Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4P.74/2002
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4P.74/2002 /rnd

Urteil vom 2. Juli 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident,
Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________,
B.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter Studer,
Badstrasse 17, 5400 Baden,

gegen

C.________,
D.________,
Beschwerdegegner, beide vertreten durch Rechtsanwältin Melanie Müller, Weite
Gasse 34, Postfach 2052, 5402 Baden,
Obergericht des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer,

Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV (Zivilprozess; willkürliche Beweiswürdigung;
rechtliches Gehör),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, 1. Zivilkammer, vom 23. Januar 2002.

Sachverhalt:

A.
A. ________ und B.________ sind die Söhne des am 3. November 1998
verstorbenen E.________ und bilden dessen Erbengemeinschaft. E.________ hatte
beim X.________ auf einem von der Y.________ gemieteten Standplatz einen
Imbiss-Wagen betrieben. Seine Lebensgefährtin,  F.________, hatte ihn vor Ort
geführt und die Kundschaft bedient. Als sie Mitte 1994 erkrankte, schloss
E.________ mit C.________ und D.________ einen mündlichen Vertrag betreffend
den Imbiss-Stand. Streitig ist, ob es sich dabei um einen Miet- oder einen
Miet-Kaufvertrag gehandelt hat.

B.
Mit Klage vom 10. September 1999 beantragten C.________ und D.________ dem
Bezirksgerichts Baden, es sei festzustellen, dass der Imbiss-Stand beim
Parkplatz des X.________ (Grundeigentümerin Y.________) per 1. Juli 1999 in
ihr Eigentum übergegangen sei. Alsdann seien A.________ und B.________ zu
verpflichten, ihre Rechte aus dem Mietvertrag mit der Y.________ auf die
Kläger zu übertragen und diesen die Vertragsdokumente herauszugeben. Das
Bezirksgericht Baden schützte das Feststellungsbegehren mit Urteil vom 10.
Januar 2001 und verpflichtete die Rechtsnachfolger des E.________, zur
Übertragung des von diesem mit der Y.________ abgeschlossenen Mietvertrages
auf die Kläger Hand zu bieten. Das Bezirksgericht erachtete deren Behauptung
als erstellt, dass der Kauf des Imbiss-Standes vereinbart worden sei und dass
sie nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien mit ihren monatlichen
Zahlungen einen Mietzins von Fr. 2'500.-- sowie eine Kaufpreisrate von Fr.
500.-- beglichen sowie Investitionen von Fr. 12'600.-- getätigt hätten.

C.
Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 23. Januar 2002 die Appellation
von A.________ und B.________, welche die vollumfängliche Abweisung der Klage
verlangt hatten, ab.

D.
A.________ und B.________ beantragen dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher
Beschwerde, es sei das Urteil des Obergerichts vom 23. Januar 2002
aufzuheben. Die Beschwerdegegner schliessen auf Abweisung der
staatsrechtlichen Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Obergericht hielt auf Grund der Aussagen der Beschwerdegegner und
namentlich jener des Zeugen G.________ gleich wie das Bezirksgericht für
erwiesen, dass die Beschwerdegegner mit E.________ einen Miet-Kaufvertrag
geschlossen haben. Es sei vereinbart worden, dass die Beschwerdegegner
monatlich Fr. 3'000.-- unter dem Titel Mietzins zahlen würden, wobei jedoch
lediglich Fr. 2'500.-- Miete darstellten, während Fr. 500.-- als Anteil an
die Kaufpreisforderung angerechnet werde.

1.2 Die Beschwerdeführer rügen, das Obergericht habe ihnen das rechtliche
Gehör verweigert (Art. 29 Abs. 2 BV). Es habe sich mit ihrem Einwand, dass
das Zeugnis G.________ nicht mehr wert sei als eine Parteibehauptung, da
G.________ als Bruder der Beschwerdegegnerin D.________ die Akten,
insbesondere das erstinstanzliche Urteil gekannt habe, nicht auseinander
gesetzt.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt insbesondere, dass die Gerichte
die rechtserheblichen Vorbringen der Parteien anhören und bei der
Entscheidfindung berücksichtigen (BGE 124 I 241 E. 2). Damit sich die
Parteien ein Bild über die Erwägungen des Gerichts machen können, ist sein
Entscheid zu begründen. Die Begründung muss kurz die Überlegungen nennen, von
denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die sich sein Entscheid
stützt (BGE 121 I 54 E. 2c S. 57 mit Hinweisen). Nicht erforderlich ist
hingegen, dass sich der Entscheid mit allen Parteistandpunkten einlässlich
auseinander setzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Es
genügt, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann
(BGE 126 I 97  E. 2b).

Das Obergericht hat die von den Beschwerdeführern gegen die
Beweistauglichkeit der Aussagen des Zeugen G.________ vorgetragenen Bedenken
wiedergegeben und im Anschluss an eine Zusammenfassung der Aussagen der
Parteien und des Zeugen G.________ vor Bezirks- und Obergericht dargelegt,
der Zeuge habe einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Insbesondere habe
er stets klargestellt, was er aus eigener Wahrnehmung wisse und in welchem
Stadium der Vertragsverhandlung er nicht anwesend gewesen sei. Seine Aussagen
vor Bezirks- und Obergericht hätten keine Widersprüche aufgewiesen und mit
jenen der Parteien, welchen nach kantonalem Prozessrecht ebenfalls Beweiswert
zukomme, übereingestimmt. Das Obergericht hat auch beachtet, dass der Zeuge
der Bruder der Beschwerdegegnerin ist, sprach ihm aber dennoch ein
Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens ab.

Diese Erwägungen belegen, dass das Obergericht die Angaben des Zeugen
G.________ als zuverlässig beurteilte. Daraus ergibt sich notwendig, dass es
den Standpunkt der Beschwerdeführer nicht teilte, es seien die Aussagen des
als Zeugen einvernommenen G.________ ihrem Beweiswert entsprechend lediglich
wie  Parteiaussagen zu würdigen. Die Rüge der Verletzung von Art. 29 Abs. 2
BV ist daher unbegründet.

2.
Die Beschwerdeführer machen auch geltend, das Obergericht sei bei seiner
Beweiswürdigung in Willkür verfallen.

2.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführer liess das Obergericht willkürlich
ausser Acht, dass G.________ nach eigenen Aussagen seine Schwester vor seiner
Meinung nach zu hohen Zahlungen habe schützen wollen. Damit habe er ein
eigenes Interesse verfolgt und sei deshalb befangen gewesen.

Die Beschwerdeführer verkennen, dass das Obergericht die Aussagen des Zeugen
als solche gewürdigt und als glaubhaft befunden hat. Inwiefern das
Obergericht dabei in Willkür verfallen sein soll, ist im Einzelnen
aufzuzeigen (BGE 125 I 492 E. 1b). Die verwandtschaftliche Beziehung zur
Beschwerdegegnerin als solche sowie seine in der Befragung offen gelegte
Skepsis gegenüber dem von seiner Schwester geplanten Geschäft vermögen
indessen keine Willkür zu begründen.

3.
3.1 Die Beschwerdeführer bringen weiter vor, das Obergericht habe in
Widerspruch zu den Akten festgestellt, der Zeuge G.________ habe gehört,
"dass sich die Kläger und E.________ anlässlich der Besprechung darauf
geeinigt hätten, dass in dem von den Klägern monatlich zu bezahlenden Betrag
von Fr. 3'000.-- Fr. 500.-- als Kaufpreiszahlung enthalten gewesen seien;
nach fünf Jahren sollte der Stand an die Kläger übergehen".

An der zitierten Stelle (angefochtenes Urteil S. 12 Abs. 2) gab das
Obergericht die insoweit gleich lautenden Ausführungen des Zeugen vor
Bezirksgericht und vor Obergericht wieder. Ein Widerspruch zu den vom
Obergericht bezeichneten Fundstellen ist nicht ersichtlich. Der Vorwurf der
Aktenwidrigkeit ist daher verfehlt.

3.2 Die kantonalen Gerichte nahmen an, es sei nachvollziehbar, dass
E.________ den Verkauf des Imbiss-Standes gegenüber F.________ verschwiegen
und die Beschwerdegegner auf Stillschweigen verpflichtet habe, um F.________
zu schonen, welche aus gesundheitlichen Gründen den Imbiss-Stand nicht habe
weiterführen können.

Die Beschwerdeführer erblicken darin eine einseitige und daher willkürliche
Beweiswürdigung. Sie meinen, es sei nicht verständlich, weshalb E.________
hinter dem Rücken seiner Geschäftspartnerin das gemeinsame Geschäft hätte
verkaufen sollen. Jedenfalls sei nicht nachvollziehbar, weshalb er ihr auch
nach dem Verkauf nicht davon hätte erzählen sollen.

Die Beschwerdeführer verkennen, dass Willkür nicht bereits vorliegt, wenn
eine andere als die vom kantonalen Gericht gewählte Lösung ebenfalls
vertretbar scheint oder gar vorzuziehen wäre. Ein Verstoss gegen das
Willkürverbot setzt vielmehr voraus, dass der angefochtene Entscheid sich
schlechterdings nicht halten lässt, weil er mit der tatsächlichen Situation
in klarem Widerspruch steht (BGE 122 I 61 E. 3a mit Hinweisen). Inwiefern die
Annahme des Obergerichts, E.________ habe mit der Geheimhaltung des Verkaufs
des Standes die auf der Intensivstation liegende F.________ schonen und ihr
wegen der mit den Beschwerdegegnern abgemachten Geheimhaltung auch im
Nachhinein nichts davon gesagt, unhaltbar sein soll, zeigen die
Beschwerdeführer nicht auf. Auch insoweit ist die Beschwerde unbegründet.

3.3 Die Beschwerdeführer betrachten sodann die Einschätzung des Obergerichts
als willkürlich, wonach die Ausführungen des Zeugen G.________ im Einklang
mit den Aussagen der Beschwerdegegner stünden. Sie weisen darauf hin, dass
der Zeuge vor Obergericht erwähnt hat, er könne sich nicht mehr daran
erinnern, dass man davon gesprochen habe, gegenüber F.________ Schweigen zu
bewahren.

Übereinstimmung von Einvernahmen verschiedener Personen erfordert nicht,
dass deren Angaben in sämtlichen Punkten deckungsgleich sind. Insbesondere
schafft ein Zeuge keine Unstimmigkeit, wenn er Parteiaussagen in einem
bestimmten Punkt nicht zu bestätigen vermag, weil er sich nicht daran
erinnert. Auch diese Rüge verfängt daher nicht.

4.
Soweit die Beschwerdeführer sich darauf berufen, es genüge, mit dem
Gegenbeweis den Hauptbeweis zu erschüttern, vermengen sie Argumente zur
Beweislast mit solchen zur Beweiswürdigung. Da das Obergericht vom positiven
Nachweis der von den Beschwerdegegnern behaupteten Vereinbarung ausgeht, sind
Überlegungen zur Beweislastverteilung müssig (vgl. BGE 119 III 103 E. 1; 118
II 142 E. 3a). Dass das Obergericht in Willkür verfallen wäre, als es die
Partei- und Zeugenaussagen stärker gewichtete als den Umstand, dass die
monatlichen Zahlungen von Fr. 3'000.-- unter dem Titel "Miete" erfolgten,
zeigen die Beschwerdeführer nicht auf eine Weise auf, welche den
Anforderungen an die Begründung einer staatsrechtlichen Beschwerde genügen
würde (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Auch insoweit hält das angefochtene Urteil
vor der Verfassung stand.

5.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet und
ist abzuweisen. Ausgangsgemäss werden die Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 und 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegner unter solidarischer
Haftbarkeit für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 2'500.--
zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Juli 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:   Der Gerichtsschreiber: