Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.96/2002
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4C.96/2002 /RrF

Urteil vom 1. Juli 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident,
Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler,
Gerichtsschreiber Dreifuss.

A. ________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Fürsprecher Patrick Raedersdorf,
Spitalgasse 4, Postfach 8563, 3001 Bern,

gegen

X.________ AG,
Beklagte und Berufungsbeklagte.

Abtretung,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, vom 20. Oktober 2001 / 16. Januar 2002.

Sachverhalt:

A.
Die Firma Y.________ AG hatte mit der Firma X.________ AG (Beklagte) einen
Vertrag über die Lieferung eines kompletten Verpackungssystems abgeschlossen.
Die Beklagte zog für die Teilanlage zur Verpackung von Verschlussdeckeln
A.________ (Kläger) als Subunternehmer bei. Dieser zog seinerseits die Firma
"Z.________" als Zulieferantin bei. Die Parteien haben den Anlagepreis auf
Fr. 464'760.-- netto festgesetzt, zahlbar in vier Raten.

B.
Der Kläger belangte die Beklagte mit Klage vom 12. Oktober 1993 und
Klageergänzung vom 8. Dezember 1993 vor Amtsgericht Olten-Gösgen auf Zahlung
der beiden letzten Werkpreisraten plus Zins sowie auf Zahlung von zwei
weiteren Rechnungen. Die Beklagte stellte den Forderungen des Klägers
verschiedene Verrechnungsforderungen gegenüber.

Das Amtsgericht wies die Klage zunächst wegen fehlender Aktivlegitimation ab.
Das Obergericht des Kantons Solothurn hob dieses Urteil am 8. Januar 1999
auf. Auf eine hiergegen eingelegte Berufung trat das Bundesgericht mit Urteil
vom 22. April 1999 nicht ein.

In der Folge hiess das Amtsgericht die Klage am 23. August 1999 teilweise gut
und verpflichtete die Beklagte dem Kläger Fr. 68'175.70 zuzüglich 9 % Zins ab
22. August 1993 zu bezahlen. Im Rahmen dieses Entscheids verneinte das
Amtsgericht unter anderem das Recht der Beklagten, eine Forderung über BEF
661'998.-- (Fr. 26'949.95), die ihr von der Firma Z.________ mit Erklärung
vom 21./23. März 1994 abgetreten worden war, mit den Ansprüchen des Klägers
zu verrechnen. Die Firma Z.________ sei mutmasslich für verschiedene Mängel
der Anlage und Folgekosten verantwortlich. Das Abtretungsgeschäft zwischen
der Beklagten und der Firma Z.________ sei erfolgt, um Z.________ durch
Erzeugung einer Verrechnungsposition trotzdem volle Befriedigung für ihre
Forderung gegen den Kläger zu verschaffen. Die Verrechnungserklärung sei
daher rechtsmissbräuchlich abgegeben worden.

Auf Appellation der Beklagten hin, reduzierte das Obergericht mit Urteil vom
20. Oktober 2001/16. Januar 2002 den dem Kläger zugesprochenen Betrag auf Fr.
35'517.65 nebst Zins zu 9 % seit dem 7. Februar 1994 und wies die Klage im
Übrigen ab. Im Gegensatz zum Amtsgericht erachtete es namentlich die
Verrechnung der von der Firma Z.________ abgetretenen Forderung durch die
Beklagte nicht als rechtsmissbräuchlich.

C.
Der Kläger beantragt mit eidgenössischer Berufung, das obergerichtliche
Urteil aufzuheben, soweit das Obergericht die Verrechenbarkeit der mit
Abtretungsvereinbarung vom 21./23. März 1994 von der Firma "Z.________" an
die Beklagte abgetretenen Forderung über BEF 661'998.-- bejaht habe. Zudem
sei  die Verrechnungsforderung abzuweisen.

Eine in gleicher Sache erhobene staatsrechtliche Beschwerde des Klägers hat
das Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen, soweit es darauf
eingetreten ist.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Kläger rügt, das Obergericht habe verkannt, dass die Beklagte die Einrede
der Verrechnung rechtsmissbräuchlich erhoben habe. Die Beklagte habe sich die
Forderung der Firma Z.________ in der Absicht abtreten lassen, eine
Verrechnungsposition zu schaffen, um ihre Stellung im bereits anhängig
gemachten Forderungsprozess zu verbessern. Durch die Abtretung sei die
Stellung des Klägers im Verfahren denn auch verschlechtert worden. Ferner sei
er als Subunternehmer um die Möglichkeit gebracht worden die
Sub-Subunternehmerin Z.________ durch Verweigerung der vollständigen Zahlung
ihrer Forderung zur Vornahme von Reparaturarbeiten anzuhalten.

Die Vorinstanz erachtete die in diesem Zusammenhang aufgestellten
Behauptungen der Beklagten, sie habe die Forderung der Firma Z.________
bezahlen müssen, damit diese Probleme bei der Anlage löse, als nicht belegt.
Sie ging vielmehr mit dem Kläger davon aus, dass sich die Beklagte die
Forderung der Firma Z.________ am 21./23. März 1994, d.h. kurz nach
Einreichung der Klage am 10. März 1994, habe abtreten lassen, um eine
Verrechnungsposition zu schaffen. Indessen sah sie darin kein
rechtsmissbräuchliches Verhalten, zumal die Forderung durch die Abtretung
keine Änderung erfahre und dem Kläger keine Einreden gegenüber dem Gläubiger
abgeschnitten würden. Der Kläger habe indessen von seiner Möglichkeit,
Einreden gegen die abgetretene Forderung gegenüber der Zessionarin
(Beklagten) geltend zu machen, weder im Zeitpunkt, als er von der Zession der
Forderung erfuhr und die Schlechterfüllung der Z.________ bereits bekannt
gewesen sei noch später Gebrauch gemacht. Die Forderung sei daher zur
Verrechnung zuzulassen.

Damit hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt. Zwar unterliegen sowohl
die Ausübung der Verrechnungsbefugnis als auch die Anrufung eines die
Verrechnung ausschliessenden Umstandes wie jede andere Rechtsausübung

dem Rechtsmissbrauchsverbot nach Art. 2 Abs. 2 ZGB (Aepli, Zürcher Kommentar,
Vorbem. zu Art. 120-126, N. 84 ff. und 97 ff.; derselbe in: Die
Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Hrsg. Peter Gauch/Jörg
Schmid, Zürich 2001, S. 328 [zit. Rechtsentwicklung]). Indessen liegt in der
Herstellung und Ausnützung einer Verrechnungslage als solcher ebenso wenig
bereits ein offenbarer Rechtsmissbrauch wie in deren Verhinderung oder
Beseitigung durch Abtretung einer Forderung. Anders kann es sich
gegebenenfalls verhalten, wenn der Gläubiger oder der Schuldner besondere
Umstände nachweist, die sein Interesse an einer Realleistung  (durch
Barzahlung) bzw. an einer Verrechnung als schützenswert erscheinen lassen
(Aepli, Zürcher Kommentar, Vorbem. zu Art. 120-126, N. 90 und 105; derselbe,
Rechtsentwicklung, a.a.O., S. 329 f.). Ein solcher Umstand kann insbesondere
nicht darin gesehen werden, dass dem Kläger mit der Abtretung der Forderung
von der Z.________ an die Beklagte die Möglichkeit genommen wurde, die Firma
Z.________ durch einen Zahlungsrückbehalt zur Vornahme von Reparaturarbeiten
anzuhalten, und dass er allfällige Mängelrechte gegen Z.________
gegebenenfalls auf dem Rechtsweg durchsetzen muss. Weitere Gründe, die auf
Rechtsmissbräuchlichkeit schliessen lassen könnten, behauptet der Kläger
nicht.

Soweit der Kläger geltend macht, seine Stellung im Verfahren habe sich
infolge des Erwerbs der Abtretungsforderung durch die Beklagte
verschlechtert, kann ihm nicht gefolgt werden. Wie die Vorinstanz zutreffend
festhielt, verschlechterte sich die Rechtsstellung des Klägers durch die
Zession nicht; vielmehr ging die Forderung der Firma Z.________ mit allen
Vorzügen und Nachteilen, die ihr anhafteten, auf die Beklagte über und stand
dem Kläger nach Art. 169 OR die Möglichkeit zu, sämtliche Einreden, die er
gegenüber der Firma Z.________ als Gläubigerin der Forderung hätte erheben
können, auch gegenüber der Beklagten zu erheben (vgl. dazu Daniel Girsberger,
Basler Kommentar, Vorbem. zu Art. 167 - 169 OR, N. 1 ff. zu Art. 169 OR, je
mit Hinweisen). Davon hat er jedoch nach den vorinstanzlichen Feststellungen
keinen Gebrauch gemacht.

Die Vorinstanz hat demnach eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des
Verrechnungsrechts insoweit zutreffend verneint und die Verrechnung der
Forderung durch die Beklagte zu Recht zugelassen.

2.
Die Vorinstanz erwog weiter, die Verrechnung von Geldforderungen in
verschiedenen Währungen sei grundsätzlich zulässig, sofern - wie vorliegend -
ein allgemein anerkannter Umrechnungskurs bestehe (vgl. Aepli, a.a.O, N. 69
zu Art. 120 OR). Der Kläger macht geltend, die Verrechnungsforderung wäre
nach der massgeblichen Parteivereinbarung in der belgischen Landeswährung zu
zahlen gewesen, weshalb die Verrechnung dieser Forderung mangels
Gleichartigkeit der Leistungen (Art. 120 Abs. 1 OR) ausgeschlossen sei.
Dieser Einwand ist nicht zu hören, da er sich auf die von der Vorinstanz
nicht festgestellte Tatsache stützt, dass die Parteien eine
Effektivvereinbarung geschlossen hätten. Der Kläger verkennt damit, dass im
Berufungsverfahren das Vorbringen neuer Tatsachen, neuer Einreden und
Bestreitungen unzulässig ist und das Bundesgericht von hier nicht geltend
gemachten Ausnahmen abgesehen an den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt gebunden ist (Art. 55 Abs. 1 lit. c und d sowie Art. 63 Abs. 2
OG).

3.
Die Berufung ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem Kläger aufzuerlegen. Eine
Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen, weil sich die Beklagte am
bundesgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt hat (Art. 156 Abs. 1 und Art.
159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 20. Oktober 2001 /16. Januar 2002
wird bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Juli 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: