Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.66/2002
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4C.66/2002/rnd

Urteil vom 11. Juni 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, Präsident,
Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Huguenin.

X.________ Kranken- und Unfallversicherungen AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Vincent
Augustin, Postfach 731, 7002 Chur,

gegen

Y.________,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bernardo
Lardi, Belmontstrasse 1, Postfach 160, 7006 Chur.

Agenturvertrag

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, Zivilkammer,
vom 21. August 2001.

Sachverhalt:

A.
Der Verband X.________ ist ein auf dem Gebiet der Schweiz und Liechtensteins
tätiger Verein gemäss Art. 60 ff. ZGB, zu dem sich die X.________
zusammengeschlossen haben. In den Aufgabenbereich des Verbands fällt die
Koordination des Vorgehens der X.________ bei wichtigen Angelegenheiten und
die Regelung der gebietsmässigen Zuständigkeit der einzelnen Verbandskassen.
Ferner führt er die X.________ Schweiz als Verbandskasse mit eigener
Rechtspersönlichkeit, welcher alle Mitglieder des Verbandes angehören. Das
Tätigkeitsgebiet der X.________ Schweiz umfasst die Schweiz und das
Fürstentum Liechtenstein mit Ausnahme der Tätigkeitsgebiete, welche den
einzelnen Verbandskassen des Verbandes X.________ zugewiesen sind. Eine
dieser Verbandskassen ist die früher als Stiftung organisierte X.________
Graubünden , die in die X.________ Kranken- und Unfallversicherungen AG
umgewandelt worden ist.

A.a Die Y.________  ist ein Verein mit Sitz in D.________, der die Wahrung
der Interessen seiner Mitglieder im Zusammenhang mit der Unfall- und
Krankenversicherung bezweckt. Präsident des Vereins ist A.________. Dessen
Ehefrau B.________ ist ebenfalls für die Y.________ tätig.

A.b Am 6. Mai 1994 schloss die Y.________ mit der X.________ Schweiz  einen
Vertrag über die Führung der Geschäftsstelle der X.________ im Kanton Tessin.
Die Y.________ verpflichtete sich, die Kranken- und Unfallversicherung nach
den gesetzlichen Vorschriften und den Statuten des Verband X.________, den
Allgemeinen Versicherungsbedingungen und den Reglementen der X.________
Schweiz anzubieten, die dafür notwendigen personellen und administrativen
Mittel zur Verfügung zu stellen und die Kranken- und Unfallversicherung
ausschliesslich im Rahmen dieses Vertrages durchzuführen. Die angeworbenen
Versicherungsnehmer wurden Mitglieder der X.________ Schweiz. Für die
Geschäftsführung und die Portefeuillebetreuung sollte die Y.________ sieben
Prozent der Prämien aller Versicherungszweige erhalten, während für
Neuabschlüsse von Versicherungen aus dem Angebot der X.________ Schweiz  eine
nach Anzahl der Abschlüsse gestaffelte einmalige Provision vereinbart wurde.
Der Vertrag konnte unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten
jederzeit gekündigt werden (Ziff. 8 Abs. 2). Sollte die X.________ Schweiz
den Vertrag vor Ablauf von zehn Jahren ab Vertragsbeginn aus
organisatorischen Gründen kündigen, hatte sie der Y.________ eine Abfindung
in der Höhe der fünffachen Portefeuille-Entschädigung des letzten
Vertragsjahres zu zahlen (Ziff. 6 Abs. 2).

A.c An seiner Sitzung vom 28. Oktober 1994 beschloss der Vorstand des
Verbandes X.________, den Kanton Tessin neu dem Tätigkeitsgebiet der
X.________ Graubünden (heute X.________ Kranken- und Unfallversicherungen AG)
zuzuteilen. Mit Schreiben vom 25. April 1995 teilte die X.________ Schweiz
der Y.________ mit, die administrative Betreuung der Mitglieder im Kanton
Tessin werde auf den 1. Mai 1995 der Geschäftsstelle Mesocco übertragen. Am
16. Oktober 1995 stellte die X.________ Schweiz  die Ausarbeitung einer neuen
vertraglichen Grundlage in Aussicht. Sie stellte der Y.________ am 14.
Dezember 1995 einen Vertragsentwurf zu, der erheblich geringere
Entschädigungen für die Geschäftsführung und Portefeuillebetreuung sowie
niedrigere Provisionszahlungen für die Vermittlung von neuen
Versicherungsnehmern vorsah. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande. Dennoch
führte die Y.________ ihre Tätigkeit zunächst fort.

A.d Am 15. März 1996 fand eine Besprechung in San Bernardino statt. Anwesend
waren namentlich B.________ seitens der Y.________ und C.________ seitens der
X.________. Es ging um die Zusammenarbeit mit Bezug auf den Kanton Tessin.
Wie aus einer Besprechungsnotiz hervorgeht, legte B.________ eine
Provisionsabrechnung über ca. 2,5 Mio Fr. vor und erklärte, dass die 1994 und
1995 ausbezahlten Provisionen den Aufwand nicht gedeckt hätten. Ferner machte
sie geltend, die Verträge mit den Vermittlern liefen unverändert weiter und
müssten gekündigt werden, bevor auf einen neuen Vertrag eingegangen werden
könnte. Dem hielt C.________ entgegen, die Y.________ sei bereits im Juni und
September über den Wechsel zur X.________ Graubünden  informiert worden, so
dass genügend Zeit zur Verfügung gestanden wäre, um die Verträge anzupassen.
Ausserdem habe die Y.________ unzulässigerweise Vermittlerverträge im Namen
der X.________ abgeschlossen. Aus der Sicht der X.________ Graubünden  schlug
er für die Zukunft drei Varianten vor:
- eine Zusammenarbeit auf der Basis des unterbreiteten Vertrages
- die Übernahme der Angestellten in D.________ und der
 Vermittlertätigkeit durch die X.________ Graubünden  unter Abschluss
 eines Agenturvertrages mit der Y.________
- die sofortige Einstellung der Zusammenarbeit.

B. ________ antwortete, es könne über neue Formen diskutiert werden;
rückwirkend müsse jedoch der alte X.________-Vertrag eingehalten werden.

Mit Schreiben vom 30. April 1996 teilte die X.________ Graubünden  durch
ihren Rechtsvertreter der Y.________ mit, es sei leider nicht gelungen, ein
Vertragsverhältnis einzugehen. Der X.________ Graubünden bleibe daher nichts
anderes übrig, als das ihr zugeteilte Tätigkeitsgebiet in anderer Form zu
bearbeiten. Ab sofort, also ab 1. Mai 1996, sei keine Zusammenarbeit mit der
Y.________ mehr erwünscht, und es könne jegliche Tätigkeit eingestellt
werden. Versicherungsanträge mit potenziellen Mitgliedern, die per 1. Juli
1996 datiert worden seien, müssten nicht mehr übermittelt werden.

A.e In einem hierauf von der Y.________ gegen die X.________ Graubünden
geführten Rechtsstreit wurde die Beklagte rechtskräftig zur Zahlung von Fr.
2'685'272.80 nebst  Zins aus dem Abschluss von Versicherungsverträgen, die
vom Januar bis Juni 1996 wirksam geworden waren, verpflichtet. Das
Bundesgericht kam zum Schluss, es habe eine gültige Vertragsübernahme durch
die X.________ Graubünden stattgefunden (Urteil 4C.109/1999 vom 24. Juli
1999).

B.
Mit einer weiteren Klage vom 12. November 1998 beantragte die Y.________
dem Bezirksgericht Unterlandquart, die X.________ Graubünden  und die
X.________ Schweiz seien solidarisch zu verpflichten, der Klägerin Fr.
7'208'938.70 nebst Zins und Zahlungsbefehlskosten zu bezahlen, und es seien
in den gegen die Beklagten angehobenen Betreibungen die Rechtsvorschläge zu
beseitigen. Nachdem die Klägerin ihre Klage gegen die X.________ Schweiz
wegen fehlender Zuständigkeit zurückgezogen hatte, verpflichtete das
Bezirksgericht die X.________ Kranken- und Unfallversicherungen AG mit Urteil
vom 25. Oktober 2000 zur Zahlung von Fr. 5'050'856.50, nebst 5 % seit 28.
Juni 1996. Das Kantonsgericht von Graubünden wies mit Urteil vom 21. August
2001 die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin ab.

C.
Die Beklagte hat das Urteil des Kantonsgerichts mit staatsrechtlicher
Beschwerde und Berufung angefochten. Die Beschwerde ist mit Urteil vom
heutigen Tag abgewiesen worden, soweit auf sie eingetreten wurde. Mit der
vorliegenden Berufung beantragt die Beklagte, das Urteil des Kantonsgerichts
aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der
Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen
Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht
offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustandegekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder im Hinblick auf
den Tatbestand einer anwendbaren Sachnorm ergänzungsbedürftig sind (Art. 64
OG). Werden solche Ausnahmen geltend gemacht, so hat die Partei, welche den
Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber genaue Angaben mit
Aktenhinweisen zu machen. Eine Ergänzung setzt zudem voraus, dass
entsprechende Sachbehauptungen bereits im kantonalen Verfahren prozesskonform
aufgestellt, von der Vorinstanz aber zu Unrecht für unerheblich gehalten oder
übersehen worden sind, was wiederum näher anzugeben ist; andernfalls gelten
die Vorbringen als neu und damit als unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c und d
OG; BGE 127 III 248 E. 2c; 126 III 59 E. 2a S. 65, je mit Hinweisen). Blosse
Kritik an der Beweiswürdigung des kantonalen Sachgerichts ist, soweit nicht
Vorschriften des Bundesrechts in Frage stehen, im Berufungsverfahren
ausgeschlossen (BGE 120 II 97 E. 2b S. 99; 119 II 380 E. 3b S. 382 mit
Hinweisen). Sodann ist in der Berufungsschrift darzulegen, welche
Bundesrechtssätze der angefochtene Entscheid verletzt und inwiefern er gegen
sie verstösst (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Diesen Anforderungen wird die
Berufung der Beklagten auf weiten Strecken nicht gerecht. Insoweit ist darauf
von vornherein nicht einzutreten.

2.
Vor Vorinstanz hat die Beklagte erstmals den Rechtsstandpunkt eingenommen,
der Vertrag vom 6. Mai 1994 sei nicht als Agenturvertrag im Sinne von Art.
418a ff. OR zu qualifizieren, sondern als Auftrag, weshalb ihr nach der
zwingenden Bestimmung von Art. 404 Abs. 1 OR das Recht zugestanden habe, den
Vertrag jederzeit zu kündigen.

2.1 Die Rüge ist unbegründet. Im Gegensatz zum Auftrag handelt es sich beim
Agenturvertrag wesensnotwendig um ein Dauerschuldverhältnis. Rechtlich ist
der Agent zwar selbstständig, wirtschaftlich jedoch vom Auftraggeber
abhängig, namentlich wenn - wie vorliegend - Exklusivität vereinbart wird.
Der Agenturvertrag hat namentlich im Versicherungsbereich besondere
Bedeutung. Nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April
1908 (VVG; SR 221.229.1) gilt der Agent dem Versicherungsnehmer gegenüber als
ermächtigt, für den Versicherer alle diejenigen Handlungen vorzunehmen,
welche die Verrichtungen eines solchen Agenten gewöhnlich mit sich bringen,
oder die der Agent mit stillschweigender Genehmigung des Versicherers
vorzunehmen pflegt (Art. 34 Abs. 1 VVG). Er ist nicht befugt, von den
Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu Gunsten oder zu Ungunsten des
Versicherungsnehmers abzuweichen (Art. 34 Abs. 2 VVG). Damit unterstellt das
Gesetz, dass einem Agenten über die blosse Vermittlung und den Abschluss von
Geschäften hinaus durchaus weitere Aufgaben obliegen können, ohne dass
deswegen sein Vertrag mit dem Auftraggeber unter andere als die Bestimmungen
des Agenturvertrages subsumiert werden muss. Ist das Vertragsverhältnis des
selbstständig tätigen Vermittlers mit dem Auftraggeber auf Dauer angelegt,
passt das Auftragsrecht mit seiner freien Widerruflichkeit nicht
(Guhl/Schnyder, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. A., § 50 Rz 49;
Hofstetter, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, SPR, Bd.
VII/2, S. 129). Die in Art. 418q OR enthaltenen Mindestfristen stellen einen
angemessenen Ausgleich zwischen der Schutzbedürftigkeit des Agenten auf der
einen Seite und seiner Stellung als selbstständiger Unternehmer mit
entsprechend zu tragenden Risiken auf der anderen Seite dar. Die
Kündigungsfrist soll eine Neuorientierung ermöglichen (Bühler, Zürcher
Kommentar, N. 7 zu Art. 418q OR). Liegt ein gemischtes Vertragsverhältnis
vor, ist eine den Umständen angepasste Lösung zu finden und der Vertrag
entsprechend zu qualifizieren (BGE 109 II 462 E. 3d S. 466). Zusammengesetzte
Agenturverträge, d.h. Agentur in Verbindung mit andern Vertragstypen kommen
in der Praxis häufig vor und sind in verschiedensten Varianten denkbar
(Wettenschwiler, Basler Kommentar, N. 7 zu Art. 418 a OR). Für jede sich
stellende Rechtsfrage ist diesfalls gesondert zu prüfen, nach welchen
gesetzlichen Bestimmungen oder nach welchen Rechtsgrundsätzen sie zu
beurteilen ist (BGE 118 II 157 E. 2c).

2.1.1 Die Vorinstanz hat festgehalten, dass der zwischen den Parteien am 6.
Mai 1994 abgeschlossene Vertrag sämtliche gesetzlichen Merkmale eines
Agenturvertrages nach Art. 418a Abs. 1 OR aufweist. Die Vermittlungstätigkeit
war nach dem angefochtenen Urteil eine zentrale Aufgabe der Klägerin. Sie
habe der Beklagten innert kurzer Zeit zwischen 6'000 und 7'000 neue
Versicherte zugeführt. Ohne diese Akquisitionen hätte es nichts zu verwalten
gegeben und der ganze Vertrag wäre leerer Buchstabe geblieben. Demgegenüber
seien die über die Vermittlung neuer Verträge hinausgehenden Aufgaben der
Klägerin im Vertrag sehr allgemein umschrieben worden, indem betreffend die
Durchführung der Kranken- und Unfallversicherung auf die einschlägigen
Vorschriften verwiesen werde. In dem integrierenden Bestandteil des Vertrages
bildenden Geschäftsreglement über die Führung der Geschäftsstelle würden der
Y.________ jene Aufgaben zugeteilt, welche die Akquisition von Mitgliedern
mit sich bringe, wie Werbung, Beratung potenzieller Kunden über die
Leistungen des Versicherers, Erstellung von Versicherungsanträgen und deren
Weiterleitung an den Auftraggeber. Für die Werbung sei eine Arbeitsteilung
vorgesehen gewesen, was erkläre, dass die X.________ teilweise Werbematerial
abgegeben habe. Zwar habe sich die Klägerin auch zu Tätigkeiten verpflichtet,
welche weit über das hinausgingen, was ein Agent üblicherweise zu leisten
habe, so die Ausgabe von Kranken- und Apothekerscheinen, die Prüfung von
Rechnungen der Leistungserbringer und von Kurgesuchen. Das Schwergewicht habe
aber auf der Vermittlung von neuen Versicherungsverträgen und den damit im
Zusammenhang stehenden Aufgaben gelegen, was sich anhand der von der Klägerin
bezogenen Entschädigungen belegen lasse. Die Klägerin habe für Juli 1995 bis
Juli 1996 Provisionen für Versicherungsabschlüsse von gut 3 Mio. Fr.
zugesprochen erhalten. Die Portefeuille-Provision von 7 % auf den rund 9,5
Mio. Prämieneinnahmen, insgesamt Fr. 855'000.--, nehme sich demgegenüber
bescheiden aus. Die Vorinstanz hielt daher für gerechtfertigt, das ganze
Vertragsverhältnis den Vorschriften über den Agenturvertrag zu unterstellen.
Diese Auffassung habe die Beklagte selbst denn auch im früheren und im
erstinstanzlichen Verfahren vertreten.

2.1.2 Soweit die Beklagte mit der Berufung rügt, die rechtliche Qualifikation
der Vorinstanz widerspreche dem wirklichen Parteiwillen und verletze daher
Art. 18 OR, verkennt sie, dass dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen
über einen übereinstimmenden Willen der Parteien zu entnehmen sind, wonach
diese ihr Vertragsverhältnis insgesamt Auftragsrecht hätten unterstellen
wollen. Dass die Vorinstanz ihre Vorbringen zum wirklichen Willen in
Verkennung der Rechtslage missachtet hätte, macht die Beklagte nicht geltend.
Ohne sich mit den Ausführungen der Vorinstanz im Einzelnen auseinander zu
setzen, unterbreitet die Klägerin dem Bundesgericht ihren abweichenden
Standpunkt, wobei sie den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt
beliebig erweitert. Mit derartigen Vorbringen ist sie im Berufungsverfahren
nicht zu hören.

Die Beklagte macht sodann geltend, entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei
die Klägerin nicht weisungsungebunden gewesen. Sie führt dazu an, die
Klägerin habe gemäss Ziff. 3 des Vertrages die Kranken- und
Unfallversicherung im Rahmen der Statuten und insbesondere der AVB und der
Reglemente der X.________ Schweiz zu führen gehabt. Letztere habe aber die
AVB und Reglemente einseitig ändern und anpassen können, was die Klägerin
habe akzeptieren müssen.

Inwiefern die AVB und die Reglemente der X.________ Weisungen für die
Geschäftsführung- und Organisation der Klägerin enthalten hätten, ist dem
angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen und legt die Beklagte nicht dar. Auch
dass die Klägerin an das gegenseitig zu vereinbarende Verkaufs- und
Finanzbudget gebunden gewesen wäre, wie die Beklagte weiter ausführt, geht
aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor. Es erübrigt sich daher zu prüfen,
ob sich daraus eine Weisung für die interne Organisation der Klägerin ergab.
Die Beklagte vermag nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz Bundesrecht
verletzte, als sie feststellte, die Klägerin sei nicht an Weisungen gebunden
gewesen. Weist aber der Vertrag sämtliche Merkmale eines Agenturvertrages auf
und werden darin darüber hinausreichende Vereinbarungen getroffen, steht dem
Sachgericht bei der Gewichtung der einzelnen Elemente ein gewisser
Ermessensspielraum zu. Wenn die Vorinstanz dabei mit Blick auf die Subsumtion
berücksichtigte, wie das Vertragsverhältnis tatsächlich gelebt wurde und
welche wirtschaftliche Bedeutung die verschiedenen Vertragstypen
zuzuordnenden Pflichten erlangten, ist dies entgegen der Auffassung der
Klägerin bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Steht aber fest, dass der
Vertrag der Parteien jedenfalls die Essentialia des Agenturvertrages aufwies
und die daraus entstandenen Rechte für die Klägerin während der Geltung des
Vertrages einen erheblichen wirtschaftlichen Wert erlangten, erscheint mit
Blick auf die Interessenlage der Parteien sachgerecht, das Recht zur
Vertragsauflösung am Dauercharakter des Vertrages auszurichten und nach den
Regeln über den Agenturvertrag zu beurteilen. Es mag deshalb dahingestellt
bleiben, ob auf die über die Geschäftsvermittlung und die damit
zusammenhängenden hinausreichenden Vertragspflichten der Klägerin
Auftragsrecht Anwendung finden müsste, wie die Beklagte vorbringt.

2.2 Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass eine sofortige
Vertragsauflösung nur aus wichtigem Grunde zulässig ist (Art. 418r OR), falls
von einem Agenturvertrag auszugehen ist. Nach den verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz hielt die Beklagte im Zeitpunkt der
Vertragsauflösung die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin
nicht grundsätzlich für unzumutbar. Sie wollte lediglich andere Bedingungen
einführen. Diesen Sachverhalt missachtet die Beklagte mit ihren Ausführungen
in der Berufung, mit denen sie das Vorliegen eines wichtigen Grundes geltend
macht. Darauf ist nicht einzutreten, da die Beklagte ihre Vorbringen nicht
mit zulässigen Sachverhaltsrügen gemäss Art. 63 Abs. 2 OG verbindet.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat Art. 6 Abs. 2 des Vertrages vom 6. Mai 1994 ausgelegt
und gefunden, entgegen der Auffassung der Beklagten lägen keinerlei
Anhaltspunkte dafür vor, dass die Abfindung an die Klägerin zusätzliche
Gründe zum explizit genannten der Kündigung aus organisatorischen Gründen
seitens der X.________ Schweiz innert 10 Jahren ab Vertragsbeginn erfordere.
Die Beklagte bringt mit der Berufung erneut vor, es sei die Meinung der
Parteien gewesen, dass Ziff. 6 Abs. 2 die Verletzung der Vertragsexklusivität
durch die X.________ regle. Die Rüge ist unbegründet. Es kann auf die
zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Urteil (Ziff. 3a S. 17) verwiesen
werden.

3.2 In einlässlicher Würdigung des unbestrittenen Geschehensablaufs und der
Beweise stellte die Vorinstanz fest, es seien die nicht gelösten
organisatorischen Probleme gewesen, welche zur Kündigung geführt hätten,
nicht etwa Vertragsverletzungen seitens der Klägerin. An diese Feststellung
ist das Bundesgericht gebunden, so dass die Beklagte nichts zu ihren Gunsten
aus der anschliessend gewählten Formulierung der Vorinstanz ableiten kann,
wonach sie den Vertrag "im Wesentlichen" aus organisatorischen Gründen
gekündigt habe. Ungeachtet der Frage, ob das bereits zwischen den Parteien
ergangene Urteil des Bundesgerichts in einem früheren Berufungsverfahren
Bindungswirkung zeitigt, vermag die Beklagte auch daraus nichts zu ihren
Gunsten abzuleiten, denn es enthält keinerlei Feststellungen zum Grund der
Kündigung. Es hält lediglich fest, dass unter den Parteien keine neue
Einigung zustande gekommen ist. Die weiteren Vorbringen der Beklagten zur
Frage, ob die Abfindung gemäss Ziff. 6 des Vertrages geschuldet ist, beruhen
auf einem anderen als dem von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt.
Darauf ist nicht einzutreten.

4.
Die Vorinstanz hat die fünffache Portefeuille-Entschädigung auf der Basis des
auf die Kündigung folgenden Jahres berechnet. Sie hat dabei beachtet, dass
die Parteien eine zwölfmonatige Kündigungsfrist vereinbart hatten und erwog,
die Parteien hätten bei Vertragsschluss mit Sicherheit nicht an eine
fristlose Vertragsauflösung gedacht, sondern sie seien bei der Formulierung
von Ziff. 6 Abs. 2 des Vertrages von der ordentlichen Kündigungsfrist
ausgegangen. Der Vertrag habe der X.________ erlaubt, das Agenturverhältnis
vor der vorgesehenen 10-jährigen Dauer zu kündigen, allerdings unter
Einhaltung der Kündigungsfrist und Tragung der in Ziff. 6 Abs. 2 vereinbarten
Konsequenzen. Als letztes Vertragsjahr im Sinne dieser Bestimmung sei daher
der Zeitraum zu betrachten, der im Falle einer vertragsgemäss vorgenommenen
Kündigung zu beachten gewesen wäre, vorliegend also die auf die fristlose
Kündigung folgenden 12 Monate (Mai 1996 - April 1997). Wollte man das der
fristlosen Kündigung vorangegangene Jahr als Berechnungsbasis heranziehen,
hätte es die Beklagte in der Hand, in einem ihr günstig erscheinenden Moment
die fristlose Kündigung auszusprechen und die Vertragspartnerin auf diese
Weise um die Früchte ihrer Bemühungen zu bringen. Dies könne nicht der Sinn
der ursprünglichen Abmachung gewesen sein.

Was die Klägerin in der Berufung dagegen vorbringt, geht an der Sache vorbei,
soweit sie sich überhaupt mit der Auslegung durch die Vorinstanz auseinander
setzt. Entgegen ihrer Meinung hat die Vorinstanz ihr nicht
rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen, sondern die Frage beantwortet,
was die Parteien als loyale Geschäftspartner hätten vereinbaren wollen. Die
Auslegung der Vorinstanz hält in allen Teilen vor Bundesrecht stand. Die in
der Berufung dagegen erhobenen Rügen der Beklagten sind weitestgehend
unzulässig.

5.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann, und das angefochtene Urteil ist zu bestätigen.

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Beklagten
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese hat die Klägerin für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Kantonsgerichts von Graubünden, Zivilkammer, vom 21. August 2001 wird
bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 20'000.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
30'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Kantonsgericht von Graubünden,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Juni 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: