Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.308/2002
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4C.308/2002 /rnd

Urteil vom 6. Dezember 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident,
Klett, Nyffeler,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Carl Ulrich Mayer,
Peter Merian-Strasse 43, Postfach 366, 4003 Basel,

gegen

X.________ GmbH,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Fürsprecher Peter Widmer,
Konsumstrasse 16A, 3007 Bern.

Beratungs- und Anlagevertrag; Gerichtsstand; LugÜ,

Berufung gegen den Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 12.
Juli 2002.

Sachverhalt:

A.
A. ________ (Kläger) hat Wohnsitz in Y.________. Am 17. Mai 2001 gelangte er
an das Handelsgericht des Kantons Zürich mit dem Begehren, die X.________
GmbH mit Sitz in Deutschland (Beklagte) sei zu verurteilen, ihm den Betrag
von USD 400'000.-- nebst Zins zu 5% ab dem 15. Februar 2001 zu bezahlen. Die
Beklagte erhob die Einrede der Unzuständigkeit und das Handelsgericht
beschränkte das Verfahren auf die Frage der Zuständigkeit. Das Landgericht in
Deutschland sistierte am 10. Oktober 2001 das bei ihm hängige Verfahren
zwischen denselben Parteien bis zum Entscheid des Handelsgerichts des Kantons
Zürich über die Zulässigkeit der hier eingereichten Klage.

B.
Mit Beschluss vom 12. Juli 2002 merkte das Handelsgericht des Kantons Zürich
vor, dass die Beklagte ihren Sistierungsantrag vom 10. Oktober 2001
zurückgezogen hatte (Dispositiv-Ziffer 1) und trat auf die Klage nicht ein
(Dispositiv-Ziffer 2). Das Gericht kam zum Schluss, dass der Erfüllungsort
für die Klage auf Schadenersatz wegen Verletzung auftragsrechtlicher
Pflichten im Rahmen des Beratungs- und Anlagevertrags der Parteien ebenso wie
der Erfüllungsort für die Lieferung der Aktien in Deutschland liege.

C.
Mit Berufung vom 16. September 2002 stellt der Kläger das Rechtsbegehren, der
Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Juli 2002 sei
aufzuheben und es sei festzustellen, dass das Handelsgericht des Kantons
Zürich zur Behandlung der Streitsache zuständig sei, die Streitsache sei
dementsprechend vom Bundesgericht zur materiellen Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Die Beklagte schliesst in der Antwort auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach Art. 5 Ziffer 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit
und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen vom 16. September 1988 (LugÜ; SR 0.275.11) kann eine Person mit
Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates in einem andern Vertragsstaat
verklagt werden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung
erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus
einem Vertrag Gegenstand des Verfahrens bilden. Ob ein vertraglicher Anspruch
eingeklagt wird, ist nach den Staatsvertragsnormen selbst, das heisst
vertragsautonom zu beurteilen (BGE 122 III 43 E. 3b S. 45). Der vertragliche
Anspruch ist weder eine beliebige Vertragspflicht noch die charakteristische
Verpflichtung, sondern diejenige, welche der Klage zugrunde liegt (BGE 122
III 298 E. 3a   S. 299 f.). Dagegen bestimmt sich der Erfüllungsort für den
eingeklagten Anspruch nicht autonom. Dieser richtet sich vielmehr nach dem
auf die vertragliche Verpflichtung anwendbaren Recht, das sich seinerseits
aus dem Kollisionsrecht der lex fori ergibt (BGE 124 III 188 E. 4a S. 189).
Nach dem auf die vertragliche Verpflichtung anwendbaren Recht der lex causae
beurteilt sich auch, ob die Vereinbarung eines Erfüllungsortes zulässig ist.
Immerhin wirkt eine privatautonome Vereinbarung eines Erfüllungsortes nur
dann - ohne Einhaltung der Formvorschriften des Art. 17 LugÜ -
zuständigkeitsbegründend, wenn sie einen tatsächlichen Leistungsort bestimmt
(BGE 122 III 249 E. 3b/aa S. 251; vgl. auch Gerhard Walter, Internationales
Zivilprozessrecht der Schweiz, 3. Aufl. Bern 2002, S. 190; Kropholler,
Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., N 28 und 29 zu Art. 5;
Gaudemet-Tallon, Les Conventions de Bruxelles et de Lugano, 2. Aufl. Paris
1996, N 171; Lucien William Valloni, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes
nach Lugano- und Brüsseler-Übereinkommen, Diss. Zürich 1997, S. 274).

2.
Der Kläger bringt vor, es seien tatsächliche Erfüllungshandlungen in der
Schweiz, das heisst in Zürich, wenn auch mangelhaft erfolgt und damit hätten
die Parteien eine Vereinbarung über den Erfüllungsort getroffen. Er vertritt
die Ansicht, die Vorinstanz habe Art. 5 Ziffer 1 LugÜ verletzt, indem sie
diese Sachverhalte bei der Entscheidfindung unberücksichtigt gelassen habe.

2.1 Das Bundesgericht hat seiner Entscheidung im Berufungsverfahren die
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als wahr und vollständig zugrunde
zu legen, es sei denn, sie beruhten auf einem offensichtlichen Versehen,
seien unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen
oder bedürften der Ergänzung, weil das Sachgericht in fehlerhafter
Rechtsanwendung einen gesetzlichen Tatbestand nicht oder nicht hinreichend
klärte, obgleich ihm entscheidwesentliche Behauptungen und Beweisanerbieten
dazu prozesskonform unterbreitet worden waren (Art. 63 und 64 OG; BGE 125 III
193 E. 1e S. 205; 368 E. 3 S. 372; 123 III 110 E. 2; 115 II 484 E. 2a). Eine
blosse Kritik an der Beweiswürdigung des Sachrichters ist, soweit nicht
Vorschriften des Bundesrechts in Frage stehen, von der Berufung
ausgeschlossen (BGE 127 III 73 E. 6a S. 81; 126 III 10 E. 2b S. 12; 120 II 97
E. 2b S. 99).

2.2 Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Kläger
behauptete Vereinbarung über den angeblichen Erfüllungsort allein für die
Zuständigkeit nach Art. 5 Ziff. 1 LugÜ erheblich ist, und hat daher darüber
Beweis erhoben (BGE 122 III 249 E. 3b/bb und 3b/cc). Sie hat in Würdigung der
Behauptungen des Klägers und der Beweise geschlossen, es sei kein
Erfüllungsort vereinbart worden, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die
Lieferung von Aktien durch die Beklagte eine hauptsächliche Vertragspflicht
darstelle. Soweit sich die Ausführungen des Klägers gegen diese
Beweiswürdigung richten, sind sie nicht zu hören. Der Berufungsschrift ist
nicht zu entnehmen, inwiefern der angefochtene Entscheid an Mängeln im Sinne
von Art. 63 Abs. 2 OG leiden sollte. Dies gilt auch, soweit sich der Kläger
auf seine Klagebegründung an die Vorinstanz beruft und behauptet er habe
vorgetragen, dass sich die Beklagte zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus
dem behaupteten Anlagevertrag einer zürcherischen Gesellschaft bedient habe,
wobei alle Gespräche in Zürich stattgefunden hätten, weshalb die Beklagte
sämtliche ihr nach dem Anlagevertrag obliegenden Beratungsleistungen in
Zürich bzw. in der Schweiz vorgenommen habe. Im Übrigen sind der
Klagebegründung vom 9. Juli 2001 die vom Kläger behaupteten Sachvorbringen zu
angeblichen Erfüllungshandlungen der Beklagten in Zürich nicht zu entnehmen.
Damit ist auf die Berufung insoweit nicht einzutreten, als darin die
Vereinbarung eines Erfüllungsortes behauptet wird.

3.
Der Kläger rügt zudem, das Handelsgericht nehme rechtsfehlerhaft an, das
anwendbare deutsche Recht lege den Erfüllungsort in Deutschland fest.

3.1 Die Vorinstanz hat das anwendbare Recht für die eingeklagte
Schadenersatzforderung wegen der Verletzung angeblicher Vertragspflichten der
Beklagten zu Beratung und abredegemässer Investition des Geldes zutreffend
nach dem schweizerischen Kollisionsrecht bestimmt. Sie hat dargelegt, dass
nach Art. 117 IPRG (Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom 18.
Dezember 1987; SR 291) der behauptete Anlagevertrag mangels einer Rechtswahl
dem Recht des Staates untersteht, mit dem er am engsten zusammenhängt, wobei
dieser Zusammenhang mit dem Staat besteht, in dem jene Partei gewöhnlichen
Aufenthalt hat, welche die charakteristische Leistung erbringen soll. Als
charakteristische Leistung im Sinne von Art. 117 Abs. 3 lit. c IPRG hat die
Vorinstanz die Dienstleistung der Beklagten qualifiziert, was der Kläger zu
Recht nicht in Frage stellt, nachdem diese Vertragspflicht der vorliegenden
Klage zugrunde liegt. Da die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat, hat die
Vorinstanz zutreffend nach deutschem Recht beurteilt, wo die eingeklagte
Verpflichtung zu erfüllen ist.

3.2 Die Anwendung ausländischen Rechtes ist im Berufungsverfahren nicht zu
überprüfen, wenn vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeiten zur
Beurteilung stehen (Art. 43a Abs. 2 OG e contrario; vgl. BGE 126 III 492 E.
3a mit Hinweis). Die Anwendung deutschen Rechts ist daher der Beurteilung des
Bundesgerichts im vorliegenden Verfahren entzogen. Damit ist auf die Berufung
auch insoweit nicht einzutreten, als der Kläger rügt, der Erfüllungsort für
die hier eingeklagte Vertragsleistung sei nach deutschem Recht unrichtig
bestimmt worden.

4.
Die Vorinstanz hat aufgrund ihrer für das Bundesgericht verbindlichen
Feststellungen die Vereinbarung eines vertraglichen Erfüllungsortes verneint
und sie hat nach dem massgebenden schweizerischen Kollisionsrecht zutreffend
deutsches Recht angewandt, um die Zuständigkeit nach dem Erfüllungsort für
den eingeklagten Anspruch zu beurteilen. Die Vorinstanz hat Art. 5 Ziff. 1
LugÜ nicht verletzt. Die Berufung ist abzuweisen, soweit darauf überhaupt
eingetreten werden kann. Diesem Verfahrensausgang entsprechend ist die
Gerichtsgebühr dem Kläger aufzuerlegen und dieser ist zu verpflichten, der
anwaltlich vertretenen Beklagten eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art.
156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Juli 2002 wird bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird dem Kläger auferlegt.

3.
Der Kläger hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit
Fr. 9'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Dezember 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: