens von G-A.________ hat das Kantonsgericht
festgestellt, dass bei der Erblasserin bereits im Zeitraum der Errichtung
ihres Testaments auch für psychiatrische Laien Anzeichen für mnestische
Störungen (scil. Störungen von Gedächtnis, Merkfähigkeit, Auffassung u.a.m.)
und darauf basierenden Wahnideen erkennbar waren (E. 3a S. 14 ff.). Sein
Beweisergebnis hat das Kantonsgericht schliesslich durch ein graphologisches
Gutachten bestätigt gesehen, wonach die Erblasserin an deutlichen
Altersbeschwerden gelitten habe, die sich in einer reduzierten geistigen und
körperlichen Leistungsfähigkeit sowie in einer verminderten persönlichen
Flexibilität und Belastbarkeit geäussert hätten. Das Testament sei
geschrieben worden, als diese Beschwerden schon deutliche Formen angenommen
hätten (E. 3b S. 20 des kantonsgerichtlichen Urteils).

3. In rechtlicher Hinsicht ist das Kantonsgericht davon ausgegangen, dass die
Erblasserin "ihr Testament in einer geistigen Verfassung abgefasst hat,
welche keine Garantie dafür bot, dass sie sich voll bewusst war, was sie
durch ihre Verfügung bewirkte und dass das Niedergeschriebene wirklich ihrem
eigenen Willen entsprach" (S. 22). Das Kantonsgericht hat sich überzeugt
gezeigt, dass die Erblasserin "im Spätherbst 1996 mit grosser
Wahrscheinlichkeit an einer Geistesschwäche litt, welche sie als
grundsätzlich nicht mehr urteilsfähig erscheinen liess" (S. 23). Der Beklagte
wendet ein, Altersdemenz und Alzheimererkrankung würden Urteilsfähigkeit
nicht "per se" ausschliessen. Es müssten höhere Anforderungen an die
Störungen gestellt werden, damit Urteilsunfähigkeit als Normalzustand
angesehen werden könne.

3.1 Entgegen der Darstellung des Beklagten hat das Kantonsgericht die
festgestellte Geistesschwäche nicht einfach mit Urteilsunfähigkeit
gleichgesetzt (E. 1.1 hiervor). Es ist davon ausgegangen, die Geistesschwäche
habe die Urteilsfähigkeit der Erblasserin derart beeinträchtigt, dass sie
nicht mehr in der Lage gewesen sei, "vernunftgemäss zu handeln" (Art. 16
ZGB).

Zutreffend hat das Kantonsgericht angenommen, dass auch alte und sehr alte
Menschen in den Genuss der vermuteten Urteilsfähigkeit gelangen und in diesem
Zusammenhang nicht einfach ausgegrenzt werden. Die Gefahr einer Verminderung
der Geisteskräfte und einer übermässigen Beeinflussbarkeit sowie der
Fremdsteuerung ihres Willens gerade etwa mit Blick auf die Testierfreiheit
lässt sich dennoch nicht übersehen (Bigler-Eggenberger, N. 22 f. zu Art. 16
ZGB; Weimar, Berner Kommentar, 2000, N. 11 zu Art. 467 ZGB). Es ist
beweismässig erstellt, dass die Erblasserin an einer senilen Demenz gelitten
hat und in praktisch geistiger Umnachtung verstorben ist. Der Beklagte
bestreitet heute nicht mehr, dass die Erblasserin bei der Errichtung der
letztwilligen Verfügung aller Wahrscheinlichkeit nach an Alzheimer erkrankt
gewesen sei.

Der Hausarzt hat den Verlauf der senilen Demenz vom Alzheimer-Typ als
kontinuierliche Verschlechterung der intellektuellen Fähigkeiten beschrieben.
Der Gutachter hat bei voller Ausprägung der Hirnschädigung als typische
psychische Begleitsymptome Störungen der mnestischen Funktionen genannt, d.h.
von Gedächtnis, Merkfähigkeit, Auffassung u.a., und ferner Störungen des
Denkens, indem dieses übermässig von affektbetonten Vorstellungen beherrscht
wird, präzise Begriffe verloren gehen und Wichtiges nicht mehr von
Unwichtigem unterschieden werden kann.

3.2 Es stellt sich die Frage, wie weit die festgestellte Krankheit im
Spätherbst 1996 fortgeschritten war und wie nachhaltig sie die
Urteilsfähigkeit der Erblasserin beeinträchtigt hat. Im Einzelnen ergibt sich
rechtlich Folgendes:
3.2.1Zum Beginn der Krankheit haben sich die Zeugen unterschiedlich
geäussert. Z-F.________, während langer Jahre Nachbarin der Erblasserin, will
seit Anfang der Neunzigerjahre eine Wesensveränderung festgestellt haben (S.
15). Dasselbe gilt für die Beobachtungen des Posthalters Z-G.________, der
die Erblasserin nie anders gekannt hat, aber erst 1990 zugezogen ist (S. 16).
Der begutachtende Graphologe hat den Eintritt der von ihm geschilderten
Altersbeschwerden auf vor Ende 1994 angesetzt (S. 20). Die Beobachtungen des
Zeugen Z-H.________ betreffen die Zeit ab Mitte 1996 (S. 22 des
kantonsgerichtlichen Urteils).

Die verschiedenen Angaben können angesichts der unterschiedlichen
Beobachtungsgabe der Zeugen und deren jeweiliger Beziehungsnähe zur
Erblasserin nicht verwundern und darin eine plausible Erklärung finden, dass
- wie der Hausarzt sich ausgedrückt hat - die Erblasserin gewisse
"verschrobene" Seiten gehabt hat, die nicht genau von einer dementiellen
Störung abzugrenzen gewesen sind. Der Hausarzt hat den Beginn der nachmals
als senile Demenz vom Alzheimer-Typ diagnostizierten Krankheit aus
medizinischer Sicht auf das Jahr 1995 festgelegt. Aus eigener Beobachtung hat
er feststellen können, dass die Urteilsfähigkeit der Erblasserin während der
schweren Erkrankungen zwischen 1989 und 1994 jeweilen beeinträchtigt war,
nach der Erholung aber nicht mehr. Ab 1996 will der Hausarzt eine eigentliche
Wesensveränderung bemerkt haben. Eindeutig ist seine zeitliche Festlegung,
wonach die Erblasserin sicher ab dem Spätherbst 1996 an der diagnostizierten
Krankheit gelitten habe (S. 20 ff. des kantonsgerichtlichen Urteils).

Dass die erste Eintragung von Demenzsymptomen in der Krankengeschichte über
die Erblasserin am 7. Dezember 1996 erfolgt ist, gestattet nach der
allgemeinen Lebenserfahrung höchstens den Schluss, dass die Krankheit
angesichts ihres schleichenden Verlaufs schon vor ihrer Diagnose bestanden
hat, hingegen nicht den Umkehrschluss des Beklagten, dass als Krankheit nicht
existiert, was in der Krankengeschichte nicht verzeichnet ist. Es kann
diesbezüglich auf die Ausführungen im Urteil über die staatsrechtliche
Beschwerde verwiesen werden (E. 3.2 dortselbst). Insgesamt muss auf Grund der
kantonsgerichtlichen Feststellungen davon ausgegangen werden, dass die
Erblasserin ab 1996 deutliche Symptome einer senilen Demenz vom Alzheimer-Typ
gezeigt und im Spätherbst 1996 an dieser Krankheit erkennbar gelitten hat.

3.2.2 Wie sich die Krankheit bei der Erblasserin geäussert hat, ist vom
Hausarzt dahin umschrieben worden, die Erblasserin habe sich ab 1996
zurückgezogener und verschlossener gezeigt. Im Rahmen der senilen Demenz sei
es zu beträchtlichen Gedächtnisstörungen mit Verkennung der Situation
gekommen. Der Hausarzt hat für seine Beobachtungen beispielhaft darauf
verwiesen, dass die Erblasserin des öftern nicht mehr wusste, wo sie ihre
Gegenstände verräumt und diese alsdann als gestohlen beklagt habe, wie sie
sich ganz allgemein vor Diebstählen gefürchtet und solche in ungewohnt
starkem Ausmass behauptet und vermutet habe (S. 20  ff. des
kantonsgerichtlichen Urteils).

Die weiteren Zeugen berichten übereinstimmend von der Vergesslichkeit der
Erblasserin und der Verminderung des Kurzzeitgedächtnisses, was Schlüssel,
Geld (S. 19: Z-F.________) oder etwa die Bezahlung von Pachtzinsen (S. 22:
Z-H.________) angeht. Sodann wollen die Zeugen eine geradezu wahnhafte oder
doch auffallende Angst der Erblasserin vor Diebstählen festgestellt haben,
die sich aber - soweit nachprüfbar - nicht ereignet hatten; so soll bei ihr
eingebrochen, soll ihr Geld und sollen ihr Äpfel gestohlen worden sein (S.
16: Z-F.________ und Z-G.________; S. 15: Z-H.________). Vereinzelt werden
eigentliche Wahnvorstellungen erwähnt, wonach die Erblasserin nach
Begegnungen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder gefragt haben soll, die längst
verstorben sind (S. 16 des kantonsgerichtlichen Urteils).

Insgesamt können die beobachteten Eigenheiten weder einzig mit dem hohen
Alter noch allein mit einer gewissen "Verschrobenheit" der Erblasserin
erklärt werden. Sie entsprechen vielmehr den vom Hausarzt und vom Gutachter
genannten Symptomen einer senilen Demenz vom Alzheimer-Typ.

3.2.3 Bei der geschilderten Sachlage kann Geistesschwäche oder gar
Geisteskrankheit im juristischen Sinne nicht verneint werden. Geistesschwäche
liegt vor, wenn auf die Dauer psychische Störungen auftreten, die dem
besonnenen Laien (unter Umständen sehr stark) auffallen, ihm jedoch nicht den
Eindruck uneinfühlbarer, qualitativ tiefgehend abwegiger Störung und
"Verrücktheit" wie bei Geisteskrankheit machen, sondern noch einfühlbar
erscheinen, weil sie nach aussen nur als quantitativ vom "Normalen"
abweichend in Erscheinung treten (Deschenaux/Steinauer, a.a.O., N. 89 S. 28
und N. 122 S. 37 f.; Basler Kommentar, 2002: Langenegger, N. 23 zu Art. 369
ZGB, und Bigler-Eggenberger, N. 29 zu Art. 16 ZGB; Weimar, N. 12-14 zu Art.
467 ZGB).

Entgegen der Darstellung des Beklagten fehlt es nicht an der Dauerhaftigkeit
der Störung im Rechtssinne. Es trifft zwar zu, dass sich die Erblasserin nach
ihren schweren Erkrankungen zwischen 1989 und 1994 und den damit verbundenen
geistigen Beeinträchtigungen jeweilen wieder gut erholt hat. Ab 1996 kann
aber beinahe mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die aufgetretenen
Störungen nicht mehr bloss vorübergehender Art oder bloss altersbedingt
gewesen sind, sondern bleibende Auswirkung einer senilen Demenz. Auch an der
Nachhaltigkeit der Störungen fehlt es nicht. Gewiss haben die kognitiven
Fähigkeiten der Erblasserin nicht derart abgenommen, dass sie den Alltag
nicht mehr hätte bewältigen können. Hier geht es indessen um
Rechtshandlungen, die den Bereich des Gewohnten und Alltäglichen gesprengt
und an die intellektuellen Fähigkeiten Anforderungen gestellt haben, denen
die Erblasserin im Spätherbst 1996 offenkundig nicht mehr gewachsen sein
konnte. Ernsthafte Zweifel daran können angesichts der verbindlichen
Tatsachenfeststellungen des Kantonsgerichts nicht aufkommen. Freilich hatte
die Erblasserin auch gute Tage, doch muss bezüglich ihres Normalzustands
angenommen werden, dass ihre geistige Leistungsfähigkeit erheblich
herabgesetzt und ein eigentlicher Realitätsverlust eingetreten war.

Insgesamt hat das Kantonsgericht kein Bundesrecht verletzt, indem es davon
ausgegangen ist, auf Grund ihres allgemeinen Gesundheitszustands habe die
Erblasserin für den Normalfall sehr wahrscheinlich nicht mehr über die
erforderlichen geistigen Fähigkeiten beim Testieren verfügt.

3.3 Schliesslich beruft sich der Beklagte auf eine sog. Apperzeption, die
hinlänglich erstellt sei (unter Verweis auf die Besprechung des BGE 124 III 5
Nr. 2 von Druey, in: AJP 1998 S. 730 ff., S. 735 Ziffer 5). Im besprochenen
Entscheid hat das Bundesgericht bei der Beurteilung der Urteilsfähigkeit
berücksichtigt, "dass sich die Erblasserin an ihre früheren testamentarischen
Verfügungen offensichtlich nicht mehr erinnerte" (E. 4c/bb S. 17). Es hat die
umstrittene Verfügung auf ihre Vernünftigkeit geprüft und verneint, dass sie
den habituellen Einstellungen und Überzeugungen der Erblasserin entsprach,
was als Indiz gegen die Urteilsfähigkeit gewertet werden musste (E. 4c/cc S.
17 ff.). Insoweit kann gesagt werden, ein Element der Urteilsfähigkeit der
Erblasserin sei "die Fähigkeit der Eingliederung ihres Tuns in den Kontext
ihrer Lebensumstände" (Druey, a.a.O.).

Es wird nicht völlig klar, was der Beklagte aus der genannten Apperzeption
ableiten will. Das Kantonsgericht hat festgestellt, der Beklagte habe sich
während einiger Jahre um die Erblasserin gekümmert und ihr in manchen Dingen
geholfen; die Erblasserin sei ihm sehr zugetan gewesen. Andererseits seien
die Beziehungen zu ihren Angehörigen intakt gewesen, so dass es sich nicht
aufgedrängt habe, alle Verwandten leer ausgehen zu lassen (S. 22/23). Auf
Grund dieser Tatsachenfeststellungen sprechen die Motive der Erblasserin für
ihre letztwillige Verfügung und deren Vernünftigkeit weder für noch gegen
ihre Testierfähigkeit.
Die Vorbringen des Beklagten weisen allerdings auf einen Umstand hin, der als
Indiz dafür gelten kann, dass sich die Erblasserin ihrer Handlungen bzw.
deren Folgen nicht mehr bewusst gewesen ist. In ihrer eigenhändigen
letztwilligen Verfügung wird mit keinem Wort auf den Erbvertrag eingegangen,
mit dem die Erblasserin nur sechs Jahre zuvor dem Kläger 1 ein Maiensäss
hinterlassen hat. Dass sie sich an den damaligen feierlichen Beurkundungsakt
mit Notar und Siegel vor zwei Zeugen nicht mehr erinnert haben soll,
erscheint für die Erblasserin, die in ihrem Leben höchstens ein paar
Standardkaufverträge über landwirtschaftliche Parzellen im kleinen Notariat
geschlossen hat, doch eher als ungewöhnlich, und dass sie den früher
Bedachten in der umstrittenen Verfügung trotz intakter Beziehungen ohne ein
Wort übergeht, spricht gegen das angeführte Kriterium der Apperzeption.

4.
Aus den dargelegten Gründen ist die kantonsgerichtliche Auffassung nicht zu
beanstanden, dass die Erblasserin im Spätherbst 1996 an einer Geistesschwäche
gelitten hat, die sie grundsätzlich als urteilsunfähig hat erscheinen lassen.
In tatsächlicher Hinsicht hat sich damit die dritte Frage gestellt, ob die
Erblasserin trotz vermuteter Urteilsunfähigkeit in einem luziden Intervall
gehandelt hat. Wiewohl der Hausarzt diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen
hat, ist das Kantonsgericht zum Schluss gelangt, der dem Beklagten obliegende
Beweis sei nicht erbracht (S. 23). Der Beklagte kommt darauf in seiner
Berufung nicht zurück, so dass sich Ausführungen dazu erübrigen (Art. 55 Abs.
1 lit. c OG; BGE 116 II 745 E. 3 S. 748 f.). Es bleibt damit beim
kantonsgerichtlichen Ergebnis, dass die eigenhändige letztwillige Verfügung
der Erblasserin mangels Testierfähigkeit als ungültig anzusehen ist.

5.
Der unterliegende Beklagte wird kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.-- wird dem Beklagten auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Kantonsgericht von Graubünden,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Februar 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: