Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.60/2002
Zurück zum Index I. Zivilabteilung 2002
Retour à l'indice I. Zivilabteilung 2002


4C.60/2002 /rnd

Urteil vom 16. Mai 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, Präsident,
Corboz, Klett, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler,
Gerichtsschreiberin Charif Feller.

X. ________ GmbH,
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt René Hegner,
Zürcherstrasse 49, Postfach 333, 8853 Lachen,

gegen

A.________,
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Fürsprecher Georg Friedli,
Bahnhofplatz 5, Postfach 6233, 3001 Bern.

Kauf; Wandelung; Verjährung

(Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 30.
Oktober 2001)
Sachverhalt:

A.
Im Frühjahr 1996 bestellte die X.________ GmbH (Klägerin) einen
Abbruchausleger bei A.________ (Beklagter). Die von diesem gewährte
Garantiefrist für Material und Konstruktion betrug ein Jahr. Am 12. Juni 1996
wurde der Abbruchausleger verspätet geliefert. In der Folge machte die
Klägerin geltend, dieser sei mangelhaft. Am 7. November 1996 schlossen die
Parteien eine Vereinbarung, welche unter anderem vorsah, dass der Beklagte
den Kaufgegenstand gegen Rückerstattung der geleisteten Anzahlung von DM
80'000.-- zurücknehme. Der Beklagte verpflichtete sich zudem, "für sämtliche
Kosten, die aufgrund der Lieferverzögerung sowie der mangelhaften Lieferung
entstanden sind, aufzukommen". Die genaue Bezifferung dieser Kosten fehlte.
Die Klägerin erklärte in der Vereinbarung lediglich, dass "nur die
tatsächlich geleisteten Kosten berechnet werden".

Am 6. Oktober 1997 liess die Klägerin dem Beklagten mittels
Betreibungsbegehren den Zahlungsbefehl über die auf der erwähnten
Vereinbarung basierende Summe von DM 179'156.75 zustellen. Am 25. Februar
1998 fand vor dem Gerichtskreis VIII Bern-Laupen ein Aussöhnungsversuch
statt. Die Klägerin reichte innerhalb der sechsmonatigen Frist nicht Klage
ein. Am 3. März 1999 liess die Klägerin dem Beklagten mittels
Betreibungsbegehren den Zahlungsbefehl über die in der Vereinbarung
festgesetzte Summe von DM 80'000.-- betreffend die Rückerstattung der von der
Klägerin geleisteten Kaufpreisanzahlung zustellen. Die Rückerstattung der
verzinsten Anzahlungssumme von insgesamt DM 90'000.-- sowie die Rückgabe des
Abbruchauslegers erfolgten am 30. Juli 1999, nachdem die Klägerin am 6. April
1999 ein Rechtsöffnungsverfahren eingeleitet hatte. Der Beklagte bezahlte den
ihm in Rechnung gestellten Betrag von DM 179'156.75 als Schadenersatz für
Mietkosten für eine Ersatzmaschine sowie für Reparaturen am Abbruchausleger
nicht. Am           28. Januar 2000 ersuchte die Klägerin um Vorladung zu
einem erneuten Aussöhnungsversuch. Dieser fand am 29. März 2000 statt und
verlief fruchtlos.

B.
Mit Klage vom 27. September 2000 beim Handelsgericht des Kantons Berns
verlangte die Klägerin, der Beklagte sei zu verpflichten, ihr DM 179'156.75,
eventuell EUR 90'605.50, subeventuell SFr. 149'268.85, nebst Zins, zu zahlen.
Ferner beantragte die Klägerin die Beseitigung des Rechtsvorschlags und die
Erteilung der definitiven Rechtsöffnung.

Mit Urteil vom 30.Oktober 2001 wies das Handelsgericht des Kantons Bern die
Klage infolge Eintritts der Verjährung ab.

C.
Die Klägerin hat gegen das kantonale Urteil Berufung eingelegt. Sie beantragt
dem Bundesgericht, ihn aufzuheben und die Sache zur weiteren materiellen
Beurteilung der Klage an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Vorinstanz erwog, die von der Klägerin geltend gemachten
kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche würden gemäss Art. 210 Abs. 1 OR
einer einjährigen Verjährungsfrist unterliegen. Diese sei durch die
Unterzeichnung der Vereinbarung vom 7. November 1996 unterbrochen worden
(Art. 135 OR). Weitere Unterbrechungshandlungen seien mit dem Zahlungsbefehl
vom 6. Oktober 1997 und mit dem Aussöhnungsversuch vom 25. Februar 1998
erfolgt. Der nächste Zahlungsbefehl vom 3. März 1999 habe nicht den noch
strittigen Schadenersatzanspruch betroffen, sondern die nicht mehr strittige
Rückerstattung der Kaufpreisanzahlung. Unterbrechungswirkung habe erst das
Gesuch der Klägerin vom 28. Januar 2000 um Vorladung zur Aussöhnung
betreffend den noch strittigen Schadenersatzanspruch entfalten können. Dieses
sei aber erst kurz vor Ablauf von zwei Jahren nach der letzten gültigen
verjährungsunterbrechenden Handlung und damit verspätet erfolgt.

1.2 Die Klägerin ist der Auffassung, bei der schriftlichen Vereinbarung vom
7. November 1996 handle es sich um einen eigenständigen Vertrag, welcher den
im Frühjahr 1996 geschlossenen Kaufvertrag ersetze und auf den die
zehnjährige Verjährungsfrist gemäss Art. 127 OR zur Anwendung komme. Die
Klägerin bringt unter anderem vor, eine Klage auf Wandelung habe nur dann
stattzufinden, wenn die Parteien sich nicht selber vorgängig auf eine
Wandelung des Kaufvertrages geeinigt hätten. Da mit der Vereinbarung vom 7.
November 1996 eine Einigung getroffen worden sei, gehe es lediglich noch um
den Vollzug der schriftlich vereinbarten Wandelung. Die sich daraus
ergebenden Ansprüche würden sich nicht mehr auf die Mangelhaftigkeit der
Kaufsache, sondern auf einen neuen selbständigen Rechtsgrund stützen und
damit der zehnjährigen Verjährungsfrist unterstehen.

1.3 Im Fall der Wandelung muss der Käufer nach Art. 208 Abs. 1 OR dem
Verkäufer die Sache nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen zurückgeben. Der
Verkäufer hat gemäss Art. 208 Abs. 2 OR nebst Aufwendungs- und Schadenersatz
den gezahlten Verkaufspreis samt Zinsen zurückzuerstatten.

Als Anerkennung einer Forderung gilt jedes Verhalten des Schuldners, das vom
Gläubiger nach Treu und Glauben im Verkehr als Bestätigung der rechtlichen
Verpflichtung aufgefasst werden darf. Die Anerkennung muss sich nicht auf
einen bestimmten Betrag beziehen und setzt keinen auf Unterbrechung der
Verjährung gerichteten Willen voraus (BGE 119 II 368 E. 7b S. 378 f.; 110 II
176 E. 3, S. 180 f.). Die Vereinbarung vom 7. November 1996, in der nichts
anderes als eine Durchführung der Wandelung (analog Art. 208 OR) bestätigt
wird, konnte von der Klägerin in guten Treuen als Schuldanerkennung seitens
des Beklagten verstanden werden. Diese Schuldanerkennung begründete jedoch,
wie die Vorinstanz zu Recht festhält, entgegen der Auffassung der Klägerin
nicht die in Art. 137 Abs. 2 OR vorgesehene neue zehnjährige Frist, da die
Forderung nicht der Höhe nach anerkannt wurde (BGE 113 II 264 E. 2d, mit
Hinweisen). Durch die Schuldanerkennung wurde lediglich gemäss Art. 135 Ziff.
1 OR die Verjährung unterbrochen. Die neue Verjährungsfrist, die mit der
Unterbrechung zu laufen begann, betrug wiederum ein Jahr. Dem steht auch die
inhaltliche Umgestaltung des Vertrages durch die Wandelung (so genannte
"Umwandlungstheorie"; vgl. BGE 114 II 152 E. 2c/bb und 2d) nicht entgegen
(vgl. Gauch, Der Werkvertrag, 4. Aufl., Zürich 1996, Rz. 1539 und 2281f.)
1.4 Die Klägerin behauptet, die Vereinbarung vom 7. November 1996 sei eine
Neuerung im Sinne von Art. 116 OR.

Unter Neuerung im Sinne von Art. 116 OR ist die Umwandlung eines alten
Schuldverhältnisses in ein neues zu verstehen, wobei der Verpflichtungsgrund
des neuen nicht in jenem des alten, sondern in dem die Neuerung bewirkenden
selbständigen Rechtsgeschäft besteht (BGE 60 II 332 E. 2.). Sie beruht auf
der vertraglichen Einigung von Gläubiger und Schuldner, die bestehende
Obligation untergehen zu lassen und durch eine neue zu ersetzen, also die
rechtliche Grundlage des bestehenden Schuldverhältnisses auszuwechseln
(Aepli, Zürcher Kommentar, N 11 zu Art. 116 OR; Bucher, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Zürich 1988, S. 406). Die
Frage, ob die Parteien eine Neuerungsvereinbarung getroffen haben, beurteilt
sich nach den allgemeinen Regeln über das Zustandekommen und die Auslegung
von Verträgen (Aepli, a.a.O., N 26 zu Art. 116 OR). In vorerst subjektiver
und nötigenfalls nachfolgender objektiver Auslegung der vertragsbezogenen
Willenserklärungen ist zu ermitteln, ob die Parteien einen "animus novandi"
hatten sowie bekundeten und damit das alte Schuldverhältnis in seiner
Identität beseitigten (vgl. Aepli, a.a.O., N 29 zu Art. 116 OR;
Gauch/Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil,
Bd. II, 7. Aufl., Zürich 1998, Rz. 3221). Die  Ausstellung eines neuen
Schuldscheines bewirkt, wenn es nicht anders vereinbart wird, keine Neuerung
der bisherigen Schuld (Art. 116 Abs. 2 OR). Neuerung wird nicht vermutet
(Art. 116 Abs. 1 OR). Daraus ergibt sich, wie die Vorinstanz zu Recht
festhält, dass die Klägerin die Beweislast für den von ihr behaupteten
Novationswillen der Parteien trägt (BGE 107 II 479 E. 3 S.481).

Die Vorinstanz kommt auf Grund einiger Umstände (unter anderem der
Entstehungsgeschichte der Vereinbarung) zum Schluss, dass die Parteien keinen
- explizit oder konkludent - gegenseitig erklärten Willen hatten, die aus
Kaufrecht entstandene Obligation durch eine andere zu ersetzen. Diese auf
Beweiswürdigung beruhende Schlussfolgerung ist tatsächlicher Natur; sie
bindet das Bundesgericht und kann daher im Berufungsverfahren nicht überprüft
werden (Art. 63 Abs. 2 OG). Inwiefern die Vorinstanz in diesem Zusammenhang
bundesrechtliche Beweisregeln verletzt habe, legt die Klägerin nicht
rechtsgenüglich dar (vgl. Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

1.5 Die Klägerin wendet weiter ein, die Vereinbarung vom 7. November 1996 sei
als Vergleich zu werten. Sie beruft sich für ihre Ansicht auf BGE 100 II 144
E. 2 S. 145. Darin hat das Bundesgericht den aussergerichtlichen Vergleich
als  Streitbeilegung durch gegenseitiges Nachgeben charakterisiert. Diese
Voraussetzung ist vorliegend offensichtlich nicht erfüllt, da die
Vereinbarung der Parteien den strittigen Schadenersatzanspruch nicht
beziffert.

1.6 Die Vorinstanz hat sich mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über
Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (United
Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods [CISG];
SR 0.221.211.1) auseinander gesetzt. Die Klägerin rügt insoweit keine
Verletzung von Bundesrecht. Sie kritisiert in diesem Zusammenhang lediglich
die Annahme einer einjährigen Verjährungsfrist durch die Vorinstanz. In
Anbetracht der vorstehenden Erwägungen erübrigt es sich, darauf
zurückzukommen.

2.
Die Berufung erweist sich als unbegründet. Das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Bern wird bestätigt. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die
Gerichtsgebühr der Klägerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG), die den
Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen hat (Art. 159
Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons
Bern vom 30.Oktober 2001 bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'500.-- wird der Klägerin auferlegt.

3.
Die Klägerin hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit
Fr. 6'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Bern
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, den 16. Mai 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: