Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.11/2002
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5C.11/2002/min

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
              ********************************

                       11. April 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, Präsident der
II. Zivilabteilung, Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin
Nordmann, Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer und
Gerichtsschreiber Möckli.

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                          In Sachen

X.________, Kläger und Berufungskläger, vertreten durch
Fürsprecher Dr. René Müller, Steinackerstrasse 7, Post-
fach 160, 5201 Brugg-Windisch,

                            gegen

Versicherung Y.________, Beklagte und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Fürsprecher Martin Sacher, Badenerstrasse 13,
Postfach, 5201 Brugg 1,

                         betreffend
                    Versicherungsvertrag,

hat sich ergeben:

     A.- X.________ betreibt in Z.________ ein kleines Auto-
handelsgeschäft. Auf dem Abstellplatz befinden sich jeweils
eine Anzahl Autos, die zum Verkauf vorgesehen sind. Seinen
eigenen Angaben zufolge wollte X.________ am frühen Frei-
tagnachmittag, 23. Mai 1997, mit einem dieser Autos, einem
Mercedes C 280, eine kurze Fahrt unternehmen und stellte
dabei fest, dass er den Fahrzeugschlüssel nicht mehr finden
konnte. Zu Sicherungszwecken habe er den Mercedes zwischen
anderen Autos eingeklemmt, indem er diese mit geringem Ab-
stand daneben gestellt habe; als weitere Sicherungsmassnahme
sei die Benzinpumpe des Mercedes abgehängt worden. Nachdem
sein Nachbar den Mercedes am Sonntagmorgen, 25. Mai 1997, um
04.00 Uhr noch in eingeklemmter Position gesehen habe, sei er
anderthalb Stunden später verschwunden gewesen. Am 7. Juli
1997 machte X.________ der Versicherung Y.________ Meldung.
Wegen verschiedener Ungereimtheiten wurde er am 18. September
1997 durch Vertreter der Versicherung Y.________ befragt.
Diese stellte auch noch weitere Nachforschungen an und er-
klärte in der Folge, gemäss Art. 14 Abs. 1 VVG hafte sie
nicht und gestützt auf Art. 38 Abs. 3 und Art. 40 VVG sei sie
nicht an den Vertrag gebunden.

     B.- Mit Klage vom 28. September 1998 verlangte
X.________, die Versicherung Y.________ sei zu Fr. 35'500.--
nebst Zins zu verurteilen. In seinem Urteil vom 21. März 2001
wies das Bezirksgericht Baden, 1. Abteilung, die Klage ab.
Mit Urteil vom 7. November 2001 wies das Obergericht des Kan-
tons Aargau, 2. Zivilkammer, die dagegen erhobene Appellation
ab. Beide Instanzen erwogen im Wesentlichen, angesichts der
vorhandenen Widersprüche genüge die blosse Darstellung des
äusseren Ablaufs als Nachweis für den Eintritt des Versiche-

rungsfalles nicht und der volle Beweis sei dem Kläger nicht
gelungen.

     C.- Gegen dieses Urteil hat X.________ sowohl staats-
rechtliche Beschwerde als auch Berufung eingereicht. Mit
Letzterer verlangt er die Aufhebung des angefochtenen Ent-
scheides und die Gutheissung seiner Appellationsbegehren. Es
ist keine Antwort eingeholt worden. Das Obergericht hat auf
Gegenbemerkungen verzichtet. Mit Entscheid heutigen Datums
wurde auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Berufungsvoraussetzungen gemäss Art. 46 und 48
OG sind gegeben. Auf die Berufung ist einzutreten.

     2.- Der Kläger macht vorab geltend, das Obergericht ver-
letze Bundesrecht, indem es den festgestellten Sachverhalt
nicht unter den darauf zugeschnittenen Art. 40 VVG subsumiert
hat.

        a) Gemäss Art. 40 VVG trifft den Versicherer die Be-
weislast für eine betrügerische Begründung des Versicherungs-
anspruches durch falsche Angaben (Jürg Nef, a.a.O., N. 57 ff.
zu Art. 40 VVG). Den Art. 40 VVG ins Spiel bringend stellt
sich der Kläger auf den Standpunkt, den Versicherer treffe
die mit einem erhöhten Beweismass gekoppelte Beweislast für
den Betrugsversuch, wenn dem vom Versicherungsnehmer behaup-
teten Versicherungsfall als (einzige) Alternative der Ver-
dacht auf versuchten Versicherungsbetrug gegenübersteht, und

beim Scheitern dieses Beweises (was der Kläger unterstellt)
habe sich der Richter mit der blossen Glaubhaftmachung des
eingetretenen Versicherungsfalls zu begnügen. Damit vermengt
der Kläger den ihm obliegenden Beweis für den Eintritt des
Versicherungsfalls mit dem der Beklagten obliegenden Beweis
der betrügerischen Anspruchsbegründung:

        aa) Wer gegenüber dem Versicherer einen Anspruch
erhebt, ist für den Eintritt des Versicherungsfalles behaup-
tungs- und beweispflichtig. Da der Nachweis rechtsbegründen-
der Tatsachen im Bereich des Versicherungsvertrages regelmäs-
sig mit Schwierigkeiten verbunden ist, geniesst der beweis-
pflichtige Versicherungsnehmer nach der Rechtsprechung inso-
fern eine Beweiserleichterung, als er nur eine überwiegende
Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des geltend gemachten
Versicherungsanspruches darzutun hat (Urteile des Bundesge-
richts 5C.240/1995 vom 1. Februar 1996, E. 2a; 5C.86/1996
vom 5. Dezember 1996, E. 3b; 5C.79/2000 vom 8. Januar 2001,
E. 1b/aa; Jürg Nef, in: Kommentar zum Bundesgesetz über den
Versicherungsvertrag, 2001, N. 21 zu Art. 39 VVG und N. 56 zu
Art. 40 VVG).

        Allerdings kann der Versicherer im Rahmen des Gegen-
beweises Indizien geltend machen, welche die Glaubwürdigkeit
des Ansprechers erschüttern oder erhebliche Zweifel an der
von ihm geschilderten Diebstahlsvariante erwecken. Gelingt
dies dem Versicherer, ist vom Versicherungsnehmer der strikte
Beweis des Eintritts des Versicherungsfalles zu fordern
(Urteil des Bundesgerichts 5C.86/1996 vom 5. Dezember 1996,
E. 3b; Jürg Nef, a.a.O., N 22 f. und 38 zu Art. 39 VVG;
Martha Niquille-Eberle, Beweiserleichterungen im Versiche-
rungsrecht, in: Haftpflicht- und Versicherungsrechtstagung
1997, S. 230 ff.; Lukas Wyss, "Verschwundene Fahrzeuge" - ein
Phänomen in der Versicherungslandschaft, in: Festschrift des

Nationalen Versicherungsbüros Schweiz und des Nationalen
Garantiefonds Schweiz, 2000, S. 605 ff.).

        bb) Bei nachgewiesenem (versuchtem) Versicherungs-
betrug stellt das VVG dem Versicherer eine scharfe Sanktion
zur Verfügung. Art. 40 VVG erlaubt ihm, einseitig vom Ver-
sicherungsvertrag zurückzutreten (Jürg Nef, a.a.O., N. 1 zu
Art. 40 VVG). Dies hat zur Folge, dass der Versicherer von
jeglicher Leistungspflicht befreit wird, selbst wenn sich die
Täuschung nur auf einen Teil des Schadens bzw. einen einzel-
nen Schadensposten bezieht (BGE 78 II 278 E. 1 S. 280; Jürg
Nef, a.a.O., N. 47; Alfred Maurer, Schweizerisches Privat-
versicherungsrecht, 3. Auflage, 1995, S. 386).

        Art. 40 VVG hat über den konkreten Versicherungsfall
hinaus die Verbindlichkeit des Vertrages überhaupt im Auge.
Gegenstand des entsprechenden Beweises bildet denn auch nicht
der Eintritt (bzw. Nicht-Eintritt) des rechtsbegründenden
Versicherungsfalles, sondern die rechtsvernichtende Tatsache
des betrügerischen Vorgehens des Versicherungsnehmers. Aller-
dings wirkt sich bei Fallkonstellationen wie der vorliegend
zu beurteilenden der gelungene Beweis des Versicherers, dass
der Anspruch betrügerisch begründet wurde, im Ergebnis gleich
aus wie der gescheiterte Beweis des Versicherungsnehmers,
dass der Versicherungsfall eingetreten ist. Misslingt umge-
kehrt dem Versicherer der Beweis des Versicherungsbetrugs
oder tritt er ihn gar nicht erst an, bleibt er grundsätzlich
an den Vertrag gebunden. Das ändert allerdings nichts daran,
dass den Versicherungsnehmer nach der allgemeinen Regel von
Art. 8 ZGB die Beweispflicht für den Eintritt des Versiche-
rungsfalles trifft.

        cc) Freilich sind Fragen des Versicherungseintritts
und eines allfälligen betrügerischen Vorgehens oft ineinander
verzahnt. Begleitumstände, ja vom Versicherungsnehmer zum Be-

weis für den Eintritt des Versicherungsfalls vorgebrachte
Tatsachenbehauptungen, die sich als fragwürdig erweisen,
können Indizien für betrügerisches Vorgehen sein. Dem Versi-
cherer ist es aber auch unbenommen, nebst dem Hauptbeweis für
betrügerische Anspuchsbegründung - allenfalls gestützt auf
dieselben Indizien - den Gegenbeweis zu führen, dass der An-
sprecher unglaubwürdig ist. Reichen die Indizien für den
Nachweis des Betrugs nicht aus, können sie dennoch gewichtig
genug sein, um die Glaubwürdigkeit des Ansprechers zu er-
schüttern mit der Folge, dass dieser den vollen Beweis für
den Eintritt des Versicherungsfalles zu erbringen hat (E. 2a/
aa; siehe dazu auch Jürg Nef, a.a.O., N. 57 und 58 zu Art. 40
VVG; Martha Niquille-Eberle, a.a.O., S. 236).

        b) Das Obergericht hat erwogen, der (volle) Beweis
des eingetretenen Versicherungsfalles sei vom Kläger nicht
erbracht worden, weshalb dieser keinen Anspruch auf die Ver-
sicherungsleistung habe. Wenn es sich bei diesem Ergebnis mit
der Frage, ob die Beklagte den Nachweis einer täuschenden
Absicht im Sinne von Art. 38 oder 40 VVG erbracht hat, nicht
weiter befasste, hat es auf Grund des Gesagten kein Bundes-
recht verletzt. Die Rüge, das Obergericht hätte den festge-
stellten Sachverhalt unter Art. 40 VVG subsumieren müssen,
erweist sich als unbegründet. Eine andere Frage ist, ob die
Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie sich nicht mit
blosser Glaubhaftmachung begnügt, sondern dem Kläger den
vollen Beweis für den Eintritt des Versicherungsfalls aufer-
legt hat.

     3.- Der Kläger rügt denn auch sinngemäss das vom Ober-
gericht verlangte Beweismass. Er kritisiert, dass es die Dar-
stellung des äusseren Diebstahlsablaufes nicht als plausibel
und den Eintritt des Versicherungsfalles nicht als erwiesen
erachtet habe. Gemäss dem zwischen den Parteien abgeschlos-

senen Versicherungsvertrag trete der Versicherungsfall ein,
wenn, wie hier geschehen, ein Fahrzeug auf seinem Areal
wegkomme.

        a) Soweit der Kläger geltend macht, massgeblich sei
der im Polizeirapport geschilderte Sachverhalt, richtet er
sich gegen die tatsächlichen Feststellungen der letzten
kantonalen Instanz. Darauf ist nicht einzutreten (Art. 63
Abs. 2 OG).

        Ob eine genügende Wahrscheinlichkeit für das Vor-
handensein des glaubhaft zu machenden Umstandes vorliegt, ist
eine Frage der Beweiswürdigung (Urteil des Bundesgerichts
5C.79/2000 vom 8. Januar 2001, E. 1b/aa). Das Bundesgericht
kann im Berufungsverfahren nur überprüfen, ob die Vorinstanz
vom richtigen Begriff der Glaubhaftmachung ausgegangen ist,
ob sie daran zu hohe oder zu niedrige Anforderungen gestellt,
zu Unrecht den vollen Beweis verlangt oder sich mit einer
blossen Parteibehauptung ohne unterstützende Indizien begnügt
hat (vgl. Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel
in Zivilsachen, 1992, S. 143 f. mit weiteren Hinweisen).

        b) Das Obergericht hat, weitgehend durch Verweis auf
die Erwägungen des Bezirksgerichts, eine ganze Anzahl von Un-
gereimtheiten, Widersprüchen und Falschaussagen des Klägers
aufgelistet:

        Der Kläger habe sich nicht mehr erinnern können, ob
er den (einzigen) Schlüssel zum Mercedes verloren oder ste-
cken gelassen habe. Beim Ersatzteillager von Mercedes Schweiz
AG habe sich niemand an die vom Kläger bzw. seiner Mitarbei-
terin bestellten Nachschlüssel erinnern können und es habe
sich dort auch keine Bestellnotiz finden lassen, obwohl diese
jeweils routinemässig aufgenommen werde; die Behauptung, im
Fahrzeugbegleitbuch befinde sich die Bestätigung der Schlüs-
selbestellung, habe sich als falsch erwiesen. Im Übrigen

mache die Nachbestellung der Schlüssel bei einem gestohlenen
Fahrzeug keinen Sinn, vielmehr sei einzig das Auswechseln der
Schlösser eine taugliche Massnahme; das Vorbringen des Klä-
gers, er sei kein Fachmann und könne keine Schlösser auswech-
seln, wirke unbeholfen. Hinsichtlich des Fahrzeugwerts und
der Reparaturkosten habe der Kläger laufend andere Angaben
gemacht; diese Tatsache habe er einzig damit begründen kön-
nen, "ein zweites Leben zu führen". Die getroffenen Siche-
rungsmassnahmen (Einklemmen des Mercedes und Abhängen der
Benzinpumpe) stünden im Gegensatz zur Aussage, nicht ernst-
haft mit einem Diebstahl gerechnet zu haben. Nach der einen
Aussage habe der Kläger die Benzinpumpe selbst abgehängt,
nach der anderen soll sie von einem gewissen "V.________"
abgehängt worden sein. Zur Person von "V.________" habe der
Kläger keine Angaben machen können, obwohl dieser sporadisch
für ihn tätig sei, häufig seine Autos entleihe und seit
Jahren mit seiner Mitarbeiterin befreundet sei und diese
inzwischen auch geheiratet habe. Einmal habe der Kläger keine
Möglichkeit gehabt, den Mercedes an einem anderen (geschütz-
ten) Ort unterzubringen, dann sei wiederum die Rede von einer
gemieteten Doppelgarage in W.________ gewesen. Dass er das
Fahrzeug nicht dorthin brachte, habe der Kläger einmal damit
begründet, er habe nicht soweit gedacht, ein anderes Mal
damit, er hätte das Auto dafür aufladen und abtransportieren
müssen. Schliesslich habe der Kläger eine völlige Unterversi-
cherung behauptet, um sie bei anderer Gelegenheit wieder zu
bestreiten.

        Im Anschluss hat das Obergericht befunden, der Klä-
ger sei unglaubwürdig und es bestünden erhebliche Zweifel an
seiner Sachverhaltsdarstellung. Der zu erbringende Nachweis
des unfreiwilligen Schadensereignisses könne sich deshalb
nicht in der Behauptung erschöpfen, das Fahrzeug habe sich zu
einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort befunden
und sei beim nächsten Nachsehen nicht mehr vorhanden gewesen.

        c) Auf Grund der widersprüchlichen und wenig plau-
siblen Darlegungen des Klägers sowie der von der Beklagten im
Rahmen des Gegenbeweises namhaft gemachten Indizien, die mas-
sive Zweifel an den Schilderungen des Klägers erwecken und
dessen Glaubwürdigkeit von Grund auf erschüttern, kann dem
Obergericht nicht vorgeworfen werden, von einem überspannten
Begriff des Glaubhaftmachens ausgegangen zu sein und an den
Nachweis des Diebstahls zu hohe Anforderungen gestellt zu
haben. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass es dem Kläger
den vollen Beweis des Diebstahls auferlegt hat.

        d) Inwieweit der vorliegend zu beurteilende Sachver-
halt hätte unter Art. 14 VVG subsumiert werden sollen, wird
vom Kläger nicht ansatzweise substanziiert (Art. 55 Abs. 1
lit. c OG) und ist auch nicht nachvollziehbar. Darauf ist
nicht einzutreten.

     4.- Die Berufung erweist sich als unbegründet und ist
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Infolgedessen ist
die Gerichtsgebühr dem Kläger aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1
OG). Da keine Rechtsantwort eingeholt wurde, sind der Be-
klagten keine Kosten erwachsen. Daher erübrigt sich eine
Parteientschädigung.

             Demnacht erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzu-
treten ist, und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, 2. Zivilkammer, vom 7. November 2001 wird bestätigt.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger
auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht
des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

                        _____________

Lausanne, 11. April 2002

               Im Namen der II. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: