Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.64/2002
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4C.64/2002/rnd

              I.  Z I V I L A B T E I L U N G
              ********************************

                        2. Mai 2002

Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und Gerichtsschreiberin
Giovannone.

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                         In Sachen

A.________, Kläger und Berufungskläger, vertreten durch
Fürsprecher Harold Külling, Postplatz 4, 5610 Wohlen,

                           gegen

B.________ und C.________, Beklagte und Berufungsbeklagte,

                         betreffend
                Architektenvertrag; Honorar,

                 wird in Erwägung gezogen:

     1.- Im Jahre 1996 interessierten sich B.________ und
C.________ (Beklagte) für den Kauf einer Parzelle am Wald-
rand in X.________ (Aargau), um ein Doppeleinfamilienhaus zu
erstellen. Gemäss § 48 Abs. 1 lit. a des damals geltenden
Baugesetzes des Kantons Aargau (SAR 713.100) betrug der Min-
destabstand für Gebäude und gebäudeähnliche Bauten gegenüber
Wäldern 20 m. Ausnahmebewilligungen dürfen gemäss dem nach
wie vor geltenden § 67 Abs. 1 lit. b BauG AG nur erteilt
werden, wenn ausserordentliche Verhältnisse vorliegen oder
die Anwendung der Vorschrift zu hart wäre. Für die Beklagten
war indes Bedingung, dass eine Ausnahmebewilligung zur Re-
duktion des gesetzlichen Waldabstandes um 3 m erteilt werde.
Über diese Frage führten sie im Juni/Juli 1996 eine Korres-
pondenz mit Notar D.________, der ihnen mit Schreiben vom
1. August 1996 mitteilte, eine Besprechung mit dem Kreis-
förster betreffend eine Waldabstandsreduktion um 3 m sei po-
sitiv verlaufen. Eine Kopie dieses Schreibens ging an
A.________ (Kläger).

     2.- Am 31. Juli 1996 schlossen die Beklagten mit dem
Kläger einen Architektenvertrag. Am 20. August 1996 unter-
zeichneten sie mit den Eigentümern der Parzelle einen Vor-
vertrag zum Abschluss eines Kaufvertrages, welchen der Klä-
ger mitunterzeichnete. Darin wird ausdrücklich davon ausge-
gangen, dass eine Reduzierung des Waldabstandes um 3 m be-
willigt wird. Sollte der Gemeinderat X.________ als zustän-
dige Baubewilligungsbehörde in Absprache mit dem zuständigen
Kreisförster wider Erwarten auf der Einhaltung der gesetzli-
chen Abstandsvorschrift von 20 m bestehen oder lediglich
eine geringere Reduktion als 3 m bewilligen, habe die Käu-
ferschaft das Recht, vom Vorvertrag betreffend Landerwerb
entschädigungslos zurückzutreten. Diesfalls habe sie den

Architekten lediglich für die ausgewiesenen Aufwendungen zu
entschädigen.

        Das mit dem Baugesuch eingereichte Begehren um He-
rabsetzung des Waldabstandes auf 16 m resp. 16,25 m (Stock-
grenze 18 m resp. 18,25 m) wurde vom Gemeinderat X.________
mangels Vorliegen zwingender Gründe oder eines Härtefalls am
23. September 1996 abgewiesen. Hingegen bewilligte er am
18. November 1996 das vom Kläger am 14. November 1996 ein-
gereichte Gesuch mit einem Waldabstand ab Stockgrenze zwi-
schen 18,75 und 19,2 m. Dieser Ausnahmebewilligung stimmte
das kantonale Baudepartement am 17. Dezember 1996 zu, nach-
dem das Projekt erneut revidiert und der Abstand der Häuser
zum Wald etwas verbreitert worden war.

        Am 16. Januar 1997 widerriefen die Beklagten
schriftlich den Architektenauftrag.

     3.- Am 21. August 1997 belangte der Kläger die Beklag-
ten vor Bezirksgericht Affoltern auf Zahlung von
Fr. 84'534.80 nebst Zins als Honorar für die Planung des
Doppeleinfamilienhauses. Die Beklagten verlangten widerkla-
geweise den Betrag von Fr. 19'499.55 nebst Zins (Akontozah-
lungen und Geometerkosten). Das Bezirksgericht und ebenso
das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage vollum-
fänglich ab und schützten die Widerklage mit Ausnahme der
Zinsen.

     4.- Gegen das Urteil des Obergerichts Zürich vom 3. De-
zember 2001 erhebt der Kläger Berufung an das Bundesgericht.
Er erneuert die vor Bezirksgericht gestellten Begehren und
beantragt die Abweisung der Widerklage. Sein gleichzeitig
eingereichtes Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen

Rechtspflege hat das Bundesgericht mit Beschluss vom 28. Feb-
ruar 2002 abgewiesen. Hierauf hat er fristgerecht den Kos-
tenvorschuss geleistet.

     Eine Berufungsantwort wurde nicht eingeholt.

     5.- Die Vorinstanz hat den Planungs- und Projektie-
rungsvertrag als Werkvertrag qualifiziert. Sie ist zum
Schluss gekommen, dass die Beklagten berechtigt waren, sich
auf die Unverbindlichkeit des Vertrages zu berufen, weil sie
vom Kläger getäuscht worden seien. Die Vorinstanz hat den
Täuschungsvorwurf im Wesentlichen wie folgt begründet:

        Der Kläger hatte bereits am 23. Februar 1996 an
einer Besprechung mit dem Bauamt X.________ erfahren, dass
der Waldabstand von 20 m neuerdings als "heilige Kuh" galt,
weshalb nicht mit der Erteilung einer Ausnahmebewilligung zu
rechnen war. Diese Mitteilung gab er nicht an die Beklagten
weiter. Aufgrund des von ihm mitunterzeichneten Vorvertrags
vom 20. August 1996 wusste der Kläger, dass für die Beklag-
ten eine Reduktion des Waldabstandes um 3 m Bedingung für
die Verfolgung ihres Projekts war. Er wäre deshalb ver-
pflichtet gewesen, die Beklagten über die Auskunft vom
23. Februar 1996 aufzuklären. Statt dessen reichte er am
13. September 1996 einen auf eine Stockgrenze von 18,00 bzw.
18,25 m bezogenen Plan ein. Nach Rechtsauffassung der Vorin-
stanz hat der Kläger mit seinem Verhalten die Beklagten ge-
täuscht (Art. 28 Abs. 1 OR). Diese hätten sich rechtzeitig
auf den Willensmangel berufen. Sie seien daher berechtigt,
den Vertrag als unverbindlich zu betrachten.

     6.- Der Kläger bestreitet in der Berufung, mit der Ein-
reichung des Gesuchs vom 13. September 1996 eine Täuschungs-
handlung begangen zu haben, zumal sich die Beklagten noch im

Oktober 1996 mit einem um weniger als 3 m reduzierten Wald-
abstand begnügt hätten. Auch in der unterlassenen Übermitt-
lung der Auskunft vom Februar 1996 liege keine Täuschung.
Die Beklagten hätten die gesetzlichen Vorschriften gekannt
und gewusst, dass ihnen niemand garantieren konnte, dass die
Reduktion des Waldabstandes um 3 m bewilligt würde. Diese
Rechtslage sei im Vorvertrag korrekt wiedergegeben worden.
Sie hätten daher insoweit keiner Aufklärung bedurft. Eine
Auskunftspflicht habe umso weniger bestanden, als nicht der
Gemeinderat X.________, sondern das Baudepartement des
Kantons Aargau für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung
zuständig gewesen sei. Die Beklagten seien schliesslich
nicht wegen der behaupteten Täuschung vom Vertrag zurückge-
treten, sondern weil das Kostendach gesprengt worden sei.

     7.- Eine Täuschung im Sinne von Art. 28 OR erfolgt in
der Regel durch Vorspiegelung falscher Tatsachen. Besteht
eine Aufklärungspflicht, so stellt auch das Verschweigen von
Tatsachen ein täuschendes Verhalten dar (BGE 116 II 431
E. 3a S. 434). Eine Aufklärungspflicht kann sich aus einem
Vertrags- oder einem Vertrauensverhältnis ergeben. Ein Ver-
trauensverhältnis, welches die Parteien nach Treu und Glau-
ben verpflichtet, einander in gewissem Masse über Tatsachen
zu unterrichten, die den Entscheid der Gegenpartei über den
Vertragsschluss oder dessen Bedingungen beeinflussen können,
wird insbesondere bei laufenden Vertragsverhandlungen bejaht
(BGE 105 II 75 E. 2a S. 80; 106 II 346 E. 4a S. 351).

        In welchem Masse die Parteien einander aufzuklären
haben, entscheidet sich nicht allgemein, sondern hängt von
den Umständen des Einzelfalls, namentlich von der Natur des
Vertrages, der Art, wie sich die Verhandlungen abwickeln,
sowie von den Absichten und Kenntnissen der Beteiligten ab
(BGE 105 II 75 E. 2a S. 80; 116 II 431 E. 3a S. 434). So
darf etwa ein Käufer erwarten, dass ihn der Verkäufer über
diesem bekannte Risiken aufklärt, welche den erkennbaren

Vertragszweck vereiteln oder erheblich beeinträchtigen kön-
nen (Guhl/Koller, Das Schweizerische Obligationenrecht,
9. Aufl., Zürich 2000, § 17 N. 3). Insoweit entfällt eine
Aufklärungspflicht auch dann nicht, wenn sich die Gegenpar-
tei über die verschwiegene Tatsache hätte Kenntnis verschaf-
fen können (vgl. BGE 106 II 346 E. 4a S. 351 f.). Keine Of-
fenbarungspflicht besteht dagegen, wenn der Verkäufer nach
Treu und Glauben annehmen durfte, die Gegenpartei werde den
wahren Sachverhalt ohne weiteres erkennen (BGE 116 II 431
E. 3a S. 434).

        Im Lichte dieser Erwägungen ist ein Verstoss gegen
Art. 28 OR durch die Vorinstanz nicht auszumachen. Wie die
Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt
hat, hätten die Beklagten den Vertrag nicht geschlossen,
wenn sie von der dem Kläger im Februar 1996 erteilten Amts-
auskunft erfahren hätten. Daran ändert nichts, dass sie sich
zu einem späteren Zeitpunkt (Oktober 1996) mit einer Herab-
setzung des Waldabstandes um lediglich 1,95 m zufrieden ge-
geben hätten. Wenngleich die Beklagten auch nach der ihnen
bekannten damaligen Rechtslage bei Abschluss der Verträge
nicht mit Sicherheit vom Erhalt einer Ausnahmebewilligung
ausgehen konnten, hätte sich ihnen aufgrund der Amtsauskunft
hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, eine Ausnahmebewilli-
gung zu erlangen, ein wesentlich anderes Bild geboten. Ge-
mäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz wusste
der Kläger, wie wichtig es für die Beklagten war, näher an
den Wald bauen zu können. Damit musste er die Bedeutung der
Amtsauskunft über die Verschärfung der Bewilligungspraxis
für die Beklagten erkennen. Aufgrund der vorvertraglichen
Beziehung war er den Beklagten gegenüber daher nach Treu und
Glauben verpflichtet, sie über die in Erfahrung gebrachte
Praxisänderung aufzuklären. Indem der Kläger die Beklagten
in der falschen Vorstellung über die Chancen, die angestreb-
te Ausnahmegenehmigung zu erhalten, verharren liess, hat er
sie getäuscht und dadurch zum Vertragsschluss bewogen.

        Die Vorinstanz hat somit im Ergebnis kein Bundes-
recht verletzt, als sie den Beklagten zugestand, sich auf
die Unverbindlichkeit des Vertrages mit dem Kläger zu beru-
fen. Ob auch die Einreichung der Eingabe vom September 1996
als Täuschungshandlung zu werten ist, kann unter diesen Um-
ständen offen bleiben. Die Berufung ist daher unbegründet.

     8.- Bei diesem Verfahrensausgang wird der Kläger für
das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 156
Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung an die Beklagten fällt
mangels Einladung zur Erstattung einer Berufungsantwort
nicht in Betracht.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 3. De-
zember 2001 wird bestätigt.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 4000.-- wird dem Kläger
auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht
des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
                       ______________

Lausanne, 2. Mai 2002

               Im Namen der I. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
        Der Präsident:      Die Gerichtsschreiberin: