Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.196/2002
Zurück zum Index II. Zivilabteilung 2002
Retour à l'indice II. Zivilabteilung 2002


5C.196/2002 /dxc

Urteil vom 20. November 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber von Roten.

K. ________,
Klägerin und Berufungsklägerin,

gegen

B.________,
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph
Häberli, Postfach 3321, 8021 Zürich.

Krankentaggeldversicherung nach VVG,

Berufung gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau als
Versicherungsgericht vom 3. Juli 2002.

Sachverhalt:

A.
Mit Gültigkeit ab 1. Januar 1998 schlossen die K.________ und B.________ eine
Einzeltaggeldversicherung mit einem versicherten Taggeld bei Krankheit von
Fr. 110.-- ab 31. Tag (Police: "SALARIA VVG KRANKHEIT"). Die K.________
erbrachte ihre Leistungen vom 1. Oktober 1998 bis 30. August 2000. Mit
Verfügung vom 19. September 2000 teilte die IV-Stelle Thurgau B.________ mit,
er erhalte rückwirkend ab 1. September 1999 eine ordentliche Invalidenrente
und eine ordentliche Zusatzrente für den Ehegatten von total Fr. 1'511.-- pro
Monat bei einem IV-Grad von 100 %, ausmachend Fr. 18'132.-- für die Zeit vom
1. September 1999 bis 31. August 2000. Im Umfang dieser Nachzahlung forderte
die K.________ von B.________ die erbrachten Taggeldleistungen wegen
Überentschädigung zurück (vgl. Art. 29 der Allgemeinen
Versicherungsbedingungen, AVB 1997).

B.
Am 23. April 2002 erhob die K.________ Klage beim Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau als Versicherungsgericht und forderte von B.________ die
Rückzahlung von Fr. 18'062.55 zuzüglich 5 % Zins seit 28. Dezember 2001. Auf
entsprechende Einladung hin (Schreiben vom 26. April 2002) nahm der Beklagte
B.________ in seiner Klageantwort auch zur Zuständigkeit des angerufenen
Gerichts Stellung. Das Verwaltungsgericht teilte die Klageantwort der
K.________ mit und wies im Begleitschreiben vom 17. Juni 2002 darauf hin, das
Gericht werde sich von Amtes wegen mit der Frage der Zuständigkeit zu
befassen haben. In einer Zusatzeingabe vom 2. Juli 2002 liess sich die
K.________ zur Zuständigkeit des thurgauischen Verwaltungsgerichts als
Versicherungsgericht vernehmen. Mit Entscheid vom 3. Juli 2002, versendet am
13. August 2002, trat das Verwaltungsgericht auf die Klage mangels
Zuständigkeit nicht ein.

C.
Mit eidgenössischer Berufung beantragt die K.________ dem Bundesgericht, den
verwaltungsgerichtlichen Entscheid aufzuheben und die Sache zur materiellen
Beurteilung an das kantonale Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Dieses hat
auf Gegenbemerkungen in der Sache verzichtet und lediglich darauf
hingewiesen, die K.________ habe genau gewusst, dass die Zuständigkeit im
Vordergrund gestanden sei. Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Klägerin und das kantonale Verwaltungsgericht gehen übereinstimmend davon
aus, dass der strittige Anspruch aus einer Taggeldversicherung gemäss den
Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag vom 2. April
1908 (SR 221.229.1, VVG) herrührt und deshalb von einem (rein)
privatrechtlichen Rechtsverhältnis auszugehen ist. Es liegt nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Zivilrechtsstreitigkeit vor, die
gemäss Art. 47 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1978 betreffend die
Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen
(Versicherungsaufsichtsgesetz; SR 961.01, VAG) der Richter zu entscheiden
hat. Gegen dessen Entscheid ist unter den allgemeinen Voraussetzungen die
Berufung an das Bundesgericht zulässig (BGE 124 III 44 Nr. 9 und 229 E. 2 S.
231).

2.
Das Verwaltungsgericht hat seine Zuständigkeit gestützt auf das Gesetz über
die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Februar 1981 (VRG/TG) abgelehnt. Nach §
69a Abs. 1 VRG/TG beurteilt das Verwaltungsgericht als Versicherungsgericht
als einzige kantonale Instanz (1.) Beschwerden gemäss Art. 86 sowie
Streitigkeiten gemäss Art. 89 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung
vom 18. März 1994 (SR 832.10, KVG) und (2.) Streitigkeiten aus
Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach KVG. Das
Verwaltungsgericht hat dafürgehalten, bei Taggeldversicherungen nach VVG
handle es sich nicht um Zusatzversicherungen im Gesetzessinne, weshalb seine
Zuständigkeit nicht gegeben sei. Die Grundlage des angefochtenen
Nichteintretensentscheids findet sich in § 69a VRG/TG und damit in einer
gerichtsorganisatorischen Bestimmung des kantonalen Rechts, dessen Anwendung
auf Berufung hin nicht überprüft werden kann (Art. 43 OG). Daran ändert
nichts, dass das Verwaltungsgericht vorfrageweise geprüft hat, was als
Zusatzversicherung im Sinne des KVG zu gelten hat. Geht es aber um eine
Zuständigkeitsbestimmung kantonalen Rechts, kann deren Verletzung mit
Berufung nicht gerügt werden. Das Bundesgericht hat die gezeigten Grundsätze
in BGE 125 III 461 Nr. 77 ausführlich dargelegt; das Urteil ist in der
Literatur angezeigt worden (zuletzt: Leuenberger, Die Rechtsprechung des
Bundesgerichts zum Zivilprozessrecht in den Jahren 1999 und 2000, ZBJV
137/2001 S. 867 f; Fonjallaz, Compétence et procédure en matière de
contentieux des assurances complémentaires à l'assurance-maladie, JdT
148/2000 III 79 ff., S. 84). Auf die Berufung der Klägerin kann nicht
eingetreten werden.

3.
Bei diesem Ergebnis wird die Klägerin kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG);
die grundsätzliche Kostenfreiheit gilt nur für das kantonale Verfahren (Art.
47 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 VAG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Klägerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau als Versicherungsgericht schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. November 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: