Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.371/2002
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4C.371/2002 /rnd

Urteil vom 4. März 2003

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________ AG,
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Herbert P.J.
Krall, c/o Frau Käthy Bucher, Hügelweg 14, 4102 Binningen,

gegen

A.________,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Fürsprecher Richard
Eichenberger, Weite Gasse 34, Postfach 2052, 5402 Baden.

Mietvertrag; Stundungsvereinbarung,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 2.
Zivilkammer, vom 19. September 2002.

Sachverhalt und Erwägungen:

1.
1.1 Mit Vertrag vom 3. Juli 1978 vermietete die Y.________ AG A.________
(Beklagte) ein Ladenlokal mit Nebenräumen in Z.________ für monatlich Fr.
630.--. Mit Zusatzvereinbarung gleichen Datums wurde der Beklagten das Recht
eingeräumt, Stundung des laufenden Mietzinses nach bestimmten Regeln zu
verlangen. Die Vermieterin trat am 15. März 1979 alle Rechte aus diesem
Mietvertrag an die X.________ AG (Klägerin) ab. Die Beklagte kündigte den
Mietvertrag per 30. Juli 2000.

1.2 Die Klägerin belangte die Beklagte am 12. März 2001 vor Bezirksgericht
Baden auf Zahlung von Fr. 22'146.-- nebst 4,75% Zins seit dem 20. Dezember
1995 für ausstehende Mietzinse und Nebenkosten aus den Jahren 1978 bis 1986,
eventuell auf Zahlung von "Fr. 5'905.20 zuzüglich 4,75% Zins von Fr.
22'146.00 seit dem 20.12.1995 und Fr. 16'240.80 in monatlichen Raten von je
Fr. 738.20, fällig jeweils am Ersten eines Monats zuzüglich 4,75% Zins vom
noch geschuldeten Rest". Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung,
welche das Bezirksgericht schützte und die Klage am 22. Januar 2002 abwies.
Das hierauf mit der Sache befasste Obergericht des Kantons Aargau wies die
Appellation der Klägerin mit Urteil vom 19. September 2002 ab. Das
Obergericht stellte in tatsächlicher Hinsicht fest, dass die Beklagte ihr
Recht, die Stundung der Mietzinse zu verlangen, nicht ausgeübt hatte und dass
die Parteien entgegen den Ausführungen der Klägerin auch keine anderweitige
Stundungsvereinbarung getroffen hatten. Daraus folgerte es in rechtlicher
Hinsicht, der Beginn der Verjährung sei nicht aufgeschoben worden (Art. 135
Ziff. 1 OR). Ausgehend von der fünfjährigen Verjährungsfrist ab Fälligkeit
der einzelnen Mietzinsforderungen (Art. 128 Ziff. 1 und Art. 130 Abs. 1 OR)
gelangte das Obergericht daher zum Ergebnis, dass die per Ende 1986 fällig
gewordenen Mietzinsschulden und Nebenkosten per Ende 1991 verjährt sind.

1.3 Die Klägerin führt eidgenössische Berufung. Sie beantragt die Aufhebung
des kantonalen Urteils und die Gutheissung der Klage entsprechend den im
kantonalen Verfahren gestellten Anträgen. Die Beklagte schliesst auf
Nichteintreten auf die Berufung, eventuell auf deren Abweisung.

2.
2.1 Die Klägerin lässt sich wie bereits vor Obergericht durch Herbert Krall
vertreten, der nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil Rechtsanwalt
ist, zugelassen am Oberlandesgericht Karlsruhe und Landgericht Freiburg, mit
Adresse Weil am Rhein, Deutschland. Nach Art. 29 Abs. 2 OG in der Fassung
gemäss Art. 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der
Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61)
können Anwältinnen und Anwälte, die nach diesem Gesetz oder nach einem
Staatsvertrag berechtigt sind, Parteien vor schweizerischen Gerichtsbehörden
zu vertreten, auch als Parteivertreter vor Bundesgericht auftreten. Das
Anwaltsgesetz unterscheidet in dieser Hinsicht zwischen der punktuellen,
vorübergehenden Parteivertretung im Rahmen des grenzüberschreitenden
Dienstleistungsverkehrs (Art. 21 BGFA) und der ständigen Ausübung des
Anwaltsberufs (Art. 27 BGFA).

2.2 Vorliegend ist die fallweise Berechtigung nach Art. 21 Abs. 1 BGFA zu
prüfen. Danach können Angehörige von Mitgliedstaaten der EU, die berechtigt
sind, den Anwaltsberuf in ihrem Heimatstaat unter einer der im Anhang
aufgeführten Berufsbezeichnungen auszuüben, im freien Dienstleistungsverkehr
in der Schweiz Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten. Die
dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälte werden nicht in die
kantonalen Anwaltsregister eingetragen (Abs. 2). Sie haben sich aber auf
Verlangen der zuständigen Behörden über ihre Anwaltsqualifikation auszuweisen
(Art. 22 BGFA). Nach dem Anhang zum Anwaltsgesetz (Liste der
Berufsbezeichnungen nach den Richtlinien 77/249/EWG und 98/5/EG) ist für
Deutschland die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" massgebend (vgl. dazu auch
das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und
der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
Freizügigkeit vom 21. Juni 1999, Anhang III, lit. B; SR 0.142.112.681). Der
Vertretung der Klägerin durch Rechtsanwalt Herbert Krall vor Bundesgericht
steht daher nichts entgegen.

3.
3.1 Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen
Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht
offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder zu ergänzen
sind (Art. 64 OG). Werden solche Ausnahmen geltend gemacht, so hat die
Partei, die den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber
genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG). Eine
Ergänzung setzt zudem voraus, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im
kantonalen Verfahren prozesskonform aufgestellt, von der Vorinstanz aber zu
Unrecht für unerheblich gehalten oder übersehen worden sind, was wiederum
näher anzugeben ist; andernfalls gelten die Vorbringen als neu und damit als
unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 127 III 248 E. 2c S. 252; 126 III
59 E. 2a S. 65, je mit Hinweisen).

Die Vorbringen der Klägerin zu Sachverhaltsfragen genügen diesen
Anforderungen nicht. Sie laufen durchwegs auf unzulässige Kritik an der
vorinstanzlichen Beweiswürdigung (BGE 127 III 519 E. 2a S. 522) oder
unzulässiges Geltendmachen neuer Tatsachen und Beweismittel hinaus (Art. 55
Abs. 1 lit. c OG).

3.1.1 Die Klägerin bringt vor, aus einer vorgelegten Urkunde ergebe sich,
dass die erste Zahlung der Beklagten per 8. April 1981 erfolgt sei, und sie
macht geltend, die von ihr zum Beweis anerbotenen Geschäftsbücher seien
entgegen der Auffassung der Vorinstanz beweistauglich gewesen. Sie verkennt,
dass auch vorweggenommene Beweiswürdigung gleich wie Beweiswürdigung der
Kritik im Berufungsverfahren entzogen ist (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 128
III 22 E. 2d S. 25f.). Die Klägerin beanstandet ebenfalls die vorweggenommene
Beweiswürdigung der Vorinstanz, indem sie die Ablehnung erneuter Partei- und
Zeugenbefragung durch das Obergericht rügt. Damit ist sie nicht zu hören.

3.1.2 Die Klägerin wirft der Vorinstanz verschiedentlich vor, einem Versehen
unterlegen zu sein und bestimmte Dokumente übersehen zu haben. Ein
offensichtliches Versehen liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn die
Vorinstanz eine bestimmte Aktenstelle übersehen oder unrichtig, d.h. nicht in
ihrer wahren Gestalt, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen Wortlaut
wahrgenommen hat (BGE 121 IV 104 E. 2b S. 106; 113 II 522 E. 4b S. 524; 104
II 68 E. 3b S. 74). Es ist, wie aus dem Begriff des Versehens folgt, die in
Wirklichkeit - nämlich ohne das Versehen - nicht gewollte Feststellung. Nicht
in ihrer wahren Gestalt wird eine Aktenstelle beispielsweise wahrgenommen,
wenn die Vorinstanz sich verliest, ihrerseits eine Missschreibung in den
Akten übersieht oder den offensichtlichen Zusammenhang einer Aussage mit
andern Dokumenten oder Äusserungen verkennt (BGE 115 II 399 E. 2, mit
Hinweisen). Da die Klägerin in der Berufung auch nicht ansatzweise aufzeigt,
dass die Vorinstanz aus Irrtum bestimmte Dokumente übersehen und deshalb eine
Feststellung ungewollt getroffen hätte, ist auf die betreffenden Vorbringen
nicht einzutreten (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG; BGE 115 II 399 E. 2a S. 400).

3.2 Die Vorinstanz hat die widersprüchlichen Behauptungen der Klägerin zur
geltend gemachten Stundung dargelegt und festgestellt, die Klägerin habe ihre
Sachdarstellung in der Appellation der Begründung des erstinstanzlichen
Entscheides angepasst, um so der Verjährung ihrer behaupteten Ansprüche zu
entgehen. Sie sei deshalb nicht glaubwürdig. Mit der Berufung sucht die
Klägerin den Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens zu entkräften, indem sie
die Motive ihres Verhaltens aus ihrer Sicht schildert. Für eine Erweiterung
des Sachverhalts ist aber im Berufungsverfahren kein Raum (Art. 55 Abs. 1
lit. c OG).

3.3 Schliesslich ist auch auf die Rügen der Klägerin nicht einzutreten, mit
denen sie aus der in einem Vergleich der Parteien vom 6. Mai 1993 getroffenen
Abrede auf den Bestand einer Stundungsvereinbarung schliessen will. Die
Vorinstanz hat ausführlich begründet, weshalb auch für den Fall, dass am 3.
Juli 1978 eine Stundungsvereinbarung zustande gekommen sein sollte, sämtliche
Ansprüche daraus spätestens am 6. Mai 1998 verjährt wären. Mit diesen
Erwägungen setzt sich die Klägerin in der Berufung nicht auseinander. Auf
allgemeine Ausführungen ohne Bezug zum angefochtenen Urteil ist aber nicht
einzutreten (Art. 55 Abs. 1 lit. b OG).

4.
Aus den dargelegten Gründen kann auf die Berufung nicht eingetreten werden.
Die Klägerin als unterliegende Partei wird kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht im

Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2000.-- wird der Klägerin auferlegt.

3.
Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. März 2003

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: