Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4P.216/2002
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4P.216/2002 /rnd

Urteil vom 7. Februar 2003

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Mazan.

A. ________,
B.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Bühler,
Denkmalstrasse 2, Postfach 6453, 6000 Luzern 6,

gegen

X.________ AG,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc Kaeslin,
Eichwaldstrasse 7, 6005 Luzern,
Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz,

Art. 9 und 29 BV (Willkürliche Beweiswürdigung im Zivilprozess; rechtliches
Gehör etc.),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, vom

10. September 2002.

Sachverhalt:

A.
Am 9. März 1999 vermietete die X.________ AG (Beschwerdegegnerin) A.________
(Beschwerdeführer 1) Räumlichkeiten zum Betrieb eines Restaurants in der
Liegenschaft Hotel T.________. Der Mietvertrag wurde auch von B.________
(Beschwerdeführer 2) unterschrieben. Der Beginn der Miete wurde auf den 15.
April 1999 bzw. spätestens 1. Mai 1999 festgesetzt. Der Vertrag wurde auf
eine Dauer von fünf Jahren mit der Option auf weitere fünf Jahre
abgeschlossen. Der Mietzins betrug Fr. 10'900.-- pro Monat (inkl. Heiz- und
Nebenkosten). Abgesehen davon wurde ein zusätzlicher Umsatzmietzins ab einem
Umsatz von Fr. 1'200'000.-- vereinbart.
In einer Zusatzvereinbarung vom 1. Juli 2000 hielten die Parteien u.a. fest,
dass der Mietzins mit Wirkung ab 1. Juni 2000 auf Fr. 8'400.-- zu senken sei
und der Mietzinsausstand per Ende Mai 2000 Fr. 45'400.-- betrage, wobei die
Vereinbarung davon abhängig gemacht wurde, dass diese Zahlungen sowie die
Bezahlung des Mietzinses ab 1. Juli 2000 pünktlich erfolgen würden.
Am 29. September 2000 reichten die beiden Beschwerdeführer gegen die
Beschwerdegegnerin bei der Schlichtungsbehörde eine Klage auf rückwirkende
Herabsetzung des Mietzinses auf Fr. 5'500.-- pro Monat seit Mietbeginn ein.

B.
Am 15. Dezember 2000 kündigte die Beschwerdegegnerin das Mietverhältnis wegen
Zahlungsverzugs auf den 31. Januar 2001. Diese Kündigung wurde von den
Beschwerdeführern angefochten, worauf die Schlichtungsbehörde die Kündigung
mit Entscheid vom 28. März 2001 per 31. Januar 2001 als wirksam erklärte. Mit
Urteil vom 6. Februar 2002 stellte auch das Amtsgericht Luzern-Stadt fest,
dass die am 15. Dezember 2000 ausgesprochene Kündigung per  31. Januar 2001
wirksam sei. Auch das Obergericht des Kantons Luzern bestätigte mit Urteil
vom 10. September 2002 die Wirksamkeit der Kündigung.

C.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 14. Oktober 2002 beantragen die
Beschwerdeführer dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Luzern vom 10. September 2002 aufzuheben.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten,
eventuell sie abzuweisen.
Das Obergericht des Kantons Luzern beantragt die Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei.

D.
In der gleichen Sache gelangen die Beschwerdeführer auch mit Berufung ans
Bundesgericht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Erhebt eine Partei gleichzeitig staatsrechtliche Beschwerde und Berufung, so
ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden, und
der Entscheid über die Berufung wird ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5 OG). Im
vorliegenden Fall besteht kein Anlass, anders zu verfahren.

2.
Im kantonalen Verfahren war unter anderem umstritten, ob der Mietvertrag für
die Beschwerdeführer unverbindlich sei, weil sie darüber getäuscht worden
seien, dass die Beschwerdegegnerin schon bei Vertragsabschluss den Verkauf
des Hotels, in welchem sich das Mietobjekt befindet, geplant habe und daher
die Einhaltung der zehnjährigen Vertragsdauer von Anfang an in Frage gestellt
gewesen sei. Im angefochtenen Entscheid wurde die Frage des Vorliegens einer
Täuschung ausdrücklich offen gelassen, weil der Vertrag nach Auffassung des
Obergerichtes von den Beschwerdeführern auf jeden Fall nachträglich genehmigt
worden sei.

2.1 Die Frage, ob der Vertrag trotz allfälligem Willensmangel nachträglich
genehmigt worden war, bildet mit praktisch identischer Begründung sowohl
Gegenstand der Berufung als auch der staatsrechtlichen Beschwerde. Wenn zwei
Rechtsmittel mit identischer Begründung erhoben werden, ist nur auf das
Rechtsmittel einzutreten, mit dem zulässige Rügen vorgebracht werden (BGE 116
III 745 E. 2b S. 748). Eine nachträgliche Genehmigung eines an einem
Willensmangel leidenden Vertrages setzt voraus, dass der Genehmigende
Kenntnis vom Willensmangel hatte (BGE 108 II 102 E. 2a S. 105 f. m.w.H.).
Welche Kenntnis eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte, ist eine
Tatsachenfrage (BGE 124 III 182 E. 3 S. 184 m.w.H.), die nicht im
Berufungsverfahren, sondern nur im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
überprüft werden kann (Art. 43 Abs. 1 und 3 OG).

2.2 Soweit die Beschwerdeführer die Auffassung des Obergerichtes als
willkürlich kritisieren, sie hätten bereits am 29. September 2000 Kenntnis
von einem allfälligen Willensmangel gehabt, erweist sich die Beschwerde als
unbegründet. Am 29. September 2000 haben die Beschwerdeführer eine Klage auf
Mietzinsherabsetzung erhoben und zur Begründung u.a. Folgendes ausgeführt:
"Im nachhinein mussten wir feststellen, dass der Vermieter den ganzen
Hotelkomplex zum Kauf angeboten hat. Nach unseren Informationen war der
Vermieter schon vor unserer Vertragsunterzeichnung in intensiven
Verkaufsverhandlungen. In der Zwischenzeit ist es Tatsache, dass der
Hotelverkauf mit einem Vorkaufsrecht von der Gruppe Y.________ besiegelt
wurde."
Angesichts dieser Begründung ist die Meinung des Obergerichtes nicht
willkürlich, die Beschwerdeführer hätten am 29. September 2000 nicht nur vage
Vermutungen, sondern sichere Kenntnisse gehabt, dass die Beschwerdegegnerin
beim Abschluss des Mietvertrages ernsthafte Vertragsverhandlungen über den
Verkauf des Mietobjektes geführt habe und dadurch die Einhaltung der
vertraglich vereinbarten zehnjährigen Vertragsdauer - fünf Jahre fix und fünf
Jahre optional - ernsthaft in Frage gestellt gewesen sei. Folglich mussten
sie schon damals mit der Möglichkeit rechnen, dass sie von der
Beschwerdegegnerin in Bezug auf die Erfüllung des Mietvertrages während der
ganzen Vertragsdauer bewusst getäuscht worden sein könnten. Von einer
willkürlichen Feststellung in Bezug auf das Wissen der Beschwerdeführer am
29. September 2000 kann unter diesen Umständen keine Rede sein.

2.3 Auf die weiteren Beanstandungen, die in diesem Zusammenhang erhoben
werden, ist nicht einzutreten. Die von den Beschwerdeführern gerügten
Bundesrechtsverletzungen können nur in der Berufung vorgebracht werden (Art.
43 Abs. 1 und 84 Abs. 2 OG), und die Rüge der Verletzung des rechtlichen
Gehörs ist nicht substanziiert, weil nicht dargelegt wird, inwieweit der
Gehörsanspruch verletzt worden sein soll (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).

3.
Weiter ist auf die Beschwerde auch insoweit nicht einzutreten, als die
Beschwerdeführer beanstanden, entgegen der Auffassung des Kantonsgerichtes
sei der Beschwerdeführer 2 nicht Partei des Mietvertrages, sondern Bürge
gewesen.
Das Obergericht hat im Rahmen einer subjektiven Vertragsauslegung
festgestellt, dass sich die Beteiligten tatsächlich darin einig gewesen
seien, dass sich zusätzlich zum Beschwerdeführer 1 auch der Beschwerdeführer
2 als Mieter verpflichtet habe. Die Beschwerdeführer werfen dem Obergericht
nicht vor, im angefochtenen Urteil sei in willkürlicher Weise ein
tatsächlicher Konsens festgestellt worden. Vielmehr beschränken sie sich im
Wesentlichen darauf zu behaupten, dass die von ihnen offerierten Zeugen, die
hätten bestätigen können, dass sich der Beschwerdeführer 2 nie habe
mietvertraglich verpflichten wollen, nicht angehört worden seien. Wie dem
angefochtenen Urteil klar entnommen werden kann, unterblieb die
Beweisabnahme, weil die angeführten Umstände für die Beurteilung der Frage,
ob sich der Beschwerdeführer 2 als Mieter verpflichtet habe, nicht
entscheidend seien und den Ausgang des Verfahrens nicht beeinflussen würden.
Dabei handelt es sich - entgegen der Meinung der Beschwerdeführer - um eine
antizipierte Beweiswürdigung, die von ihnen aber nicht als willkürlich
beanstandet wird. Mangels Verfassungsrüge ist auch diesbezüglich auf die
Beschwerde nicht einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).

4.
Nur der Vollständigkeit halber sei schliesslich festgehalten, dass auf die
Beschwerde auch insoweit nicht einzutreten ist, als beanstandet wird, die
Tatsachenfeststellungen des Obergerichtes beruhten auf einem offensichtlichen
Versehen. Diese Rüge könnte in der Berufung vorgebracht werden (Art. 63 Abs.
2 Satz 2 OG), so dass auch insofern die staatsrechtliche Beschwerde nicht zur
Verfügung steht (Art. 84 Abs. 2 OG).

5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer unter
solidarischer Haftbarkeit kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs.
1 und Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.-- wird den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern,
I. Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Februar 2003

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: