Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.206/2002
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5C.206/2002 /min

Urteil vom 9. Dezember 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber von Roten.

Konkursmasse B.________ CSLT, Inhaber: B.________,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Advokat Georges Schmid-Favre,
Brückenweg 6, 3930 Visp,

gegen

K.________,
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas
Probst, Postfach 109, 2035 Corcelles NE.

Kollokationsklage,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts Wallis (Zivilgerichtshof I) vom
29. August 2002.

Sachverhalt:

A.
Am 1. September 1997 schloss K.________ einen "Darlehensvertrag" mit der
Einzelfirma B.________ CSLT, Beratung in Finanz- und Börsengeschäften und
damit zusammenhängenden Tätigkeiten. K.________ übergab B.________, dem
Inhaber der Einzelfirma, den Darlehensbetrag von Fr. 300'000.-- in Form eines
Bankchecks und erhielt von B.________ eine Inhaberobligation mit
Grundpfandverschreibung als Faustpfand zur Sicherstellung des Darlehens
ausgehändigt. Der Darlehensbetrag sollte verzinst (12 % pro Jahr) und
gewinnbringend (8 1/3 % pro Monat unter Einschluss der monatlich anfallenden
Vertragszinsen) an der Börse eingesetzt werden, und zwar auf unbestimmte
Zeit, mindestens aber für die Dauer eines Jahres. Zwischen Oktober 1997 und
November 1998 bezahlte B.________ insgesamt Fr. 200'000.-- an K.________ als
Gewinnbeteiligung aus.

B.
Über die vorgenannte Einzelfirma B.________ CSLT wurde am 9. Mai 2000 der
Konkurs eröffnet. K.________ meldete dem Konkursamt Visp als pfandgesicherte
Forderung den Darlehensbetrag von Fr. 300'000.-- nebst Zins ab
Konkurseröffnung sowie den bis dahin aufgelaufenen Vertragszins von Fr.
72'900.--. Seine Forderung wurde pfandgesichert mit Fr. 129'733.35 im
Kollokationsplan zugelassen. Das Konkursamt Visp brachte "Rückzahlungen" von
Fr. 200'000.-- in Abzug und setzte den Vertragszins auf Fr. 29'733.35 herab.
Die Pfandsicherheit hat einen Schätzungswert von rund Fr. 264'000.--.

C.
Klageweise verlangte K.________ die Kollokation seiner Forderung im vollen
Betrag gemäss Konkurseingabe. Der Bezirksrichter I in Visp wies die
Kollokationsklage in der Sache ab, korrigierte aber die konkursamtliche
Zinsberechnung und wies die beklagte Konkursmasse an, die pfandgesicherte
Forderung des Klägers auf Fr. 148'600.--, plus 12 % Zins auf Fr. 100'000.--
für die Zeit ab 9. Mai 2000 bis zur Pfandverwertung, zu kollozieren (Urteil
vom 16. Januar 2002).

D.
Das Kantonsgericht Wallis (Zivilgerichtshof I) hiess die Berufung des Klägers
gut und wies die beklagte Konkursmasse an, "zugunsten von K.________ eine im
ersten Range durch die drei Grundstücke Nr. aaa, Plan ... in X.________ und
Nr. bbb, Plan ..., und Nr. ccc, Plan ... in W.________ pfandgesicherte
Konkursforderung von Fr. 372'900.-- zu kollozieren, plus 12 % Zins auf Fr.
300'000.-- für die Zeit vom 9. Mai 2000 bis zur Pfandverwertung, soweit der
Pfanderlös den Betrag der Forderung und des bis zur Konkurseröffnung
aufgelaufenen Zinses übersteigt" (Urteil vom 29. August 2002).

E.
Mit eidgenössischer Berufung beantragt die beklagte Konkursmasse dem
Bundesgericht, die klägerische Forderung gemäss bezirksrichterlichem Urteil
zu kollozieren. Das Kantonsgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet und
auf sein Urteil verwiesen. Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
In Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags hat das
Kantonsgericht festgehalten, der Kläger habe sich von B.________ neben dem
Zins bzw. statt des Zinses noch einen Anteil am Gewinn zusichern lassen, ohne
sich mit diesem irgendwie gesellschaftlich zu verbinden (sog. partiarisches
Darlehen). Weil das Darlehen befristet gewesen sei und dem Kläger auch nie
gekündigt worden sei, hätten die Zahlungen, die B.________ während der Dauer
des Darlehensvertrags an den Kläger geleistet habe, nicht als Rückzahlungen
auf die Darlehensschuld erfolgen können; bei den geleisteten acht Monatsraten
im Gesamtbetrag von Fr. 200'000.-- habe es sich um ausbezahlte Gewinnanteile
gehandelt (E. 4a S. 9 ff.). Die Beklagte wendet gegen die Auslegung nichts
ein. Sie beanstandet lediglich den kantonsgerichtlichen Schlusssatz, wonach
der Kläger zu Recht darauf hingewiesen habe, dass eine Uminterpretation der
Gewinnauszahlungen in vorzeitige Darlehensrückzahlungen ein widersprüchliches
Verhalten der Beklagten darstelle und keinen Rechtsschutz verdiene (E. 4a/bb
S. 11 a.E.). Die Beklagte verwahrt sich gegen den "Vorwurf" widersprüchlichen
Verhaltens (Art. 2 Abs. 2 ZGB). Auf die Rüge kann nicht eingetreten werden.
Denn das Kantonsgericht hat Rechtsschutz gewährt und die strittige
Qualifikation der Zahlungen vorgenommen, womit sich sein Hinweis auf das
rechtsschutzausschliessende Verbot offenbaren Rechtsmissbrauchs weder als
entscheiderheblich noch als streitentscheidend erweist. Blosse Erwägungen
aber bedeuten keine Beschwer (BGE 103 II 155 E. 3 S. 160; 111 II 398 E. 2b).

2.
In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass B.________ mit dem ihm übergebenen
Geld keinen Gewinn erwirtschaftet, sondern gegenüber seinen Darlehensgebern
nur vorgetäuscht hat, er sei an der Börse erfolgreich gewesen. Da beim
partiarischen Darlehen die Ertragsbeteiligung nur bedingt geschuldet und
insofern die Erzielung eines Ertrags vorausgesetzt ist, hält die Beklagte den
Kläger im Umfang der fiktiven "Gewinn"-Auszahlungen von Fr. 200'000.-- für
ungerechtfertigt bereichert. Diesen Betrag hat sie mit der Konkursforderung
verrechnet. Sodann macht die Beklagte geltend, der Darlehensvertrag sei
teilnichtig und die Gewinnbeteiligung auf das erlaubte Mass herabzusetzen.

2.1 Im Kollokationsprozess kann die beklagte Konkursmasse alle materiellen
und prozessrechtlichen Einreden und Einwendungen erheben, die ihr selbst (als
Partei, aus Verwaltung der Konkursaktiven u.a.m.) oder dem Schuldner gegen
den Kläger zustehen (statt vieler: Hierholzer, Basler Kommentar, 1998, N. 62
zu Art. 250 SchKG). Letzternfalls braucht weder eine Vertretung des
Schuldners durch die Konkursmasse, noch ein Übergehen der Einreden des
Schuldners an die Konkursmasse noch sonst etwas Ähnliches konstruiert zu
werden, wie das die Beklagte mit dem unzutreffenden Beispiel des
Vertragseintritts gemäss Art. 211 SchKG versucht. Denn der Kläger kann nur
dann Kollokation und Befriedigung aus der Konkursmasse verlangen, soweit ihm
gegenüber dem Schuldner ein Anspruch zusteht. Darüber kann im
Kollokationsprozess aber nur entschieden werden, wenn die beklagte
Konkursmasse die Einreden gegen den Anspruch erheben darf, die und wie sie
dem Schuldner persönlich zustehen (vgl. dazu Göschke, Kollokationsplan und
Kollokationsklage im schweizerischen Betreibungsrecht, Diss. Bern 1915, S.
177 f.; Brunner/Reutter, Kollokations- und Widerspruchsklagen nach SchKG,
2.A. Bern 2002, S. 63 ff.; z.B. BGE 119 II 326 E. 2e S. 329; 115 II 349 E. 3
S. 354; 106 II 141 E. 3c S. 145).

2.2 Ihre Verrechnungseinrede begründet die Beklagte mit einem Anspruch, der
B.________ gegen den Kläger aus ungerechtfertigter Bereicherung zustehen
soll. Sie hat die Konkursforderung des Klägers deshalb nur im Mehrbetrag
kolloziert (für die Vorgehensweise: z.B. BGE 83 III 67 E. 3 S. 71). In
tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass B.________ ganz bewusst Gewinne
vorgetäuscht und Geldbeträge als "Gewinne" ausbezahlt hat, die mit dem
investierten Kapital nicht erzielt worden sind. Nach Auffassung des
Kantonsgerichts kann er das Geleistete nicht zurückfordern, weil er eine
"Nichtschuld freiwillig bezahlt" hat, ohne "dass er sich über die
Schuldpflicht im Irrtum befunden hat" (Art. 63 Abs. 1 OR). Gegen die
kantonsgerichtliche Überlegung (E. 4b S. 11 f.) wendet die Beklagte ein, auf
einen Irrtum komme es gar nicht an. Denn entscheidend sei, dass der Grund der
Darlehensübergabe, nämlich an der Börse Geld zu erzielen, sich nicht
verwirklicht habe und dass der Kläger zur Rückerstattung verpflichtet sei,
weil er aus einem nicht verwirklichten Grund eine Zuwendung von B.________
erhalten habe (Art. 62 Abs. 2 OR). Wie die Beklagte allerdings zu Recht
hervorhebt, steht diesem der zur Verrechnung gestellte Bereicherungsanspruch
nicht zu, falls er sich die Nichtverwirklichung des Grundes für die
Darlehensübergabe selbst zuzuschreiben hat (BGE 104 II 202 E. 4 S. 203; 105
II 92 E. 4b S. 98; so bereits Becker, Berner Kommentar, 1941, N. 18 zu Art.
62 OR; Art. 156 OR analog). Davon muss hier ausgegangen werden. Gemäss den
kantonsgerichtlichen Feststellungen hat B.________ keine Börsengewinne
erzielt und das ihm übergebene Geld weitgehend zweckentfremdet und für eigene
Bedürfnisse verwendet; er ist nach seinen eigenen Angaben Verpflichtungen
eingegangen, die er nie einhalten konnte (E. 2d S. 7 mit Verweis auf das
bezirksrichterliche Urteil, E. 6 S. 8 ff.). Unter diesen Umständen aber
erscheint die Rückforderung des Geleisteten als rechtsmissbräuchlich, nachdem
B.________ das Darlehen des Klägers von Beginn an weder vereinbarungsgemäss
investieren wollte, geschweige denn konnte (Art. 2 Abs. 2 ZGB). Bei diesem
Ergebnis kann dahingestellt werden, ob ihm jemals ein Bereicherungsanspruch
gegen den Kläger zugestanden hat und inwieweit die Beklagte eine daherige
Forderung zur Verrechnung stellen konnte.

2.3 Mit der von der Beklagten erhobenen Einrede der (Teil-)Nichtigkeit des
Darlehensvertrags hat sich das Kantonsgericht nicht näher befasst und auf die
einlässliche Begründung im bezirksrichterlichen Urteil verwiesen, zumal die
Beklagte lediglich die Argumente wiederhole, die sie vor erster Instanz
vorgetragen habe, ohne sich mit der überzeugenden Begründung des
Bezirksrichters auseinander zu setzen (E. 6 S. 15). Dass eine solche
Begründung nicht genügt, nimmt auch das Bundesgericht an (Art. 55 Abs. 1 lit.
c OG; BGE 84 II 107 E. 1 S. 110), und dass das Kantonsgericht sich mit ihrer
Einrede nicht befasst habe, trifft entgegen der Darstellung der Beklagten
nicht zu, da eine verwiesene ja eine durchwegs ausreichende Begründung sein
kann (Art. 51 Abs. 1 lit. c OG; BGE 119 II 478 E. 1c/d S. 480). Der
Bezirksrichter hat an der angegebenen Stelle den Einwand der Nichtigkeit
gemäss Art. 20 Abs. 1 OR verworfen mit der Begründung, B.________ habe den
Kläger durch betrügerische Machenschaften zur Kapitalanlage bewogen, so dass
es offensichtlich rechtsmissbräuchlich wäre, sich auf dessen eigenes
Täuschungsmanöver zu berufen (E. 9 S. 14). Mit dieser Begründung setzt sich
die Beklagte in ihrer Berufungsschrift nicht auseinander. Ihre Darlegungen
dazu, worin die Nichtigkeit bestehen soll, gehen an den massgebenden
Entscheidungsgründen vorbei, so dass darauf nicht eingetreten werden kann
(Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 116 II 745 E. 3 S. 748 f.).

3.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger im Konkurs bedeutet, dass
jeder Gläubiger Anspruch auf gleichzeitige und gleichmässige Befriedigung aus
dem schuldnerischen Vermögen bzw. aus dem Verwertungsergebnis hat, soweit
keine gesetzlichen Vorzugsrechte bestehen. Das Prinzip der Gleichbehandlung
der Gläubiger wird somit einzig durch die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen
durchbrochen, sei es, dass die Wirkungen eines gültig bestellten Pfandrechts
anerkannt werden, oder sei es, dass einer Forderung ein Privileg zuerkannt
wird. Die Regeln über Umfang und Rang der Kollokation gewährleisten deshalb
die Gleichbehandlung der Gläubiger im Rahmen des Gesetzes, und jede
Abweichung von jenen Regeln bedeutet einen Verstoss gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz (BGE 105 III 92 E. 2a S. 94; 111 III 86 E. 2b S.
88; 123 III 60 E. 5c S. 65). Die Beklagte verkehrt diese Leitsätze in ihr
Gegenteil, wenn sie den Kläger schlechter kollozieren will, um dadurch eine
gerechtere Verteilung unter der Vielzahl der Gläubiger zu erreichen, die mit
dem Schuldner teilweise weniger günstige Verträge als der Kläger geschlossen
und im Unterschied zu diesem keine Gewinnanteile ausbezahlt erhalten haben.
Die Kollokation geht indessen der Verteilung voran, und der Anspruch auf
Gleichbehandlung in der Verteilung darf die gerichtliche Beurteilung von
Umfang und Rang der Konkursforderung im Kollokationsprozess nicht
beeinflussen. Mehr oder anderes bleibt - jedenfalls auf Grund der Vorbringen
der Beklagten - den zutreffenden Ausführungen des Kantonsgerichts nicht
beizufügen (E. 5 S. 13 ff.).

4.
Die unterliegende Beklagte wird kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Kantonsgerichts Wallis (Zivilgerichtshof I) vom 29. August 2002 wird
bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Wallis
(Zivilgerichtshof I) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Dezember 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: