Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.331/2002
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4C.331/2002/rnd

Urteil vom 3. Februar 2003

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Mazan.

Hotel X.________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Henri Zegg,
Postfach 731, 7002 Chur,

gegen

A.________,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Georg S.
Mattli, Promenade 60, 7270 Davos 2,

Mietzinsforderung,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, Zivilkammer,
vom 3. Juni 2002.

Sachverhalt:

A.
Mit Vertrag vom 21. Dezember 1989 vermietete die Y.________ AG der Hotel
X.________ AG (Beklagte) - per 1. Januar 1990 ein Wohnhaus in der Gemeinde
Klosters-Serneus, das von der Beklagten als Personalhaus für ihre
Angestellten genutzt wurde. Das Mietverhältnis wurde auf eine Dauer von fünf
Jahren mit der Möglichkeit der stillschweigenden Verlängerung um jeweils ein
Jahr abgeschlossen.
In der Folge wurde das Grundstück an B.________ verkauft. Durch die
Handänderung trat dieser als Vermieter in den Mietvertrag ein. Nach dessen
Tod am 13. August 1993 ging das Mietobjekt ins Gesamteigentum seiner Erben
A.________ (Ehefrau) sowie C.________ und D.________ (Töchter) über. Im
Erbteilungsvertrag vom 3. Dezember 1999 vereinbarten die Erbinnen, dass das
Grundstück mit dem Mietobjekt von A.________ (Klägerin) zu Alleineigentum
übernommen werde. Am 22. Dezember 1999 wurde die Beklagte als
Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Der Mietzins bezüglich des Mietobjektes betrug anfänglich Fr. 60'000.-- p.a.
Später wurde der Mietzins auf Fr. 71'000.-- p.a. zuzüglich Nebenkosten
angehoben. Bereits 1997 versuchte die Beklagte, eine einvernehmliche
Reduktion der Miete auf Fr. 48'000.-- p.a. zu erreichen. Die damaligen
Vermieterinnen - die Klägerin und ihre beiden Töchter - gingen darauf nicht
ein.
Mit Vereinbarung vom 6. Februar 1998 wurde das Mietverhältnis einvernehmlich
bis zum 31. Oktober 1998 befristet und die Weitergeltung des bisherigen
Mietzinses von jährlich Fr. 71'000.-- bzw. monatlich Fr. 5'916.-- vereinbart.
Im Anschluss an die vereinbarte Beendigung des Mietverhältnisses am 31.
Oktober 1998 wurde das Mietobjekt von der Beklagten weiterhin bis am 31. März
2000 genutzt. Für die Zeit vom 1. November 1998 bis am 30. April 1999
bezahlte die Beklagte einen Mietzins von monatlich Fr. 5'916.--, was einer
Jahresmiete von Fr. 71'000.-- entspricht. Für die Zeit vom 1. Mai 1999 bis am
31. März 2000 wurde demgegenüber nur noch ein Mietzins von monatlich Fr.
4'167.-- entrichtet, was einer Jahresmiete von Fr. 50'000.-- entspricht. Das
Mietverhältnis zwischen den Parteien endete definitiv am 31. März 2000.

B.
In der Folge verlangte die Klägerin von der Beklagten die aus ihrer Sicht
ausstehenden Mietzinse für die Zeit vom 1. Mai 1999 bis am 31. März 2000.
Nachdem anlässlich der Schlichtungsverhandlung vom 16. August 2000 keine
Einigung erzielt werden konnte, erhob die Klägerin beim Bezirksgericht
Oberlandquart Klage und beantragte im Wesentlichen, die Beklagten sei zu
verpflichten,        Fr. 19'239.-- nebst Zins zu bezahlen. Mit Urteil vom 22.
März 2001 hiess das Bezirksgericht Prättigau/Davos (vormals Oberlandquart)
die Klage gut und verpflichtete die Beklagte zur Bezahlung von Fr. 19'239.--
nebst Zins. Eine dagegen erhobene Berufung hiess die Zivilkammer des
Kantonsgerichtes von Graubünden mit Urteil vom 2. Juli 2001 teilweise gut und
wies die Sache zur Abklärung der Aktivlegitimation der Klägerin an die
Vorinstanz zurück. Nachdem die Beklagte am 11. Oktober 2001 die
Aktivlegitimation der Gegenpartei anerkannt hatte, fällte das Bezirksgericht
Prättigau/Davos am 13. Dezember 2001 das identische Urteil wie am 22. März
2001. Eine von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Berufung wurde vom
Kantonsgericht mit Urteil vom       3. Juni 2002 abgewiesen.

C.
Mit Berufung vom 18. Oktober 2002 beantragt die Beklagte dem Bundesgericht,
das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 3. Juni 2001 sei aufzuheben
und die Klage abzuweisen; eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben
und die Sache zur Erhebung der beantragten Beweismittel und zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung. Die Vorinstanz beantragt
die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
Mit Urteil vom heutigen Tag wurde eine gleichzeitig erhobene staatsrechtliche
Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Soweit die Beklagte geltend macht, die Vorinstanz habe insoweit Bundesrecht
verletzt, als sie das Vorliegen einer Erstreckungsvereinbarung für die Zeit
nach der Beendigung des Mietverhältnisses am 31. Oktober 1998 bis zum 15.
April 1999 verneint habe, ist auf die Berufung nicht einzutreten. In der
staatsrechtlichen Beschwerde wurde dargelegt, dass das Kantonsgericht ohne
Willkür den Nachweis einer Erstreckungsvereinbarung verneinen durfte. Soweit
die Beklagte auch in der Berufung das Vorliegen eines tatsächlichen Konsenses
in Bezug auf den Abschluss einer Erstreckungsvereinbarung geltend macht,
kritisiert sie die Beweiswürdigung der Vorinstanz, die - vorbehältlich hier
nicht vorliegender Ausnahmen - der bundesgerichtlichen Überprüfung im
Berufungsverfahren entzogen ist (BGE 121 III 118 E. 4b/aa S. 123).

2.
Damit stellt sich die Frage, wie das Vertragsverhältnis der Parteien nach dem
vereinbarten Ablauf des Mietverhältnisses am 31. Oktober 1998 für die Dauer
vom 1. November 1998 bis am 31. März 2000 zu qualifizieren ist, während
welcher Zeit das Mietobjekt von der Beklagten weiterhin benutzt wurde.

2.1 Wenn die Parteien das Mietverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Dauer
stillschweigend fortsetzen, so gilt es gemäss Art. 266 Abs. 2 OR als
unbefristetes Mietverhältnis. Diese gesetzliche Vermutung greift dann Platz,
wenn der Mieter nach dem Endtermin weiterhin und vom Vermieter unangefochten
die überlassene Sache gebraucht und dafür den gleichen Mietzins wie bis zum
Eintritt des Endtermines bezahlt, der vom Vermieter vorbehaltlos
entgegengenommen wird. Unter diesen Voraussetzungen ist nach dem
Vertrauensprinzip anzunehmen, es bestehe der übereinstimmende Wille der
Parteien, zu den gleichen Bedingungen wie bis anhin vertraglich gebunden zu
sein (Peter Higi, Zürcher Kommentar, Zürich 1995, N. 41 und 50 f. zu Art. 266
OR, m.w.H.).
2.2 Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz zutreffend festgehalten, dass
sämtliche Elemente für die gesetzliche Vermutung gemäss Art. 266 Abs. 2 OR
erfüllt seien. Im angefochtenen Urteil wird verbindlich festgehalten, dass
die Beklagte das Mietobjekt wie vorher genutzt und für die Zeit vom 1.
November 1998 bis am 15. April 1999 den bisherigen Mietzins weiter bezahlt
habe, der von den damaligen Vermieterinnen vorbehaltlos angenommen worden
sei. Grundsätzlich ist somit entsprechend der gesetzlichen Vermutung gemäss
Art. 266 Abs. 2 OR davon auszugehen, dass nach dem vereinbarten Ende der
Miete am 31. Oktober 1998 das Mietverhältnis ab 1. November 1998 auf
unbefristete Zeit fortgesetzt wurde. Zu Recht weist die Vorinstanz weiter
darauf hin, dass diese Vermutung auch dadurch gestützt werde, dass das
unbefristete Mietverhältnis von der Beklagten per 31. März 2000 gekündigt
worden sei, welches Vorgehen nicht erforderlich gewesen wäre, falls die von
der Beklagten vertretene These des Vorliegens eines faktischen
Mietverhältnisses für die Zeit zwischen dem    1. Mai 1999 und 31. März 2000
zutreffen sollte.

2.3 Unter diesen Umständen könnte die gesetzliche Vermutung nur dadurch
widerlegt werden, dass das Vorliegen einer gegenteiligen Vereinbarung
nachgewiesen würde (Higi, a.a.O., N. 49 zu Art. 266 OR). Die Beklagte stellt
sich zum Beweis des Gegenteils auf den Standpunkt, dass für die Zeit vom 1.
November 1998 bis am 15. April 1999 eine ausdrückliche
Erstreckungsvereinbarung abgeschlossen worden sei. Wie einleitend erwähnt hat
das Kantonsgericht diesbezüglich für das Bundesgericht verbindlich den
Abschluss einer Erstreckungsvereinbarung verworfen, so dass auf die
entsprechenden Ausführungen im vorliegenden Berufungsverfahren nicht
eingetreten werden kann (vgl. oben, E. 1).

2.4 Wenn aber mit der Vorinstanz davon auszugehen ist, dass im Anschluss an
das vereinbarte Ende der Miete am 31. Oktober 1998 das Mietverhältnis gemäss
Art. 266 Abs. 2 OR auf unbefristetet Zeit fortgesetzt wurde (E. 2.2) und dass
der Nachweis einer gegenteiligen Vereinbarung gescheitert ist (E. 2.3),
besteht gar kein Raum für die Annahme des von der Beklagten behaupteten
faktischen Vertragsverhältnisses. Vielmehr ist für die ganze Zeit vom 1.
November 1998 bis am 31. März 2000 von einer stillschweigenden Fortsetzung
des ursprünglichen Mietverhältnisses nach Art. 266 Abs. 2 OR auszugehen.
Damit muss aber auch nicht auf die Frage eingegangen werden, welches Entgelt
für den Gebrauch des Personalhauses für den Fall des Vorliegens eines
faktischen Vertragsverhältnisses geschuldet wäre. Insbesondere erübrigt es
sich, auf die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung von Art. 8
ZGB einzugehen.

3.
Die Berufung ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens wird die Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig
(Art. 156 Abs. 1 und 159 Abs. 2 OG).
Anträge:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit

Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Februar 2003

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: