Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.395/2002
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4C.395/2002 /rnd

Urteil vom 4. April 2003

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Walter, Nyffeler,
Gerichtsschreiber Huguenin.

X. ________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Advokat Dr. Thomas Christen,
Haus Thurgauerhof, Postfach 552, 4410 Liestal,

gegen

Y.________ AG,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Alain Girardet,
Grosshaus am Kolinplatz 2, 6300 Zug.

Darlehensverträge,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche
Abteilung, vom 30. Oktober 2002.

Sachverhalt:

A.
Die Y.________ AG mit Sitz in Zug gewährte der X.________ AG, damals
ebenfalls mit Sitz in Zug, von November 1997 bis Oktober 1998 neun Darlehen
im Gesamtbetrag von USD 4'702'597.15. Die X.________ AG leistete bis vor dem
8. Januar 1999 Rückzahlungen im Gesamtbetrag von USD 3'570'603.--, indem sie
teils mit Gegenforderungen aus Dienstleistungen verrechnete und teils durch
die Z.________ Ltd. mit Sitz in Dublin Beträge mittels eines Kontos bei der
Bank A.________ einzahlen liess. Über dieses Konto waren B.________ für die
Y.________ AG und C.________ für die X.________ AG jeder unter Mitwirkung des
andern verfügungsberechtigt.

Während die Zahlungen vorher mit dem Vermerk "by order of X.________ AG, Zug,
part-repayment of loan" versehen waren, trugen die entsprechenden
Gutschriftsanzeigen ab dem 8. Januar 1999 den Vermerk "part-repayment of loan
of Z.________ Ltd.". Die Z.________ Ltd., die zur gleichen Unternehmensgruppe
wie die X.________ AG gehört, hatte von der Y.________ AG ebenfalls Darlehen
erhalten.

B.
Die Y.________ AG vertrat in der Folge die Auffassung, dass die X.________ AG
ab dem 8. Januar 1999 keine Darlehens-Rückzahlungen mehr geleistet habe und
ein Betrag von USD 1'218'934.15 noch offen sei. Die X.________ AG stellte
sich dagegen auf den Standpunkt, dass ihre Darlehensschulden getilgt seien,
weil vom 8. Januar 1999 bis 8. Februar 1999 über das Konto bei der Bank
A.________ weitere Rückzahlungen im Gesamtbetrag von USD 1'220'000.-- erfolgt
seien.

C.
Auf Klage der Y.________ AG vom 1. Oktober 1999 verpflichtete das
Kantonsgericht des Kantons Zug die X.________ AG mit Urteil vom      31.
Oktober 2001, der Klägerin USD 1'218'934.15 nebst 6 % Zins auf USD 918'934.15
seit 12. September 1999 und auf USD 300'000.-- seit 8. Oktober 1999 zu
bezahlen. Das Obergericht des Kantons Zug wies eine Berufung der Beklagten
mit Urteil vom 30. Oktober 2002 ab und bestätigte den erstinstanzlichen
Entscheid.

D.
Mit Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zug vom 30. Oktober 2002 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin schliesst in ihrer Berufungsantwort auf Abweisung der Berufung
und Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht grundsätzlich an die
tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Sachgerichts gebunden. Ausnahmen
von dieser Bindung kommen nur in Betracht, wenn die Vorinstanz
bundesrechtliche Beweisvorschriften verletzt hat, wenn ihr ein
offensichtliches Versehen unterlaufen ist (Art. 63 Abs. 2 OG) oder wenn der
von ihr ermittelte Sachverhalt im Hinblick auf die Anwendung des Bundesrechts
der Ergänzung bedarf (Art. 64 OG). Die Partei, welche den Sachverhalt
berichtigt oder ergänzt wissen will, hat darüber genaue Angaben mit
Aktenhinweisen zu machen (BGE 127 III 248 E. 2c; 115 II 484 E. 2a S. 485 f.).

Die Beklagte verlangt in der Berufungsschrift keine Berichtigung oder
Ergänzung des Sachverhaltes im dargelegten Sinne. Dem Bundesgericht ist es
daher verwehrt, auf die Behauptungen von Tatsachen einzutreten, welche die
Vorinstanz im angefochtenen Urteil nicht festgestellt hat. Das gilt für die
Behauptung von Umständen, aus denen die Klägerin nach Meinung der Beklagten
den Schluss hätte ziehen sollen, dass auch die von der Z.________ Ltd. nach
dem 8. Januar 1999 an die Klägerin geleisteten Zahlungen zu Gunsten der
Beklagten erfolgt sind. Dem angefochtenen Urteil ist sodann nicht zu
entnehmen, dass im Zeitpunkt, als diese Zahlungen erfolgten, die
Darlehensforderungen der Klägerin gegenüber der Z.________ Ltd. bereits durch
Tilgung erloschen waren. Unbeachtlich sind schliesslich die von den
Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Behauptungen darüber, wie die
Vertreter der Parteien - B.________ und C.________ - den Vermerk
"part-repayment of loan of Z.________ Ltd." übereinstimmend verstanden haben.

2.
Nach dem angefochtenen Urteil hat die Z.________ Ltd. durch die erwähnte
Änderung des Vermerks auf den Gutschriftsanzeigen der Klägerin klar zu
erkennen gegeben, das sie fortan nicht mehr als direkte Stellvertreterin der
Beklagten, sondern in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handle. Die
Beklagte habe eingeräumt, dass das Weglassen des bisher auf den Bankbelegen
angebrachten Vermerks "bezahlt von Z.________ Ltd. im Namen der X.________
AG" die Bedeutung hatte, dass zuerst die Verbindlichkeiten der Z.________
Ltd. gegenüber der Klägerin getilgt werden mussten. Damit anerkenne die
Beklagte aber selbst, dass die Z.________ Ltd. in eigenem Namen und auf
eigene Rechnung gehandelt habe. Die Zeugen B.________ und C.________, die
über das Spezialkonto der Z.________ Ltd. verfügungsberechtigt waren, hätten
bestätigt, dass zu Lasten dieses Kontos keine Zahlungen mehr im Namen der
Beklagten erfolgen sollten und diese in den Zahlungsaufträgen deshalb nicht
mehr als Auftraggeberin der Z.________ Ltd. genannt worden sei. Die Zeugen
hätten weiter erklärt, dass zunächst die Darlehen der Z.________ Ltd.
zurückgeführt werden sollten, da es sich bei ihr um eine
Offshore-Gesellschaft handle. Da B.________ im fraglichen Zeitraum
Verwaltungsrat der Klägerin gewesen sei, stehe fest, dass diese keinen Grund
zur Annahme gehabt hätte, die Z.________ Ltd. leiste die Zahlungen allenfalls
stillschweigend weiterhin im Namen der Beklagten.

2.1 Die Beklagte hält mit der Berufung daran fest, dass die Klägerin den
Vermerk "part-repayment of loan of Z.________ Ltd." entgegen dessen Wortlaut
so verstehen musste, dass die entsprechenden Gutschriften gleich wie vor dem
8. Januar 1999 als Rückzahlungen der ihr gewährten Darlehen zu verstehen
waren. Sie wirft der Vorinstanz in diesem Zusammenhang eine Verletzung der
Regeln über die Stellvertretung (Art. 32 ff. OR) vor, die auch auf die
vertretungsweise Vornahme anderer Rechtsgeschäfte als den Abschluss von
Verträgen anwendbar seien.

2.2 Die Beklagte verkennt, dass für die Erfüllung einer vertraglichen
Verpflichtung nicht die gleichen Regeln gelten wie für deren Entstehung. So
ist die Erfüllungswirkung namentlich nicht von einer Bevollmächtigung jener
Partei abhängig, welche die Zahlung erbringt. Geldschulden können ohne
weiteres auch durch Dritte erfüllt werden (Art. 68 OR). Für die
Erfüllungswirkung ist dabei unerheblich, ob der Dritte mit Wissen und Willen
des Schuldners erfüllt, als dessen Hilfsperson oder Substitut, oder ob er aus
selbständigem Antrieb leistet, ohne vom Schuldner mit der Erfüllung betraut
zu sein (Weber, Berner Kommentar, N. 35 ff. zu Art. 68 OR).

Die Erfüllung ist keine rechtsgeschäftliche Handlung, sondern ein Realakt.
Sie wird durch die Erbringung der geschuldeten Leistung ohne weiteres
bewirkt. Daher bedarf der Dritte zur Leistungserbringung keiner Vollmacht
(Weber, a.a.O., N. 41 zu Art. 68 OR). Auch im Falle der Leistung durch einen
Dritten wird die Erfüllung gemäss den Anrechnungsanordnungen von Art. 85 ff.
OR bewirkt (Weber, a.a.O., N. 61 zu Art. 68 OR). Insbesondere ist der Dritte
befugt zu erklären, welche Schuld er tilgen will (Art. 86 Abs. 1 OR).
Widerspricht seine Erklärung internen Weisungen des Schuldners, von denen der
Gläubiger keine Kenntnis hat, hindert dies die Erfüllung der bezeichneten
Schuld nicht; die Auseinandersetzung verlagert sich in diesem Fall auf das
Verhältnis zwischen Schuldner und Drittem. Welche Schuld der Dritte zu tilgen
erklärte, ist eine Tatfrage. Das Bundesgericht ist somit an die
Feststellungen der Vorinstanz gebunden, dass die über das Konto
Verfügungsberechtigten - B.________ und C.________ - den Vermerk
übereinstimmend gemäss seinem Wortlaut verstanden und gewollt haben und
deshalb die seit dem 8. Januar 1999 gutgeschriebenen Beträge nicht als
Darlehensrückzahlungen der Beklagten, sondern der Z.________ Ltd. erfolgt
sind. Schliesslich ist bereits festgehalten worden (vorne E. 1), dass die
Argumentation der Beklagten auch in den übrigen Teilen der Berufung auf
Tatsachenhauptungen beruht, die nicht zu hören sind. Damit ist auf die
Berufung insgesamt nicht einzutreten.

3.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Beklagten
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese hat die Klägerin für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 17'000.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
19'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. April 2003

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: