Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.108/2002
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5C.108/2002 /bnm

Urteil vom 22. Juli 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Schett.

A. ________,
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin
Ramisberger, Sternenplatz, Postfach 114, 5415 Nussbaumen b. Baden,

gegen

B.________,
C.________,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
beide vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. André Gräni, Kasinostrasse 25,
5000 Aarau.

Erbvertrag

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 2.
Zivilkammer, vom 27. Februar 2002.

Sachverhalt:

A.
D. ________ (Ehemann), verstarb am 11. September 1997 in Z.________. Er
hinterliess als gesetzliche Erben seine Ehefrau A.________ und seine Brüder
B.________ und C.________.

B.
Am 27. Dezember 1983 hatte D.________ seinem Bruder B.________ ein zu 2 %
verzinsliches Darlehen über Fr. 100'000.-- gewährt, kündbar auf ein Jahr.
Diesen Vertrag kündigte A.________ auf Ende September 1998.

C.
Mit Kaufvertrag vom 18. Februar 1986 hatte A.________ von seiner Tante
E.________ und seinem Onkel F.________ die Grundstücke Y._________ Nr. ...
und Nr. ... zum Preis von Fr. 50'000.-- erworben. Den Brüdern B.________ und
C.________ wurde ein unbefristetes Vorkaufsrecht eingeräumt und im Grundbuch
vorgemerkt. Ebenso wurde zu ihren Gunsten ein ebenfalls unbefristetes und
obligatorisches Kaufsrecht begründet, falls D.________ ohne Nachkommen
sterben sollte, für welchen Fall A.________ ein unentgeltliches
obligatorisches Wohnrecht gewährt wurde. Die Tante E.________ erhielt das
lebenslängliche und unentgeltliche Nutzniessungsrecht an der Liegenschaft
Y.________ Nr. .... Nach deren Tode im Jahre 1991 wurde die Liegenschaft
vermietet und renoviert.

D.
D. ________ hatte am 23. Januar 1992 mit den Brüdern B.________ und
C.________ einen Erbvertrag abgeschlossen, wonach sein Miteigentum an den
beiden Grundstücken in Y.________ bei seinem Ableben an sie oder ihre
Nachkommen fallen sollte. Der Anrechnungswert wurde auf Fr. 60'000.--
festgelegt, sollte von allfälligen Investitionen und Wertveränderungen
unabhängig und an die Erben von D.________ zahlbar sein. Diese wurden
verpflichtet, eine allfällige Grundpfandschuld abzulösen. Am 21. Februar 1992
wurde den Begünstigten das bereits zugesagte Miteigentum von 2/100 übertragen
und das vertragliche Vorkaufsrecht aus dem Jahre 1986 gelöscht. Das durch die
Begründung von Miteigentum entstandene gesetzliche Vorkaufsrecht wurde auf
Fr. 60'000.-- limitiert. Am Miteigentum der beiden Grundstücke von D.________
wurden am gleichen Tag eine Hypothek von Fr. 140'000.--  und am 28. Februar
1992 zwei Inhaberschuldbriefe von Fr. 200'000.-- errichtet.

E.
Mit Erbvertrag vom 10. September 1993 hatten sich D.________ und seine
Ehefrau A.________ gegenseitig als Universalerben am gesamten Nachlass
eingesetzt. Nach dem Tode des überlebenden Ehegatten sollte das noch
vorhandene Vermögen an die Neffen und Nichten der Ehefrau gehen, unter
Vorbehalt allfälliger Änderungen durch diesen.

F.
Das Bezirksgericht Baden hiess am 28. September 2000 die Klage von A.________
teilweise gut und erklärte den zwischen D.________ und den Brüdern B.________
und C.________ abgeschlossenen Erbvertrag vom 23. Januar 1992 mit Ausnahme
von Ziff. 1 für ungültig. Es sprach der Klägerin den Miteigentumsanteil von
98/100 an den Grundstücken Y.________ Nr. ... und Nr. ... unter Anrechnung
auf ihren Erbteil zu und überband ihr die darauf lastenden
Grundpfandschulden. Ihr Begehren auf Rückzahlung der Restschuld aus dem
Darlehen von Fr. 50'000.-- wurde abgewiesen, bzw. im Umfang von Fr. 16'452.--
als gegenstandslos abgeschrieben. Die Widerklage von den Brüdern B.________
und C.________ wurde abgewiesen, als gegenstandslos bzw. infolge Rückzugs
abgeschrieben.

G.
Auf Appellation von den Brüdern B.________ und C.________ hob das Obergericht
des Kantons Aargau am 27. Februar 2002 das Urteil des Bezirksgerichts
teilweise auf und wies die Klage von A.________ ab, soweit sie nicht im
Umfang der Zahlung von Fr. 16'452.-- gegenstandslos geworden war (Ziff. 1).
Es hiess die Widerklage von den Brüdern B.________ und C.________ teilweise
gut, soweit es darauf eintrat, wies ihnen den Miteigentumsanteil von 98/100
an den Grundstücken in Y.________ Nr. ... und Nr. ... zu hälftigem
Miteigentum zu (Ziff. 2) und verpflichtete sie, der Klägerin Fr. 60'000.-- zu
bezahlen (Ziff. 3). Die Klägerin wurde zur Ablösung der Grundpfandschulden
auf den zugewiesenen Grundstücken (Ziff. 4) und zur Zahlung der daraus
eingenommenen Mietzinsen von Fr. 72'900.-- an die Beklagten verpflichtet
(Ziff. 5c).

H.
A.________ beantragt mit ihrer Berufung dem Bundesgericht, Ziff. 1-4 des
Urteils des Obergerichts des Kantons Aargau aufzuheben, den Erbvertrag vom
23. Januar 1992 vollumfänglich aufzuheben, und B.________ zur Rückzahlung von
Fr. 33'548.-- aus Darlehen zu verpflichten. Das Obergericht verzichtet auf
eine Vernehmlassung. Es ist keine Berufungsantwort eingeholt worden.

I.
Mit Entscheid vom heutigen Datum hat das Bundesgericht die staatsrechtliche
Beschwerde von A.________ teilweise gutgeheissen und die Ziffern 2, 3, 4, 5c,
7 und 8 des angefochtenen Urteils aufgehoben.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Berufung richtet sich gegen ein letztinstanzliches Urteil, beschlägt
erbrechtliche und schuldrechtliche Fragen, mithin Zivilsachen, und erreicht
die Streitwertgrenze von Fr. 8'000.-- ohne weiteres. Sie ist unter diesen
Gesichtspunkten zulässig (Art. 46 und Art. 48 Abs. 1 OG).

2.
Allerdings sind mit Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde die den
strittigen Erbvertrag betreffenden Ziffern 2, 3 und 4 des angefochtenen
Urteils aufgehoben worden. Soweit die Klägerin die Verletzung von Art. 469
Abs. 1 und Art. 519 ZGB geltend macht, ist die Berufung gegenstandslos
geworden. Im Übrigen decken sich ihre Vorbringen auf weiten Strecken mit
denjenigen der staatsrechtlichen Beschwerde und bestehen zudem aus
unzulässigen Sachverhaltsvorbringen und Beweisanträgen, auf welche ohnehin
nicht eingetreten werden könnte (Art. 63 Abs. 2 OG).

3.
Die Klägerin rügt die unrichtige Anwendung von Art. 8 ZGB. Ihrer Ansicht nach
habe sie das Restguthaben von Fr. 33'548.-- bewiesen, hingegen habe der
Schuldner, der das Barvermögen des Erblassers betreut habe und ihr daher
Rechenschaft schulde, den Nachweis der Rückzahlung dieses Betrages nicht
erbracht.

Sie weist in diesem Zusammenhang auf den kantonalen Schriftwechsel, die Akten
und die Zeugenaussagen zur Frage hin, ob das Darlehen nun restlos
zurückgezahlt worden sei. Damit kritisiert sie im Grund genommen bloss die
Beweiswürdigung durch die Vorinstanz. Hierin liegt jedoch nie eine Verletzung
von Art. 8 ZGB. Diese Bestimmung regelt nach der Rechtsprechung einerseits
für den Bereich des Bundeszivilrechts die Beweislastverteilung und gibt
anderseits der beweispflichtigen Partei einen bundesrechtlichen Anspruch
darauf, zum Beweis zugelassen zu werden, sofern ihr Beweisantrag
rechtserhebliche Tatsachen betrifft und nach Form und Inhalt den Vorschriften
des kantonalen Prozessrechts entspricht. Die allgemeine Beweisvorschrift ist
insbesondere verletzt, wenn der kantonale Richter Behauptungen einer Partei,
ungeachtet darum, dass sie von der Gegenpartei bestritten worden sind, als
richtig annimmt, oder taugliche und formgültig angebotene Beweise über
rechtserhebliche Tatsachen überhaupt nicht abnimmt, obwohl er die
Sachvorbringen dazu weder als erstellt noch als widerlegt erachtet. Gelangt
der Richter hingegen in Würdigung von Beweisen zur Überzeugung eine
Tatsachenbehauptung sei bewiesen oder widerlegt, ist die Beweislastverteilung
gegenstandslos und liegt Beweiswürdigung vor, die bundesrechtlich nicht
geregelt ist. Art. 8 ZGB schreibt nicht vor, mit welchen Mitteln der
Sachverhalt abzuklären ist und wie das Ergebnis zu würdigen ist. Diese
Bestimmung schliesst auch die antizipierte Beweiswürdigung nicht aus (BGE 122
III 219 E. 3c; 128 III 22 E. 2d).

4.
Im Weitern sieht die Klägerin auch Art. 9 ZGB verletzt. Ihrer Ansicht nach
durfte sie sich auf die Feststellung I im Erbvertrag vom 23. Januar 1992 zu
den Miteigentumsverhältnissen an den Liegenschaften in Y.________ verlassen,
welche nicht den grundbuchrechtlichen Verhältnissen entsprachen. Mit diesem
bereits in der staatsrechtlichen Beschwerde präsentierten Vorbringen
beabsichtigt sie, die Einreichung einer Reihe von Belegen als nicht verspätet
darzustellen. Mithin geht es an dieser Stelle um die korrekte Anwendung von
kantonalem Verfahrensrecht, was in der Berufung nicht zu prüfen ist (BGE 126
III 370 E. 5). Hinzukommt, dass durch die teilweise Aufhebung des
angefochtenen Urteils Fragen in Zusammenhang mit der Gültigkeit des
Erbvertrags vom 23. Januar 1992 ohnehin gegenstandslos geworden sind.

5.
Schliesslich macht die Klägerin ein Versehen der Vorinstanz geltend, wie sie
es in wortgleicher Weise bereits in der staatsrechtlichen Beschwerde getan
hat. Ihre Rüge ist in diesem Verfahren bereits gutgeheissen worden, womit
sich die aufgeworfene Frage beantwortet hat.

6.
Der Berufung ist nach dem Gesagten kein Erfolg beschieden, soweit sie nicht
gegenstandslos geworden ist. Bei einem solchen Ausgang des Verfahrens trägt
die Klägerin die Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Zusprechung einer
Parteientschädigung erübrigt sich, da keine Berufungsantwort eingeholt worden
ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist und sie nicht
bereits gegenstandslos geworden ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Klägerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Obergericht des Kantons Aargau, 2.
Zivilkammer schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Juli 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: