Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.320/2002
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4C.320/2002 /rnd

Urteil vom 3. Februar 2003

I. Zivilabteilung

Bundesrichterinnen und Bundesrichter Corboz, Präsident,
Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiberin Schoder.

X. ________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Josef Ulrich,
Industriestrasse 7, 6005 Luzern,

gegen

A.________,
Kläger und Berufungsbeklagten.

Werkvertrag; Haftung aus culpa in contrahendo; Passivlegitimation,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Zivilrechtliche
Abteilung, vom 3. September 2002.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ AG (nachfolgend: die Beklagte) schloss mit der Versicherung
Y.________ am 15. Juni 1998 einen Vertrag, worin sich die Beklagte zur
Erstellung eines als "Help Point" bezeichneten, nach einem Modularsystem
konzipierten mobilen Pavillons verpflichtete. Gemäss ihrer Darstellung
beauftragte die Beklagte die zur X.________-Gruppe gehörende Z.________ AG
mit der Erstellung des Pavillons. Diese soll A.________ (nachfolgend: der
Kläger) für die Ausarbeitung der Detailpläne und der Konstruktionszeichnungen
beigezogen haben. Nach der Darstellung des Klägers will dieser demgegenüber
nicht von der Z.________ AG , sondern unmittelbar von der Beklagten am 15.
Juni 1998 mit den genannten Arbeiten beauftragt worden sein. Am 31. Juli 1998
teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Zusammenarbeit beendet sei. Der
Kläger stellte seinen Aufwand für den Monat Juni am 2. Juli 1998 mit Fr.
15'506.--, denjenigen für den Monat Juli am 6. August 1998 mit Fr. 20'277.60
und Fr. 18'403.20 in Rechnung.

B.
Im November 1998 beantragte der Kläger beim Kantonsgericht des Kantons Zug,
die Beklagte sei zu verurteilen, ihm Fr. 5'506.-- inkl. Zahlungsbefehlskosten
sowie Fr. 20'277.60 und Fr. 18'403.20 inkl. Zahlungsbefehlskosten zu
bezahlen, und es sei der Rechtsvorschlag in den Betreibungen Nr. 22648 und
Nr. 23039 aufzuheben. Mit Urteil vom 5. Juli 2001 verpflichtete das
Kantonsgericht die Beklagte, dem Kläger Fr. 24'748.-- zu bezahlen. Dagegen
legte die Beklagte Berufung ein, welche das Obergericht des Kantons Zug mit
Urteil vom 3. September 2002 abwies.

C.
Die Beklagte ficht das Urteil des Obergerichts mit Berufung beim
Bundesgericht an. Sie beantragt, es sei das Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen. Eventualiter sei das Urteil aufzuheben und die Streitsache an das
Obergericht zur neuen Beurteilung zurückzuweisen. Der Kläger schliesst auf
Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Vorinstanz geht davon aus, dass die Parteien einen Werkvertrag im
Sinne von Art. 363 OR abschliessen wollten. Darin sollte sich der Kläger zur
Erstellung von Konstruktionszeichnungen und Detailplänen gegen eine von der
Beklagten zu entrichtende Vergütung verpflichten. Die Qualifizierung dieses
Austauschverhältnisses als Werkvertrag wird nicht angefochten und ist nicht
zu beanstanden (vgl. BGE 127 III 519 E. 2b S. 523; 127 III 328 E. 2a S. 329;
119 II 426 E. 2b S. 428, 40 E. 2d S. 45f.). Es kann somit ausgeschlossen
werden, dass die Parteien einen anderen auf Arbeitsleistung gerichteten
Vertrag abschliessen wollten.

1.2 Weiter führt die Vorinstanz aus, dass sich die Parteien nur über die
Entgeltlichkeit, nicht aber über die Höhe der Vergütung für die
Werkleistungen geeinigt hätten. Da die Höhe der Vergütung für beide Parteien
ein subjektiv wesentlicher Vertragsbestandteil gewesen sei, sei zwischen den
Parteien kein Vertrag zustande gekommen. Zwischen dem Kläger und der
Beklagten habe aber ein Vertragsverhandlungsverhältnis bestanden, woraus sich
vorvertragliche Pflichten ergeben würden.

2.
2.1 Die Beklagte bestreitet zunächst die Passivlegitimation. Die Vorinstanz
sei fälschlicherweise davon ausgegangen, es sei dem Kläger gelungen, die
Passivlegitimation der Beklagten in der vorliegenden Streitsache zu beweisen.
Die Vorinstanz habe damit Art. 8 ZGB verletzt.

2.2 Im vorliegenden Fall liegt kein Problem der Beweislastverteilung nach
Art. 8 ZGB vor, da die Vorinstanz den Vertragsabschlusswillen der Beklagten
unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensprinzips prüft. Die Vorinstanz verweist
im Wesentlichen auf die Erwägungen des Kantonsgerichts. Dieses stellte fest,
dass für den tatsächlichen Vertragsabschlusswillen der Beklagten kein Beweis
vorliegt, dass die Äusserungen der Beklagten aber objektiv als Ausdruck eines
entsprechenden Willens verstanden werden durften. Soweit die Beklagte Rügen
vorbringt, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen und gegen die
Beweiswürdigung der Vorinstanzen richten, ist sie nicht zu hören. Das
Bundesgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen
Sachgerichts gebunden (Art. 43 Abs. 3, 55 Abs. 1 lit. c, 63 Abs. 2 OG). Für
eine blosse Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz ist die Berufung
ausgeschlossen (BGE 126 III 388 E. 8 S. 389).

2.3 Weiter zeigt die Beklagte nicht rechtsgenüglich auf, und es ist auch
nicht ersichtlich, dass die Vorinstanz das Verhalten der Beklagten unter dem
Gesichtspunkt von Treu und Glauben falsch auslegt. Die Vorinstanz verweist
auf eine von der Beklagten verfasste Besprechungsnotiz vom 23. Juni 1998,
woraus sich ergibt, dass der Kläger der Beklagten eine Auftragsbestätigung
einreichen und monatlich an die Beklagte fakturieren sollte und dass die
Beklagte die Rechnungen bezahlen würde. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die
Vorinstanz daraus schliesst, dass der Kläger aufgrund dieser Äusserungen nach
Treu und Glauben vom Vorliegen eines Vertragsabschlusswillens der Beklagten
ausgehen durfte.

2.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Rüge der Beklagten in Bezug
auf die Passivlegitimation unbegründet und die Berufung insoweit abzuweisen
ist.

3.
3.1 Weiter bestreitet die Beklagte die Haftung aus culpa in contrahendo. Sie
habe während den Vertragsverhandlungen stets zu erkennen gegeben, nicht
bereit zu sein, dem Kläger eine Vergütung nach Aufwand zu bezahlen. Ein
nachträglicher Ausgleich für bereits erbrachte Leistungen des Klägers könne
deshalb höchstens nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten erfolgen. Die
Vorinstanz vertritt demgegenüber die Auffassung, der Kläger habe zumindest
bis zum 17. Juni 1998 mit einer Einigung auf eine mehr als Fr. 15'000.--
betragende Vergütung rechnen dürfen. Die Beklagte habe den Kläger die
Werkarbeiten am 15. Juni 1998 aufnehmen lassen und erst am 31. Juli 1998 die
Vertragsverhandlungen endgültig abgebrochen. Die Beklagte hätte den Kläger
darüber informieren müssen, wenn für sie eine Einigung auf eine Vergütung,
die höher als Fr. 15'000.-- ist, nicht in Frage kam. Da sie ihre Pflicht zur
Aufklärung nicht erfüllte, sei sie dem Kläger schadenersatzpflichtig.

3.2 Die Haftung aus culpa in contrahendo beruht auf der Überlegung, dass sich
potentielle Vertragspartner während den Vertragsverhandlungen nach Treu und
Glauben zu verhalten haben (BGE 125 III 86 E. 3c S. 89; 120 II 331 E. 5a
S. 336). Die Verhandlungspartner sollen gegenseitig auf die Richtigkeit, die
Ernsthaftigkeit und die Vollständigkeit ihrer Erklärungen vertrauen dürfen
(BGE 120 II 331 E. 5a S. 336). Sie schulden einander nach Massgabe von Treu
und Glauben Schutz und Aufklärung (BGE 120 II 331 E. 5a S. 336). Wie weit
diese Schutz- und Aufklärungspflichten reichen, entscheidet sich nicht
allgemein, sondern hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab (BGE 120
II 331   E. 5a S. 336; 105 II 75 E. 2b S. 80).
Das Vertragsverhandlungsverhältnis verpflichtet die Parteien nicht dazu,
einen Vertrag abzuschliessen. Nicht treuwidrig handelt deshalb jene Partei,
die sich dazu entschliesst, die Vertragsverhandlungen abzubrechen. Sie hat
darüber grundsätzlich auch nicht Rechenschaft zu geben (BGE 105 II 75 E. 2b
S. 80). Eine Haftung aus culpa in contrahendo kommt in einem solchen Fall
selbst dann nicht zum Zug, wenn die Parteien vorgängig zeitaufwendige
Verhandlungen unterhielten oder Investitionen im Vertrauen in den
Vertragsabschluss tätigten. Grundsätzlich hat jede Partei das Risiko für
vergeblich aufgebrachte Zeit und nutzlosen Aufwand selbst zu tragen (SJ 2002
I 164ff., S. 168, 4C.152/2001). Ein Verstoss gegen Treu und Glauben kann aber
darin liegen, dass eine Partei den Verhandlungspartner über ihren fehlenden
Vertragsabschlusswillen nicht aufklärt und den Partner im falschen Glauben
lässt, dass es zu einem Vertragsabschluss kommen werde (SJ 2002 I 164ff., S.
168, 4C.152/2001). Die Verletzung der Aufklärungspflicht kann
Schadenersatzansprüche auslösen (BGE 120 II 331 E. 5a S. 336).

3.3 Nach dem Gesagten haftet die Beklagte nicht allein deshalb, weil der
Kläger bereits vor Vertragsabschluss mit der Ausarbeitung der Pläne und
Zeichnungen begann. Von Bedeutung ist aber, dass nach den Feststellungen der
Vorinstanz die Vergütungshöhe Thema diverser Besprechungen zwischen den
Parteien war. In einem Besprechungsbericht vom 10. Juli 1998 bezifferte die
Beklagte die Vergütung des Klägers für den Monat Juni 1998 mit Fr. 15'000.--
und diejenige für den Monat Juli 1998 mit 25'000.--, was einen Gesamtbetrag
von Fr. 40'000.-- ausmacht. An der genannten Besprechung sahen die Parteien
überdies vor, das weitere Vorgehen am 17. Juli 1998 zu besprechen. Soweit die
Beklagte diese Feststellungen der Vorinstanz rügt, ist sie nicht zu hören
(Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

Das Verhalten der Beklagten war geeignet, beim Kläger das begründete
Vertrauen in die Ernsthaftigkeit der Verhandlungen und in das Zustandekommen
einer Einigung über eine Fr. 15'000.-- übersteigende Vergütung zu erwecken.
Der Einwand der Beklagten, der Kläger sei geschäftserfahren und hätte das
Erbringen der Werkleistungen von sich aus ablehnen müssen, geht fehl, da der
Kläger um die mangelnde innere Bereitschaft der Beklagten zur Einigung über
die Vergütungshöhe nicht gewusst haben konnte. Die Beklagte hätte den Kläger
vielmehr informieren müssen, sobald für sie feststand, nicht mehr als

Fr. 15'000.-- bezahlen zu wollen. Indem sie dies unterliess und die
Vertragsverhandlungen erst am 31. Juli 1998 abbrach, enttäuschte sie das
Vertrauen des Klägers in die Ernsthaftigkeit und Richtigkeit ihrer vorherigen
Erklärungen. Unerheblich ist, ob die Beklagte in doloser Absicht oder
fahrlässig handelte (BGE 105 II 75 E. 2a S. 80). Da die Beklagte wusste, dass
der Kläger die Werkarbeiten bereits aufgenommen hatte, hätte sie diesen so
frühzeitig wie möglich informieren müssen. Die Verletzung der
Aufklärungspflicht wiegt umso schwerer, als der Kläger in Anbetracht des
engen Zeitrahmens zur Realisierung des Projekts "Help Point" im Interesse der
Beklagten tätig geworden war.

3.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beklagte dem Kläger aus culpa
in contrahendo für den Schaden haftet, der ihm daraus entstand, dass er im
Vertrauen auf ihre Erklärungen die Werkarbeiten aufnahm und während den
Verhandlungen fortsetzte.

4.
4.1 Ferner rügt die Beklagte die Schadensberechnung. Die Vorinstanz habe den
Kläger so gestellt, wie wenn ein Vertrag zustande gekommen wäre. Damit habe
sie den Schaden fälschlicherweise nach dem positiven Vertragsinteresse
berechnet.

4.2 Bei der Haftung aus culpa in contrahendo ist das negative
Vertragsinteresse zu ersetzen. Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz des
Schadens, der ihm aus dem von der Beklagten erweckten Vertrauen auf das
Zustandekommen des Vertrages erwachsen ist (BGE 105 II 75 E. 3 S. 81). In
welchem Umfang der Kläger dadurch, dass er sich auf die nachträglich
gescheiterten Verhandlungen einliess, geschädigt wurde, ist eine Tatfrage,
die im Berufungsverfahren grundsätzlich nicht überprüft werden kann (Art. 63
Abs. 2 OG; BGE 123 III 241 E. 3a S. 243, mit weiteren Hinweisen).

4.3 Die Vorinstanz geht zutreffend davon aus, dass der Kläger so zu stellen
ist, wie wenn keine Vertragsverhandlungen stattgefunden hätten. Massgebend
ist die Zeit bis zum 17. Juli 1998, da der Kläger gemäss den Feststellungen
der Vorinstanz nach diesem Zeitpunkt nicht mehr mit einer Einigung rechnen
durfte. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Beklagte dem Kläger für dessen
vergebliche Aufwendungen für das Projekt "Help Point" ersatzpflichtig.

Die Vorinstanz stellte fest, dass die Beklagte den Schadensumfang des Klägers
in der Höhe von Fr. 33'000.-- anerkannt hat. Die dagegen erhobenen Rügen sind
im Verfahren der Berufung unzulässig.

5.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Berufung abzuweisen ist, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beklagte
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit
Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Februar 2003

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: