Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.179/2002
Zurück zum Index II. Zivilabteilung 2002
Retour à l'indice II. Zivilabteilung 2002


5C.179/2002 /min

Urteil vom 28. März 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Ersatzrichter Riemer,
Gerichtsschreiber Schett.

Genossenschaft X.________,
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Suter,
Bahnhofstrasse 6, Postfach 1124, 5610 Wohlen AG,

gegen

1.V.________ GmbH,
2.V.________,
Beklagte und Berufungsbeklagte, beide vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. Michel Czitron, c/o Neupert & Partner, Dufourstrasse
58, 8702 Zollikon.

Herausgabe,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz,
Zivilkammer, vom 23. April 2002.

Sachverhalt:

A.
Die Genossenschaft X.________ bevorschusste der T.________ AG in Z.________
Autos, welche diese Drittpersonen vermietete. Zur Deckung der Vorschüsse trat
die T.________ AG der X.________ sämtliche ihr zustehenden Ansprüche aus den
Mietverträgen ab und übertrug ihr das Eigentum an den Mietobjekten. 1997 und
1998 wurden ein VW Golf VR6 (Stamm-Nr. ppp), ein BMW 325i Cabriolet
(Stamm-Nr. qqq) sowie ein Mercedes Benz 300 TE (Stamm-Nr. rrr) verschiedenen
Personen vermietet. Mit Verfügung vom 14. Oktober 1998 beschlagnahmte das
Verhöramt des Kantons Schwyz die drei Fahrzeuge bei V.________, und zwar auf
Grund einer Strafanzeige der X.________ gegen die Verantwortlichen der
V.________ GmbH wegen Verdachts auf Hehlerei; die Ermittlungen hätten
ergeben, dass G.________ als Geschäftsführer der T.________ AG einige der von
der X.________ finanzierten Fahrzeuge an die V.________ GmbH verkauft habe.

B.
In der Folge erhob die X.________ gegen die V.________ GmbH und gegen
V.________ zivilrechtliche Klage auf Feststellung des Eigentums der
X.________ an den fraglichen Fahrzeugen sowie auf entsprechende Herausgabe.
Mit Urteil vom 21. Oktober 1999 hiess das Bezirksgericht Höfe/SZ die Klage
vollumfänglich gut. Eine Berufung der Beklagten an das Kantonsgericht des
Kantons Schwyz wurde von diesem mit Urteil vom 23. April 2002 teilweise
gutgeheissen, indem die Klage nur mit Bezug auf den Mercedes geschützt,
bezüglich der beiden anderen Autos hingegen abgewiesen wurde.

C.
Die Klägerin hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts am 28. August 2002 beim
Bundesgericht Berufung eingereicht, mit welcher teilweise Aufhebung des
vorinstanzlichen Urteils und im Ergebnis Gutheissung der Klage auch bezüglich
des VW Golf und des BMW beantragt wird.

D.
In ihrer Berufungsantwort und Anschlussberufung vom 31. Dezember 2002
beantragen die Beklagten Aufhebung von Ziffer 1 und 2 des Urteils des
Kantonsgerichts und vollumfängliche Abweisung der Klage. In ihrer
Anschlussberufungsantwort vom 5. März 2003 beantragt die Klägerin Abweisung
der Anschlussberufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Beklagten beim Erwerb
der fraglichen Autos von der T.________ AG bezüglich deren
Veräusserungsbefugnis gutgläubig im Sinne von Art. 714 Abs. 2 i.V.m. Art. 3
Abs. 2 ZGB sein durften oder nicht; bejahendenfalls konnten sie an den
Fahrzeugen Eigentum erwerben, verneinendenfalls nicht (Art. 714 Abs. 2 i.V.m.
Art. 933 ZGB). Die Vorinstanz hat diese Frage bezüglich des Mercedes (Kauf
vom 4. Juni 1998) verneint, hinsichtlich der anderen beiden Fahrzeuge (Käufe
vom 17. Juni 1998) dagegen bejaht.

1.2 Die Klägerin macht dagegen im Wesentlichen geltend, angesichts der
Bösgläubigkeit der Beklagten am 4. Juni 1998 mit Bezug auf den Mercedes hätte
das Kantonsgericht auch hinsichtlich der zwei anderen, zwischen denselben
Parteien vorgenommenen Rechtsgeschäfte vom 17. Juni 1998 nicht Gutgläubigkeit
der Beklagten annehmen dürfen.

1.3 Was den Mercedes betrifft, so ergibt sich aus der Verkaufsquittung, auf
welche die Vorinstanz wiederholt verwiesen hat, ohne weiteres, dass dieser am
4. Juni 1998 an die V.________ GmbH verkauft worden ist. Im Übrigen ergibt
sich aus diesem Dokument nach den Feststellungen des Kantonsgerichts unter
anderem Folgendes: Die Verkaufsquittung ist nicht mit dem Stempel der
T.________ AG versehen und nicht von G.________, dem Geschäftsführer der
T.________ AG, sondern von einem gewissen Y.________ unterzeichnet. Im
Fahrzeugausweis des Mercedes wie auch auf der Kopie bestand im Zeitpunkt des
Kaufs noch der Eintrag "Halterwechsel verboten" (Code 178). Das ist auch den
Aussagen von G.________ zu entnehmen, welcher in der polizeilichen
Einvernahme ausgesagt hat, dass die Löschung des Eintrages "Code 178" wegen
seiner Verhaftung noch nicht erfolgt sei. Dabei ergibt sich im Übrigen aus
Letzterem ohne weiteres, dass G.________ bzw. die T.________ AG trotz der
erwähnten Vertragsunterzeichnung durch Y.________ in diesen Mercedes-Kauf
durchaus involviert waren. Aus den beiden genannten Umständen, wie auch
daraus, dass der Beklagte 2 beim Kauf des Mercedes nur die Kopie des
Fahrzeugausweises eingesehen hat, schloss die Vorinstanz, dass die Beklagten
im Zeitpunkt des Kaufs nicht gutgläubig im Sinne des Gesagten sein konnten
bzw. durften; dementsprechend hiess sie die Klage mit Bezug auf den Mercedes
gut. Das war zutreffend, wohingegen die entsprechenden Einwände der Beklagten
nicht zu überzeugen vermögen.

1.4 Die Anforderungen an die Aufmerksamkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 2 ZGB
richten sich nach den Umständen des Einzelfalles, das heisst es handelt sich
um eine Ermessensfrage im Sinne von Art. 4 ZGB. Dabei besteht bei
Veräusserungsgeschäften keine allgemeine Erkundigungspflicht des Erwerbers
nach dem Vorliegen der Verfügungsbefugnis des Veräusserers; nur wenn konkrete
Verdachtsgründe vorliegen, müssen die näheren Umstände abgeklärt werden (BGE
122 III 1 E. 2a/aa mit Hinweisen). Solche Verdachtsgründe können sich
namentlich aus der Natur des Veräusserungsobjektes (BGE 122 III 1 E. 2a/bb S.
3/4), aber auch aus seinem Preis (BGE 107 II 41 E. 2 S. 43/44) ergeben. Aus
der Praxis des Bundesgerichts ergibt sich indessen, dass es in diesem
Zusammenhang - selbstverständlich - auch auf die Person des Veräusserers
ankommt: Hat dessen früheres Verhalten Misstrauen begründet, so besteht
Anlass zu Argwohn (BGE 100 II 8 E. 4a S. 15); hatte der Käufer bereits
verschiedentlich Autos ohne Probleme gekauft, so musste er hingegen keinen
Verdacht schöpfen (BGE 121 III 345 E. 2b S. 349).

Wenn mithin vorliegend das Kantonsgericht die Bösgläubigkeit der Beklagten
bezüglich des Mercedes bejahte - und dies zu Recht (und zwar schon auf Grund
der beiden erstgenannten Umstände) -, so durfte es sie nicht für gleichartige
Vorgänge unter denselben Parteien verneinen, wie die Klägerin zutreffend
gerügt hat. Die Beklagten beanstanden dies zu Unrecht. Man könnte sich
höchstens fragen, wie lange und mit Bezug auf welche Rechtsgeschäfte der
Argwohn bzw. die Bösgläubigkeit im Sinne des Gesagten am Platze ist. Diese
Frage kann jedoch vorliegend offen gelassen werden, da zwischen dem Kauf des
Mercedes und den beiden anderen Käufen - wie die Klägerin ebenfalls zu Recht
betont - lediglich 13 Tage lagen, wobei es sich eben um gleichartige
Geschäfte handelte. Dass zwischen dem 4. und 17. Juni 1998 keine weiteren
Fahrzeuge zugekauft wurden, ist auf Grund der Gleichartigkeit der
Rechtsgeschäfte und des kurzen Zeitabstandes nicht mehr entscheidend, ebenso
wenig, dass der Beklagte 2 nach Darstellung der Klägerin auch bis zum 17.
Juni 1998 weder ein Duplikat noch das Original des Fahrzeugausweises des
Mercedes gesehen hat.

1.5 War aber die T.________ AG bezüglich des VW Golf und des BMW nicht
verfügungsberechtigt (Art. 714 Abs. 2 i.V.m. mit Art. 933 ZGB) und durften
die Beklagten (auch) hinsichtlich der Veräusserung dieser Fahrzeuge nicht
gutgläubig sein, so konnten sie kein Eigentum daran erwerben. Die Klägerin
ist vielmehr Eigentümerin geblieben und kann von den Beklagten Herausgabe
ihres Eigentums verlangen.

1.6 Hiergegen wenden die Beklagten - wie schon vor Kantonsgericht -
zusätzlich ein, die Veräusserungen der Fahrzeuge durch die T.________ AG an
die Klägerin seien im Hinblick auf Art. 717 ZGB ihnen gegenüber unwirksam;
dies deshalb, weil sie als Gläubiger der nicht mehr existierenden T.________
AG benachteiligt würden und zudem mit der jeweiligen Übertragung des
Eigentums an den Fahrzeugen eine Umgehung der Bestimmungen über das
Faustpfand beabsichtigt gewesen sei.

Hierzu macht die Klägerin vorab geltend, es dürfe darauf nur bezüglich des
Mercedes eingetreten werden, da die Beklagten bezüglich der anderen beiden
Fahrzeuge nicht selbständig Berufung erhoben hätten; zudem sei die T.________
AG bezüglich des Mercedes, anders als bei den beiden anderen Personenwagen
gar nie Eigentümerin und damit Verkäuferin gewesen.

Beide Einwände gehen fehl. Die Beklagten hatten bezüglich der anderen beiden
Personenwagen vor Kantonsgericht Recht bekommen und deshalb keine
Veranlassung, dagegen selbständig Berufung zu erheben; das schliesst aber
entsprechende Äusserungen zur Berufung der Klägerin, mit welcher das Urteil
der Vorinstanz, soweit es zu Gunsten der Beklagten angefochten wurde, nicht
aus (vgl. Art. 59 Abs. 2 OG; Messer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel
in Zivilsachen, Ziff. 117 S. 158). Was die Frage des Eigentums der T.________
AG am Mercedes betrifft, so ging die Vorinstanz in tatbeständlicher Hinsicht
davon aus, dass alle vorliegend zur Diskussion stehenden Fahrzeuge
gleichermassen im Eigentum der T.________ AG gestanden hätten; das ist für
das Bundesgericht verbindlich (Art. 63 Abs. 2 OG).

In rechtlicher Hinsicht hat das Kantonsgericht die Frage der Anwendbarkeit
von Art. 717 Abs. 1 ZGB offen gelassen, da die Beklagten bezüglich des
Erwerbs des Mercedes nicht gutgläubig gewesen seien. Das ist zutreffend und
muss nach dem vorstehend Gesagten auch für die anderen beiden Fahrzeuge
gelten: Die Berufung auf das Besitzeskonstitut zwischen der Klägerin und der
T.________ AG durch den Zweiterwerber (d.h. vorliegend die Beklagten) bzw.
Dritten im Sinne von Art. 717 ZGB setzt dessen Gutgläubigkeit voraus (Art.
936 Abs. 1 ZGB; Haab/Simonius/Scherrer/Zobl, Zürcher Kommentar, N. 45b
letzter Satz, 48 und 83 zu Art. 717 ZGB).

2.
2.1 Unter diesen Umständen ist die Berufung vollumfänglich gutzuheissen und
die Anschlussberufung abzuweisen.

2.2 Die Beklagten werden bei diesem Verfahrensausgang kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG) und haben
dafür solidarisch einzustehen (Art. 156 Abs. 7 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons
Schwyz vom 23. April 2002 aufgehoben. Die Anschlussberufung wird abgewiesen.

2.
Es wird festgestellt, dass die Fahrzeuge Mercedes Benz 300 TE mit Stamm-Nr.
rrr, VW Golf VR6 mit Stamm-Nr. ppp und BMW 325i Cabriolet mit Stamm-Nr. qqq
im Eigentum der Klägerin stehen.

3.
Die Beklagten werden verpflichtet, die in Ziffer 2 genannten Fahrzeuge innert
30 Tagen ab Zustellung des bundesgerichtlichen Urteilsdispositivs der
Klägerin herauszugeben. Für den Fall, dass die Beklagten dieser Verpflichtung
nicht nachkommen, wird ihnen gestützt auf Art. 292 StGB Haft oder Busse
angedroht.

4.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'500.-- wird den Beklagten unter solidarischer
Haftung auferlegt.

5.
Die Beklagten werden unter solidarischer Haftung verpflichtet, die Klägerin
für das Berufungsverfahren mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen.

6.
Hinsichtlich der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens
wird die Sache zur neuen Entscheidung an das Kantonsgericht des Kantons
Schwyz zurückgewiesen.

7.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. März 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: