Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.75/2002
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4C.75/2002 /rnd

Urteil vom 10. Januar 2003

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Nyffeler, Ersatzrichter Geiser,
Gerichtsschreiber Widmer.

A. ________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Müller,
Uraniastrasse 40, 8001 Zürich,

gegen

X.________ AG,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Dohner,
Blumenfeldstrasse 20, Postfach, 8046 Zürich.

Arbeitsvertrag; Überstundenentschädigung nach Kündigung,

Berufung gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 21. Dezember 2001.

Sachverhalt:

A.
A. ________ (Kläger) war vom 1. Mai 1994 bis zum 30. Juni 2000 im
Gastronomie-Betrieb der X.________ AG (Beklagte) als Service-Mitarbeiter
tätig. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte er geltend, er habe
Überstunden geleistet, die ihm nicht vergütet worden seien.

Am 5. April 2001 belangte er die Beklagte beim Einzelrichter im ordentlichen
Verfahren des Bezirks Meilen auf Bezahlung von Fr. 20'000.--. Der
Einzelrichter wies die Klage am 16. Juli 2001 ab. Eine vom Kläger dagegen
erhobene kantonale Berufung wies das Obergericht des Kantons Zürich mit
Beschluss vom 21. Dezember 2001 ab. Am 25. September 2002 wies das
Kassationsgericht des Kantons Zürich zudem eine dagegen gerichtete
Nichtigkeitsbeschwerde des Klägers ab, soweit es darauf eintrat.

B.
Der Kläger beantragt mit eidgenössischer Berufung, den obergerichtlichen
Beschluss vom 21. Dezember 2001 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung
an das Obergericht zurückzuweisen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung des
Rechtsmittels.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Berufungsschrift muss die genaue Angabe darüber enthalten, welche Punkte
des Entscheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden (Art. 55
Abs. 1 lit. b OG). Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur
neuen Entscheidung oder auf Verpflichtung der Gegenpartei zur Zahlung eines
angemessenen Geldbetrags sind grundsätzlich ungenügend und haben das
Nichteintreten auf die Berufung zur Folge. Ein blosser Rückweisungsantrag,
wie ihn der Kläger vorliegend stellt, ist aber dann ausreichend, wenn das
Bundesgericht, falls es die Rechtsauffassung des Berufungsklägers für
begründet erachtet, gar kein Endurteil fällen kann, sondern die Sache zu
weiteren Abklärungen an die Vorinstanz zurückweisen muss (BGE 125 III 412 E.
1b S. 414; 111 II 384 E. 1 S. 386, je mit Hinweisen). Diese Voraussetzung ist
hier gegeben, weil die Vorinstanz keine Feststellungen über die Anzahl der
angeordneten und geleisteten Überstunden getroffen hat. Im Falle der
Gutheissung der Berufung aus den vom Kläger geltend gemachten Gründen, müsste
die Sache daher zur Ergänzung des Sachverhalts an die Vorinstanz
zurückgewiesen werden.

2.
Die Vorinstanz wies die Klage unter anderem ab, weil der Kläger es
unterlassen habe, die angeblich geleisteten Überstunden nachzuweisen.

2.1 Verlangt der Arbeitnehmer eine Entschädigung für Überstunden, so hat er
zu beweisen, dass er tatsächlich Überstunden geleistet hat (Art. 8 ZGB;
Staehelin, Zürcher Kommentar, N. 16 zu Art. 321c OR; Streiff/von Kaenel, N.
10 zu Art. 321c OR). Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, ist dieser Beweis
nur erbracht, wenn nachgewiesen wird, dass die tatsächlich geleisteten
Arbeitszeiten über der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit liegen und vom
Arbeitgeber angeordnet oder genehmigt worden sind. Insofern genügt der blosse
Nachweis der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit nicht. Leitet der
Arbeitnehmer seinen Anspruch wie vorliegend daraus ab, dass der Arbeitgeber
die Soll-Arbeitszeit falsch berechnet habe, hat er auch nachzuweisen, wie
hoch diese war und inwiefern der Arbeitgeber sie zu hoch berechnet haben
soll. Vorbehalten bleibt eine Umkehr der Beweislast, die sich aus einer
gesamtarbeitsvertraglichen Norm oder aus einer einzelarbeitsvertraglichen
Vereinbarung ergibt.

Warum sich aus Art. 321c Abs. 1 OR etwas anderes ergeben soll, wie der Kläger
geltend macht, ist nicht einzusehen. Es trifft zwar zu, dass die
Arbeitgeberin mit der Zeiterfassung und der Angabe sowohl der Ist- wie auch
der Soll-Arbeitszeit auf den Lohnabrechnungen grundsätzlich weder die
entsprechenden Ist-Zeiten noch ihre eigene Berechnung der Soll-Arbeitszeiten
mehr bestreiten kann und dass sie sich auch entgegenhalten lassen muss, die
erbrachte Arbeitszeit sei von ihr genehmigt worden. Daraus kann aber nicht
geschlossen werden, die Arbeitgeberin müsse auf entsprechende Bestreitung hin
auch nachweisen, dass ihre Berechnung der Soll-Arbeitszeit zutreffend sei.
Etwas Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger angerufenen
Bestimmung des allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrages für das
Gastgewerbe, wonach der Arbeitgeber verpflichtet sei, über die Arbeitszeiten,
Ruhezeiten und Überzeiten Kontrolle zu führen. Vielmehr greift diesbezüglich
der allgemeine Grundsatz, nach dem jene Partei eine anspruchsbegründende
Tatsache zu beweisen hat, die aus ihr Rechte ableitet (Art. 8 ZGB; vgl. BGE
128 III 271 E. 2a/aa). Insofern kann der Kritik des Klägers am angefochtenen
Urteil nicht gefolgt werden.

2.2 Der Kläger rügt allerdings, er habe im kantonalen Verfahren geltend
gemacht, dass die Lohnabrechnungen der Beklagten falsche Soll-Arbeitszeiten
enthielten. Er habe die Lohnabrechnungen ins Recht gelegt. Aufgrund der
darauf enthaltenen Daten hätten die Soll-Arbeitsstunden errechnet werden
können und hätte sich ergeben, dass die Lohnabrechnungen nicht korrekt waren.
Er habe damit die notwendigen Sachverhaltsangaben zum Vorwurf geliefert. Da
die kantonalen Instanzen diese nicht berücksichtigt und nicht gewürdigt
hätten, sei ihnen eine Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 343
Abs. 4 OR vorzuwerfen.

Die Rüge ist unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Kläger
verkennt, dass der für arbeitsrechtliche Streitigkeiten geltende
Untersuchungsgrundsatz die Parteien nicht davon befreit, an der Sammlung des
Prozessstoffes aktiv mitzuwirken und ihre Standpunkte zu substanziieren (BGE
111 II 281 E. 3; 107 II 233 E. 2c). Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet
die Gerichte nicht dazu, nach einer Rechtsverletzung geradezu zu fahnden
(vgl. Staehelin, a.a.O., N. 35 zu Art. 343 OR). Aus den vom Kläger
angerufenen Aktenstellen lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger im
kantonalen Verfahren substanziiert hätte, inwiefern die Beklagte bei der
Berechnung der Soll-Arbeitszeiten die Regeln des Gesamtarbeitsvertrages
verletzt haben soll. Der Kläger unterlässt es auch in seiner Berufungsschrift
darzulegen, inwiefern die kantonalen Gerichte eine entsprechende
Rechtsverletzung zu Unrecht verneint haben sollen. Insofern genügen seine
Ausführungen den an eine Berufungsschrift zu stellenden
Begründungsanforderungen nicht und kann darauf nicht eingetreten werden (Art.
55 Abs. 1 lit. c OG).

3.
Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, indem sie die Klage mit
der Begründung abwies, der Kläger habe nicht bewiesen, dass er Überstunden
geleistet habe. Ob sie darüber hinaus zu Recht entschied, die Geltendmachung
der Forderung für Überstunden sei rechtsmissbräuchlich, kann damit offen
bleiben. Die Berufung ist als unbegründet abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Mit Blick auf den Streitwert ist keine
Gerichtsgebühr zu erheben (Art. 343 Abs. 3 OR). Der Kläger hat die Beklagte
indessen für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs.
2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

3.
Der Kläger hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit

Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Januar 2003

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: