Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.32/2002
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4C.32/2002/rnd

              I.  Z I V I L A B T E I L U N G
              *******************************

                       21. März 2002

Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
Präsident, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und Gerichts-
schreiber Dreifuss.

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                         In Sachen

A.________, Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Hannes Zehnder, Rathausweg 4,
8808 Pfäffikon,

                           gegen

X.________ AG, Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. Georges Knobel, Breitenstrasse 10,
8852 Altendorf,

                         betreffend
            Arbeitsvertrag; fristlose Kündigung,

hat sich ergeben:

     A.- A.________ (Klägerin) war Teilzeitangestellte der
X.________ AG (Beklagte) im Stundenlohn. Sie und drei weite-
re Mitarbeiterinnen der Beklagten gerieten am 24. Dezember
1998 mit dem damaligen Inhaber der Beklagten, B.________, in
eine heftige verbale Auseinandersetzung über die Frage, wann
Arbeitsschluss sei. Nachdem B.________ den Raum verlassen
hatte, setzten die Arbeitnehmerinnen ihre Arbeit während 15
bis 20 Minuten fort, um eine ihnen am Vortag zugewiesene
Aufgabe zu vollenden. Eine fristlose Entlassung wurde an je-
nem Tage nicht ausgesprochen.

        Als die Klägerin nach den Feiertagen nicht am Ar-
beitsplatz erschien, wurde sie von der Beklagten mit einge-
schriebenem Expressschreiben vom 28. Dezember 1998 aufgefor-
dert, die Arbeit unverzüglich wieder aufzunehmen; andern-
falls würde sofort die fristlose Kündigung ausgesprochen.
Der Eingangspassus dieses Schreibens lautet:

   "Am 24. Dezember 1998 haben Sie Ihren Arbeitsplatz
         um 09.53 Uhr verlassen, obwohl Ihre Arbeitszeit bis
         11.00 Uhr dauert. Den Auftrag (MMV) haben Sie erle-
         digt. In der Folge habe ich Ihnen eine andere Ar-
         beit zugewiesen. Diese Arbeit haben Sie nicht aus-
         geführt, sondern erklärt, dass Sie jetzt (mit 3
         übrigen Arbeitnehmerinnen) nach Hause gehen würden.
         Ich habe Ihnen unmissverständlich erklärt, (unter
         Zeugen), das (sic) ich das nicht akzeptiere. Trotz-
         dem sind Sie gegangen."

        Die Klägerin erhielt diesen Brief noch am selben
Tag und liess ihn umgehend, das heisst ebenfalls am 28. De-
zember 1998, durch ihre Rechtsschutzversicherung wie folgt
beantworten:

         "Gemäss Schilderung unserer Klientin haben Sie die-
         se am 24. Dezember 1998 vormittags von der Arbeit
         weggeschickt, nachdem Sie dieser wie auch anderen
         Ihrer Mitarbeiterinnen bereits während mehreren
         Wochen eine fristlose Kündigung in Aussicht ge-
         stellt hatten. Dabei haben Sie sich mit klaren Wor-
         ten ausgedrückt, welche hier nicht wiederholt wer-
         den müssen.

         Indem Sie heute Ihre ehemalige Mitarbeiterin
         schriftlich und per Eilsendung zur Wiederaufnahme
         der Arbeit anhalten, handeln Sie rechtsmissbräuch-
         lich und wir bitten Sie um eine konkrete Stellung-
         nahme.

         Wir können Ihr Vorgehen nicht akzeptieren und be-
         halten uns weitere rechtliche Schritte ausdrücklich
         vor."

        Am 29. Dezember 1998 erschien die Klägerin nicht
zur Arbeit, worauf die Beklagte sie androhungsgemäss noch am
selben Tag fristlos entliess.

     B.- Am 22. April 1999 belangte die Klägerin die Beklag-
te vor dem Einzelrichter des Bezirks Höfe. Sie verlangte,
die Beklagte sei zu verpflichten, ihr Fr. 5'895.40 Nettolohn
für die Monate Dezember 1998 bis Februar 1999 und weitere
Fr. 9'200.-- als Entschädigung, je nebst Zins, zu bezahlen.
Der Einzelrichter erwog, die Beklagte hätte aus dem Antwort-
schreiben der Klägerin vom 28. Dezember 1998 ersehen müssen,
dass sich diese irrtümlich als fristlos gekündigt betrachte-
te. Damit hätte sie deren Ausbleiben vom Arbeitsplatz nicht
als Arbeitsverweigerung werten dürfen. Die fristlose Kündi-
gung sei ungerechtfertigt erfolgt. Er verpflichtete die Be-
klagte mit Urteil vom 10. Oktober 2000, das er am 13. Okto-
ber 2000 berichtigte, der Klägerin Fr. 5'895.40 Nettolohn
sowie eine Entschädigung von Fr. 4'600.-- zu bezahlen.

        Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz hiess eine
dagegen erhobene Berufung der Beklagten teilweise gut und
wies die Anschlussberufung der Klägerin ab. Es entschied,
die Beklagte habe die Klägerin aus wichtigem Grund im Sinne
von Art. 337 OR fristlos entlassen dürfen. Demgemäss ver-
pflichtete es die Beklagte, der Klägerin Fr. 1'983.40 Net-
tolohn für den Monat Dezember nebst Zins zu bezahlen.

     C.- Die Klägerin beantragt dem Bundesgericht mit Beru-
fung, dieses Urteil aufzuheben und die Angelegenheit zur
neuen Beurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.

        Die Beklagte und das Kantonsgericht schliessen auf
Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Berufungsschrift enthält keinen materiellen An-
trag, wie er nach Art. 55 Abs. 1 lit. b OG erforderlich ist.
Der blosse Rückweisungsantrag genügt indessen, weil das Bun-
desgericht, sollte es die Rechtsauffassung der Klägerin für
begründet erachten, kein Sachurteil fällen kann, sondern die
Streitsache zur weiteren Abklärung des Sachverhalts an die
Vorinstanz zurückweisen muss (BGE 125 III 412 E. 1b S. 414).

     2.- a) Gemäss Art. 337 OR kann der Arbeitgeber wie der
Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen je-
derzeit fristlos auflösen (Abs. 1). Als wichtiger Grund gilt
namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kün-
digenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeits-
verhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Abs. 2).

Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet der
Richter nach seinem Ermessen (Abs. 3).

        Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht an
sich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur
ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Recht-
sprechung anerkannten Grundsätzen abgegangen ist, wenn sie
Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Ein-
zelfall keine Rolle spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt
Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet
werden müssen. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide
ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig, als in
stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 127 III 153 E. 1a
S. 155, 351 E. 4a S. 354; 123 III 274 E. 1a/cc, je mit Hin-
weisen).

        Nach der Rechtsprechung zu Art. 337 OR ist eine
fristlose Entlassung nur bei besonders schweren Verfehlungen
des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits
objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis we-
sentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so
tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fort-
setzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und ander-
seits auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder
Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben.
Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, so müssen sie
trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein. Ob die dem
Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung die erforderli-
che Schwere erreicht, lässt sich nicht allgemein sagen, son-
dern hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab
(BGE 127 III 310 E. 3, 351 E. 4a S. 353 f.; 117 II 560 E. 3b
S. 562; 116 II 145 E. 6a S. 150, je mit Hinweisen).

        b) Die Vorinstanz erachtete es als entscheidend,
dass die Beklagte der Klägerin im Expressschreiben vom
28. Dezember 1998 vorwarf, von ihrem Arbeitsplatz fernge-
blieben zu sein, und sie unter Androhung einer fristlosen
Kündigung aufforderte, die Arbeit unverzüglich wieder aufzu-
nehmen. Damit habe die Beklagte einen allfälligen Irrtum der
Klägerin hinsichtlich der Frage, ob ihr bereits am 24. De-
zember 1998 gekündigt worden war, beseitigt. Wenn die Kläge-
rin unter diesen Umständen am 29. Dezember 1998 dennoch der
Arbeit fernblieb, ohne ihre Abwesenheit begründet zu ent-
schuldigen, sei ihr Verhalten als bewusste Arbeitsverweige-
rung zu würdigen. Nachdem die Beklagte ihre Einschätzung der
Vorfälle vom 24. Dezember 1998 im genannten Schreiben kund-
getan und die Klägerin in ihrem Antwortschreiben dazu keine
Stellung bezogen habe, hätte diese nicht mit einer weiteren
Klarstellung seitens der Beklagten rechnen dürfen. Indem die
Klägerin trotz Androhung der fristlosen Entlassung der Ar-
beit ferngeblieben sei, habe sie einen Grund für die frist-
lose Entlassung gesetzt. Sie habe daher weder Anspruch auf
Lohnersatz nach Art. 337c Abs. 1 OR noch auf eine Entschädi-
gung nach Art. 337c Abs. 3 OR.

        c) Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe die
fristlose Kündigung zu Unrecht als gerechtfertigt betrach-
tet. Diese sei vielmehr unverhältnismässig und treuwidrig
gewesen. Wie auch die Vorinstanz erkannt habe, sei die Klä-
gerin, als sie am 28. Dezember 1998 die Arbeit nicht wieder
aufgenommen habe, im Ungewissen darüber gewesen, ob das Ar-
beitsverhältnis noch bestanden habe. Da im Schreiben der Be-
klagten vom 28. Dezember 1998 der Vorfall vom 24. Dezember
1998 mit keinem Wort erwähnt worden sei, habe die Klägerin
diesbezüglich eine Klarstellung erwarten dürfen, wie sie sie
mit der Bitte um konkrete Stellungnahme im Schreiben ihrer
Rechtsschutzversicherung auch verlangt habe.

        d) Dabei übersieht die Klägerin zunächst, dass die
Beklagte die Klägerin in ihrem Schreiben vom 28. Dezember
1998 nicht nur zur Wiederaufnahme der Arbeit unter Kündi-
gungsandrohung aufforderte, sondern auch ihre Sicht des am
24. Dezember 1998 Geschehenen ausführlich schilderte. Die
Vorinstanz schloss, dass die Beklagte damit einen allfälli-
gen Irrtum der Klägerin über den Fortbestand des Arbeitsver-
hältnisses beseitigt hatte. Darin liegt eine für das Bundes-
gericht verbindliche Feststellung über das Wissen der Kläge-
rin (Art. 63 Abs. 2 OG; BGE 111 II 72 E. 3a mit Hinweisen).

        Die Klägerin zeigt nicht auf, inwiefern der ange-
fochtene Entscheid auf dieser Grundlage bundesrechtswidrig
sein soll (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; 121 III 397 E. 2a; 116
II 745 E. 3 S. 748 f.). Ihre Behauptung, sie sei über sechs
Jahre lang klaglos für die Beklagte tätig gewesen, findet im
angefochtenen Urteil keine Stütze. Insoweit ist auf ihre Rü-
ge nicht einzutreten (Art. 55 Abs. 1 lit. c und Art. 63 Abs.
2 OG). Weshalb die Beklagte nicht zur sofortigen Auflösung
des Arbeitsverhältnisses nach Art. 337 OR berechtigt gewesen
sein soll, als die Klägerin am 29. Dezember 1998 trotz ange-
drohter fristloser Kündigung die Arbeit nicht wieder auf-
nahm, obwohl sie wusste, dass sie am 24. Dezember 1998 nicht
entlassen worden war, legt die Klägerin nicht dar und ist
nicht ersichtlich. Wenn ihr an der Fortsetzung des Arbeits-
verhältnisses gelegen war, ist umso weniger einfühlbar, dass
sie der Aufforderung vom 28. Dezember 1998, sich am nächsten
Tag am Arbeitsplatz einzufinden, keine Folge leistete. Ihr
Verhalten war geeignet, bei der Beklagten nach Treu und
Glauben die Meinung aufkommen zu lassen, sie - die Klägerin
- gedenke ihr erteilte Weisungen auch in Zukunft nicht ernst
zu nehmen. Im vorinstanzlichen Schluss, der Beklagten sei
die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumu-
ten und die fristlose Entlassung sei gerechtfertigt, ist ein
Verstoss gegen Art. 337 OR nicht auszumachen.

     4.- Die Berufung erweist sich als unbegründet und ist
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Da der Streitwert
Fr. 30'000.-- nicht erreicht, sind keine Gerichtskosten zu
erheben (Art. 343 Abs. 3 OR). Hingegen hat die unterliegende
Klägerin der Beklagten eine Parteientschädigung zu entrich-
ten (BGE 115 II 30 E. 5c S. 42).

            Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzu-
treten ist, und das Urteil der Zivilkammer des Kantonsge-
richts des Kantons Schwyz vom 6. November 2001 wird bestä-
tigt.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Die Klägerin hat die Beklagte für das bundesge-
richtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

     4.- Dieses Urteil wird den Parteien und der Zivilkammer
des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz schriftlich mitge-
teilt.

                       ______________

Lausanne, 21. März 2002

               Im Namen der I. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
         Der Präsident:      Der Gerichtsschreiber: