Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.326/2002
Zurück zum Index I. Zivilabteilung 2002
Retour à l'indice I. Zivilabteilung 2002


4C.326/2002 /rnd

Urteil vom 7. Februar 2003

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler,
Gerichtsschreiber Mazan.

A. ________,
B.________,
Kläger und Berufungskläger, beide vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Bühler,
Denkmalstrasse 2, Postfach 6453, 6000 Luzern 6,

gegen

X.________ AG,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc
Kaeslin, Eichwaldstrasse 7, 6005 Luzern.

Mietvertrag; Kündigung,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer als
Appellationsinstanz, vom 10. September 2002.

Sachverhalt:

A.
Am 9. März 1999 vermietete die X.________ AG (Beklagte) A.________ (Kläger 1)
Räumlichkeiten zum Betrieb eines Restaurants in der Liegenschaft Hotel
T.________. Der Mietvertrag wurde auch von B.________ (Kläger 2)
unterschrieben. Der Beginn der Miete wurde auf den 15. April 1999 bzw.
spätestens 1. Mai 1999 festgesetzt. Der Vertrag wurde auf eine Dauer von fünf
Jahren mit der Option auf weitere fünf Jahre abgeschlossen. Der Mietzins
betrug Fr. 10'900.-- pro Monat (inkl. Heiz- und Nebenkosten). Abgesehen davon
wurde ein zusätzlicher Umsatzmietzins ab einem Umsatz von Fr. 1'200'000.--
vereinbart.
In einer Zusatzvereinbarung vom 1. Juli 2000 hielten die Parteien u.a. fest,
dass der Mietzins mit Wirkung ab 1. Juni 2000 auf Fr. 8'400.-- zu senken sei
und der Mietzinsausstand per Ende Mai 2000 Fr. 45'400.-- betrage, wobei die
Vereinbarung davon abhängig gemacht wurde, dass diese Zahlungen sowie die
Bezahlung des Mietzinses ab 1. Juli 2000 pünktlich erfolgen würden.
Am 29. September 2000 reichten die beiden Kläger gegen die Beklagte bei der
Schlichtungsbehörde eine Klage auf rückwirkende Herabsetzung des Mietzinses
auf Fr. 5'500.-- pro Monat seit Mietbeginn ein.

B.
Am 15. Dezember 2000 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis wegen
Zahlungsverzugs auf den 31. Januar 2001. Diese Kündigung wurde von den
Klägern angefochten, worauf die Schlichtungsbehörde die Kündigung mit
Entscheid vom 28. März 2001 per 31. Januar 2001 als wirksam erklärte. Mit
Urteil vom 6. Februar 2002 stellte auch das Amtsgericht Luzern-Stadt fest,
dass die am 15. Dezember 2000 ausgesprochene Kündigung per 31. Januar 2001
wirksam sei. Auch das Obergericht des Kantons Luzern bestätigte mit Urteil
vom 10. September 2002 die Wirksamkeit der Kündigung.

C.
Mit Berufung vom 14. Oktober 2002 beantragen die Kläger dem Bundesgericht,
das Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern vom 10. September 2002
aufzuheben. Eventuell sei festzustellen, dass die Kündigung vom 15. Dezember
2000 unwirksam bzw. ungültig sei.
Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten
sei.

D.
Die gleichzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde wurde mit Urteil vom
heutigen Tag abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. b OG muss in der Berufung angegeben werden, welche
Punkte des Entscheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden.
Der Hauptantrag, das Urteil der Vorinstanz sei aufzuheben, entspricht diesen
Anforderungen insofern nicht, als erforderlich gewesen wäre anzugeben, wie
über die Klage zu entscheiden sei. Da aber dem Eventualantrag entnommen
werden kann, dass die Kläger die Feststellung verlangen, dass die Kündigung
für unwirksam bzw. ungültig zu erklären sei, kann auf die Berufung
eingetreten werden.

2.
Zunächst ist zu prüfen, ob der Kläger 2 Partei des Mietvertrages ist. Das
Obergericht hat dazu ausgeführt, dass im Mietvertrag vom 9. März 1999 beide
Kläger als Mieter bezeichnet worden seien. In der Folge hätten sie sich
verschiedentlich ausdrücklich als Mieter ausgegeben und in dieser Funktion
auch gemeinsam Rechte - Geltendmachung eines Herabsetzungsanspruchs,
Anfechtung der Kündigung, Antrag auf vorsorgliche Massnahmen, Einsprache
gegen eine Baubewilligung und Einreichung einer Strafklage - wahrgenommen.
Unter Berücksichtigung aller Umstände gebe es keinen Grund daran zu zweifeln,
dass sich neben dem Kläger 1 auch der Kläger 2 als Mieter verpflichtet habe.
Die Kläger halten diese Auslegung für falsch. Sie stellen sich auf den
Standpunkt, dass sich der Kläger 2 nicht als Mieter verpflichtet habe.
Vielmehr sei beabsichtigt gewesen, den Kläger 2 als Bürgen einzubeziehen,
wobei die formellen Voraussetzungen für eine Bürgschaft unbestreitbar nicht
erfüllt gewesen seien.

2.1 Der Inhalt eines Vertrages bestimmt sich in erster Linie durch subjektive
Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen
(Art. 18 Abs. 1 OR). Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung
unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die
Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie
sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen
verstanden werden durften und mussten. Während das Bundesgericht die
objektivierte Vertragsauslegung als Rechtsfrage prüfen kann, beruht die
subjektive Vertragsauslegung auf Beweiswürdigung, die vorbehältlich der
Ausnahmen von Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG der bundesgerichtlichen
Überprüfung im Berufungsverfahren entzogen ist (BGE 127 III 444 W. 1b S. 445,
121 III 118 E. 4b/aa S. 123).

2.2 Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz mit dem Hinweis auf den Wortlaut
der Vereinbarung und die später eingetretenen Umstände eine tatsächliche
Feststellung über den wirklichen Parteiwillen getroffen. Das nachträgliche
Verhalten der Parteien, das im angefochtenen Urteil erwähnt wird, lässt
erkennen, wie die Parteien den Vertrag seinerzeit tatsächlich gemeint haben
(BGE 107 II 417 E. 6 S. 418 m.w.H.; vgl. auch BGE 118 II 365). Das
Obergericht hat somit im Rahmen einer subjektiven Vertragsauslegung für das
Bundesgericht verbindlich festgehalten, dass sich die Beteiligten tatsächlich
einig darin gewesen seien, dass sich zusätzlich zum Kläger 1 auch der Kläger
2 als Mieter verpflichtet habe. Auf die Kritik an dieser subjektiven
Vertragsauslegung ist nicht einzutreten.
Als unzulässig erweist sich die Berufung auch insoweit, als die Kläger der
Vorinstanz eine Verletzung von Art. 8 ZGB vorwerfen, weil die von ihnen
angerufenen Zeugen nicht einvernommen worden seien. Wie bereits im
Beschwerdeverfahren festgehalten wurde (E. 3), hat das Obergericht aufgrund
einer antizipierten Beweiswürdigung auf die Einvernahme der Zeugen
verzichtet. Die Beweiswürdigung kann aber nur mit staatsrechtlicher
Beschwerde angefochten werden. Die Berufung steht nicht zur Verfügung (BGE
122 III 219 E. 3c S. 223 m.w.H.).
2.3 Wenn sich aber aufgrund der primär massgebenden subjektiven
Vertragsauslegung (Massgeblichkeit des übereinstimmenden wirklichen Willens
der Parteien) ergibt, dass beide Kläger in den Mietvertrag einbezogen worden
sind, muss nicht geprüft werden, welchen Inhalt dem Vertrag im Rahmen einer
objektivierten Vertragsauslegung (Ermittlung des Vertragsinhaltes mittels
Vertrauensprinzip) zukommen würde. Immerhin kann diesbezüglich festgehalten
werden, dass angesichts des klaren Wortlautes des Vertrages die Auffassung
der Kläger, durch den Vertrag, der als Mietvertrag betitelt und vom Kläger 2
auch als Mieter unterschrieben worden war, in Bezug auf den Kläger 2 effektiv
ein formungültiger Bürgschaftsvertrag abgeschlossen worden sei, reichlich
abwegig erscheint.

3.
Weiter machen die Kläger Willensmängel - absichtliche Täuschung und
Grundlagenirrtum - beim Abschluss des Mietvertrages geltend. Zur Begründung
führen sie aus, dass die Beklagte schon bei Vertragsabschluss den Verkauf des
Hotels, in welchem sich das Mietobjekt befinde, geplant habe und daher die
Einhaltung der zehnjährigen Vertragsdauer von Anfang an in Frage gestellt
gewesen sei. Im angefochtenen Entscheid wurde die Frage des Vorliegens eines
Willensmangels ausdrücklich offen gelassen, weil der Vertrag nach Auffassung
des Obergerichtes von den Klägern auf jeden Fall nachträglich genehmigt
worden sei.

3.1 Ein mit einem Willensmangel behafteter Vertrag kann von demjenigen, der
dem Willensmangel unterlegen ist, während eines Jahres seit Entdeckung des
Irrtums oder der Täuschung bzw. seit Beseitigung der Drohung angefochten
werden (Art. 31 OR). Dies führt zur Aufhebung des Vertrages ex tunc. Trotz
Vorliegens eines Willensmangels hat ein Vertrag jedoch dann Bestand, wenn er
vom Betroffenen nachträglich genehmigt worden ist. Eine Genehmigung
unterstellt das Gesetz, wenn der Vertrag nicht innerhalb der erwähnten
Jahresfrist angefochten wird (Art. 31 OR). Schon vor Ablauf dieser Frist kann
eine Genehmigung durch ausdrückliche oder konkludente Erklärung erfolgen
(Ingeborg Schwenzer, Basler Kommentar, 2. Auflage, Basel 1996, N. 17 zu Art.
31 OR; Bruno Schmidlin, Berner Kommentar, Bern 1995, N. 115 zu Art. 31 OR).
Eine konkludente Genehmigung wurde von der Rechtsprechung bejaht, wenn sich
der Käufer auf die kaufrechtliche Sachgewährleistung beruft und damit zum
Ausdruck bringt, dass er den Vertrag gelten lassen - mithin genehmigen - will
(BGE 127 III 83 E. 1b S. 85 f.). Analog wurde für den Mietvertrag
entschieden, dass der Mieter, der eine Klage auf Mietzinsherabsetzung erhebt,
damit konkludent zum Ausdruck bringt, den Vertrag gelten zu lassen (Urteil
4C.43/2001 vom 20. Juni 2001, publ. in SJ 2002 I, S. 31 f.).
Im vorliegenden Fall haben die Kläger am 29. September 2000 bei der
zuständigen Schlichtungsbehörde eine Klage auf Mietzinsherabsetzung
eingereicht. Nach der erwähnten Rechtsprechung ist diese Klage grundsätzlich
als konkludente Genehmigung zu verstehen. Zu diesem Schluss ist das
Bundesgericht bereits im Urteil vom 14. Dezember 2001 - damals mit
beschränkter Kognition - gekommen (5P.360/2001, E. 4a). Im vorliegenden
Berufungsverfahren - heute mit freier Kognition - ergibt sich nichts anderes.
Insbesondere verfängt das Argument der Kläger nicht, bei der Eingabe vom 29.
September 2000 habe es sich nicht um eine Herabsetzungsklage gehandelt, weil
eine Mietzinsherabsetzung nur für die Zukunft verlangt werden könne, damals
aber eine Mietzinsreduktion rückwirkend auf Vertragsbeginn beantragt worden
sei. Entscheidend ist, dass die Kläger mit ihrer Klage auf jeden Fall
konkludent zum Ausdruck gebracht haben, dass sie am Mietvertrag auch künftig
festhalten wollen.

3.2 Eine konkludente Genehmigung des Vertrages, wie sie angesichts der von
den Klägern erhobenen Herabsetzungsklage in Frage kommen könnte, setzt weiter
voraus, dass der Genehmigende in sicherer Kenntnis des Willensmangels
gehandelt hat. Bloss unbestimmte, nicht näher belegte Zweifel genügen nicht.
Insbesondere bei einer Täuschung ist die sichere Erkenntnis erforderlich,
dass der Mangel durch falsche Vorspiegelung von Tatsachen verursacht worden
ist. Angesichts der Tragweite des Rechtsverzichts, der in einer Genehmigung
liegt, kann namentlich bei einer absichtlichen Täuschung nicht leichthin auf
vorbehaltsloses Einverständnis geschlossen werden (108 II 102 E. 2a S. 105 f.
m.w.H., vgl. auch BGE 109 II 319 E. 4c S. 327).
Wie sich in der staatsrechtlichen Beschwerde ergeben hat, hat die Vorinstanz
ohne Willkür festgehalten, dass die Kläger bereits im Zeitpunkt der
Herabsetzungsklage am 29. September 2000 sichere Kenntnis von der Täuschung
hatten (E. 2). Wenn aber die Herabsetzungsklage vor dem Hintergrund des
verbindlich festgestellten Kenntnisstandes als konkludente Genehmigung des
Vertrages interpretiert werden kann, können sich die Kläger nicht mehr auf
eine absichtliche Täuschung berufen. Aus den gleichen Gründen verfängt auch
der Hinweis auf einen Grundlagenirrtum nicht. Wenn die für eine konkludente
Genehmigung erforderliche Kenntnis bereits aufgrund der klägerischen
Begründung der Herabsetzungsklage vom 29. September 2000 erstellt ist, muss
nicht weiter auf die Frage eingegangen werden, wer die entsprechende Kenntnis
nachzuweisen hat. Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Kläger unter solidarischer
Haftbarkeit kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159
Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.-- wird den Klägern unter solidarischer
Haftbarkeit auferlegt.

3.
Die Kläger haben die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren unter
solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern,
I. Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Februar 2003

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: