Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.15/2002
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5C.15/2002/min

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
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                      27. Februar 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, Präsident der II. Zi-
vilabteilung, Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Escher
und Gerichtsschreiber Schett.

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                          In Sachen

A.________, Kläger und Berufungskläger, vertreten durch
Rechtsanwalt Stefan Thalhammer, Neugasse 55, 9000 St. Gallen,

                            gegen

B.________, Beklagte und Berufungsbeklagte,

                         betreffend
              Abänderung des Scheidungsurteils
          (Art. 153 Abs. 2 aZGB und Art. 286 ZGB),

hat sich ergeben:

     A.- Mit Urteil des Kantonsgerichts Appenzell Ausser-
rhoden vom 14. Februar 1996 wurde die Ehe von B.________,
geboren am 24. Februar 1950, und A.________, geboren am
1. September 1947, geschieden. In der richterlich genehmigten
Scheidungskonvention vom 7. November 1995 verpflichtete sich
A.________ unter anderem, an B.________ gestützt auf Art. 151
aZGB während 10 Jahren nach Rechtskraft des Scheidungsurteils
einen Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'500.--/Monat und alsdann
während 20 Jahren nach Rechtskraft des Scheidungsurteils
einen solchen von Fr. 2'000.--/Monat zu leisten. Zudem ver-
pflichtete er sich zu einem Unterhaltsbeitrag für die Kinder
C.________, geboren am 25. April 1980, und D.________, gebo-
ren am 8. April 1985, von je Fr. 1'500.--/Monat bis zu deren
Mündigkeit bzw. dem Abschluss der Erstausbildung. Sämtliche
Unterhaltsbeiträge wurden der Teuerung angepasst.

     B.- Die von A.________ am 29. September 1999 beim Kan-
tonsgericht von Appenzell Ausserrhoden eingereichte Klage auf
Abänderung des Scheidungsurteils, nämlich den Unterhaltsbei-
trag an die Kinder auf je Fr. 1'000.--/Monat herabzusetzen
und denjenigen an B.________ gänzlich aufzuheben, wurde mit
Urteil vom 14. Dezember 2000 abgewiesen. In der dagegen er-
hobenen Appellation wiederholte A.________ seine bisherigen
Rechtsbegehren und beantragte zusätzlich, eventualiter die
Unterhaltsbeiträge in herabgesetzter Höhe zu sistieren, bis
er ein jährliches Einkommen von Fr. 200'000.-- erziele, sub-
eventualiter sei der Fall zur Neubeurteilung an das Kantons-
gericht zurückzuweisen. Im Verlaufe des Verfahrens verzich-
tete er auf die Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages an die
Tochter C.________, die nach Abschluss ihrer Lehrerausbildung
nunmehr eine Stelle angetreten habe, und auf die allfällige
Rückvergütung aus einer Urteilsänderung. Das Obergericht des

Kantons Appenzell wies die Klage am 28. August 2001 ab, so-
weit sie nicht durch Rückzug hinfällig geworden war.

     C.- Mit Berufung ans Bundesgericht beantragt A.________,
das Urteil des Obergerichts aufzuheben. Er erneuert die in
der kantonalen Appellation gestellten Abänderungsanträge.
Zudem stellt er das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Das Obergericht verzichtet auf Gegenbemerkungen. B.________
ist nicht zur Berufungsantwort eingeladen worden.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Berufung richtet sich gegen ein letztinstanzli-
ches Urteil, wurde rechtzeitig erhoben und erreicht in Anwen-
dung von Art. 36 Abs. 4 OG einen Streitwert von Fr. 8'000.--.
Sie ist unter diesen Gesichtspunkten zulässig (Art. 46,
Art. 48 Abs. 1 und Art. 54 Abs. 1 OG).

     2.- a) Am 1. Januar 2000 ist das neue Scheidungsrecht in
Kraft getreten. Auf Urteile, die noch vor diesem Zeitpunkt
ergangen sind, wendet das Bundesgericht bisheriges Recht an
(Art. 7b Abs. 3 SchlTZGB). Ebenso gilt für die Abänderung von
Scheidungsurteilen das frühere Recht, unter Vorbehalt der
Bestimmungen über die Kinder und das Verfahren (Art. 7a
Abs. 3 SchlTZGB).

        b) Der angefochtene Entscheid erging am 28. August
2001. Soweit die Herabsetzung der Kinderrente in Frage steht,
ist nach dem Gesagten neues Recht anzuwenden. Ob die Frauen-

rente aufzuheben ist, ist hingegen nach bisherigem Recht zu
beurteilen.

     3.- a) Die Bedürftigkeitsrente gemäss Art. 152 aZGB wird
auf Verlangen des pflichtigen Ehegatten herabgesetzt oder
aufgehoben, sofern die Bedürftigkeit nicht mehr besteht oder
in erheblichem Masse abgenommen hat, sowie, wenn die Vermö-
gensverhältnisse des Schuldners der Rente nicht mehr ent-
sprechen (Art. 153 Abs. 2 aZGB). Die Praxis wendet diesen
Anpassungsgrund seit längerer Zeit auch auf Unterhaltsrenten
nach Art. 151 aZGB an (BGE 118 II 229 E. 2; 117 II 359 E. 3).

        b) Die Voraussetzungen für die Anpassung des Unter-
haltsbeitrages an ein Kind richten sich nach den Bestimmungen
über die Wirkungen des Kindesverhältnisses (Art. 134 Abs. 2
ZGB). Demnach setzt das Gericht bei erheblicher Veränderung
der Verhältnisse den Unterhaltsbeitrag auf Antrag eines El-
ternteils oder des Kindes neu fest oder hebt ihn auf (Art. 286
Abs. 2 ZGB; BGE 127 III 503 nicht publizierte E. 2a).

        c) Eine neue Festlegung der Unterhaltsleistungen
setzt nach der Rechtsprechung eine dauernde und im Schei-
dungszeitpunkt nicht voraussehbare Änderung der wirtschaft-
lichen Verhältnisse voraus. Sie dient keinesfalls der Korrek-
tur des Scheidungsurteils, sondern dessen Anpassung an die
aktuelle Situation (BGE 120 II 177 E. 3a; 118 II 229 E. 2).
Eine Einkommensverminderung bleibt in der Regel unbeachtlich,
wenn sie auf der frei gewählten Änderung der Lebensführung
des Schuldners beruht, da seine objektive Leistungsfähigkeit
massgebend ist (BGE 121 III 297 E. 3b). War diese bisher hö-
her, so muss ihm ein hypothetisches Einkommen angerechnet
werden, sofern sie wieder erreicht werden kann (BGE 119 II
314 E. 4a).

        Das Bundesgericht ist im Falle einer Vermögensent-
äusserung, die nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte,
von der effektiven Leistungsfähigkeit ausgegangen. Die er-
neute Äufnung von Vermögen sei bedeutend schwieriger und
hänge weniger vom guten Willen des Schuldners ab, als dies
für die Steigerung des Erwerbseinkommens üblicherweise zu-
treffe. Selbst wenn der Vorgang verschuldetermassen oder gar
böswillig erfolgt sei, müsse von den tatsächlichen Verhält-
nissen ausgegangen werden, so unbefriedigend dies im Einzel-
fall erscheinen möge (BGE 117 II 16 E. 1b). Ob und in welchem
Masse eine freiwillige Einkommensverminderung, die nicht mehr
rückgängig zu machen ist, ausnahmsweise berücksichtigt werden
kann und gegebenenfalls, ob auch gegenüber einem unterhalts-
berechtigten Kind, ist hier nicht zu entscheiden (vgl. nach-
folgende E. 4c). Insoweit erübrigt sich an dieser Stelle
auch, auf die kontroversen Lehrmeinungen in dieser Frage ein-
zugehen (eher für die Berücksichtigung der faktischen Ver-
hältnisse: Hausheer/Spycher/Kocher/Brunner, Handbuch des
Unterhaltsrechts, 1997, N. 01.62, Lüchinger/Geiser, Basler
Kommentar, Art. 145 aZGB N. 16 und N. 26; kritisch hingegen:
Leuenberger, in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, Art. 137
N. 32 und Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Schei-
dungsrecht, Art. 125 N. 47 und N. 51 mit Hinweisen).

     4.- a) Im vorliegenden Fall stellt die Vorinstanz fest,
dass der Kläger mit seinem Entscheid, im Frühjahr 1998 als
Selbständigerwerbender nach Russland zu gehen, eine ange-
sichts der von ihm eingegangenen Unterhaltsverpflichtung sehr
riskante berufliche Weichenstellung getroffen habe. Die sich
daraus ergebende Minderung des Einkommens sei aus freien
Stücken herbeigeführt worden. Mittlerweile arbeite der Kläger
gemäss eigenen Aussagen wieder an einigen Projekten in der
Schweiz, die ihm in zwei bis drei Jahren die frühere wirt-
schaftliche Leistungsfähigkeit verschaffen sollte. Zudem habe
er angegeben, dass seine Ehefrau nach Beendigung des Studiums

einer Erwerbstätigkeit nachgehen werde. Beim Abschluss der
Scheidungskonvention sei gewissen Einkommensschwankungen
Rechnung getragen worden.

        Dass die Beklagte einer Erwerbstätigkeit nachgehe
und ein Monatseinkommen von Fr. 2'300.-- erziele, sei akten-
kundig und dem Gericht bei der Genehmigung der Scheidungs-
konvention bekannt gewesen. Der Kläger habe es sich selber
zuzuschreiben, wenn er keine Einsicht in die Akten genommen
habe. Zudem sei er in der Lage gewesen, sich bei der Aus-
handlung der Scheidungskonvention und im Kontakt mit den
Kindern über die genannte Anstellung zu informieren und die
Frage an der Hauptverhandlung aufzuwerfen. Allerdings hätte
er damit möglicherweise die Einwilligung der Gegenpartei zur
Scheidungskonvention aufs Spiel gesetzt.

        b) Die Vorinstanz gelangt gestützt auf diesen Sach-
verhalt zum Schluss, dass die Einkommensminderung beim Kläger
aus freien Stücken herbeigeführt worden und überdies nicht
von Dauer sei. Bei der Beklagten habe sich die wirtschaft-
liche Situation seit der Scheidung nicht verbessert. Damit
komme eine Herabsetzung der Unterhaltsrente an die geschie-
dene Ehefrau und - in Anwendung analoger Kriterien - an den
Sohn D.________ nicht in Betracht.

        c) Entscheidend ist im vorliegenden Fall nicht nur
die Freiwilligkeit, mit der der Kläger seine Einkommenssi-
tuation aufs Spiel gesetzt hat, sondern dass er selber bekun-
det hat, in absehbarer Zeit wieder die vormaligen Einkommens-
verhältnisse erreichen zu können. Damit fehlt es an einer
dauernden Veränderung, welche eine Herabsetzung des Unter-
haltsbeitrages an die geschiedene Ehefrau und an den Sohn
D.________ rechtfertigen würde.

        d) Was der Kläger demgegenüber vorbringt, erschöpft
sich weitgehend in unzulässigen Sachverhaltsvorbringen
(Art. 63 Abs. 2 OG). Soweit er das Zustandekommen der Schei-
dungskonvention, seine seitherigen beruflichen Möglichkeiten
und das sich daraus ergebende Einkommen in einem andern
Lichte sieht als die Vorinstanz, übt er blosse Kritik an der
Beweiswürdigung, wofür ihm die staatsrechtliche Beschwerde
zur Verfügung steht (Art. 43 Abs. 2 OG). Im Weitern behauptet
er entgegen seinen eigenen Aussagen im kantonalen Verfahren,
dass sich seine Einkünfte nicht bloss vorübergehend vermin-
dert hätten. Ebenso besteht er entgegen den klaren Feststel-
lungen der Vorinstanz darauf, von der beruflichen Tätigkeit
der Beklagten beim Abschluss der Konvention nichts gewusst zu
haben. Seine Ausführungen zur Verwertung seines Miteigentums-
anteils an der Liegenschaft in Teufen sind neu und können da-
her nicht berücksichtigt werden. Damit gehen die rechtlichen
Überlegungen des Klägers von einem ganz andern Sachverhalt
als das angefochtene Urteil aus.

     5.- a) Die zeitweilige Einstellung der Unterhaltsrente
ist im neuen Scheidungsrecht eingeführt worden. Sie setzt
wie die Herabsetzung und die Aufhebung eine erhebliche und
dauernde Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor-
aus (Art. 129 Abs. 1 ZGB; Botschaft, BBl 1996 I S. 119/120;
Sutter/Freiburghaus, a.a.O., S. 320). Das Bundesgericht lehn-
te unter altem Recht eine solche Sistierung als unzulässig
ab (BGE 107 II 297 E. 3c bei Konkubinat der Gläubigerin).
Gleichwohl wurde diese Lösung bereits unter altem Recht in
verschiedenen Kantonen praktiziert, so auch von der Vorin-
stanz.

        b) Vorliegend lehnte das Obergericht eine Einstel-
lung der Unterhaltsrente an die geschiedene Ehefrau ab, da
sich beim Schuldner bereits eine wirtschaftliche Erholung
abzeichne. Das Kriterium der Dauerhaftigkeit sei damit er-

füllt. Diese Beurteilung gründet auf einer tatsächlichen
Feststellung, an die das Bundesgericht gebunden ist (Art. 63
Abs. 2 OG). Soweit der Kläger den Sachverhalt an dieser Stel-
le anpassen möchte, ist er ohnehin nicht zu hören. Da indes
für die Anpassung der Frauenrente noch altes Recht gilt (vgl.
E. 2b), stellt sich die Frage einer allfälligen Sistierung
gar nicht.

        c) Der Kläger verlangt - wie bereits im kantonalen
Verfahren - eventualiter eine betragsmässig begrenzte Sistie-
rung der Unterhaltsbeiträge. In seiner Begründung ist indes
nur von der Frauenrente die Rede. Soweit auch die Sistierung
der Kinderunterhaltsrente angestrebt wird, kann auf die Be-
rufung nicht eingetreten werden (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).
Gegebenenfalls wäre sie ohnehin abzuweisen, da Art. 286
Abs. 2 ZGB keine zeitweilige Einstellung vorsieht.

        d) Subeventualiter beantragt der Kläger die Rück-
weisung der Sache an die Vorinstanz zur Abklärung des genauen
Sachverhaltes und zum neuen Entscheid. Auch hier fehlt jede
Begründung, so dass auf dieses Rechtsbegehren nicht einzutre-
ten ist (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Im Übrigen bedarf der von
der kantonalen Instanz festgestellte Tatbestand keiner Ergän-
zung (Art. 64 Abs. 1 OG).

     6.- Nach dem Gesagten ist der Berufung kein Erfolg be-
schieden. Sie entbehrt jeder Auseinandersetzung mit dem an-
gefochtenen Entscheid und enthält stattdessen weitgehend un-
zulässige Vorbringen, weshalb das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen ist (Art. 152
Abs. 1 OG). Damit wird der Kläger kostenpflichtig (Art. 153a
Abs. 1 und Art. 156 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzu-
treten ist, und das Urteil des Obergerichts von Appenzell
Ausserrhoden (1. Abteilung) vom 28. August 2001 wird bestä-
tigt.

     2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abge-
wiesen.

     3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger
auferlegt.

     4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht
von Appenzell Ausserrhoden (1. Abteilung) schriftlich mit-
geteilt.
                        _____________

Lausanne, 27. Februar 2002

               Im Namen der II. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: