Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.181/2002
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4C.181/2002 /rnd

Urteil vom 10. Oktober 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, Präsident,
Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Huguenin.

X. ________ AG,
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Leo Weiss,
Dufourstrasse 56, Postfach, 8032 Zürich,

gegen

Y.________ AG,
Beklagte und Berufungsbeklagte.

Platzierung von TV-Werbespots; Stellvertretung; Legitimation,

Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 21. März
2002.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ AG betreibt einen privaten Fernsehkanal. Zur Finanzierung
ihres Programmbetriebes verkauft sie Werbezeit. Sie unterbreitete der
Werbeagentur Z.________ AG im September 1998 einen Einsatzplan und eine
Kostenberechnung für die Platzierung von Werbespots der Y.________ AG und
stellte ihr am 2. Oktober 1998 eine Auftragsbestätigung zu. Zwischen Januar
und Mai 1999 strahlte sie die TV-Werbespots der Y.________ AG aus. Die
Z.________ AG hat einen Teil der Ausstrahlungskosten bezahlt. Im Betrag von
Fr. 180'354.05 blieb die Rechnung jedoch offen.

Da nach Auffassung der X.________ AG eine Zahlungspflicht der Y.________ AG
besteht, erhob sie am 24. August 2000 Klage gegen diese mit dem Begehren, die
Beklagte zur Zahlung von Fr. 180'354.05 nebst 5 % Zins seit 1. April 2000 zu
verpflichten. Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage mit Urteil
vom 21. März 2002 ab.

B.
Die Klägerin beantragt dem Bundesgericht mit Berufung, das Urteil des
Handelsgerichts aufzuheben und die Streitsache zur Gutheissung der Klage und
Festlegung der Nebenfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventuell zur
Beweisabnahme im Sinne der Erwägungen und neuer Beurteilung zurückzuweisen.

Die Beklagte schliesst sinngemäss auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Unter den Parteien ist streitig, ob die Z.________ AG durch den Abschluss
des Vertrages mit der Klägerin sich selbst oder - wie die Klägerin annimmt -
die Beklagte verpflichtet hat.

1.2
1.2.1Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat die Z.________
AG am 22. Oktober 1998 mit der Beklagten einen Produktionsvertrag
geschlossen. Danach hatte die Z.________ AG sämtliche TV-Werbespots der
Beklagten zu planen, zu entwickeln, zu gestalten, ausstrahlen zu lassen und
dafür Werbezeiten einzukaufen. Es wurde eine Pauschalvergütung vereinbart,
welche auch die von der Z.________ AG erbrachten Leistungen für den Einkauf
und die Abgeltung von Werbezeiten umfasste. Die Z.________ AG hatte die von
den Fernsehanstalten gestellten Rechnungen selbst zu bezahlen. Unter Hinweis
auf diese Vereinbarung bestreitet die Beklagte eine Zahlungspflicht gegenüber
der Klägerin.

1.2.2 Die Klägerin hat im kantonalen Verfahren nicht behauptet, die
Z.________ AG habe sich ausdrücklich als Vertreterin der Beklagten zu
erkennen gegeben. Sie berief sich vielmehr auf eine Usanz, wonach
"Werbeagenturen nie für sich selber Verträge abschliessen, sondern stets für
ihre Kunden", so dass im Televisionsgeschäft stets die Offerenten der
Produkte oder Dienstleistungen, für die in einem Spot geworben wird, Kunden
der Sendeanstalten seien. Die Klägerin glaubte sich daher zur Annahme
berechtigt, die Z.________ AG habe im Namen der Beklagten gehandelt.

Im Berufungsverfahren vor Bundesgericht erläutert die Klägerin, was sie im
kantonalen Verfahren mit dem Begriff des Handelsbrauchs gemeint hat. Sie
führt aus, sie sei aufgrund des Umstandes, dass es sich bei der Z.________ AG
um eine Werbeagentur handle, in guten Treuen davon ausgegangen, dass diese
tatsächlich als Agentin im Sinne von Art. 418a OR ein Fremdgeschäft für die
Beklagte besorge. Das habe die Vorinstanz in Verletzung von Art. 33 Abs. 3 in
Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 OR verkannt.

1.3 Die Rüge ist unbegründet. Die Charakterisierung eines Unternehmens als
Werbeagentur zeigt bloss an, dass dessen Tätigkeit schwerpunktmässig in der
Erbringung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Werbung besteht. Sie
beinhaltet aber keinen Hinweis auf die rechtliche Beschaffenheit der
Beziehungen zwischen dem Werbeberater und seinen Kunden. Wegen des weit
gefächerten Tätigkeitsgebiets einer Werbeagentur, das sich von der Gestaltung
eines einzelnen Werbegeschenks bis zum Werbe-Gesamtkonzept für ein ganzes
Unternehmen erstrecken kann, lässt sich keine allgemeine Aussage über die
rechtliche Einordnung des Werbevertrags machen. In Frage kommen namentlich
Auftrag, Werkvertrag, Agenturvertrag oder ein Innominatkontrakt. Massgebend
für die Qualifikation ist die individuelle Vertragsgestaltung (David/Reutter,
Schweizerisches Werberecht, 2. Auflage, Zürich 2001, S. 397). Dritte, die
ihrerseits mit einer Werbeagentur Geschäfte im Zusammenhang mit der Erfüllung
einer bestimmten Werbeaufgabe abschliessen, haben daher einzig aufgrund des
Umstandes, dass sich ihr Vertragspartner als Werbeagentur bezeichnet, keinen
Anlass zur Vermutung, dass sie nicht mit diesem, sondern mit dem Produzenten
oder Anbieter kontrahieren, für den geworben werden soll.

2.
Selbst wenn die Klägerin aufgrund des Marktauftritts der Z.________ AG
tatsächlich zur Annahme berechtigt gewesen wäre, diese vertrete die Klägerin,
hätte das im Übrigen nicht ohne weiteres, sondern nur nach Massgabe von Art.
33 Abs. 3 OR zur Folge, dass sich die Beklagte den mit der Klägerin
abgeschlossenen Vertrag entgegenhalten lassen müsste (Zäch, Berner Kommentar,
N. 48 zu Art. 33 OR). Die objektive Mitteilung der Vollmacht muss vom
Vertretenen ausgehen. Vorausgesetzt wird, dass dessen Verhalten nach Treu und
Glauben auf einen Mitteilungswillen schliessen lässt. Dieses Verhalten kann
in einem positiven Tun bestehen, indessen auch in einem passiven Verhalten,
einem bewussten oder normativ zurechenbaren Unterlassen oder Dulden. Die
Bindungswirkung tritt nicht bereits dann ein, wenn der Dritte auf den Bestand
einer Vollmacht schliessen darf, sondern bloss dann, wenn das Unterlassen des
Vertretenen objektiv als drittgerichtete Mitteilung, als Vollmachtskundgabe
zu werten ist (BGE 120 II 197 E. 2b/bb). In diesem Zusammenhang hat sich die
Klägerin im kantonalen Verfahren darauf berufen, dass die Beklagte, obschon
sie von der erwähnten Usanz Kenntnis gehabt habe bzw. gehabt haben müsse,
nicht eingeschritten sei.

Entgegen der Auffassung der Klägerin würde das blosse Kennen bzw.
Kennenmüssen einer solchen Usanz die Beklagte nicht zum Einschreiten
verpflichten, wenn sie mit einer Werbeagentur einen Vertrag abschliesst,
welcher dieser Usanz widerspricht. Die Beklagte darf sich in diesem Fall
darauf verlassen, dass ihre Vertragspartnerin bei der Ausführung des
Werbevertrags für hinreichende Klarheit beim Dritten sorgt. Wie die
Vorinstanz zutreffend ausführt, könnte der Beklagten ihr passives Verhalten
gegenüber der Klägerin nur dann als stillschweigende Vollmachtkundgabe
zugerechnet werden, wenn sie das Vorgehen der Z.________ AG gegenüber der
Klägerin im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss betreffend Platzierung der
TV-Spots als Vertreterhandeln hätte kennen müssen. Nach den verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz war jedoch der Beklagten das Vorgehen der
Z.________ AG gegenüber der Klägerin nicht bekannt. Zudem durfte die Beklagte
- wie bereits festgehalten - darauf vertrauen, dass die Z.________ AG
gegenüber der Klägerin Klarheit schaffen würde, weshalb sie sich nicht über
deren Vorgehen im Zusammenhang mit dem Vertrag vom 2. Oktober 1998 zu
informieren brauchte. Damit bleibt es dabei, dass die Z.________ AG mit der
Klägerin ein Eigengeschäft abgeschlossen hat. Für eine Bevollmächtigung der
Beklagten im Sinne von Art. 32 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 3 OR
besteht unter diesen Umständen kein Raum, wie die Vorinstanz zutreffend
erwog. Ebenso erkannte die Vorinstanz zu Recht, dass die allfällige Existenz
des von der Klägerin behaupteten Handelsbrauchs an diesem Ergebnis nichts zu
ändern vermöchte. Wenn die Vorinstanz bei dieser Sach- und Rechtslage dazu
keinen Beweis erhob, ist dies im Lichte von Art. 8 ZGB nicht zu beanstanden
(vgl. BGE 122 III 219 E. 3c S. 223).

3.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu
bestätigen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist die Gerichtsgebühr
der Klägerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Beklagte ist nicht
anwaltlich vertreten. Ihr ist praxisgemäss keine Parteientschädigung
zuzusprechen, da sie nicht dargetan hat, dass besondere Umstände vorliegen,
welche einen entsprechenden Anspruch zu begründen vermöchten (vgl. BGE 125 II
518 E. 5b).

Demnach erkennt das Bundesgericht :

1.
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons
Zürich vom 21. März 2002 bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.-- wird der Klägerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Oktober 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: