Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.339/2002
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4C.339/2002 /rnd

Urteil vom 13. März 2003

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Walter, Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Mazan.

A. ________,
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Fürsprecher Andreas
Imobersteg, Postfach 6716,
3001 Bern,

gegen

Einwohnergemeinde der Stadt Bern, 3011 Bern, vertreten durch Fürsprecher Hans
Bättig, Schwarztorstrasse 56, Postfach 530, 3000 Bern 14.

Mietvertrag; Mietzinserhöhung,

Berufung gegen das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern, 1.
Zivilkammer, vom 17. September 2002.

Sachverhalt:

A.
Am 23. September 1996 schloss die Einwohnergemeinde der Stadt Bern (Klägerin)
mit A.________ (Beklagter) einen Mietvertrag mit Beginn am 15. Oktober 1996
über eine 2-Zimmer-Wohnung in Bern ab. Der monatliche Nettomietzins wurde auf
Fr. 512.-- und die Nebenkosten auf Fr. 123.-- festgesetzt. Der Mietvertrag
war mit folgender Klausel versehen:
"Der Mieter nimmt zur Kenntnis, dass diese subventionierte resp. sonst wie
verbilligte Wohnung vor allem zur Unterbringung von Familien mit unmündigen
Kindern dienen soll. Er ist verpflichtet, die Wohnung nötigenfalls
freizugeben, sobald die Kinder anderswo Wohnsitz nehmen oder das Einkommen
die zulässige Grenze überschreitet. Allfällige Auskunftsformulare hat er
wahrheitsgetreu auszufüllen."
Mit amtlichem Formular vom 12. Dezember 2000 wurde dem Beklagten eine
Erhöhung des Nettomietzinses ab 1. Mai 2001 auf Fr. 770.-- und eine Anpassung
der Nebenkosten Akonto auf Fr. 110.-- mitgeteilt. Diese Erhöhung wurde mit
einer Anpassung an die orts- und quartierüblichen Mietzinse begründet. Einen
Mietzinserhöhungsvorbehalt enthielten weder der Mietvertrag vom 23. September
1996 noch das Formular vom 11. Dezember 1998, mit welchem - bei gleich
bleibendem Bruttomietzins - eine Senkung des Nettomietzinses von Fr. 512.--
auf Fr. 509.-- und eine Erhöhung der Nebenkosten von  Fr. 123.-- auf Fr.
126.-- angezeigt wurde.

B.
Die Mietzinserhöhung vom 12. Dezember 2000 wurde vom Beklagten beim Mietamt
der Stadt Bern angefochten, welches am 12. Juni 2001 das Scheitern der
Schlichtungsverhandlung feststellte. Am 12. Juli 2001 erhob die Klägerin beim
Gerichtskreis VIII Bern-Laupen Klage mit dem Begehren, es sei festzustellen,
dass der Nettomietzins von Fr. 770.-- für die 2-Zimmer-Wohnung des Beklagten
mit Wirkung ab 1. Mai 2001 nicht missbräuchlich sei. Mit Urteil vom 25. April
2002 hiess der Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen die
Klage gut und stellte fest, dass der Nettomietzins von Fr. 770.-- mit Wirkung
ab 1. Mai 2001 nicht missbräuchlich sei. Gleich entschied der Appellationshof
des Kantons Bern mit Urteil vom 17. September 2002.

C.
Mit Berufung vom 23. Oktober 2002 beantragt der Beklagte dem Bundesgericht,
das Urteil des Appellationshofes aufzuheben, die Klage vollumfänglich
abzuweisen und die vorinstanzlichen Parteikosten neu zu verlegen.
Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass trotz fehlendem
Vorbehalt im Mietvertrag eine Anpassung an die orts- und quartierüblichen
Mietzinsen aus verschiedenen Gründen zulässig sei. Unter anderem wurde
ausgeführt, dass der vorliegende Fall deutliche Parallelen zur Entlassung
eines Mietobjektes aus der staatlichen Mietzinskontrolle aufweise, in welchem
Fall auch ohne früheren Mietzinsvorbehalt eine Mietzinserhöhung nach der
absoluten Methode zulässig sei.
Der Beklagte wendet dagegen ein, dass der hier zu beurteilende Fall mit dem
Spezialfall der Entlassung eines Mietobjektes aus der staatlichen
Mietzinskontrolle nicht vergleichbar sei. Im Unterschied zu behördlich
kontrollierten Mietzinsen, die ausserhalb der Missbrauchsgesetzgebung stünden
(Art. 253b Abs. 3 OR), liege hier kein Fall staatlicher kontrollierter
Mietzinse vor, weshalb die Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen
Mietzinsen anwendbar seien. Da der Mietvertrag von 23. September 1996 und die
Mietzinsanpassung vom 11. Dezember 1998 keinen Erhöhungsvorbehalt enthalten
hätten, sei der Mieter in seinem Vertrauen zu schützen, dass der Vermieter
einen ausreichenden Ertrag erziele. Eine Mietzinsanpassung nach der absoluten
Methode sei daher unzulässig.

2.
2.1 Die Rechtsprechung geht davon aus, dass bei subventionierten Wohnungen,
die aus der behördlichen Mietzinskontrolle entlassen werden, auch ohne
früheren Erhöhungsvorbehalt eine Mietzinsanpassung nach der absoluten
Berechnungsmethode zulässig ist (BGE 123 III 171 E. 6a 173; 117 II 77 E. 2 S.
80). Die Möglichkeit einer Erhöhung nach der absoluten Methode wird
einerseits damit begründet, dass sich die Bestimmungen zum Schutz vor
missbräuchlichen Mieten nicht auf subventionierte Wohnungen mit behördlicher
Mietzinskontrolle beziehe (Art. 253b Abs. 3 OR). Andrerseits begründe die
behördliche Mietzinsfestsetzung beim Mieter nicht das Vertrauen bezüglich der
genügenden Höhe des letzten von ihm bezahlten Mietzinses (BGE 123 III 171 E.
6a S. 173; Urteil 4C.153/1993, publ. in mp 94, S. 93 ff., E. 2).

2.2 Im Unterschied zu den soeben erwähnten Entscheiden bezieht sich die hier
zu beurteilende Mietzinserhöhung nicht auf eine Wohnung im Sinn von Art. 253b
Abs. 3 OR. Die Förderung der Bereitstellung durch die öffentliche Hand
besteht darin, dass das Gemeinwesen einem Dritten - dem Vermieter -
entgeltliche Leistungen für die Bereitstellung zukommen lässt und im Gegenzug
die Mietzinsgestaltung kontrolliert (vgl. die Beispiele in BGE 123 III 171
und 117 II 77). Wenn hingegen das fördernde Gemeinwesen wie im vorliegenden
Fall selbst Vermieter ist, liegt kein Anwendungsfall von Art. 253b Abs. 3 OR
vor (Peter Higi, Zürcher Kommentar, N. 83 zu Art. 253a-253b m.w.H.). In
diesem Fall kann die direkte Anwendung der absoluten Berechnungsmethode nach
dem Ende der Subventionierung somit nicht mit dem Argument begründet werden,
die behördlich kontrollierten Mietzinse stünden ausserhalb der
Missbrauchsgesetzgebung.

2.3 Nach der einleitend erwähnten Rechtsprechung wird die direkte
Anwendbarkeit der absoluten Methode aber nicht nur dadurch gerechtfertigt,
dass bei behördlich kontrollierten Mietzinsen der Anwendungsbereich der
Missbrauchsgesetzgebung gemäss Art. 253b Abs. 3 OR beschränkt ist, sondern
auch dadurch, dass die behördliche Mietzinsfestsetzung beim Mieter kein
Vertrauen bezüglich der genügenden Höhe des letzten von ihm bezahlten
Mietzinses erweckt. Dies gilt sowohl für den Fall, in welchem das Gemeinwesen
dem Vermieter entgeltliche Leistungen für die vergünstigte Bereitstellung von
Wohnungen zukommen lässt, als auch für den Fall, in welchem das Gemeinwesen
selbst direkt verbilligten Wohnraum zur Verfügung stellt. Im vorliegenden
Fall wurde dem Mieter im Mietvertrag klar und eindeutig zu Kenntnis gebracht,
dass er eine "subventionierte resp. sonstwie verbilligte Wohnung" miete, so
dass er sich nicht auf ein angebliches Vertrauen bezüglich der marktkonformen
Höhe des letzten von ihm bezahlten Mietzinses berufen kann. Im Gegenteil
musste ihm  klar sein, dass das Gemeinwesen aus sozialpolitischen Gründen
darauf verzichtete, den an sich zulässigen Mietzins auszuschöpfen. Hinzu
kommt, dass auch dem Gemeinwesen, das aus sozialpolitischen Gründen
verbilligten Wohnraum zur Verfügung stellt, nicht zumutbar ist, im Hinblick
auf einen möglichen künftigen Übergang von der Objektverbilligung zur
Subjekthilfe einen konkreten Erhöhungsvorbehalt zu formulieren. Im
Unterschied zu Wohnungen, die das Gemeinwesen wie Private zu kostendeckenden
Bedingungen vermietet, ist beim subventionierten Wohnungswesen die Bestimmung
der genauen Ertragslage nämlich oft gar nicht notwendig, weil der zulässige
Mietzins aus sozialpolitischen Gründen ohnehin nicht ausgeschöpft wird.

2.4 Die absolute Berechnungsmethode ist also nicht nur zulässig, wenn die
staatliche Mietzinskontrolle bezüglich Wohnungen, die von einem Dritten
vermietet werden, endet, sondern auch dann, wenn das Gemeinwesen selbst als
Vermieter auftritt und die ursprüngliche Objektverbilligung eliminiert und
durch eine Form von Subjekthilfe ersetzt (in diesem Sinn Urteil 4C.330/2002,
E. 3.3 betreffend Kanton Basel-Stadt). Diese Regelung gilt indessen nur dann,
wenn das Gemeinwesen effektiv subventionierten Wohnraum zur Verfügung
gestellt hat. Anders verhält es sich, wenn Fiskalliegenschaften vom
Gemeinwesen wie von Privaten zu kostendeckenden Bedingungen vermietet werden.
In diesem Fall kann sich der Bürger gegenüber dem vermietenden Gemeinwesen in
gleicher Art wie gegenüber dem privaten Vermieter auf den Vertrauensschutz
berufen (Urteil 4C.170/1993 vom 25. Januar 1994, publ. in mp 94 S. 85 ff. E.
3 betreffend Stadt Zürich).

3.
Aus diesen Gründen hat der Appellationshof die Anpassung an die orts- und
quartierüblichen Mietzinse, die im Quantitativ bereits im kantonalen
Verfahren nicht mehr umstritten waren, zu Recht geschützt. Die Berufung ist
daher abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beklagte kosten-
und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beklagten auferlegt.

3.
Der Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Kantons Bern, 1.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. März 2003

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: