Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.52/2002
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4C.52/2002 /rnd

Urteil vom 3. September 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident,
Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt
Brunner, Bankstrasse 21, 8750 Glarus,

gegen

Y.________,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Karljörg
Landolt, Spielhof 14a, Postfach 536, 8750 Glarus.

Lizenzvertrag; IPRG; Widerklage; Einlassung,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Glarus vom 14.
Dezember 2001.

Sachverhalt:

A.
Die bis September 1999 in Z.________ domizilierte X.________ AG und die
US-amerikanische Gesellschaft Y.________ sind zwei auf die Herstellung und
den Handel mit Blutplasma spezialisierte Unternehmen. Mit Lizenzvertrag vom
4. Mai 1987 ermächtigte die Y.________ als Patentinhaberin die X.________ AG
zum Vertrieb von virus-sterilisiertem Plasma gegen Ablieferung von 3% des
Verkaufserlöses.

B.
Im November 1995 klagte die Y.________ vor dem Kantonsgericht Glarus gegen
die X.________ AG auf Offenlegung der erzielten Umsätze und auf Überweisung
der vereinbarten Lizenzgebühr von mindestens Fr. 2'000'000.--. Der
Kantonsgerichtspräsident wies die Klage in das schriftliche Verfahren. Mit
Widerklage Nr. ZG.1997.00065 machte die Beklagte im Januar 1997 innerhalb der
für die Einreichung der Duplik angesetzten Frist eine Forderung von Fr.
1'882'470.50 geltend. Die Klägerin liess sich auf das die Widerklage Nr.
ZG.1997.00065 betreffende Editionsverfahren ein und stellte am 10. Februar
1997 im Rahmen dieses Verfahrens selbst ein Editionsbegehren. Im Frühling
1997 unterhielten die Parteien Vergleichsgespräche, die unter anderem auch
die Widerklageforderung betrafen. Am 8. September 2000 ordnete der
Kantonsgerichtspräsident für die Behandlung der Widerklage Nr. ZG.1997.00065
das schriftliche Verfahren an. Am 18. September 2000 erhob die Klägerin eine
Uneinlässlichkeitseinrede, welche das Kantonsgericht Glarus am 19. Dezember
2000 abwies und auf die Widerklage Nr. ZG.1997.00065 eintrat
(Dispositiv-Ziffern 1-4). In demselben Beschluss trat das Kantonsgericht in
Gutheissung einer diesbezüglichen Uneinlässlichkeitseinrede auf eine zweite
Widerklage Nr. ZG.2000.00499 nicht ein (Dispositiv-Ziffern 5-9). Die Klägerin
erhob gegen den Beschluss (Dispositiv-Ziffern 1-4) Appellation und erneuerte
ihre Uneinlässlichkeits- bzw. Unzuständigkeitseinrede. Mit Urteil vom 14.
Dezember 2001 hiess das Obergericht des Kantons Glarus die Appellation gut
und hob die Dispositiv-Ziffern 1-4 des Beschlusses auf.

C.
Die Beklagte hat das Urteil der Vorinstanz sowohl mit staatsrechtlicher
Beschwerde als auch mit Berufung angefochten. Mit Berufung beantragt sie, es
sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klägerin zu verpflichten, sich
auf die Widerklage einzulassen.

Die Klägerin schliesst auf Nichteintreten, eventuell Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht hat die staatsrechtliche Beschwerde heute abgewiesen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Aus dem Entscheid über die staatsrechtliche Beschwerde, auf den verwiesen
werden kann, ergibt sich ohne weiteres, dass es sich beim angefochtenen
Urteil um einen Endentscheid im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG handelt.

1.2 Im Wesentlichen rügt die Beklagte in der Berufung die Verletzung des
kantonalen Prozessrechts. Insoweit ist die Berufung von vornherein unzulässig
(Art. 43 Abs. 1 Satz 2, Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). In der Berufung ist einzig
zu prüfen, ob die Vorinstanz den bundesrechtlichen Begriff der Einlassung
richtig ausgelegt hat.

2.
2.1 Die Vorinstanz geht davon aus, dass die Beklagte die Widerklage zu spät
erhoben hat. Wie im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde dargelegt,
hält das angefochtene Urteil in dieser Frage vor der Verfassung stand. Weiter
vertritt die Vorinstanz die Auffassung, die Voraussetzungen zur Begründung
des Gerichtsstands der Einlassung seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe die
Unzuständigkeitseinrede rechtzeitig erhoben. Streitig ist zwischen den
Parteien, ob die Einlassung der Klägerin auf das dem Hauptprozess
vorangehende Editionsverfahren und die Bereitschaft der Klägerin zu den im
Frühling 1997 durchgeführten Vergleichsgesprächen über die
Widerklageforderung als Einlassung auf die Widerklage betrachtet werden muss.

2.2 Es liegt ein internationaler Sachverhalt vor, da mit der Tatsache, dass
die Klägerin ihren Sitz in New York hat, ein Auslandsbezug hergestellt ist.
Wie die Vorinstanz ausführt, stellt sich grundsätzlich die Frage der
Anwendbarkeit des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
(Lugano-Übereinkommen, LugÜ; SR 0.275.11). Der auf das LugÜ gestützte
Gerichtsstand könnte sich daraus ergeben, dass dieser Staatsvertrag in
räumlich-persönlicher Hinsicht darauf abstellt, ob die beklagte Partei
Wohnsitz bzw. Sitz in einem Vertragsstaat hat (Kropholler, Europäisches
Zivilprozessrecht, 7. Auflage, N. 1 zu Art. 2 EuGVO / Art. 2 LugÜ;
Schnyder/Liatowitsch, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, N.
290), was in der vorliegenden Streitsache auf die Beklagte zutrifft. Da der
in Art. 18 LugÜ verwendete Begriff der Einlassung von der lex fori bestimmt
wird (Hess, Basler Kommentar, N. 15 zu Art. 6 IPRG; Walter, Internationales
Zivilprozessrecht, 3. Auflage, S. 256) und deshalb ohnehin auf Art. 6 IPRG
abgestellt werden muss, kann die Frage der Anwendbarkeit des LugÜ
offenbleiben.

2.3 Nach Art. 6 IPRG begründet in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die
vorbehaltlose Einlassung die Zuständigkeit des angerufenen schweizerischen
Gerichts, sofern dieses - was hier der Fall wäre - seine Zuständigkeit nach
Art. 5 Abs. 3 IPRG anzuerkennen hat. Der Gerichtsstand der Einlassung gilt
auch für die Widerklage (BGE 123 III 35 E. 3b S. 45, mit Hinweisen).

Einlassung ist die Anerkennung eines an sich nicht gegebenen Gerichtsstandes
durch konkludentes Handeln. Sie erfolgt durch die unzweideutige Bekundung der
beklagten Partei, vor dem angerufenen Gericht zur Hauptsache zu verhandeln
(BGE 123 III 35 E. 3b S. 45f., mit Hinweisen).

2.4 Eine solche konkludente Willenskundgabe liegt nicht bereits darin, dass
sich die Klägerin auf das Editionsverfahren eingelassen hat. Nach der Praxis
ist nur der Wille, zur Hauptsache zu verhandeln, beachtlich. Jede Handlung
oder Unterlassung vor der Klageerhebung fällt ausser Betracht (BGE 87 I 53 E.
4    S. 58; so auch Kropholler, a.a.O., N. 7 zu Art. 24 EuGVO / Art. 18
LugÜ). Das Prozessverhalten der Klägerin in dem vom Hauptprozess
abgekoppelten Vorverfahren bietet daher keinerlei Anhaltspunkte für die
Annahme einer Einlassung. Dass das Editionsverfahren umfangreich war und
lange dauerte, spielt entgegen der Auffassung der Beklagten keine Rolle. Die
das Editionsbegehren stellende Partei muss frei sein, sämtliche tatsächlichen
und rechtlichen Argumente zur Bewirkung der anbegehrten richterlichen
Anordnung vorzubringen, ohne fürchten zu müssen, dass aus ihren Äusserungen
ein Verzicht auf die Geltendmachung der Unzuständigkeitseinrede abgeleitet
wird. Wenn darüber hinaus, wie die Vorinstanz dartut, nach kantonalem
Prozessrecht das Editionsgericht zur Entgegennahme von
Unzuständigkeitseinreden in der Hauptsache nicht zuständig ist, kann in der
Einlassung auf das Editionsverfahren erst recht nicht eine Einlassung auf die
Widerklage erblickt werden.

Auch darin, dass die Klägerin selbst ein Editionsbegehren stellte, ist keine
Einlassung zu sehen. Die Klägerin hätte dieses Begehren, wie die Vorinstanz
darlegt, aufgrund der nach alter Zivilprozessordung strengen Eventualmaxime
in einem späteren Prozessstadium nicht mehr stellen können. Das
Prozessverhalten der Klägerin kann von daher nicht a priori als Einlassung
gedeutet werden. Im Editionsbegehren der Klägerin könnte ebenso gut ein
Begehren um vorsorgliche Beweissicherung gesehen werden.

2.5 Was die Einlassung der Klägerin auf die Vergleichsgespräche über die
Widerklageforderung betrifft, so stellt die Vorinstanz für das Bundesgericht
verbindlich fest (Art. 63 Abs. 2 OG), dass die eingeklagte
Widerklageforderung bereits als Verrechnungsforderung Gegenstand des
Hauptprozesses bildete. Das Kantonsgericht stellte aber erst mit Beschluss
vom 8. September 2000 fest, dass die Verrechnungseinrede verspätet
vorgebracht wurde. Nach Auffassung der Vorinstanz kann aus der Tatsache, dass
sich die Klägerin anlässlich der bereits im Frühjahr 1997 geführten
Vergleichsgespräche auch zur Widerklageforderung äusserte, nicht abgeleitet
werden, diese habe sich damit auf die Widerklage eingelassen. Vor diesem
Hintergrund ist aufgrund der klägerischen Ausführungen nicht ersichtlich,
inwiefern die Vorinstanz zu Unrecht verneinte, dass sich die Klägerin auf die
Widerklage einliess.

3.
Die Berufung erweist sich als unbegründet. Ausgangsgemäss ist die
Gerichtsgebühr der Beklagten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese hat die
Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs.
1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Obergerichts des Kantons Glarus vom 14. Dezember 2001 wird bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 15'000.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
16'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Glarus
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. September 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: