Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.1b/2002
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5C.1/2002 /zga

Urteil vom 29. Juli 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichterin Hohl, Ersatzrichter Zünd,
Gerichtsschreiber Schneeberger.

X. ________,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur.
Matthias Kuster, Bahnhofstrasse 24, Postfach 4764, 8022 Zürich,

gegen

Y.________,
Kläger und Berufungsbeklagten.

Kollokation

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche
Abteilung, vom 6. November 2001
Sachverhalt:

A.
In der konkursamtlichen Liquidation des Nachlasses von A.________, gestorben
am ***1990, nahm das Konkursamt Zug im Kollokationsplan in der fünften Klasse
unter anderem eine Forderung der liechtensteinischen X.________ aus Darlehen
in der Höhe von Fr. 4'184'963.70 (inkl. Zins) und eine Forderung von
Rechtsanwalt Dr. Y.________ aus Rückkaufsverpflichtung für Aktien in der Höhe
von Fr. 1'628'273.95 (inkl. Zins) auf.

B.
Y.________ verlangte mit Klage vom 13. August 1998 gegen die X.________, es
sei festzustellen, dass die im Konkursverfahren über den Nachlass von
A.________ angemeldete und zugelassene Forderung der Beklagten nicht bestehe,
und sie sei aus dem Kollokationsplan zu streichen. Das Kantonsgericht des
Kantons Zug wies die Klage mit Urteil vom 5. April 2000 ab, wogegen der
Kläger kantonale Berufung an das Obergericht des Kantons Zug führte. Dieses
hiess das Rechtsmittel mit Urteil vom 6. November 2001 gut und stellte fest,
dass die im Kollokationsplan in der fünften Klasse unter der Ordnungs-Nummer
6 anerkannte Forderung der Beklagten in der Höhe von Fr. 4'184'963.70 nicht
besteht.

C.
Am 17. Dezember 2001 reichte die Beklagte beim Bundesgericht Berufung ein mit
dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen,
eventuell die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für
das bundesgerichtliche Verfahren wurde die unentgeltliche Rechtspflege
beantragt.

Mit Beschluss vom 20. Februar 2002 wies das Bundesgericht, II.
Zivilabteilung, das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab und forderte von
der Beklagten den Kostenvorschuss ein. Auf Gesuch des Klägers verfügte der
Instruktionsrichter sodann am 19. April 2002 die Sicherstellung einer
allfällig von der Beklagten zu leistenden Parteientschädigung.

Mit Berufungsantwort vom 22. Mai 2002 beantragte der Kläger, die Berufung
abzuweisen. Das Obergericht hat unter Hinweis auf die Erwägungen im
angefochtenen Entscheid auf Gegenbemerkungen verzichtet und schliesst auf
Abweisung der Berufung, soweit auf sie einzutreten ist.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Ein Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG, mit dem über eine Kollokationsklage
befunden worden ist, kann mit Berufung an das Bundesgericht weitergezogen
werden (BGE 93 II 436 E. 1; vgl. 120 II 365). Weil vorliegend die
Streitwertgrenze nach Art. 46 OG offensichtlich überschritten ist (BGE 81 III
73 E. 2. S. 76; vgl. 101 III 99 E. 1 S. 102 f.; 93 II 82 E. 1 S. 85 mit
Hinw.; 87 II 190 S. 193), steht dem Eintreten auf die Berufung grundsätzlich
nichts entgegen.

2.
Im angefochtenen Urteil wird in Anwendung liechtensteinischen Rechts
ausgeführt, das Darlehen sei ein Realkontrakt, für dessen Entstehung die
Beklagte nebst dem Vorliegen übereinstimmender Willenserklärungen zu beweisen
habe, dass sie ihre Leistung tatsächlich erbracht habe, dass also die
Darlehensvaluta, bzw. die einzelnen Teilbeträge in das Vermögen A.________s
übergegangen seien. Somit müsse das Geld von diesem - allenfalls von einem
Dritten - tatsächlich entgegengenommen worden sein. Dieser Beweis sei aber
nicht erbracht, weil die Angabe in der Steuererklärung höchstens Indiz und
von den Steuerbehörden nicht anerkannt worden sei. Zudem erscheine die
Aussage des Zeugen Z.________ nicht glaubhaft (E. 4 S. 7 ff., insbes. E. 4.4
und 4.5 S. 9 ff.). Nach Ansicht der Beklagten verstösst dies in mehrfacher
Hinsicht gegen Bundesrecht.

2.1 Gemäss dem angefochtenen Urteil muss die Beklagte hinnehmen, dass kein
Darlehensvertrag zustande gekommen ist. In diesem Zusammenhang macht die
Beklagte geltend, Art. 8 ZGB sei nicht richtig angewendet worden. Zur
Begründung führt sie aus, alle ihre Angaben zum Entstehen des
Darlehensvertrages seien unbestritten geblieben. So habe A.________ seiner
Zeit die Forderung der Beklagten schriftlich anerkannt und das Darlehen zum
Teil zurückbezahlt. Ihre Beweise seien übergangen worden.

Zwar schützt Art. 8 ZGB den Anspruch einer Partei, rechtserhebliche Beweise
vorbringen zu können, und regelt die Beweislast, d.h. die Folgen der
Beweislosigkeit (BGE 126 III 315 E. 4a S. 317 mit Hinweisen). Obwohl die
Beklagte mit ihren Rügen die genannten Problemkreise rechtsgenüglich
anspricht (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG), können ihre Rügen nicht durchdringen:
Denn Art. 8 ZGB ist nur auf die vom Bundesprivatrecht beherrschten
Rechtsbeziehungen anwendbar, kann also bei der Anwendung ausländischen Rechts
keine Geltung haben (BGE 124 III 134 E. 2b/bb S. 143; 115 II 300 E. 3 S. 303,
je mit Hinweisen). Das Obergericht hat auf den Darlehensvertrag
liechtensteinisches Recht angewendet. Mit Berufung könnte zwar als Verletzung
der Kollisionsnormen des schweizerischen internationalen Privatrechts und
damit von Bundesrecht (Art. 43a Abs. 1 OG; Messmer/Imboden, Die
eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Rz. 76 S. 107) geltend gemacht
werden, es hätte statt des liechtensteinischen Rechts schweizerisches Recht
angewendet werden sollen, was der Kläger aber zu Recht unterlässt. Denn bei
fehlender Rechtswahl ist das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort derjenigen
Partei anzuwenden, welche die charakteristische Leistung erbringt (Art. 117
Abs. 2 und 3 IPRG). Demnach bestimmt das Domizil der Beklagten als angebliche
Darlehensgeberin das anzuwendende Recht (BGE 118 II 348 E. 3 S. 352 mit
Hinw.). Ist aber auf das behauptete Darlehen liechtensteinisches Recht
anwendbar, so gilt dies auch mit Bezug auf Art. 8 ZGB, wobei die
unzutreffende Anwendung des ausländischen Rechts mit Berufung vorliegend
nicht gerügt werden kann, da eine vermögensrechtliche Streitigkeit in Frage
steht (Art. 43a Abs. 2 OG e contrario; BGE 126 III 492 E. 3a S. 493 mit
Hinw.).
2.2 Nach Meinung der Beklagten beruht die Auffassung des Obergerichts, der
Nachweis der Übergabe der Darlehensvaluta sei nicht erbracht, auf einem
offensichtlichen Versehen, welches in Anwendung von Art. 63 Abs. 2 OG zu
korrigieren sei. Diese Rüge scheitert aus zwei Gründen:

Selbst wenn der Sachverhalt aufgrund der Rüge ergänzt werden könnte, würde
das der Beklagten nicht helfen. Denn auf den allenfalls ergänzten Sachverhalt
wäre nicht Bundesrecht sondern liechtensteinisches Recht anzuwenden. Insoweit
fehlt ein Berufungsgrund und somit auch die Befugnis des Bundesgerichts zur
Überprüfung der Rechtsanwendung (E. 2.1 a.E. hiervor).

Ein offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 55 Abs. 1 lit. d und Art. 63
Abs. 2 OG liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn die Vorinstanz eine
bestimmte Aktenstelle übersehen oder unrichtig, d.h. nicht in ihrer wahren
Gestalt, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen Wortlaut, wahrgenommen hat
(BGE 109 II 159 E. 2b S. 162; 104 II 68 E. 3b S. 74), was hier nicht der Fall
ist.  Das Obergericht hat gestützt auf verschiedene Indizien den Schluss
gezogen, die Darlehenszahlung sei unbewiesen geblieben; auch hat es der
Beklagten mangelnde Substanziierung angelastet (E. 4.5.2 f. S. 10 f.). Die
Beklagte kritisiert mit ihrer Versehensrüge vielmehr  - in unzulässiger Weise
-  die Beweiswürdigung (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 109 II 159 E. 2b S. 162
f.; allgemein 125 III 78 E. 3a S. 79).

2.3 Die Beklagte beruft sich auf den Beschwerdegrund von Art. 43a Abs. 1 lit.
a OG und macht geltend, nach dem massgebenden liechtensteinischen Recht hätte
ein Rückforderungsanspruch bejaht werden müssen. Sie verkennt die Tragweite
von Art. 43a Abs. 1 lit. a OG: Nach dieser Bestimmung kann mit Berufung auch
geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid habe nicht ausländisches
Recht angewendet, wie es das schweizerische internationale Privatrecht
vorschreibe. Gestützt hierauf hat das Bundesgericht nicht nur zu überprüfen,
ob ein Sachverhalt ausländischem Recht untersteht, sondern auch, welches
ausländische Recht Anwendung findet. Hingegen darf es grundsätzlich nicht
prüfen, ob das massgebende ausländische Recht richtig angewendet worden ist.
Die unzutreffende Anwendung des ausländischen Rechts kann, wie schon
ausgeführt (E. 2.1 in fine), gestützt auf Art. 43a Abs. 2 OG zwar bei nicht
vermögensrechtlichen Zivilstreitigkeiten geltend gemacht werden, nicht aber
bei vermögensrechtlichen. Ob das massgebende liechtensteinische Recht durch
das Obergericht richtig angewendet worden ist, entzieht sich damit der
Überprüfung durch das Bundesgericht im Berufungsverfahren.

2.4 Die Beklagte macht schliesslich geltend, der Sachverhalt hätte durch das
Obergericht nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Darlehensvertrags, sondern
auch eines Schuldübernahmevertrags sowie eines abstrakten Schuldbekenntnisses
geprüft werden müssen, wofür schweizerisches Recht anwendbar sei.

Auf die Frage der Anknüpfung, liechtensteinisches oder schweizerisches Recht,
braucht nicht eingegangen zu werden. Unter dem Gesichtspunkt eines
Schuldübernahmevertrags (Art. 176 OR) lassen sich dem angefochtenen Entscheid
keine Sachverhaltsfeststellungen entnehmen. Es ergibt sich daraus nicht
einmal, wessen und welche Schuld der verstorbene A.________ übernommen haben
soll, ebenso fehlen Angaben über die für die Vertragsentstehung wesentlichen
Willenserklärungen. Was ein abstraktes Schuldbekenntnis betrifft (Art. 17
OR), so bedürfte es hierfür der Erklärung des Schuldners gegenüber dem
Gläubiger, dass eine bestimmte Schuld bestehe. Auch über eine solche
Erklärung lässt sich dem angefochtenen Entscheid nichts entnehmen. Fehlt es
an Sachverhaltsfeststellungen, welche erst die Anwendung von Bundesrecht
erlauben, so kann das Bundesgericht die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts
zwar an die kantonale Instanz zurückweisen (Art. 64 Abs. 1 OG). Da im
bundesgerichtlichen Berufungsverfahren neue Tatsachenvorbringen aber
unzulässig sind (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG), können Sachverhaltsergänzungen
nur insoweit verlangt werden, als entsprechende Sachbehauptungen im
kantonalen Verfahren frist- und formgerecht aufgestellt, vom Gericht jedoch
zu Unrecht übergangen worden sind, was in der Berufungsschrift im Einzelnen
anzugeben und mit Aktenhinweisen zu belegen ist (BGE 119 II 353 E. 5c/aa S.
357 mit Hinweisen; 115 II 464 E. 1 S. 465). In der Berufungsschrift werden
solche Angaben indessen nicht gemacht.

3.
Die Berufung erweist sich damit als erfolglos. Dementsprechend hat die
unterliegende Beklagte die Gerichtsgebühr zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG) und
dem Kläger die durch das bundesgerichtliche Verfahren verursachten
notwendigen Kosten zu ersetzen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Die
Parteientschädigung wird nach Art. 160 OG i.V.m. dem Tarif für die
Entschädigung an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Bundesgericht vom
9. November 1978 (SR 173.119.1) bemessen. Danach umfasst die Entschädigung
die Anwaltskosten (Art. 3 des Tarifs), die Auslagen (Art. 2 Abs. 1) sowie, wo
besondere Verhältnisse dies rechtfertigen, eine angemessene Entschädigung für
weitere durch den Prozess verursachte Umtriebe (Art. 2 Abs. 2). Vorliegend
hat sich der Kläger nicht durch einen anderen Anwalt vertreten lassen,
weshalb die Entschädigung von Anwaltskosten entfällt. Er übt indessen selber
den Anwaltsberuf aus, und er hat in einer komplexen Rechtssache mit hohem
Streitwert eine Berufungsantwort eingereicht, die erheblichen Arbeitsaufwand
verursachte und den Rahmen dessen überschreitet, was der Einzelne üblicher-
und zumutbarerweise nebenbei zur Besorgung der persönlichen Angelegenheiten
auf sich zu nehmen hat. Es rechtfertigt sich daher, ihm für Umtriebe eine
Entschädigung zuzusprechen (BGE 110 V 132 E. 4d und 7 S. 134 f. und 137;
zuletzt 125 II 518 E. 5b S. 519 f. mit Hinweisen), die allerdings weit unter
dem Anwaltshonorar festzulegen ist. Im Rahmen der Sicherstellung einer
allfälligen Parteientschädigung hat der Instruktionsrichter die Beklagte zwar
zur Hinterlegung eines vollen Anwaltshonorars angehalten, dies aber deshalb,
weil vor Erstattung der Berufungsantwort noch nicht feststand, ob der Kläger
einen anderen Anwalt mit der Ausfertigung der Berufungsantwort beauftragen
würde oder nicht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung, vom 6. November
2001 wird bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 14'000.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
2'000.-- zu entschädigen. Die Bundesgerichtskasse wird angewiesen, diesen
Betrag dem Kläger aus der von der Beklagten hinterlegten Sicherheitsleistung
auszurichten und den Restbetrag der Beklagten zurückzuerstatten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Juli 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: