Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4P.202/2002
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4P.202/2002/sch

Urteil vom 20. Dezember 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident,
Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt André Schlatter, Oberer Graben
26, 9000 St. Gallen,

gegen

Bank X.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Erich Fluri, Postfach,
8027 Zürich,
Kassationsgericht des Kantons Zürich,
Postfach 4875, 8022 Zürich.

Art. 9 und 29 BV (Zivilprozess),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kassationsgerichts des
Kantons Zürich vom 16. August 2002.

Sachverhalt:

A.
Der in Tagolsheim in Frankreich ansässige A.________ (Beschwerdeführer)
verfügte bei der Bank X.________ über ein Nummernkonto, welches ein
Kontokorrentkonto und ein Depot umfasste.

Am 20. Februar 1990 unterzeichnete der Beschwerdeführer die
Unterschriftenkarte und das Kontoeröffnungsformular. Im Formular erteilte er
der Bank die Postversand-Instruktion "banklagernd zurückzubehalten"; zudem
anerkannte er folgende Bestimmung:
"Banklagernd zu haltende Post gilt als zugestellt an dem, dessen Datum sie
trägt, folgenden Werktag."
Schliesslich anerkannte er die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
und des Depotreglements der Bank, die unter Ziffer 6 ebenfalls den bereits
zitierten Satz betreffend Zustellung der banklagernden Post enthält. Nach den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben Beanstandungen der Rechnungs- und
Depotauszüge innerhalb eines Monats zu erfolgen.

B.
Die auf das Kontokorrentkonto eingehenden Zahlungen stammten von B.________.
Bei diesem handelte es sich um einen Geschäftsmann, der damals in Lengnau
Wohnsitz hatte. Die Zahlungen wurden vom Beschwerdeführer für Treuhandanlagen
verwendet. Zu diesem Zweck haben er und die Bank am 20. Februar 1990 einen
Rahmenvertrag für treuhänderische Geldanlagen unterzeichnet. Die auf dem
Kontokorrentkonto eingehenden Zahlungen wurden im Hinblick auf solche Anlagen
jeweils auf das Depotkonto überwiesen. Am 3. Januar 1991 wurde eine sich auf
Fr. 47'000.-- belaufende Treuhandanlage bis 18. April 1991 verlängert. Das
galt auch für eine weitere Treuhandanlage, die aufgrund einer mittlerweile
eingegangenen Zahlung von Fr. 146'267.-- getätigt wurde.

Am 15. März 1991 erhielt die Bank die Kopie eines Wechsels über Fr.
180'000.--, der von der Y.________ in Tagolsheim ausgestellt und auf die zur
B.________-Gruppe gehörende Z.________ AG in Lengnau gezogen worden war.
Laut einer von C.________, Sachbearbeiter der Bank, am 18. März 1991
verfassten Telefonnotiz erhielt er an diesem Tag vom Beschwerdeführer
mündlich  den Auftrag, Fr. 180'000.-- an B.________ auszuzahlen, und zwar
gegen Einlieferung eines Wechsels gemäss der per Fax übermittelten Kopie.
Am gleichen Tag überbrachte B.________ das Original des Wechsels der Bank und
erhielt von dieser eine Barauszahlung von Fr. 180'000.--.

C.
Das Kontokorrentkonto des Beschwerdeführers wies am 31. März 1991 einen
Sollsaldo von Fr. 180'661.-- aus. Der banklagernd gehaltene Kontoauszug trägt
den Vermerk:
"Wir bitten um Prüfung des Kontoauszuges. Ohne Ihren Gegenbericht innert vier
Wochen schliessen wir auf Ihr Einverständnis mit diesem Auszug".
Die beiden bis 18. April 1991 verlängerten Treuhandanlagen von ursprünglich
Fr. 47'000.-- und Fr. 146'267.-- wurden dem Kontokorrentkonto des
Beschwerdeführers gutgeschrieben, das per 30. Juni 1991 nach Abzug des
Sollsaldos von Fr. 180'000.-- einen Saldo zugunsten des Beschwerdeführers von
Fr. 15'251.07 bzw. nach Belastung der Sollzinsen etc. von Fr. 14'245.--
auswies.
Der Kontoauszug per 30. Juni 1991 wurde mit dem gleichen Vermerk versehen wie
der Auszug per 31. März 1991 und ebenfalls banklagernd gehalten.

D.
Am 1. Juli 1991 fand sich der Beschwerdeführer zu einer Besprechung bei der
Bank ein. Gemäss einer Auszahlungs-Quittung von diesem Tag bezog er Fr.
15'000.-- .

Die Kontoauszüge per 30. September 1991 und per 31. Dezember 1991 wiesen
einen Sollsaldo von Fr. 786.-- bzw. von Fr. 838.-- aus. Nach der Darstellung
der Bank hat der Beschwerdeführer am 19. Februar 1992 Fr. 875.-- einbezahlt
und ihr hierauf die Instruktion erteilt, das Konto am 31. März 1992 zu
saldieren.

E.
Mit Klage vom 24. September 1997 verlangte der Beschwerdeführer von der Bank
die Rückerstattung der ihm nach seiner Auffassung zu Unrecht belasteten Fr.
180'000.-- nebst 5% Zins seit 19. März 1991. Das Bezirksgericht Zürich wies
die Klage mit Urteil vom 15. Juni 1998 ab. Der Beschwerdeführer gelangte mit
Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich, welches das erstinstanzliche
Urteil am 19. Juli 1999 aufhob und die Streitsache zur Ergänzung des
Verfahrens und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückwies.

Mit Urteil vom 29. August 2000 wies das Bezirksgericht die Klage abermals ab.
Gleich entschied das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 24. August
2001. Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers gegen
dieses Urteil wies das Kassationsgericht am 16. August 2002 ab, soweit es auf
sie eintrat.

F.
Der Beschwerdeführer hat gegen das Urteil des Kassationsgerichts
staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, es aufzuheben; eventuell
den Entscheid des Kassationsgerichts zusammen mit dem Urteil des
Obergerichtes des Kantons Zürich vom 24. August 2001 aufzuheben.
Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Vernehmlassung, die Beschwerde
abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei. Das Kassationsgericht hat auf
eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist in der Regel nur gegen letztinstanzliche
kantonale Entscheide zulässig (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Entscheid einer
unteren Instanz kann nach ständiger Rechtsprechung dann mitangefochten
werden, wenn die letzte kantonale Rechtsmittelinstanz nicht alle Fragen, die
Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde bilden, beurteilen konnte, oder
wenn sie die Rügen nur mit einer engeren Kognition, als sie dem Bundesgericht
zukommt, zu überprüfen befugt war. War jedoch die Überprüfungsbefugnis der
letzten kantonalen Behörde nicht beschränkter als diejenige des
Bundesgerichts im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, kann sich die
Beschwerde nur gegen den letzten kantonalen Entscheid richten (BGE 117 Ia 393
E. 1b mit Hinweisen).  So verhält es sich im vorliegenden Fall, denn der
Beschwerdeführer erhebt vor Bundesgericht Rügen, die er entsprechend bereits
vor dem Kassationsgericht  geltend machen konnte. Auf seinen Eventualantrag,
neben dem Entscheid des Kassationsgerichts auch das Urteil des Obergerichts
vom 24. August 2001 aufzuheben, ist von vornherein nicht einzutreten.

2.
Als unbeachtlich hat das Kassationsgericht die vom Beschwerdeführer
vorgebrachte Rüge bezeichnet, dass das Obergericht den Grundsatz der
Waffengleichheit verletzt habe, indem es ihn nicht zur Beweisaussage in Bezug
auf die Frage zugelassen habe, wer am 18. März 1991 der Bank den Auftrag zur
Auszahlung von Fr. 180'000.-- an B.________ erteilt habe.
Das Kassationsgericht betrachtete die Auseinandersetzung mit der Begründung
des Obergerichtes als ungenügend und stellte fest, der Beschwerdeführer habe
nur das bereits vor Vorinstanz Vorgebrachte wiederholt. Der Beschwerdeführer
setzt sich mit dieser Nichteintretens-Erwägung des Kassationsgerichtes nicht
auseinander, lässt sie unangefochten und wiederholt stattdessen einmal mehr
das vor dem Obergericht in der Sache Vorgebrachte, weshalb es beim
Nichteintreten bleiben muss. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer -
ohne weitere Begründung - die Nichteintretenserwägung des Kassationsgerichtes
als formalistisch bezeichnet.

3.
Das Kassationsgericht ist dem Obergericht in der Auffassung gefolgt, dass
zwischen der Frage, wer am 19. Februar 1992 Fr. 875.-- auf das Konto des
Beschwerdeführers bezahlt habe, um dieses zu saldieren, und der Frage, wer am
18. März 1991 den Auftrag für die Auszahlung von Fr. 180'000.-- an B.________
zulasten des Kontos des Beschwerdeführers erteilt habe, kein Zusammenhang
bestehe. Diese Auffassung lässt sich vertreten und ist nicht willkürlich. Die
Annahme, der Zahlungsauftrag für die Fr. 180'000.-- sei - wie in der
Aktennotiz von C.________ vom 18. März 1991 festgehalten - vom
Beschwerdeführer erteilt worden, würde auch dann nicht erschüttert, wenn die
Zahlung von Fr. 875.-- nicht vom Beschwerdeführer selbst vorgenommen worden
wäre. Selbst die in der staatsrechtlichen Beschwerde behaupteten
Ungereimtheiten lassen den Zusammenhang zwischen den beiden Zahlungen nicht
erkennen, jedenfalls nicht insoweit, als die Vorbringen nachvollziehbar sind,
und ein Eintreten nicht schon deshalb entfällt, weil der Beschwerdeführer
neue Tatsachen vorbringt, was im Beschwerdeverfahren unzulässig ist (BGE 128
I 354 E. 6c; 119 II 6 E. 4a mit Hinweis).

4.
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers bleiben die Feststellungen im
angefochtenen Urteil mit Bezug auf den Auftrag zur Zahlung von Fr. 180'000.--
von der Tatsache unberührt, dass nach der einen Version der Betrag von Fr.
875.-- von B.________ in einem Couvert namens des Beschwerdeführers
einbezahlt worden sei. Was der Beschwerdeführer als Aktenwidrigkeit im
Zusammenhang mit der Zahlung von Fr. 875.-- ausgibt, ist ohne Belang, weil
diese Zahlung nicht Prozessthema ist. Auf seine diesbezüglichen Vorbringen
braucht nicht weiter eingegangen zu werden.

5.
Für den Ausgang des Verfahrens ebenso wenig von Belang ist die Frage, weshalb
die Beschwerdegegnerin die Zahlung von Fr. 180'000.-- anhand des Kontostandes
des Beschwerdeführers bewilligte. Die Beschwerdegegnerin verfügte jedenfalls
über zwei bis 18. April 1991 verlängerte Treuhandanlagen des
Beschwerdeführers in der Höhe von Fr. 47'000.-- und Fr. 146'267.--, welche
ihr als Sicherheit dienen konnten und dem Beschwerdeführer am 1. Juli 1991
darüber hinaus noch einen Barbezug von Fr. 15'000.-- ermöglichten.

6.
Unzulässig sind sodann die Rügen des Beschwerdeführers, soweit er die im
Vertragsverhältnis zwischen den Parteien begründete Zustellungsfiktion als
bundesrechtswidrig bezeichnet. Diese Frage kann im Beschwerdeverfahren nicht
geprüft werden (Art. 84 Abs. 2 OG), wie im Übrigen in der Beschwerdeschrift
selbst eingeräumt wird. Der Beschwerdeführer hält zudem das angefochtene
Urteil des Kassationsgerichtes und den vorangegangenen Entscheid des
Obergerichtes nicht genügend auseinander und gibt nicht an, inwiefern der
Entscheid des Kassationsgerichtes, der allein Anfechtungsobjekt der
Beschwerde bilden kann, Verfassungsrecht verletzen soll.

7.
Der Beschwerdeführer macht einerseits in einer allgemein gehaltenen, gegen
den Entscheid des Kassationsgerichts gerichteteten Rüge geltend, dieses habe
die gesamte Beleg- und Indizienkette, die zu seinen Gunsten spreche,
vielleicht nicht im Einzelnen, aber in ihrer Gesamtheit willkürlich
gewürdigt. Die konkreten Vorwürfe richten sich dann aber gegen das
Obergericht, dessen Urteil nicht Anfechtungsobjekt bildet. Insbesondere
vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, welche das Prozessthema
betreffenden und für den Prozessausgang relevanten Tatsachen vom
Kassationsgericht willkürlich gewürdigt worden sein sollen. Deshalb ist auf
seine Rügen nicht einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 128 III 50 E. 1c
mit Hinweisen).

8.
Der Beschwerdeführer nimmt schliesslich Anstoss am Nichteintreten des
Kassationsgerichtes auf seine Rüge betreffend die Glaubwürdigkeit der
Aussagen von C.________, ficht aber nicht dessen Nichteintretenserwägung an,
sondern die Beweiswürdigung des Obergerichtes, so dass auch in diesem Punkt
auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann. Das Gleiche gilt für das
Nichteintreten des Kassationsgerichtes auf die Rüge, der schriftlichen
Bestätigung von B.________ sei zu Unrecht nur begrenztes Gewicht beigemessen
worden, und für das Nichteintreten auf die Rüge, dass die Aussagen von
D.________ vom Obergericht willkürlich gewürdigt worden seien.

9.
Aus diesen Gründen ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann.

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Dieser hat die
Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art.
159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit  Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Dezember 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: