Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.231/2002
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4C.231/2002 /rnd

Urteil vom 11. September 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident,
Klett, Ersatzrichter Geiser,
Gerichtsschreiber Widmer.

A. ________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Advokat Guido Ehrler, Rebgasse 1,
Postfach 321, 4005 Basel,

gegen

X.________ AG,
Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Advokat Dr. Anton Lauber,
Faissgärtli 17, Postfach 641, 4144 Arlesheim.

Arbeitsvertrag; fristlose Entlassung,

Berufung gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt,
Ausschuss, vom 20. März 2002.

Sachverhalt:

A.
A. ________ (Kläger, Arbeitnehmer) war bei der X.________ AG (Beklagte,
Arbeitgeberin) als Bauarbeiter angestellt. Er erlitt am 21. April 1997 ein
Knietrauma. In der Folge wurde er von der SUVA bis zum 19. April 1998 zu 100%
arbeitsunfähig geschrieben. Vom 20. April bis zum 2. Juni 1998 wurde seine
Arbeitsunfähigkeit vom Kreisarzt der SUVA mit 50% beziffert, alsdann noch mit
25%. Vom 3. Juni 1998 an zahlte die SUVA kein Taggeld mehr. Der Hausarzt des
Klägers attestierte diesem indessen eine Arbeitsunfähigkeit von 100% bis und
mit 20. April 1998 und nachher eine solche von 50%. Gestützt auf dieses
ärztliche Attest ging der Kläger erst wieder am 21. April 1998 zur Arbeit,
was ihm eine Verwarnung von Seiten der Beklagten eintrug. Am 8. Juni 1998
verliess er sodann den Arbeitsplatz, nachdem er einen halben Tag lang
gearbeitet hatte. Die Beklagte entliess ihn deswegen gleichentags fristlos.

B.
Am 9. November belangte der Kläger die Beklagte beim Gewerblichen
Schiedsgericht des Kantons Basel-Stadt auf Zahlung von Fr. 9'996.- nebst
Zins. Am 23. März 2000 stellte das Gewerbliche Schiedsgericht in einem
förmlichen Entscheid fest, dass die fristlose Entlassung nicht gerechtfertigt
war, ohne sich vorerst über die Höhe der daraus resultierenden Forderung
auszusprechen. Am   7. Juni 2000 bestätigte das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt diesen Entscheid auf Beschwerde der Beklagten hin.

Mit Entscheid vom 3. September 2001 wies das Gewerbliche Schiedsgericht
sodann die Klage des Arbeitnehmers ab. Es hielt fest, dass ihm aufgrund der
Leistungen der Sozialversicherungen kein Lohn mehr zustehe und eine
Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung nicht geschuldet
sei, weil dem Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Entlassung kein
Fehlverhalten anzulasten sei. Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde
des Klägers wies das Appellationsgericht mit Urteil vom 20. März 2002 ab.

C.
A.________ beantragt mit eidgenössischer Berufung, das Urteil des
Appellationsgerichts sei aufzuheben und seine Klage gutzuheissen. Die
Beklagte schliesst auf Abweisung des Rechtsmittels.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die vorliegende Berufung bezieht sich nach Art. 48 Abs. 3 OG ausser gegen den
Appellationsgerichtsentscheid vom 20. März 2002 grundsätzlich auch gegen den
Zwischenentscheid vom 7. Juni 2000, mit dem das Appellationsgericht formell
feststellte, dass die fristlose Entlassung des Klägers ungerechtfertigt
erfolgte; dieser Zwischenentscheid war weder nach Art. 49 OG anfechtbar noch
ist er im Anschluss an seine Eröffnung nach Art. 50 OG weitergezogen und
beurteilt worden. Indessen hat weder der Kläger mit Berufung noch die
Beklagte mit Anschlussberufung eine Abänderung des Zwischenentscheids
verlangt, weshalb dieser nunmehr als rechtskräftig zu betrachten ist. Die
Beklagte ist daher nicht zu hören, soweit sie in der Berufungsantwort den
Standpunkt vertritt, die fristlose Entlassung des Klägers sei gerechtfertigt
erfolgt, weshalb Art. 337b und nicht Art. 337c OR anwendbar sei. Sie hätte
sich insoweit nicht darauf beschränken dürfen, die Begründung des
Zwischenentscheids in Frage zu stellen, sondern hätte mit Anschlussberufung
ein Begehren auf Feststellung der Rechtmässigkeit der fristlosen Entlassung
stellen müssen (Art. 59 OG; vgl. Poudret, Commentaire de la loi fédérale
d'organisation judiciaire, Bd. II, N. 2.1 und 2.3 zu Art. 59 OG;
Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich
1992, S. 157 f.).

2.
Streitig ist ausschliesslich, ob dem Kläger eine Pönalentschädigung nach Art.
337c Abs. 3 OR zusteht. Die bereits von der ersten Instanz angestellten
Erwägungen, dass er seinen Lohn von den Sozialversicherungen vollständig
erhalten hat und ihm daher aus Art. 337c Abs. 1 und 2 OR nichts mehr zusteht,
blieben unangefochten.

Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei ungerechtfertigter
fristloser Entlassung in aller Regel eine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3
geschuldet und darf nur in Ausnahmefällen von der Zusprechung einer solchen
abgesehen werden (BGE 121 III 64 E. 3c mit Hinweisen). Ein derartiger
Ausnahmefall liegt etwa dann vor, wenn ein im Vergleich zum Fehlverhalten des
Arbeitgebers erhebliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers vorliegt, das zwar
für eine fristlose Entlassung gerade noch nicht ausreicht, die Zusprechung
einer Entschädigung indessen als stossend erscheinen lässt (Entscheid des
Bundesgerichts 4C.326/1990 vom 1. Februar 1991 E. 3, in: JAR 1995, S. 220
ff., Ziff. 2).
Die Vorinstanz erwog unter anderem, die vom Bundesgericht aufgestellten
Voraussetzungen für den Verzicht auf eine Pönalentschädigung seien vorliegend
erfüllt. Damit hat sie jedenfalls im Ergebnis kein Bundesrecht verletzt. Nach
den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid
hatte die Beklagte den Kläger bereits verwarnt, weil er am 20. April 1998
unter Berufung auf ein Zeugnis des behandelnden Arztes, das von der
kreisärztlichen Beurteilung der SUVA abwich, nicht am Arbeitsplatz erschienen
war. Der Kläger musste somit wissen, dass die Beklagte auch künftig auf die
Beurteilung der SUVA abstellen würde. Unter diesen Umständen wäre von ihm zu
erwarten gewesen, dass er am 8. Juni 1998 das Gespräch mit der Beklagten
suchte, bevor er seinen Arbeitsplatz erneut aufgrund eines von der
SUVA-Beurteilung abweichenden Arztzeugnisses verliess. Dass er dies getan
hätte, lässt sich dem angefochtenen Urteil indessen nicht entnehmen und wird
vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Auch wenn die fristlose Entlassung des
Klägers nicht gerechtfertigt war, weil er beim Verlassen des Arbeitsplatzes
aufgrund des Zeugnisses des behandelnden Arztes in guten Treuen davon
ausgehen durfte, er sei nur zu 50 % arbeitsfähig, muss er sich damit
vorwerfen lassen, dass er sein Recht rücksichtslos durchgesetzt hat, ohne ein
Einvernehmen mit der Beklagten zu suchen. Damit hat er seine fristlose
Entlassung provoziert. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich,
ausnahmsweise auf eine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR zu verzichten.

3.
Die Berufung ist damit als unbegründet abzuweisen. Mit Blick auf den
Streitwert ist keine Gerichtsgebühr zu erheben (Art. 343 Abs. 3 OR) Der
Kläger hat indessen die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren zu
entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 20. März
2002 wird bestätigt.

2.
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

3.
Der Kläger hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit

Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. September 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: