Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.8/2002
Zurück zum Index I. Zivilabteilung 2002
Retour à l'indice I. Zivilabteilung 2002


4C.8/2002 /RrF

Urteil vom 3. Mai 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, Präsident,
Corboz, Klett, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________,
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Fürsprecher Rolf Liniger,
Jurastrasse 20, 4600 Olten,

gegen

X.________,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Daniel
Menzi, Römerstrasse 14, 4603 Olten,

Bürgschaft; Kreditvertrag,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, vom 30. Oktober 2001.

Sachverhalt:

A.
A. ________ (Beklagter) unterzeichnete zwei Solidarbürgschaftsverpflichtungen
gegenüber der damaligen Y.________, die erste am 25. Oktober 1994 über einen
Höchstbetrag von Fr. 400'000.--, die zweite am 29. März 1995 über einen
Höchstbetrag von Fr. 300'000.--. Er verpflichtete sich damit, unabhängig von
anderen bestehenden oder künftigen Bürgschaften als Alleinbürge bis zu den
Höchstbeträgen für alle Forderungen zu haften, welche die Bank gegenüber der
Hauptschuldnerin zur Zeit besitzt oder in Zukunft erlangen wird.

Hauptschuldnerin war die Z.________ AG, der die Y.________ gemäss
Kreditvertrag vom 1./6. September 1995 einen Kredit über Fr. 700'000.--
(Kontokorrent von Fr. 400'000.-- und fester Vorschuss von Fr. 300'000.--)
gewährte, der durch die Bürgschaften des Beklagten sichergestellt wurde.

Ein mit demselben Kreditvertrag gewährter weiterer Kredit über Fr. 400'000.--
sollte durch eine Bürgschaft des Kantons Solothurn im Rahmen der
Wirtschaftsförderung sichergestellt werden. Diese Bürgschaft wurde nicht
begründet.

Am 29. September 1997 kündigte die X.________, die nach erfolgter
Umstrukturierung ihrer Bankengruppe neu zuständig war, bei der Z.________ AG
die Kredite von Fr. 700'000.-- und Fr. 400'000.--. Dem Beklagten und dem
Kanton Solothurn wurde eine Kopie des Kündigungsschreibens zugestellt. Am 11.
September 1998 wurden die beiden Solidarbürgschaften des Beklagten in
Anspruch genommen. Am 22. Januar 1999 wurde über die Z.________ AG der
Konkurs eröffnet. Die X.________ meldete eine den festen Vorschuss
betreffende Forderung von Fr. 414'870.95 und eine den Kontokorrentkredit
betreffende Forderung von Fr. 52'745.35 an.

Der Beklagte unterzeichnete am 23. September 1996 gegenüber der damaligen
C.________ eine weitere Solidarbürgschaftsverpflichtung über einen
Höchstbetrag von Fr. 200'000.--. Hauptschuldnerin war die D.________ AG. Mit
Schreiben vom 31. Januar 1997 teilte die X.________ dem Beklagten an die
Adresse der D.________ AG  mit, dass deren Vertragsbeziehungen mit der
Ex-Y.________ und der Ex-C.________ zusammengelegt würden, wofür gemäss Art.
114 OR sein schriftliches Einverständnis eingeholt werden müsse. Der Beklagte
sandte das unterzeichnete Doppel dieses Schreibens am 22. Februar 1997 zum
Zeichen seines Einverständnisses als Solidarbürge der X.________ zurück. Am
27. Februar 1997 und am 15. April 1997 wurde der D.________ AG  ein Kredit in
Aussicht gestellt. Gemäss Kreditvertrag vom 28. Juli 1997, dem der Beklagte
als Solidarbürge mit seiner Unterschrift zugestimmt hat, beträgt die Limite
für feste Vorschüsse Fr. 250'000.--, sichergestellt durch die vom Beklagten
am 23. September 1996 unterzeichnete Solidarbürgschaftsverpflichtung in der
Höhe von Fr. 200'000.--.

Am 14. Oktober 1997 kündigte die X.________ den Kreditvertrag mit Kopie an
den Beklagten. Mit Schreiben vom 7. September 1998 teilte die X.________ dem
Beklagten den Saldo des verbürgten Kontos von Fr. 254'063.15 mit und
eröffnete ihm, dass sie ihn als Solidarbürgen für Fr. 200'000.-- beanspruchen
wolle.

B.
Mit Klage vom 9. Juli 1999 stellte die X.________ das Begehren, in teilweiser
Beanspruchung der beiden Bürgschaftsverpflichtungen vom 29. März 1995 über
Fr. 300'000.-- beziehungsweise vom 25. Oktober 1994 über Fr. 400'000.-- habe
ihr der Beklagte den Betrag von Fr. 52'745.35 zu bezahlen und in
Beanspruchung der Bürgschaft vom 23. September 1996 Fr. 200'000.--.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2000 hiess das Amtsgericht von Olten-Gösgen die
Klage gut. Der Beklagte appellierte an das Obergericht des Kantons Solothurn,
welches den erstinstanzlichen Entscheid mit Urteil vom 30. Oktober 2001
bestätigte .

C.
Der Beklagte hat das Urteil des Obergerichts mit Berufung und
staatsrechtlicher Beschwerde angefochten. Letztere wies das Bundesgericht mit
Urteil vom heutigen Tag ab, soweit es darauf eintrat. Mit der vorliegenden
Berufung beantragt der Beklagte die Aufhebung des Urteils des Obergerichts
und die Abweisung der Klage. Die Klägerin schliesst auf Bestätigung des
angefochtenen Urteils.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ist in der Berufungsschrift kurz
darzulegen, welche Bundesrechtssätze der angefochtene Entscheid verletzt und
inwiefern er gegen sie verstösst. Unzulässig sind dagegen Rügen, die sich
gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz richten, es sei denn,
es werde dieser zugleich ein offensichtliches Versehen, eine Verletzung
bundesrechtlicher Beweisvorschriften (Art. 63 Abs. 2 OG) oder unvollständige
Ermittlung des Sachverhaltes vorgeworfen (Art. 64 OG). Will eine Partei den
Sachverhalt gestützt auf solche Ausnahmen berichtigt oder ergänzt wissen, so
hat sie darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1
lit. d OG; BGE 115 II 485 E. 2a mit Hinweisen). Diese
Begründungsanforderungen werden vom Beklagten missachtet, indem er - ohne
eine solche Ausnahme geltend zu machen - in der Berufungsschrift von der
Tatsache ausgeht, er habe in seiner Eigenschaft als Verwaltungsrat und
Geschäftsführer der Z.________ AG den mit der damaligen Y.________
abgeschlossenen Kreditvertrag vom 1./6. September 1995 wegen Willensmängeln
angefochten. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich
festgestellt, dass die Hauptschuld nicht angefochten wurde. Auf die vom
Beklagten unter andern tatsächlichen Voraussetzungen erhobene Rüge, das
Obergericht habe die Bestimmungen von Art. 23 ff. OR falsch angewendet, ist
daher nicht einzutreten. Ebenso wenig einzutreten ist demzufolge auch auf den
Vorwurf, die Vorinstanz hätte den Zeugen E.________   zur Frage der
Vertragsanfechtung einvernehmen müssen.

1.2 Der Beklagte rügt, die Vorinstanz habe den aus Art. 8 ZGB abgeleiteten
Beweisanspruch verletzt, indem sie einen vom Wortlaut abweichenden Sinn der
Bürgschaftsverträge zur Sicherstellung der Kredite als "nicht belegt" im
Sinne von als nicht bewiesen angesehen und trotz Beweislosigkeit den von ihm
beantragten Zeugen E.________ nicht einvernommen habe.

Nach der Rechtsprechung kann Art. 8 ZGB verletzt sein, wenn das Gericht
taugliche und formgültig beantragte Beweise zu rechtserheblichen Tatsachen
nicht abnimmt, obwohl es die Sachvorbringen weder als bewiesen noch als
widerlegt erachtet. Dagegen wird Art. 8 ZGB nicht verletzt, wenn das
kantonale Gericht ein Beweisangebot aufgrund antizipierter Beweiswürdigung
verwirft (BGE 122 III 219 E. 3c). Im angefochtenen Urteil wird festgehalten,
der Beklagte habe die Bürgschaftsverträge, wie dem eindeutigen und klaren
Wortlaut zu entnehmen sei, bedingungslos abgeschlossen. Die beurkundenden
Notare hätten denn auch deutlich festgehalten, dass die
Bürgschaftsverpflichtungen dem Willen des Beklagten entsprechen würden. Es
gehe unter diesen Umständen nicht an, dem eindeutigen Wortlaut der
Bürgschaftsverträge einen andern, durch nichts belegten Sinn beizumessen. Aus
dieser Erwägung ergibt sich, dass das Obergericht das Beweisangebot des
Beklagten nicht berücksichtigte, weil es entweder das Beweisthema als
unerheblich oder die Aussagen des Zeugen in antizipierter Würdigung als nicht
geeignet betrachtete, am feststehenden Beweisergebnis etwas zu ändern. In
beiden Fällen scheidet aber eine Verletzung von Art. 8 ZGB aus, womit sich
die entsprechende Rüge des Beklagten als unbegründet erweist.

2.
2.1 Die Vorinstanz ist zum Ergebnis gelangt, die Bürgschaftsverträge seien mit
keinem Willensmangel behaftet. Der Beklagte mache zu Unrecht geltend, er
hätte die Bürgschaftsverträge nicht abgeschlossen, wenn er gewusst hätte,
dass der Kanton Solothurn seinerseits die von ihm in Aussicht gestellte
Bürgschaftsverpflichtung nicht eingehen würde. Der Beklagte habe sich nämlich
nach dem klaren Wortlaut der Bürgschaftsurkunden unabhängig vom
Zustandekommen weiterer Bürgschaften verpflichtet. Die Vorinstanz weist
sinngemäss auf den viertletzten Absatz von Seite 1 der Urkunden hin, der wie
folgt lautet :
"Der Unterzeichnende geht die Bürgschaft ein ohne Rücksicht darauf, ob für
die verbürgten Forderungen noch andere Sicherheiten und Vorzugsrechte
bestehen oder zu bestellen sind".

Die Vorinstanz hält sodann fest, auch der Einwand des Beklagten, er hätte als
Geschäftsführer und Verwaltungsrat der Hauptschuldnerin den Kreditvertrag vom
1. September 1995 nicht abgeschlossen, wenn er gewusst hätte, dass die
Bürgschaft mit dem Kanton nicht zustande komme, ändere an seiner Stellung als
Bürge nichts. Es komme einzig darauf an, ob die Hauptschuldnerin den
Kreditvertrag mit Erfolg angefochten habe, was zu einem Dahinfallen der
Hauptschuld und der Bürgschaft geführt hätte. Nachdem die Hauptschuldnerin
die Anfechtung unterlassen habe, bleibe die Bürgschaft bestehen.

2.2 Der Beklagte hält dafür, die Vorinstanz habe die Vorschriften von Art.
151 ff. OR verletzt, indem sie angenommen habe, er habe die Bürgschaften zur
Sicherstellung des Kredites für die Z.________ AG bedingungslos erklärt und
die Verpflichtung nicht von der Bedingung abhängig gemacht, dass ein weiterer
der Z.________ AG gewährter Kredit durch den Kanton Solothurn verbürgt werde.
Der Beklagte verkennt mit dieser Rüge, dass seine Bürgschaftserklärung nach
dem von der Vorinstanz ermittelten Inhalt die von ihm behauptete Bedingung
nicht enthält, weshalb die Bestimmungen von Art. 151 ff. OR nicht zur
Anwendung gelangen. Unbeachtlich ist schliesslich die Behauptung, der
Kreditvertrag sei ebenfalls nur unter einer Bedingung abgeschlossen worden,
denn diese Behauptung ist vor der Vorinstanz nicht aufgestellt worden,
weshalb auf sie nicht eingetreten werden kann (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

2.3 Eine weitere Rüge des Beklagten geht dahin, dass die Vorinstanz Art. 23
ff. OR verletzt habe, weil sie für den Fall des Zustandekommens einer
bedingungslos erklärten Bürgschaft übersehen habe, dass diese Erklärung mit
einem Irrtum behaftet gewesen sei. Er habe die Bürgschaftsverpflichtung nur
unter der Bedingung eingehen wollen, dass der Kanton Solothurn ebenfalls eine
Bürgschaft eingehe.

Diese Rüge hat die Vorinstanz mit einlässlicher Begründung verworfen.  Auf
ihre zutreffenden Erwägungen kann verwiesen werden. Der einzige neue Aspekt,
den der Beklagte ins Feld führt, ist der Hinweis auf sein Schreiben an die
Beklagte vom 30. September 1998. Dieses Schreiben, das der Beklagte offenbar
als Beleg für die Vertragsanfechtung ausgeben will, enthält folgende
Erklärung:
"Ich gehe davon aus, dass die Bürgschaft nicht gültig ist, da der
Grundvertrag mit der Bürgschaft des Kantons nie erfüllt wurde. Die Bürgschaft
meinerseits war von mir unter dieser Bedingung abgeschlossen (worden)".
Dieser Hinweis hilft dem Beklagten jedoch nicht weiter. Der damit verbundene
Einwand erschöpft sich in einer unbehelflichen Kritik an dem von der
Vorinstanz ermittelten Inhalt der Bürgschaftserklärungen und enthält keine
die Erwägungen der Vorinstanz in Frage stellende Begründung für die
Vertragsanfechtung.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat sodann den Einwand des Beklagten verworfen, die
Bürgschaften vom 25. Oktober 1994 und vom 29. März 1995 seien aus formellen
Gründen nichtig, weil die Hauptschuld weder bestimmt noch bestimmbar sei.
Auch für eine künftige Schuld könne eine Bürgschaft begründet werden, wenn
sie tatsächlich entstehe und die Haftung nicht über den Höchstbetrag der
Bürgschaft hinausgehe. Die Bürgschaftsurkunden vom 25. Oktober 1994 und vom
29. März 1995 enthielten alle wesentlichen Elemente wie die Unterschrift des
Bürgen, die Bezeichnung des Gläubigers, die Angabe der verbürgten Schuld, die
Bürgschaftserklärung und die Angabe des Höchstbetrages. Der Kreditvertrag sei
am 1./6. September 1995 zustande gekommen und von keiner Partei angefochten
worden. Im Bürgschaftsvertrag vom 29. März 1995 sei die Höhe der im Zeitpunkt
des Vertragsabschlusses bestehenden Verpflichtungen der Hauptschuldnerin
genannt worden. Dass diese Angabe im ersten Bürgschaftsvertrag vom 25.
Oktober 1994 fehle, weil die Bürgschaft nur für künftige Forderungen
eingegangen worden sei, berühre deren Gültigkeit nicht.

3.2 Der Beklagte rügt, die Vorinstanz habe die Bestimmungen über das
Bürgschaftsrecht gemäss Art. 492 ff. OR verletzt, indem sie übersehen habe,
dass die Bürgschaftsverpflichtungen vom 25. Oktober 1994 und vom 29. März
1995 bezüglich künftiger Verpflichtungen als nichtig bzw. bezüglich
bestehender Verpflichtungen als nicht spezifiziert und deshalb als ungültig
anzusehen seien. Eine Bürgschaftsverpflichtung verletze nach der Praxis des
Bundesgerichtes (BGE 120 II 35 ff.) insoweit Art. 27 Abs. 2 ZGB und sei
teilnichtig, als sie sich auf jede künftige Forderung ungeachtet ihres
Rechtsgrundes beziehe.

3.3 Dem vom Beklagten zitierten Entscheid lag in der Tat eine ganz ähnliche
Bürgschaftsklausel zugrunde, wie sie in den Verträgen der Parteien formuliert
worden ist. Der Beklagte haftet nach dem Wortlaut der
Bürgschaftsverpflichtungen für "alle Forderungen, welche die Bank an den
Hauptschuldner... zur Zeit bereits besitzt oder in Zukunft erlangen wird,
gleichgültig, auf welchem rechtlichen Grund oder geschäftlichen Verkehr sie
beruhen mögen...". Die Haftung sollte sich in dem vom Bundesgericht
beurteilten Fall ebenfalls auf alle Schulden des Hauptschuldners gegenüber
seiner Bank erstrecken, die er "doit actuellement et pourra devoir à
l'avenir, quelle qu'en soit la cause,..., jusqu'à concurrence du montant
total de 120'000 francs". Die zur Zeit bestehende Schuld belief sich gemäss
Angabe in der Bürgschaftsurkunde auf Fr. 109'000.--. Das Bundesgericht
unterschied zwischen dem gültigen Teil der Bürgschaftserklärung, in welchem
die Haftung für bestehende Verpflichtungen der Hauptschuldnerin übernommen
wird, und dem gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB sowie gegen den Bestimmtheitsgrundsatz
des Bürgschaftsrechts verstossenden nichtigen Teil, in welchem sich der Bürge
für zukünftige Schulden aus irgendwelchen Rechtsgründen verbürgt. Das
Bundesgericht leitete das Bestimmtheitsgebot, wonach die Hauptschuld im
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestimmt oder zumindest bestimmbar sein
muss, aus dem Akzessorietätsprinzip ab (BGE 120 II 35 E. 3a mit Hinweisen).
Das Bestimmtheitsgebot wird gemäss diesem Entscheid erfüllt, wenn der
Gläubiger identifiziert werden kann und der Forderungsgrund bekannt ist.
Diesem Gebot vermöge die Bezugnahme "auf zukünftige Schulden aus
irgendwelchen Rechtsgründen" nicht zu genügen. Denn diese Klausel enthalte
keinerlei Beschränkung und erlaube nicht, sich eine genaue Vorstellung über
die Tragweite der Bürgschaftsverpflichtung und der damit eingegangenen
Risiken zu verschaffen. Die Klausel könne dazu verleiten, Schulden als
verbürgt anzunehmen, über die sich die Parteien beim Abschluss des
Bürgschaftsvertrages kaum hätten Vorstellungen machen können. Das
Bundesgericht hat die Klausel wegen Verstosses gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB als
nichtig, dagegen den Bürgschaftsvertrag in den übrigen Teilen in Anwendung
von Art. 20 Abs. 2 OR als verbindlich betrachtet.

Dieser Entscheid ist in der Lehre kritisiert worden. Kramer vertritt die
Auffassung, es hätten ohne weiteres auch zukünftige Verbindlichkeiten als
verbürgt miteinbezogen werden können, freilich nur solche, die sich aus der
bankmässigen Geschäftsverbindung zwischen dem Hauptschuldner und der Bank
ableiten lassen. Diese Lösung entspreche im Übrigen auch der deutschen Lehre
und Praxis zu vergleichbaren Klauseln, jedenfalls für den Fall, dass ein
Haftungshöchstbetrag fixiert werde, was gemäss Art. 493 Abs. 1 OR im
schweizerischen Recht obligatorisch sei  (Kramer, AJP 1994, S. 1045). Bucher
weist darauf hin, dass das für das Bundesgericht wegleitende
Bestimmtheitsgebot im Gesetzestext keine explizite Grundlage habe und aus dem
Gesetz ebenso wenig eine einschränkende Definition der zu sichernden Schulden
abzuleiten sei. Die Bestimmung der zu verbürgenden Schuld diene nach
schweizerischem Recht, das im Gegensatz zum deutschen Recht und zu den
meisten ausländischen Kodifikationen eine Bezifferung der
Haftungshöchstgrenze in der Bürgschaftsurkunde selbst verlange, nicht der
Begrenzung der Bürgenhaftung. Es gehe nach dem schweizerischen Recht vielmehr
darum, klar zu stellen, auf welche Forderung sich die Sicherheit bezieht,
damit nicht der Gläubiger diese für nicht gesicherte Forderungen in Anspruch
nehme (Eugen Bucher, recht 1994, S. 180 ff., insbes. S. 184).

Wiegand hält unter Hinweis auf seinen Aufsatz über Akzessorietät und
Spezialität (Wiegand, Akzessorietät und Spezialität, in Berner Tage für die
juristische Praxis, 1981, Bern 1982, S. 35 ff.) dafür, eine Bürgschaft, die
zur Sicherung eines Kontokorrentkredites bestellt wird, sei sowohl mit dem
Akzessorietäts- wie auch mit dem daraus abgeleiteten Spezialitätsprinzip
vereinbar, denn es handle sich um eine jederzeit bestimmbare Forderung.
Infolgedessen bestehe kein Zweifel daran, dass die Verbürgung für die
Kontokorrentschuld wirksam sei, und zwar auch insoweit, als sie sich auf die
zukünftigen, ins Kontokorrent einfliessenden Verbindlichkeiten aus der
bestehenden Geschäftsverbindung bezieht (Wiegand, ZBJV 132/1996, S. 334 ff.).
3.4 Diese Kritik ist begründet und die Praxis ist entsprechend zu
präzisieren. Vorweg ist festzuhalten, dass die Haftung des Bürgen für
Forderungen, die der Gläubiger erst nach Abschluss der Bürgschaft gegen den
Hauptschuldner erwirbt, grundsätzlich als unbedenklich erscheint (vgl. Art.
492 Abs. 2 OR). Wenn sich nicht etwas anderes aus dem Bürgschaftsvertrag oder
aus den Umständen ergibt, haftet der Bürge gemäss Art. 499 Abs. 3 OR nur für
die nach der Unterzeichnung der Bürgschaft eingegangenen Verpflichtungen des
Hauptschuldners. Diese Bestimmung, die eine widerlegbare Vermutung aufstellt
(vgl. Pestalozzi, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 11 zu Art. 499), bildet die
Grundlage für die Sicherstellung künftiger Forderungen.

Mit der durch die Gesetzesänderung im Jahre 1942 eingeführten summenmässigen
Begrenzung der Bürgschaft hat das Akzessorietätsprinzip einen Teil seiner
Funktion eingebüsst, indem die Aufgabe der Risikobegrenzung  durch das
Gültigkeitserfordernis des in der Bürgschaftsurkunde zu nennenden
Höchstbetrages übernommen wurde. Demgegenüber behielt das
Akzessorietätsprinzip seine übrigen Funktionen bei (Wiegand, Die Bürgschaft
im Bankgeschäft, in Berner Bankrechtstag 1997, Personalsicherheiten, Bern
1997, S. 175 ff. , S. 184 f. und  200 ff. ; nachfolgend zitiert als: Die
Bürgschaft). Wenn ein eindeutig identifizierbares Rechtsverhältnis zwischen
Gläubiger und Hauptschuldner genannt wird, kann innerhalb dieses
Rechtsverhältnisses eine beliebige Zahl zukünftiger Forderungen gesichert
werden, wie dieser Autor zutreffend festhält (Wiegand, Die Bürgschaft, S.
203). Zum gleichen Ergebnis gelangte bereits Beck, der massgeblich an der
damaligen Reform des Bürgschaftsrechtes beteiligt war. Dieser hielt dafür,
die Klausel, wonach "alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen" der Bank
gegenüber dem Hauptschuldner verbürgt werden, sei im Allgemeinen als gültig
zu betrachten (Emil Beck, Das neue Bürgschaftsrecht, Kommentar, Zürich 1942,
N. 107 zu Art. 492 OR). Der in der Lehre gemachten Anregung zu einer
Einschränkung sei nicht Folge gegeben worden. Indessen könne sich eine
Einschränkung dann ergeben, wenn sich der Bürge nach Treu und Glauben darauf
habe verlassen dürfen, dass der Haftungskreis beschränkt sei. Dem ist
beizustimmen. Eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip (Bucher,  a.a.O., S.
185) ist umso mehr angezeigt, als sich, - wie das Bundesgericht bereits zum
alten Bürgschaftsrecht festgehalten hat - beim Bürgschaftsvertrag
"hauptsächlich nur der eine Teil und zudem zugunsten eines Dritten, des
Hauptschuldners, verpflichtet, [weshalb der Vertrag] in erhöhtem Masse im
Schutze der Bestimmungen über Treu und Glauben steht" ( BGE 42 II 149 E. 3 S.
152;  38 II 608 E. 4 S. 615).

3.5 Zwischen der Z.________ AG als Hauptschuldnerin und der Y.________ wurde
- wie bereits festgehalten - am 1./6. September 1995 ein Kreditvertrag
abgeschlossen. Diesem ist zu entnehmen, dass die am 25. Oktober 1994
unterzeichnete Bürgschaft, die einen Höchstbetrag von Fr. 400'000.--
vorsieht, der Sicherstellung eines Kontokorrentkredites über denselben Betrag
dient.

Die am 29. März 1995 unterzeichnete Bürgschaft, die einen Höchstbetrag von
Fr. 300'000.-- vorsieht, sollte gemäss Bürgschaftsurkunde der Sicherstellung
einer zur Zeit des Abschlusses der Bürgschaft bereits bestehenden
Verpflichtung über Fr. 1,1 Mio. dienen sowie gemäss Kreditvertrag der
Sicherstellung eines festen Vorschusses von Fr. 300'000.--. Die Bedingungen
für den Kontokorrentkredit und den festen Vorschuss werden im Kreditvertrag
umschrieben. Damit wurde die Rechtsbeziehung zwischen der Gläubigerin und der
Hauptschuldnerin definiert. Der Beklagte hat nicht geltend gemacht, es seien
der Hauptschuldnerin Kredite gewährt worden, die ausserhalb des durch diese
Kreditinstrumente gezogenen Rahmens liegen.

Es bleibt zu prüfen, ob das zu sichernde Forderungs- oder Rechtsverhältnis in
der Bürgschaftsurkunde selbst hätte umschrieben werden müssen, wie das von
Wiegand (Die Bürgschaft, S. 202) offenbar mit Blick auf die Übertragungs- und
die Untergangsakzessorietät und von Scyboz (SPR, Bd. VII/2, S. 364),
vertreten wird. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dass das
Bundesgericht in BGE 120 II 35 E. 3a seine langjährige Praxis bestätigt hat,
wonach sich der Rechtsgrund der Hauptschuld und die Identität des Gläubigers
nicht aus der Bürgschaftserklärung selbst ergeben müssen. Dieser Auffassung
ist mit Bezug auf den vorliegenden Fall zuzustimmen, da der Beklagte den
Kreditvertrag als einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat der
Hauptschuldnerin selbst unterzeichnet hat und ihm als Bürge bewusst sein
musste, dass sich die von ihm unterzeichneten und im Kreditvertrag erwähnten
Bürgschaften auf den nun umschriebenen Geschäftsverkehr zwischen der
Hauptschuldnerin und der Bank beziehen. Im Übrigen ist nicht zu einzusehen,
weshalb die Übertragungs- und Untergangsakzessorietät ihre Funktion nicht
auch erfüllen können, wenn die Rechtsbeziehung zwischen Hauptschuldner und
Gläubiger erst nach der Bürgschaftsunterzeichnung begründet wird. Dem Gesetz
ist jedenfalls ein entsprechendes Gültigkeitserfordernis nicht zu entnehmen.

4.
Der Kreditvertrag vom 1./6. September 1995 nennt einerseits die vom Beklagten
sichergestellten Kredite über insgesamt Fr. 700'000.--, anderseits einen
weiteren Kredit über Fr. 400'000.--, der durch eine Bürgschaft des Kantons
Solothurn hätte sichergestellt werden sollen. Die Vorinstanz hat
bundesrechtskonform dargelegt, dass die Unterlassung des Kantons Solothurn,
seinerseits eine Bürgschaft einzugehen, keine im Sinne von Art. 494 Abs. 3 OR
zustimmungsbedürftige "erhebliche Verminderung" der für die verbürgte
Forderung eingegangenen Sicherheiten bewirkt habe. Auf deren zutreffende
Erwägungen kann verwiesen werden. Die zwei ersten der drei vom Beklagten zur
Begründung seiner Schlechterstellung aufgeführten Vorbringen sind neu und
unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG), weshalb auf sie nicht einzutreten ist.
Sodann liegt eine erhebliche Verminderung der für die verbürgte Forderung
eingegangenen Sicherheiten schon deshalb nicht vor, weil die vom Kanton
Solothurn in Aussicht gestellte, aber schliesslich nicht geleistete
Sicherheit einen andern als den vom Beklagten verbürgten Kredit hätte
sicherstellen sollen. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, weshalb der
Beklagte die Zustimmung seiner Ehefrau zu einer nachträglichen Änderung der
Bürgschaften verlangt, nachdem er diese Bürgschaften als im Handelsregister
eingetragener Verwaltungsrat der Hauptschuldnerin gemäss Art. 494 Abs. 2 OR
ohne Zustimmung seiner Ehefrau eingegangen ist.

5.
Die Mitteilung der X.________ (Ex-Y.________) an den Beklagten (per Adresse
der  D.________ AG ) vom 31. Januar 1997 lautet wie folgt:
"Wir beziehen uns auf die kürzliche Besprechung mit verschiedenen Vertretern
der X.________. Aus administrativen Gründen haben wir uns dazu entschlossen,
die Engagements Ihres Unternehmens von der Ex-Y.________ und der
Ex-C.________  baldmöglichst zusammenzulegen. Daraus entsteht eine
Kreditneuregelung zu welcher wir vorgängig gemäss OR Art. 114 Ihr
schriftliches Einverständnis als Solidarbürge benötigen.
Sofern Sie mit diesem Vorgehen einverstanden sind, bitten wir Sie das
beiliegende Briefdoppel unterzeichnet an uns zurückzusenden."
Der Beklagte hat am 22. Februar 1997 zu dem ihm angezeigten Gläubigerwechsel
seine schriftliche Zustimmung erteilt, die von der Klägerin wohl in Anwendung
von Art. 493 Abs. 5 OR zur Genehmigung der nachträglichen Änderung der
Bürgschaft eingeholt worden war. Die Vorinstanz hat die mit Schreiben vom 31.
Januar 1997 verlangte und sodann vollzogene Änderung der Bürgschaft aufgrund
der Umstände in analoger Anwendung von Art. 18 Abs. 1 OR nach dem
übereinstimmenden wirklichen Willen und - mit Bezug auf den Hinweis auf Art.
114 OR - nicht nach der unrichtigen Ausdrucksweise beurteilt. Die Vorinstanz
vermochte jedenfalls in den Vorbringen der Parteien keine Anhaltspunkte dafür
zu erkennen, dass aus dem Hinweis auf Art. 114 OR auf den Untergang der
verbürgten Forderung geschlossen werden muss. Der Beklagte hat nach den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz weder behauptet noch unter Beweis
gestellt, dass die Hauptforderung durch Erfüllung oder aus anderem Grund
untergegangen ist. Der Hinweis der Klägerin auf Art. 114 OR im Schreiben vom
31. Januar 1997 lässt sich nur als offensichtlicher Irrtum ihrerseits
erklären. Davon abgesehen war der Inhalt, der diesem Schreiben beizumessen
war, aufgrund der Umstände für den Beklagten unschwer zu erkennen. Was dieser
in der Berufungsschrift dagegen vorbringt, verfängt nicht. Er ist auf die
zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz zu verweisen.

6.
Die Vorinstanz hat erwogen, durch die Kreditzusammenlegung sei die Stellung
des Beklagten als Bürge - entgegen seiner Auffassung - nicht verschlechtert
worden. Dem ist zuzustimmen. Durch den Umstand, dass statt zweier nur noch
eine Bank Kreditgeberin war, mag zwar die Stellung der Hauptschuldnerin
verschlechtert worden sein, weil die Bank angesichts ihres nach der
Zusammenlegung erhöhten Engagements eher davon absehen konnte, weitere
Kredite zu gewähren. Demgegenüber ist aber die Position des Bürgen nicht
verschlechtert worden, zumal er nach der Kreditzusammenlegung für dieselben
Kredite und denselben Höchstbetrag haftete wie vor der Kreditzusammenlegung.
Der Beklagte wiederholt nur seine bereits im kantonalen Verfahren
aufgestellten Behauptungen, aus denen sich eine "erhebliche Verminderung der
Sicherheiten" im Sinne von Art. 494 Abs. 3 jedoch nicht ableiten lässt. Mit
Bezug auf die Frage, ob im vorliegenden Fall nachträgliche Abänderungen einer
Bürgschaft überhaupt der Zustimmung des andern Ehegatten bedurften, wird auf
die vorangehende Erwägung 4 verwiesen.

7.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit auf sie einzutreten
ist, und das angefochtene Urteil zu bestätigen. Dem Ausgang des Verfahrens
entsprechend ist die Gerichtsgebühr dem Beklagten aufzuerlegenen (Art. 156
Abs. 1 OG). Dieser hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu
entschädigen  (Art.  159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist, und das Urteil
des Obergerichts des Kantons Solothurn, Zivilkammer, vom 30. Oktober 2001
wird bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.--  wird dem Beklagten auferlegt.

3.
Der Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit  Fr.
7'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Mai 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: