Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.99/2002
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4C.99/2002 /rnd

Urteil vom 11. Juli 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident,
Klett, Nyffeler.
Gerichtsschreiber Gelzer.

A. ________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rudolf Strehler,
Dorfstrasse 21, 8356 Ettenhausen,

gegen

X.________ GmbH,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur.
Christoph Anwander, Bahnhofstrasse 21, Postfach 49, 9101 Herisau.

Grundstückkaufvertrag; Rückerstattung des Kaufpreises;
Schadenersatz,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Appenzell Ausserrhoden, 1. Abteilung, vom 20. November 2001.

Sachverhalt:

A.
Mit Vertrag vom 6. Oktober 1995 verkaufte die Beklagte als
Generalbevollmächtigte der Eigentümer die in Bolivien gelegene Farm an den
Kläger. Dieser bezahlte den Kaufpreis von US$ 16'500.-- im Januar 1996. Am
13. Mai 1996 erhielt er die am 23. März 1996 ausgestellte sog. "Caratula
Notarial" No. Y.________. In der Folge verlangte er die Rückabwickung des
Vertrages mit der Begründung, ihm sei durch die vorgelegten Dokumente keine
umfassende Eigentümerstellung verschafft worden.

Mit Vermittlungsbegehren vom 29. Oktober 1997 und Eingaben vom 15. Dezember
1997 und 6. Januar 1998 belangte der Kläger die Beklagte beim
Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden auf Zahlung von US$ 11'022.--.
Damit machte der Kläger die Rückerstattung der Hälfte des Kaufpreises nebst
Spesen und Zinsen geltend.

Mit Urteil vom 19. März 2001 verpflichtete das Kantonsgericht die Beklagte,
dem Kläger Zug um Zug gegen die Rückübertragung des gekauften Grundstücks US$
9'522.-- zu bezahlen.

Auf Appellation der Beklagten hin hob das Obergericht des Kantons Appenzell
Ausserrhoden am 20. November 2001 das erstinstanzliche Urteil auf und wies
die Klage ab. Zur Begründung führte das Obergericht ohne Angabe des
massgebenden Rechts an, die Beklagte habe den Kaufvertrag als direkte
Stellvertreterin der vormaligen Eigentümer des umstrittenen Grundstückes
abgeschlossen, weshalb die Klage schon mangels Passivlegitimation der
Beklagten abzuweisen sei. Zudem sei nach bolivianischem Recht für den
endgültigen Eigentumserwerb von Agrarland ein Vollstreckungstitel des
Präsidenten der Republik Bolivien erforderlich, welcher erteilt werde, wenn
der Käufer das Land gemäss den Zielen des bolivianischen Agrarrechts
bewirtschafte. Die Erteilung des Präsidialtitels hänge daher vom Käufer ab
und könne damit keine vertraglich geschuldete Leistung des Verkäufers sein.
Das Fehlen dieses Titels könne daher entgegen der Annahme des Klägers nicht
als Nichterfüllung qualifiziert werden, weshalb der Kläger daraus kein Recht
auf Rückritt vom Vertrag ableiten könne.

B.
Der Kläger erhebt eidgenössische Berufung mit den Anträgen, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben und die Beklagte sei zu verpflichten, ihm Fr.
15'700.-- zu bezahlen.

Die Beklagte schiesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf eingetreten
werden könne.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der Kläger rügt, das Obergericht habe die Bestimmungen des
internationalen Privatrechts verletzt, indem es den Grundstückkaufvertrag dem
bolivianischen und nicht dem schweizerischen Recht unterstellt habe. Es sei
zutreffend, dass gemäss Art. 119 Abs. 1 IPRG Verträge über Grundstücke oder
deren Gebrauch dem Recht des Staates unterstehen, in dem sich die Grundstücke
befinden. Die Umstände zeigten jedoch, dass der Vertrag zum schweizerischen
Recht eine engere Beziehung aufweise. So hätten die Parteien mit Wohnsitz in
der Schweiz den Kaufvertrag in der Schweiz abgeschlossen. Zudem hätten die
Eigentumspapiere in der Schweiz übergeben werden müssen.

1.2 Art. 117 Abs. 1 IPRG sieht vor, dass bei Fehlen einer Rechtswahl der
Vertrag dem Recht des Staates untersteht, mit dem er am engsten
zusammenhängt. Gemäss Art. 117 Abs. 2 IPRG wird vermutet, der engste
Zusammenhang bestehe mit dem Staat, in dem die Partei, welche die
charakteristische Leistung erbringen soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat
oder wenn sie den Vertrag aufgrund einer beruflichen oder gewerblichen
Tätigkeit geschlossen hat, in dem sich ihre Niederlassung befindet. In
Abweichung von dieser allgemeinen Vermutung unterstellt Art. 119 Abs. 1 IPRG
Verträge über Grundstücke oder deren Gebrauch dem Recht des Staates, in dem
sich die Grundstücke befinden. In der Literatur ist allgemein anerkannt, dass
ausnahmsweise von dieser Verweisung abgewichen werden kann. Diese Möglichkeit
wird zum Teil mit der Ausnahmeklausel von Art. 15 Abs. 1 IPRG begründet,
welche bestimmt, dass das gesetzlich verwiesene Recht ausnahmsweise nicht
anwendbar ist, wenn nach den gesamten Umständen offensichtlich ist, dass der
Sachverhalt mit diesem Recht in nur geringem, mit einem anderen Recht jedoch
in viel engerem Zusammenhang steht (Kneller, Basler Kommentar, N. 9 zu Art.
119 IPRG; Ivo Schwander, Grundstückkauf: Internationales Privatrecht und
Internationales Zivilprozessrecht; in: Der Grundstückkauf, Hrsg. Alfred
Koller, 2. Aufl. 2001, 435 ff., S. 448 Rz. 33; Eric Cornut, Der
Grundstückkauf im IPR, Unter Einschluss der Zuständigkeitsverweisung und des
internationalen Konfliktes, Diss. Basel 1987, S. 72). Ein anderer Teil der
Lehre vertritt die Auffassung, die Ausnahmeklausel von Art. 15 Abs. 1 IPRG
sei in Bezug auf Verträge bedeutungslos, da diese gemäss Art. 117 Abs. 1 IPRG
ohnehin dem Recht des Staates des engsten Zusammenhanges unterstünden und die
Verweisung von Art. 119 Abs. 1 IPRG daher als blosse Vermutung zu verstehen
sei, von der bei einem engeren Zusammenhang zu einem anderen Recht
abzuweichen sei (Keller/ Kren Kostkiewicz, IPRG Kommentar, Hrsg. Anton Heini
et al., N. 12 zu Art. 119 IPRG; Vischer/Huber/Oser, Internationales
Vertragsrecht, 2. Aufl. 2000, S. 311 Rz. 680; Bernard Dutoit, Commentaire de
la loi fédérale du 18 décembre 1987, 2 Aufl. 1997, N. 4 zu Art. 119 IPRG).
Die umstrittene Frage, ob eine Abweichung von der Verweisung von Art. 119
Abs. 1 IPRG gemäss der Ausnahmeklausel einen offensichtlich viel engeren
Zusammenhang oder gestützt auf Art. 117 Abs. 1 IPRG nur einen engeren
Zusammenhang zu einem anderen Recht erfordert, kann offen bleiben, weil im
vorliegenden Fall selbst ein engerer Zusammenhang zu verneinen ist. Ein
solcher setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Rechtfertigung der
normalen Anknüpfungsregel entfällt, weil im Einzelfall ein Tatbestandselement
fehlt, das von der Kollisionsregel stillschweigend als wesentlich
vorausgesetzt wird und das eine Grundlage für die regelmässige Anknüpfung
darstellt (Amstutz/Peter/Wang, Basler Kommentar, N. 15 zu Art. 117 IPRG;
Vischer/Huber/Oser, a.a.O., S. 138 Rz. 267). Die Anknüpfung von Art. 119 Abs.
1 IPRG beruht insbesondere auf der Annahme, beim Erwerb von Grundstücken
seien die sachenrechtliche Regelung und die öffentlichrechtliche Einrichtung
des Grundbuchs und bei der Miete und Pacht von Immobilien die in diesem
Rechtsbereich geltenden zwingenden Schutzvorschriften am Ort der gelegenen
Sache zu beachten, weshalb zur dortigen Rechtsordnung eine enge Verbindung
bestehe (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht
vom 10. November 1982, BBl. 1983 I 411; Keller/Kren Kostkiewicz, a.a.O., N. 2
f. zu Art. 119 IPRG). Da der rechtlichen Beziehung zum Ort der gelegenen
Sache bei der kürzeren Miete von Ferienwohnungen oder -häusern keine grosse
Bedeutung zukommt, kann insoweit die Grundlage für die Anknüpfung gemäss Art.
119 Abs. 1 IPRG fehlen. So wird in der Literatur angenommen, bei der Miete
einer im Ausland gelegenen Ferienwohnung könne ein engerer Zusammenhang zum
schweizerischen Recht bestehen, wenn beide Parteien ihren Wohnsitz in der
Schweiz haben und das Angebot dort ausgeschrieben wurde (Kneller, Basler
Kommentar, N. 9 zu Art. 119 IPRG; Keller/Kren Kostkiewicz, a.a.O., N. 12 zu
Art. 199 IPRG; Dutoit, a.a.O., N. 4 zu Art. 119 IPRG; vgl. auch
Vischer/Huber/Oser, a.a.O., S. 311 Rz. 680). Demgegenüber besteht beim
Eigentumserwerb von Grundstücken wegen der bei der Miete fehlenden dinglichen
Wirkung und der damit meist erforderlichen Grundbucheintragung und der
Notwendigkeit, die entsprechenden öffentlichrechtlichen Eingriffsnormen
bezüglich des Erwerbs von Grundeigentum zu beachten, zum Recht am Ort der
gelegenen Sache in aller Regel eine sehr starke Verbindung. Beim
Grundstückkauf ist daher die Grundlage für die regelmässige Anknüpfung fast
ausnahmslos gegeben, weshalb andere Elemente in aller Regel keinen engeren
Zusammenhang zu einer anderen Rechtsordnung schaffen können (vgl. BGE 82 II
550 E. 4 S. 554; ähnlich Keller/Kren Kostkiewicz, a.a.O., N. 12 zu Art. 199
IPRG; Kneller, Basler Kommentar, N. 9 zu Art. 119; Schwander, a.a.O., S. 448
Rz. 33; weniger zurückhaltend Cornut, a.a.O., S. 74). So hat das
Bundesgericht bereits vor dem Inkrafttreten des IPRG angenommen, beim Kauf
eines ausländischen Grundstücks seien die Festsetzung des Preises in
Schweizer Franken, sowie die Schweizer Nationalität und der schweizerische
Wohnsitz der Parteien nicht genügend bedeutend, um den Ort der gelegenen
Sache in den Hintergrund zu drängen und das Schwergewicht des Vertrages in
die Schweiz zu verlegen (BGE 82 II 550 E. 4 S. 554).

1.3 Der Kläger legt nicht dar, weshalb beim vorliegenden Grundstückkauf der
Zusammenhang zum Recht am Ort des gekauften Grundstücks ausnahmsweise schwach
sein soll. Dies ist auch nicht ersichtlich, zumal der Streitpunkt die
entsprechenden öffentlichrechtlichen Vorschriften betrifft. Entgegen der
Annahme des Klägers können daher der schweizerische Wohnsitz der Parteien und
der Vertragsabschluss bzw. die Übergabe der Dokumente in der Schweiz keinen
engeren Zusammenhang zum schweizerischen Recht schaffen. Die Rüge, das
Obergericht habe den Kaufvertrag in Abweichung von Art. 119 Abs. 1 IPRG dem
Schweizer Recht unterstellen müssen, erweist sich damit als unbegründet.

2.
Nach dem Gesagten untersteht der umstrittene Kaufvertrag dem bolivianischem
Recht. Dieses beherrscht damit sowohl die Entstehung als auch die Wirkung des
Vertrages (Keller/Kren Kostkiewicz, a.a.O., N. 11 zu Art. 117 IPRG; Amstutz/
Vogt/Wang, Basler Kommentar, N. 3 f. zu Art. 117 IPRG; Dutoit, a.a.O., N. 1
zu Art. 117 IPRG). Im vorliegenden Fall ist daher nach bolivianischem Recht
zu bestimmen, ob zwischen den Parteien ein Vertrag zu Stande gekommen, ob er
wegen Willensmängeln anfechtbar und ob er richtig erfüllt worden ist, bzw.
welches die Folgen einer Nicht- oder Schlechterfüllung sind.

Das Obergericht hat die aus der Nichterfüllung des Kaufvertrages abgeleiteten
Ansprüche des Klägers insbesondere deshalb abgewiesen, weil es annahm, der
Vertrag sei nach bolivianischem Recht richtig erfüllt worden. Diese
Begründung beruht auf der Anwendung ausländischen Rechts, welche im
vorliegenden Berufungsverfahren, das eine vermögensrechtliche Streitigkeit
betrifft, nicht überprüft werden kann (Art. 43a Abs. 2 OG, e contrario; BGE
119 II 177 E. 3e  S. 182; 126 III 492 E. 3a). Auf die Rüge des Klägers, das
Obergericht habe das bolivianische Recht nicht richtig angewendet, ist daher
nicht einzutreten.

Da das angefochtene Urteil auf Grund der genannten selbständigen Begründung,
welche auf der Vertragserfüllung beruht, zu bestätigen ist, besteht an der
Überprüfung der Begründung, mit der das Obergericht bereits den
Vertragsabschluss zwischen den Parteien und damit die Passivlegitimation der
Beklagten verneinte, kein Rechtsschutzinteresse. Weitere Ausführungen dazu
erübrigen sich deshalb.

3.
Nach dem Gesagten ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Kläger kosten- und
entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Obergerichts des Kantons Appenzell Ausserrhoden, 1. Abteilung, vom 20.
November 2001 wird bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger auferlegt.

3.
Der Kläger hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Appenzell
Ausserrhoden, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Juli 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: