Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.196/2002
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4C.196/2002 /rnd

Urteil vom 7. Oktober 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, Präsident,
Corboz, Klett, Rottenberg Liatowitsch, Favre,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________ GmbH.
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thierry
Calame, Bleicherweg 58, 8027 Zürich,

gegen

1. B.________ AG,

2. C.________ SA,

3. D.________ Corporation,
Beklagte und Berufungsbeklagte, alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
Martin Hitz, Schweizerhofquai 2, Postfach 4839, 6002 Luzern.

Patentverletzung; IPRG; örtliche Zuständigkeit,

Berufung gegen den Beschluss des Kantonsgerichts des Kantons Zug, 3.
Abteilung, vom 2. Mai 2002.

Sachverhalt:

A.
Die A.________ GmbH (Klägerin) reichte am 27. Oktober 2000 beim
Kantonsgericht Zug Klage ein gegen die B.________ AG (Beklagte 1), die
C.________ SA (Beklagte 2) und die D.________ Corporation (Beklagte 3). Die
Klägerin stellte das Begehren, es sei den Beklagten zu verbieten,
Testkassetten zur Abtrennung von Nicht-HDL-Lipoproteinen aus Blut,
Testkassetten zur Bestimmung von HDL-Cholesterin im Blut und insbesondere die
unter der Bezeichnung "D.________-L-D-X" vertriebenen Testkassetten TC- und
HDL-Anzeige, TC-, HDL-und GLU-Anzeige, Lipid-Profil und Lipid-Profil plus
Glucose in der Schweiz einzuführen und in der Schweiz oder von der Schweiz
aus anzupreisen, feilzuhalten, zu verkaufen, auszuführen oder sonstwie in
Verkehr zu bringen bzw. bei entsprechenden Handlungen mitzuwirken. Zur
Begründung brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, ihr Patent werde von den
Beklagten verletzt, indem die Beklagte 3 die Testkassetten in den USA
herstelle und über die in Belgien domizilierte Beklagte 2 und die im Kanton
Zug ansässige Beklagte 1 in Verkehr bringe.

B.
Mit Beschluss vom 2. Mai 2002 hiess das Kantonsgericht des Kantons Zug die
Einrede der örtlichen Unzuständigkeit der Beklagten 3 gut und trat auf die
Klage nicht ein, soweit sie sich gegen die Beklagte 3 richtet.

C.
Mit Berufung vom 5. Juni 2002 stellt die Klägerin den Antrag, es seien
Dispositiv Ziffern 1 bis 3 des angefochtenen Beschlusses aufzuheben und die
Sache sei zur Weiterführung des Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Klägerin hat den Beschluss des Kantonsgerichts auch mit staatsrechtlicher
Beschwerde angefochten, auf welche das Bundesgericht mit Entscheid vom
heutigen Tag nicht eingetreten ist.

Die Beklagte 3 schliesst auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Berufung ist gemäss Art. 48 OG in der Regel erst gegen die Endentscheide
(BGE 127 III 474 E. 1a mit Hinweisen) der obern kantonalen Gerichte zulässig;
gegen selbständige Vor- oder Zwischenentscheide dieser Instanzen steht die
Berufung nach Art. 49 Abs. 1 OG offen, wenn sie die (bundesrechtliche)
Zuständigkeit zum Gegenstand haben, sowie nach Art. 50 OG unter der
Voraussetzung, dass sofort ein Endentscheid herbeigeführt und ein so
bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren
erspart werden kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichts
gerechtfertigt erscheint.

1.1 Das Kantonsgericht hat die örtliche Zuständigkeit der schweizerischen
Gerichte für die Beklagte 3 mit der Begründung verneint, aufgrund der
Behauptungen der Klägerin liege keine Patentverletzung gemäss Art. 66 PatG in
der Schweiz vor. Soweit sich die Klage gegen die beiden andern Beklagten
richtet, steht dagegen die Zuständigkeit des Gerichts zur Beurteilung der
Streitsache nicht in Frage; insofern bleibt das Verfahren hängig.

Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um ein Teilurteil, denn es ist
nur über einen Teil der subjektiv gehäuften Klagen durch das Nichteintreten
definitiv entschieden worden. Teilurteile sind nach der Praxis mit Berufung
selbständig anfechtbar, wenn die davon erfassten Begehren zum Gegenstand
eines gesonderten Prozesses hätten gemacht werden können, und deren
Beurteilung für den Entscheid über die übrigen Begehren präjudiziell ist
(BGE 124 III 406 E. 1a S. 409 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind
jedoch für objektiv gehäufte Begehren aufgestellt worden; sie dienen insofern
der Konkretisierung des Grundsatzes der Prozessökonomie, welcher der Regelung
der Art. 49 und 50 OG zugrunde liegt. Für Teilurteile, mit denen subjektiv
gehäufte Klagen gegen einzelne von mehreren Beklagten entschieden werden,
sind diese Anforderungen nicht ohne weiteres angemessen. Das Bundesgericht
hat hier in analoger Anwendung von Art. 50 OG die Zulässigkeit der Berufung
bejaht, wenn der Umfang des Beweisverfahrens in erheblichem Mass davon
abhängt, ob das Verfahren gegen alle oder nur einen Teil der Beklagten
durchgeführt wird (BGE 107 II 349 E. 2 S. 353).

1.2 Die Klägerin behauptet, ihr Patent würde durch die von der Beklagten 3 im
Ausland hergestellten und von den Beklagten in die Schweiz eingeführten und
hier vertriebenen Testkassetten verletzt. Das in Aussicht stehende
Beweisverfahren über allfällige patentverletzende Handlungen der Beklagten
bezieht sich - sollte die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte entgegen
der Annahme der Vorinstanz zu bejahen sein - auch auf die Beklagte 3. Mit
deren Teilnahme am Verfahren können in diesem Fall zu erwartende
Wiederholungen von Beweisaufnahmen vermieden werden. Es kann insofern mit dem
Berufungsentscheid im Falle der Gutheissung ein so bedeutender Aufwand an
Zeit und Kosten für ein zusätzliches Beweisverfahren erspart werden, dass
sich die Anhandnahme der Berufung rechtfertigt.

2.
Nach Art. 109 IPRG sind für Klagen betreffend Immaterialgüterrechte die
schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Beklagten, bei fehlendem Wohnsitz
die Gerichte am Ort zuständig, wo der Schutz beansprucht wird (Abs. 1).
Können mehrere Beklagte in der Schweiz belangt werden und stützen sich die
Ansprüche im Wesentlichen auf die gleichen Tatsachen und Rechtsgründe, so
kann bei jedem zuständigen Richter gegen alle geklagt werden; der zuerst
angerufene Richter ist ausschliesslich zuständig (Abs. 2).

2.1 Mit dem Gerichtsstand des schweizerischen Schutzortes wird der Ort
bezeichnet, wo der Eingriff in das Immaterialgüterrecht stattfindet (BGE 117
II 598 E. 3 S. 603). Davon ist die Vorinstanz grundsätzlich zutreffend
ausgegangen. Die Klägerin beanstandet denn auch nicht, dass die Vorinstanz
ihre Zuständigkeit angesichts fehlenden Sitzes der Beklagten 3 in der Schweiz
davon abhängig gemacht hat, dass die Beklagte 3 in der Schweiz
patentverletzende Handlungen im Sinne von Art. 66 PatG begangen haben soll.
Sie hält dagegen dafür, Art. 109 IPRG sei im Ergebnis dadurch verletzt
worden, dass die Vorinstanz den Tatbestand des Art. 66 lit. d PatG nicht als
erfüllt angesehen habe. Soweit sie zunächst behauptet, die Vorinstanz habe im
angefochtenen Urteil die Beurteilung der Zuständigkeit von der Begründetheit
des eingeklagten Anspruchs abhängig gemacht, kann ihr nicht gefolgt werden.
Die Vorinstanz hat zutreffend auf die blossen Sachbehauptungen der Klägerin
abgestellt und ist danach zum Schluss gekommen, dass diese - wenn sie
bewiesen wären - den Tatbestand des Art. 66 lit. d PatG nicht erfüllen
würden. Die Vorinstanz hat damit bundesrechtskonform für die Frage ihrer
Zuständigkeit geprüft, ob überhaupt die Verletzung eines schweizerischen
Schutzrechtes Prozessgegenstand ist (vgl. Vischer, in Heini et.al
IPRG-Kommentar, Zürich 1993, N 7 zu Art. 109 IPRG) bzw. ein Handlungs- oder
Erfolgsort für die behaupteten unerlaubten Handlungen in der Schweiz gegeben
ist.

2.2 Nach Art. 66 PatG kann unter anderem zivil- und strafrechtlich zur
Verantwortung gezogen werden, wer die patentierte Erfindung widerrechtlich
benützt (lit. a) und wer zu diesen Handlungen anstiftet, bei ihnen mitwirkt,
ihre Begehung begünstigt oder erleichtert (lit. d). Die widerrechtliche
Benützung als unerlaubte Handlung kann nach schweizerischem Recht verfolgt
werden, wenn der Erfolg in der Schweiz eingetreten ist. Dies ist insbesondere
von Bedeutung für Anstifter, mittelbare Täter, Miturheber oder Gehilfen,
welche in der Schweiz zivilrechtlich verfolgt werden können, sofern sie die
Benützung in der Schweiz vom Ausland aus veranlasst oder gefördert haben (BGE
92 II 293 E. 4 S. 296 mit Hinweisen, vgl. auch BGE 122 III 81 E. 5 S. 87, 100
II 237 E. 2 S. 239). Dabei werden Handlungen, aufgrund derer der Erfolg bloss
droht, denjenigen gleichgestellt, die den Erfolg bereits haben eintreten
lassen, wenn die klagende Partei dartut, dass am beanspruchten Schutzort eine
Patentverletzung ernsthaft zu befürchten ist (BGE 117 II 598 E. 3). Die von
der Beklagten 3 im Ausland hergestellten Testkassetten, welche nach
Behauptung der Klägerin deren Patent verletzen sollen, sind nach dem
angefochtenen Entscheid gemäss den Sachbehauptungen der Klägerin nicht direkt
von der Beklagten 3 in die Schweiz eingeführt worden. Die Vorinstanz hat
vielmehr angenommen, die Beklagte 3 als Herstellerin der Testkassetten habe
an der Einfuhr dieser Produkte in die Schweiz und daher auch an der
angeblichen Verletzung des klägerischen Patentes in der Schweiz  in keiner
Weise ursächlich mitgewirkt.

2.3 Gemäss dem angefochtenen Entscheid hat die Beklagte 3 nach den
Sachvorbringen der Klägerin die angeblich patentverletzenden und in die
Schweiz eingeführten Produkte im Ausland hergestellt. Auch in Anbetracht des
strengen Territorialitätsprinzips im Patentrecht ist nicht zu bestreiten,
dass ohne Herstellung der angeblich patentverletzenden Testkassetten durch
die Beklagte 3 im Ausland eine Patentverletzung im Sinne von Art. 66 PatG
nicht denkbar wäre. Die Herstellung im Ausland genügt für sich allein nicht,
damit eine Patentverletzung im Hoheitsgebiet der Schweiz bejaht werden kann.
Dennoch beschränkt sich die allfällige Mitwirkung der Beklagten 3 an einer
rechtswidrigen Handlung im Sinne von Art. 66 PatG entgegen der Ansicht der
Vorinstanz nicht auf die reine Förderung der Einfuhr, wenn sie Herstellerin
der angeblich patentverletzenden Produkte ist und daher - wenn auch im
Ausland - materiell das Patent der Klägerin benützt. Trifft sie in diesem
Falle Vorkehren, welche den Absatz dieser Produkte in der Schweiz
erleichtern, ist vielmehr ihre Mitwirkung an der schliesslich in der Schweiz
eingetretenen Verletzung zu bejahen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen,
wenn die Herstellerin im Ausland für ihre Produkte einem Dritten vertraglich
das Recht einräumt, diese Produkte (auch) in der Schweiz zu vertreiben. Dies
trifft nach den Behauptungen der Klägerin, wie sie im angefochtenen Urteil
wiedergegeben sind, insofern zu, als die Beklagte 3 der Beklagten 2 das
(ausschliessliche) Recht zum Vertrieb der von ihr hergestellten Kassetten in
Europa und damit auch in der Schweiz eingeräumt hat. Entgegen der Auffassung
der Vorinstanz kann insofern die Förderung des Vertriebs in der Schweiz nicht
mit der Begründung verneint werden, es hätten auch andere Personen die
Produkte der Beklagten 3 in die Schweiz einführen können. Mit der Einräumung
des vertraglichen Rechtes, die von ihr hergestellten, angeblich
patentverletzenden Produkte in der Schweiz zu vertreiben, hat die Beklagte 3
- stets nach den Sachvorbringen der Klägerin - vielmehr die Einfuhr dieser
Produkte in das schweizerische Hoheitsgebiet gefördert und daher eine
widerrechtliche Handlung im Sinne von Art. 66 PatG begangen. Dies begründet
im Sinne von Art. 109 IPRG die Zuständigkeit schweizerischer Gerichte. Soweit
im Übrigen die Ausführungen der Vorinstanz im angefochtenen Urteil in dem
Sinne zu verstehen sein sollten, dass sie ein direkt vorsätzliches Verhalten
der Beklagten 3 verlangt, erscheint zunächst zweifelhaft, ob für die örtliche
Zuständigkeit am Schutzort nicht die (behauptete) objektive Verletzung des
Immaterialgutes der Klägerin genügt. Jedenfalls könnte die Zuständigkeit nach
Art. 109 IPRG nur verneint werden, wenn jedes Verschulden der Beklagten
auszuschliessen wäre, so dass aus diesem Grunde der Tatbestand der
behaupteten unerlaubten Handlung zum Vornherein nicht erfüllt sein könnte.
Dies trifft vorliegend schon deshalb nicht zu, weil die Vorinstanz jedenfalls
aus den Sachvorbringen der Klägerin selbst auf ein eventualvorsätzliches
Handeln der Beklagten schliesst, wenn sie davon ausgeht, die Beklagte 3 habe
mit einem Export in die Schweiz und insofern mit patentverletzenden
Handlungen rechnen müssen, als sie der Beklagten 2 vertragliche
Vertriebsrechte an ihren angeblich patentverletzenden Testkassetten für die
Schweiz eingeräumt habe.

3.
Aus diesen Gründen ist die Berufung gutzuheissen und der angefochtene
Entscheid aufzuheben. Die Vorinstanz ist zur Beurteilung der Klage gegen die
Beklagte 3 zuständig. Die Sache ist zur Weiterbehandlung in diesem Sinne an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist
die Gerichtsgebühr der Beklagten 3 aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OR). Diese
hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art.
159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird gutgeheissen und der Beschluss des Kantonsgerichts des
Kantons Zug vom 2. Mai 2002 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das
Kantonsgericht Zug zur Beurteilung der Klage gegen die Beklagte 3 örtlich
zuständig ist und die Sache wird zur Weiterbehandlung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird der Beklagten 3 auferlegt.

3.
Die Beklagte 3 hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit
Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Zug,
3. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Oktober 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: