Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.142/2002
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4C.142/2002 /rnd

Urteil vom 19. August 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, Präsident,
Klett, Ersatzrichter Geiser,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Giusto,
Postfach, 8023 Zürich,

gegen

B.________,
Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Rainer
Mössinger, Brandschenkestrasse 10, Postfach, 8002 Zürich.

Arbeitsvertrag; Jahresendzulage,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1.
Zivilkammer, vom 20. Februar 2002.

Sachverhalt:

A.
A. ________ wurde von B.________ mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 20.
Oktober 1998 auf den 1. Januar 1999 als Filialleiter angestellt. Es wurde ein
Bruttolohn von Fr. 4'400.-- pro Monat vereinbart und der Arbeitgeber
versprach die Zahlung einer Jahresendzulage. Die entsprechende Klausel im
Arbeitsvertrag lautet wie folgt (wörtliche Wiedergabe):
"Jahresendzulage
Der Arbeitgeber bezahlt am Jahresende eine leistungsbezogene Gratifikation,
in der Höhe von Fr. 8'000.00, bei erreichung der 100% Ziele (Budget etc.) Der
mindest Betrag von Fr. 2'000.00 muss in didem Fall ausbezahlt werden."
Auf Kündigung des Arbeitnehmers hin wurde das Arbeitsverhältnis Ende Dezember
1999 beendet.

B.
A.________ reichte am 19. Mai 2000 Klage gegen B.________ ein mit den
Begehren, den Beklagten zur Zahlung von Fr. 14'473.70 netto nebst 5 % Zins
seit 1. Dezember 1999 sowie zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses mit
bestimmtem Wortlaut zu verpflichten.

Mit Urteil vom 23. April 2001 hiess das Arbeitsgericht Baden die Klage
teilweise gut und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von Fr. 3'155.75
nebst Zins und zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses mit bestimmtem
Wortlaut. Das Obergericht des Kantons Aargau hiess eine Appellation des
Klägers mit Urteil vom    20. Februar 2002 teilweise gut und erhöhte den
geschuldeten Betrag auf        Fr. 4'393.85 netto nebst 5 % Zins seit 1.
Januar 2000 (Ziffer 1 des Dispositivs).

C.
Mit Berufung beantragt der Kläger dem Bundesgericht, Ziffer 1 des Urteils des
Obergerichts aufzuheben und die Klage im Umfang von Fr. 9'844.25 netto nebst
5 % Zins seit 1. Januar 2000 gutzuheissen.

Der Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Urteils.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht hat die Geldforderung des Klägers für Fr. 4'393.85 netto
(Fr. 3'417.95 Überzeitentschädigung und Fr. 975.90 Spesenentschädigung)
gutgeheissen, sie dagegen abgewiesen, soweit damit ein Anspruch auf die volle
Jahresendzulage geltend gemacht wurde. Mit der Berufung hält der Kläger daran
fest, dass der Beklagte neben dem ausbezahlten Betrag von Fr. 2'000.-- auch
die weiteren Fr. 6'000.-- brutto (entsprechend Fr. 5'450.40 netto) schulde.
Er wirft dem Obergericht vor, die Vertragsklausel betreffend die
Jahresendzulage falsch ausgelegt zu haben.

Das Obergericht hat die Klausel nach dem Vertrauensgrundsatz ausgelegt. Eine
solche Auslegung kann gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts im
Berufungsverfahren überprüft werden (BGE 128 III 212 E. 2b/bb S. 215 mit
Hinweisen). Auf die Berufung ist somit grundsätzlich einzutreten.

2.
Der Inhalt eines Vertrages bestimmt sich in erster Linie durch subjektive
Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen
(Art. 18 Abs. 1 OR). Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung
unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die
Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensgrundsatzes so auszulegen,
wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen
verstanden werden durften und mussten (BGE 121 III 118 E. 4b/aa S. 123 mit
Hinweisen).

2.1 Die Vertragsklausel hält fest, dass die Jahresendzulage bei Erreichen der
"100 % Ziele" Fr. 8'000.-- betrage. Daraus kann im Rahmen der
Vertrauensauslegung geschlossen werden, dass die Zulage nicht vollständig
entfällt, wenn nicht alle Ziele erfüllt werden. Das hat das Obergericht indes
nicht verkannt. Es ist davon ausgegangen, dass die vier Zielgrössen (Umsatz,
Personalkosten, Inventar und Abschreibungen) einzeln zu betrachten seien, und
für die Erreichung jeder Zielgrösse ein Viertel der Zulage geschuldet sei. Es
nahm weiter an, dass kein pro rata Anspruch für ein bloss teilweises
Erreichen eines Ziels bestehe. Das lässt sich gestützt auf den
Vertrauensgrundsatz ohne weiteres vertreten. Eine andere Auslegung würde dazu
führen, dass eine Zulage auch dann geschuldet wäre, wenn hinsichtlich der
Erreichung der einzelnen Ziele schlechte oder sogar sehr schlechte Ergebnisse
erzielt worden sind. Das kann nicht der Sinn einer Klausel sein, welche mit
der Zulage das Erbringen guter Leistungen belohnen will.

2.2 Der Kläger macht geltend, die Ziele seien als blosse Richtwerte zu
verstehen. Die Zulage sei grundsätzlich auch dann geschuldet, wenn sich der
Arbeitnehmer unabhängig von den erwirtschafteten Ergebnissen zu 100 %
engagiert habe; allenfalls seien dann die Zielvorgaben auf ein realistisches
Mass zu reduzieren.

Der Kläger vermerkt richtig, dass die Zielvorgaben nicht im schriftlichen
Arbeitsvertrag festgehalten werden. Das ist indes durchaus üblich. Soweit ein
Lohn leistungsabhängige Komponenten enthält, werden häufig die zu
erreichenden Ziele von Jahr zu Jahr neu festgelegt, weshalb sie sinnvoller
Weise nicht im schriftlichen Arbeitsvertrag selbst aufgeführt werden. Daraus
darf allerdings nicht geschlossen werden, der Arbeitgeber könne die Ziele
einseitig festlegen. Soweit er sich dieses Recht nicht im Vertrag ausbedungen
hat, muss auch insofern eine Einigung zwischen den Vertragsparteien zustande
kommen, das heisst die Ziele können diesfalls nicht einseitig vom Arbeitgeber
bestimmt oder abgeändert werden.

Diese Rechtslage hat das Obergericht nicht verkannt. Es hält fest, dass sich
die Parteien auf die entsprechenden Zielgrössen geeinigt hätten. Dabei liegt
allerdings auf der Hand, dass ein neu angestellter Arbeitnehmer in der Regel
nicht beurteilen kann, ob die Zielvorgaben realistisch sind oder nicht.
Darauf kann es aber nicht ankommen. Es genügt, dass sich die Parteien auf
bestimmte Ziele geeinigt haben. Im angefochtenen Urteil wird festgestellt,
der Kläger habe in Bezug auf drei Zielgrössen (Umsatz, Inventar und
Personalkosten) anerkannt, dass die Ausrichtung der Zulage an das Erreichen
dieser Ziele geknüpft worden sei. Das Obergericht schliesst sodann aufgrund
von Indizien, dass auch über die vierte Zielgrösse (Abschreibungen) eine -
allenfalls nachträgliche - Abmachung zustande gekommen sei. Die abweichenden
Ausführungen in der Berufungsschrift stellen eine unzulässige Kritik an den
tatsächlichen Feststellungen bzw. der Beweiswürdigung der Vorinstanz dar und
sind deshalb nicht zu hören.

2.3 Der Kläger macht zudem geltend, die Parteien hätten nachträglich erkannt,
dass die Ziele unrealistisch seien, und sie hätten diese deshalb abgeändert.
Im angefochtenen Urteil wird demgegenüber festgestellt, dass der Kläger keine
Einigung über die behaupteten Änderungen habe nachweisen können. Die
Einwände, welche der Kläger mit der Berufung erhebt, erschöpfen sich wiederum
in unzulässiger Kritik an den tatsächlichen Feststellungen und der
Beweiswürdigung der Vorinstanz. Darauf ist nicht einzugehen.

In rechtlicher Hinsicht ist freilich anzumerken, dass es fraglich ist, ob die
Vereinbarung unmöglicher Ziele als Voraussetzung einer Zulage verbindlich
ist. Ein Vertrag mit einem unmöglichen Inhalt ist gemäss Art. 20 Abs. 1 OR
nichtig. Bei Teilnichtigkeit kann er in jenen Teilen aufrecht erhalten
werden, die nicht vom Mangel betroffen sind (Art. 20 Abs. 2 OR). Es bestünde
deshalb die Möglichkeit, Abmachungen über unmögliche Ziele auf das unter den
gegebenen Umständen Erreichbare einzuschränken. Diese Frage braucht indes
hier nicht weiter erörtert zu werden. Im vorliegenden Fall ist nicht
nachgewiesen, dass die vereinbarten Ziele unmöglich erreicht werden konnten.
Dass der als Zielgrösse angegebene Umsatz unrealistisch gewesen sein soll,
bedeutet noch nicht, dass er auch unmöglich erzielt werden konnte. Massgebend
sind somit die Zielgrössen, wie sie nach den Feststellungen der Vorinstanz
von den Parteien vereinbart worden sind.

3.
Der Kläger macht schliesslich geltend, es sei unbestritten, dass der Beklagte
erklärt habe, wenn die Ziele knapp verfehlt würden, könne man über die
Jahresendzulage reden; darin liege die Zusicherung der Zulage auch für den
Fall, dass die Ziele nicht erreicht würden.

Das Obergericht hat darin keine Zusicherung gesehen. Nach dessen für das
Bundesgericht verbindlichen Feststellungen hat der Beklagte bloss eine
gewisse Gesprächsbereitschaft gezeigt, nicht aber eine Zusicherung oder ein
Versprechen abgegeben. Auch hier ist nicht zu sehen, wie aus den
tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts andere Schlüsse gezogen werden
könnten. Dem angefochtenen Entscheid sind auch keinerlei Feststellungen über
Umstände zu entnehmen, welche den Schluss zuliessen, der Kläger habe aufgrund
des Verhaltens des Beklagten auf eine Ausrichtung der Zulage unabhängig vom
Erreichen der Ziele hoffen dürfen.

4.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann, und das angefochtene Urteil ist zu bestätigen.

Gemäss Art. 343 Abs. 3 OR sind keine Gerichtskosten zu erheben. Der im
bundesgerichtlichen Verfahren unterliegende Kläger hat dem Beklagten jedoch
eine Parteientschädigung zu zahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG; BGE 115 II 30
E. 5c S. 42).

Demnach erkennt das Bundesgericht :

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil
des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, vom 20. Februar 2002
wird bestätigt.

2.
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

3.
Der Kläger hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit
Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. August 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: