Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.210/2002
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5C.210/2002 /bie

Urteil vom 20. Dezember 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Escher,
Gerichtsschreiber Levante.

Herbert A. Strittmatter, Voa Davos Lai 8, 7077 Valbella, Beklagter und
Berufungskläger, vertreten durch lic.iur. Rechtsanwalt Hans-Jacob Heitz,
Seefeldstrasse 116, Postfach 1221, 8034 Zürich,

gegen

1.UBS AG, Aeschenvorstadt 1, 4051 Basel,
2.Heinz Lemp, Kanzleistrasse 11, 4923 Wynau,
3.Clarence Burkhard, Mas du Mûrier, La Morette,
FR-83520 Roquebrune s/Argens,
Kläger und Berufungsbeklagte, alle 3 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin
Schmid, Hartbertstrasse 11, Postfach 180, 7002 Chur.

Verletzung der Persönlichkeit,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, Zivilkammer,
vom 16. April 2002.

Sachverhalt:

A.
Herbert Strittmatter erstattete gegen Clarence Burkhard und Heinz Lemp am 9.
Mai 1997 Strafanzeige wegen Veruntreuung, Betrugs, arglistiger
Vermögensschädigung, ungetreuer Geschäftsführung, Urkundenfälschung und
Unterdrückung von Urkunden. Er bediente eine Vielzahl von Personen mit einer
Kopie der Strafanzeige und warf im jeweiligen Begleitbrief den ehemaligen
Organen der Bank in Langenthal vor, auf unlautere Art und Weise die Rettung
ihrer gefährdeten Kredite betrieben zu haben. Im Frühjahr 1998
veröffentlichte Herbert Strittmatter ein Buch mit dem Titel "Dallas in
Switzerland". Darin bezichtigte er Heinz Lemp und Clarence Burkhard sowie die
Bank in Langenthal und deren Rechtsnachfolger (SBV) erneut, im Zusammenhang
mit einem umstrittenen Pfandvertrag, abgeschlossen mit seinem Vater Karl
Strittmatter am 25. August 1992 im Restaurant Rössli in Würenlos, und der
späteren Realisierung der Sicherheit kriminelle Machenschaften begangen zu
haben. Im November 1998 liess Herbert Strittmatter das Buch "Befleckte
Westen" erscheinen. Weiter legte er das Kapitel "Mord im Stundenlohn" des
Nachfolgewerkes "Befleckte Westen II" vor.

B.
Die UBS AG (als Rechtsnachfolgerin des SBV), Heinz Lemp und Clarence Burkhard
erhoben am 8. Dezember 1998 und 12. April 1999 Klage wegen Verletzung der
Persönlichkeit beim Bezirksgericht Albula. Mit Urteil vom 3. Juli 2001
erkannte das Bezirksgericht Albula das Folgende:
"1.Es wird Herbert A. Strittmatter verboten, gegenüber Dritten durch
Aushändigung einer Kopie der Strafanzeige vom 9. Mai 1997 oder auf andere
Weise direkt oder indirekt den Vorwurf zu erheben, die UBS AG, Heinz Lemp und
Dr. Clarence Burkhard hätten im Zusammhang mit der Kreditgewährung an ihn
oder von ihm beherrschte Gesellschaften oder im Zusammenhang mit der
Sicherung dieser Kredite strafrechtlich relevanter Mittel bedient.

2. a) Es wird Herbert A. Strittmatter verboten, sein Buch "Dallas in
Switzerland" sowie Auszüge davon weiter zu verbreiten oder Dritten zugänglich
zu machen, das Erscheinen des Werkes anzuzeigen oder für das Werk Werbung zu
betreiben.
b) Es wird Herbert A. Strittmatter verboten, sein Buch "Befleckte Westen"
sowie allfällige Fortsetzungswerke, namentlich auch das Kapitel "Mord im
Stundenlohn" sowie Auszüge oder Übersetzungen davon weiter zu verbreiten oder
Dritten zugänglich zu machen, das Erscheinen der Werke anzuzeigen oder für
die Werke Werbung zu betreiben.

3. a) Herbert A. Strittmatter wird verpflichtet, die in seinem Besitze
verbliebenen Exemplare des Buches "Dallas in Switzerland" sowie Auszüge oder
Übersetzungen davon zur Vernichtung durch das Gericht herauszugeben.
b) Herbert A. Strittmatter wird verpflichtet, die in seinem Besitze stehenden
Exemplare der Werke "Befleckte Westen" oder allfälliger Fortsetzungswerke
sowie Auszüge und Übersetzungen davon zur Vernichtung durch das Gericht
herauszugeben.

4. Die Verbote gemäss Ziffern 1 und 2 vorstehend sowie die Anordnungen gemäss
Ziffer 3 vorstehend werden mit der Strafandrohung von Art. 292 StGB
verbunden, wonach (...)."
Hiergegen erhob Herbert Strittmatter Berufung beim Kantonsgericht von
Graubünden und verlangte die Abweisung der beiden Klagen; in der Folge zog er
die Berufung insoweit zurück, als sie sich gegen die Gutheissung der Klage
betreffend die Verbreitung der Strafanzeige und das Buch "Dallas in
Switzerland" richtete. Mit Urteil vom 16. April 2002 wies die Zivilkammer des
Kantonsgerichts von Graubünden die Berufung ab.

C.
Herbert Strittmatter führt mit Eingabe vom 7. Oktober 2002 eidgenössische
Berufung und beantragt dem Bundesgericht, das Urteil vom 16. April 2002 der
Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden aufzuheben und die Klage
abzuweisen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Sodann ersucht er um aufschiebende Wirkung.

Strittig ist vor Bundesgericht noch die Verurteilung des Beklagten wegen
Verletzung der Persönlichkeit durch die Veröffentlichung des Buches
"Befleckte Westen" und von Auszügen aus allfälligen Fortsetzungen.

Auf das Einholen von Berufungsantworten wurde verzichtet. Das Kantonsgericht
hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Eine in der gleichen Sache erhobene staatsrechtliche Beschwerde (Verfahren
5P.359/2002) wurde mit Urteil vom 20. Dezember 2002 abgewiesen (soweit darauf
eingetreten wurde).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung erweist sich als gegenstandslos, da der
Berufung von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt (Art. 54 Abs. 2 OG;
Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, S. 146
Ziff. 107).

2.
2.1 Die Begründungen der staatsrechtlichen Beschwerde und der Berufung stimmen
weitestgehend wörtlich überein. Die Berufung weicht lediglich insofern von
der staatsrechtlichen Beschwerde ab, als an verschiedener Stelle wörtliche
Passagen aus den Notizen des vor Kantonsgericht verlesenen Plädoyers
wiedergegeben werden (vgl. S. 5 f. 12 ff. und S. 15). Bei dieser Sachlage ist
nach der Rechtsprechung ein strenger Massstab an die formellen Erfordernisse
(Art. 55 Abs. 1 lit. c, Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) der beiden Rechtsmittel
anzulegen (BGE 116 II 745 E. 2b S. 748). Daran ändert nichts, dass der
Beklagte (bis nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) nicht anwaltlich vertreten
gewesen ist.

2.2 Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG muss in der Berufungsschrift dargelegt
werden, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen
Entscheid verletzt worden sind. Unerlässlich ist, dass die Berufung auf die
Begründung des angefochtenen Urteils eingeht und im Einzelnen zeigt, welche
Vorschriften und warum sie von der Vorinstanz verletzt worden sind (BGE 116
II 745 E. 3 mit Hinweisen).

3.
3.1 Nach den Sachverhaltsfeststellungen des Kantonsgerichts werden im Kapitel
"Gauner versus Ganoven" des Buches "Befleckte Westen" die Bankorgane als
Ganoven bezeichnet und dem Bankinstitut Ganovenmentalität unterstellt. Der
Bank und indirekt deren Organen würden kriminelle Handlungen und
betrügerische Machenschaften vorgeworfen. Im erschienenen Schlusskapitel
"Mord im Stundenlohn" der noch unveröffentlichten Fortsetzung ("Befleckte
Westen II") finde sich die den Gegenstand des ersten Buches "Dallas in
Switzerland" bildende Geschichte jenes Bankkunden - des Vaters des Beklagten
-, der auf betrügerische Weise um sein ganzes Vermögen gebracht worden sei.
Zwar würden in dem fraglichen Kapitel weder Kläger 2 noch 3 genannt, noch
liessen die Namen der Protagonisten Rückschlüsse auf die beiden zu.
Allerdings heisse die im Kapitel "Gauner und Ganoven" auftretende Bank
"Helvetische Vereinsbank", was ohne weiteres als Umschreibung von
"Schweizerischer Bankverein", dem Rechtsvorgänger der Klägerin 1, verstanden
werde, während im Kapitel "Mord im Stundenlohn" nur von einer Grossbank mit
eigener Rechtsabteilung die Rede sei. Dies könnte zum Schluss verleiten, dass
nur Klägerin 1 und nur im Zusammenhang mit dem Kapitel "Gauner versus
Ganoven" allenfalls anspruchsberechtigt sei, nicht aber die Kläger 2 und 3.
Nun sei aber, im Frühjahr 1998 - nur wenige Monate vor Herausgabe von
"Befleckte Westen" im November 1998 - "Dallas in Switzerland" auf dem Markt
erschienen, in welchem einerseits die Bank in Langenthal bzw. der
Schweizerische Bankverein und andererseits die für sie tätigen Kläger 2 und 3
namentlich inkriminiert worden seien. Nicht nur stammten die beiden Bücher
vom selben Autor, sondern "Befleckte Westen" nehme auf diese Geschichte
zusammengefasst Bezug im Vorwort und auf dem hinteren Buchdeckel, wobei der
SBV sogar namentlich erwähnt werde. Ferner finde sich dort auch der Hinweis,
im ersten Buch würden die Hintergründe des Geschehens ausgeleuchtet, während
im neuen Buch gezeigt werde, wie Bankkunden in vergleichbaren Fällen durch
ähnlich verwerfliches Geschäftsgebaren zu Schaden gekommen seien. Zudem seien
die beiden Bücher auf dem Bestellzettel zusammen angeboten und im Internet
gemeinsam vorgestellt worden. Offenkundig seien damit Interessenten
angesprochen worden, die über die im ersten Buch erhobenen Anschuldigungen im
Bild gewesen seien, bzw. wollte man Gewähr haben, dass sich neue Kunden damit
ebenfalls vertraut machen würden. Schliesslich werde auf der Homepage des
Beklagten Auskunft darüber gegeben, welche richtigen Namen hinter den im Buch
verwendeten Pseudonymen stünden. Aus all dem gewinne der Durchschnittsleser
den Eindruck, die im ersten Buch ("Dallas in Switzerland") genannten
angeblich verbrecherisch handelnden Personen legten eine Gesinnung an den
Tag, wie sie auch den in "Befleckte Westen" und im Kapitel "Mord im
Stundenlohn" des noch nicht erschienenen Buches "Befleckte Westen II"
umschriebenen Tätern eigen sei.

3.2 Soweit der Beklagte (unter Ziff. 3.1.1 bis 3.1.6 der Berufungsschrift)
inbesondere vorbringt, nicht er, sondern ein Dritter - der im Buch genannte
"Ahmed" - habe die Kläger mit Ganovenbank bzw. Ganoven und Gauner bezeichnet,
und das Kantonsgericht habe zu Unrecht übergangen, dass die zweite Ausgabe
von "Dallas in Switzerland" gleichzeitig mit "Befleckte Westen"
herausgekommen ist, kann er nicht gehört werden. Gleiches gilt für seine
Ausführungen im Zusammenhang mit der Einstellung des Strafverfahrens. Die
Vorbringen betreffen nicht Rechtsfragen, sondern Sachverhaltselemente und
damit Tatfragen, welche im Berufungsverfahren unzulässig sind (Art. 63 Abs. 2
OG).

3.3 Der Beklagte erklärt weiter, die "Unregelmässigkeiten", die sich die
Klägerin 1 auf internationalem Parkett leiste, seien "pressenotorisch" und
hätten zu keinen Klagen wegen Persönlichkeitsverletzung geführt. Bei der
Klägerin 1 handle es sich um eine Person des Zeitgeschehens, und die Presse
interessiere sich für alles, was diese juristische Person und ihre Exponenten
machten. Das Vorbringen des Beklagten, dass die Messlatte bei einer
juristischen Person des Zeitgeschehens, was beim SBV der Fall sei,
(sinngemäss) zu wenig hoch angesetzt worden sei, berührt an sich eine
Rechtsfrage. Der Beklagte geht indessen in keiner Weise auf die Begründung
des angefochtenen Urteils ein und zeigt nicht im Einzelnen, inwiefern das
Kantonsgericht die Regeln über die Rechtfertigung von Eingriffen in die
Persönlichkeit im Falle von Personen der Zeitgeschichte unrichtig angewendet
habe (vgl. BGE 127 III 481 E. 2c S. 488 ff.). Insoweit kann auf die Rüge
mangels Substantiierung nicht eingetreten werden.

3.4 Sodann bringt der Beklagte vor, das Verbot des Buches "Befleckte Westen"
sowie des noch nicht erschienenen Buches "Befleckte Westen II" sei
unverhältnismässig, zumal nur zwei kurze Passagen von Seiten der Kläger
kritisiert worden seien. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die
Vorinstanz nicht nur "Befleckte Westen", sondern auch das veröffentlichte
Kapitel "Mord im Stundenlohn" des noch nicht erschienenen Buches als
persönlichkeitsverletzend eingestuft hat. Im Übrigen genügt die pauschal
vorgebrachte Rüge, der von der Vorinstanz gutgeheissene Unterlassungsanspruch
der Kläger sei unverhältnismässig, den Begründungsanforderungen nicht. Soweit
es sich um das Verbot der weiteren Verbreitung bereits erschienener Bücher
handelt, liegt es in der Natur der Sache, dass die blosse Unterdrückung nur
gewisser Passagen gar nicht (mehr) möglich ist. Was das Verbot der
Verbreitung "allfällige(r) Fortsetzungswerke, namentlich auch (des)
Kapitel(s) 'Mord im Stundenlohn'" betrifft, so übergeht der Beklagte, dass
ihm künftige Publikationen, die sich ehrenrühriger Äusserungen in dem Sinne
enthalten, wie sie im vorliegenden Prozess zur Diskussion stehen, nicht
untersagt worden sind.

3.5 Schliesslich macht der Beklagte geltend, dass die Tatsachen, die den
Klägern ein Dorn im Auge seien, als Teile des Schlussberichts des
aargauischen Untersuchungsamtes im Rahmen einer Fernsehsendung durch Tele M 1
veröffentlich worden seien, ohne dass etwas dagegen unternommen worden sei.
Was der Beklagte in diesem Zusammenhang vorbringt, geht indessen aus dem
angefochtenen Urteil nicht hervor und kann - als neue tatsächliche
Behauptungen - im Berufungsverfahren nicht berücksichtigt werden (Art. 55
Abs. 1 lit. c OG).

4.
Aus diesen Gründen kann auf die Berufung insgesamt nicht eingetreten werden.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beklagte kostenpflichtig (Art. 156
Abs. 1 OG). Da auf die Einholung von Berufungsantworten verzichtet wurde,
entfällt eine Entschädigungspflicht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beklagten auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden
(Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Dezember 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: