Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.125/2002
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4C.125/2002 /RrF

Urteil vom 27. September 2002

I. Zivilabteilung

Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter, Präsident,
Klett, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler, Favre,
Gerichtsschreiberin Schoder.

Personalfürsorgestiftung X.________,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Advokat Jürg Gutzwiller,
Steinenbachgässlein 34, 4051 Basel,

gegen

A.________,
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gerhard
Stoessel, Bergstrasse 31, 8702 Zollikon.

Auftrag; Herausgabe von Aktien,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom
29. Januar 2002.

Sachverhalt:

A.
A. ________ war während zehn Jahren bei der Y.________ tätig und sowohl bei
der Personalfürsorgestiftung X.________ als auch bei der
Personalvorsorgestiftung BVG X.________ versichert. Dieser teilte er mit
Schreiben vom 6. August 1990 mit, dass er sein gesamtes Kapital bei den
beiden Vorsorgeeinrichtungen auf den 31. August 1993 bzw. den 31. Dezember
1993 kündigen wolle und anstatt einer Altersrente die Auszahlung seines
Altersguthabens in der Form einer Kapitalleistung wünsche. Als A.________ im
Dezember 1994 seine Erwerbstätigkeit aufgab, schlug er der
Personalfürsorgestiftung X.________ vor, ihm sein Altersguthaben nicht direkt
auszuzahlen, sondern mit einer Einmaleinlage eine Leibrentenversicherung zu
seinen Gunsten abzuschliessen. In der Folge schloss die Stiftung bei der
Z.________ einen Leibrentenversicherungsvertrag zu Gunsten von A.________ ab.
Die Stiftung wurde dadurch Genossenschafterin der Z.________. Als sich diese
im Jahr 1997 in eine Aktiengesellschaft wandelte, liess sie jedem vormaligen
Genossenschafter unentgeltlich Inhaberaktien der neuen Aktiengesellschaft
zukommen. Bei dieser Gelegenheit wurden der Personalfürsorgestiftung
X.________ 113 Gratisaktien zugeteilt.

B.
A.________ klagte am 11. Dezember 1998 gegen die Personalfürsorgestiftung
X.________ auf Herausgabe der 113 Inhaberaktien der Z.________ zu
unbeschwertem Eigentum sowie auf Zahlung von Schadenersatz, nebst Zins,
eventualiter auf Zahlung des Gegenwertes der zur Herausgabe eingeklagten 113
Aktien, mindestens von Fr. 132'210.--, nebst Zins. Das Bezirksgericht
Arlesheim wies die Klage ab. Im Verlauf des Appellationsverfahrens schränkte
der Kläger sein Rechtsbegehren ein und verlangte ausschliesslich die
Herausgabe der 113 Aktien. Mit Urteil vom 29. Januar 2002 hiess das
Obergericht des Kantons Basel-Landschaft die Klage gut und verurteilte die
Beklagte, dem Kläger die 113 Aktien, die im Laufe des erstinstanzlichen
Prozessverfahrens in Namenaktien umgewandelt worden waren, zu unbeschwertem
Eigentum herauszugeben.

C.
Die Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung die
Aufhebung des Urteils des Obergerichts und die Abweisung der Klage,
eventualiter die Rückweisung der Streitsache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz.

Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Beide Vorinstanzen gehen übereinstimmend davon aus, dass die Z.________
der Beklagten die Gratisaktien in Form einer Schenkung im Sinne von Art.
239ff. OR zukommen liess. Die Parteien lassen diesen Punkt zu Recht
unangefochten. Dagegen ist streitig, ob dem Kläger ein obligatorischer
Anspruch auf Herausgabe der Aktien zusteht.

1.2 Der Kläger nimmt mit der Vorinstanz an, dass zwischen den Parteien ein
Auftragsverhältnis bestanden habe und ihm daraus ein Anspruch auf Herausgabe
der Gratisaktien zustehe. Die Beklagte lässt weder das eine noch das andere
gelten. Sie wirft der Vorinstanz vor, zu Unrecht von einem Auftragsverhältnis
auszugehen. Zudem sei im Zeitpunkt, als sie die Gratisaktien erhalten habe,
der angebliche Auftrag zwischen den Parteien bereits beendet gewesen. Der
Kläger könne sich deshalb nicht auf den Herausgabeanspruch nach Art. 400 OR
berufen.

2.
2.1 Mit der Übernahme eines Auftrags verpflichtet sich der Beauftragte zur
Besorgung der ihm übertragenen Geschäfte im Interesse des Auftraggebers. Der
Auftrag kann entgeltlich oder unentgeltlich sein (Art. 394 Abs. 3 OR). Von
der unentgeltlichen Gefälligkeit unterscheidet er sich namentlich dadurch,
dass der Auftraggeber, im Gegensatz zum Bittsteller, ein erkennbares
rechtlich geschütztes, in der Regel wirtschaftliches Interesse am Geschäft
hat (vgl. Hofstetter, Schweizerisches Privatrecht, Basel VII/6, S. 13). Art.
394 Abs. 1 OR umschreibt den Inhalt des Vertrages weit und in allgemeiner
Form; der Auftrag kann auch den Abschluss eines Rechtsgeschäfts, sei es in
direkter oder indirekter Stellvertretung (BGE 99 II 393 E. 6 S. 397), und
zwar als einfaches oder als Dauerschuldverhältnis, zum Gegenstand haben. Um
ein Dauerschuldverhältnis handelt es sich beispielsweise, wenn der
Beauftragte im Rahmen einer Bankbeziehung in eigenem Namen Anlagen für den
Auftraggeber zu tätigen hat. Diesfalls liegt ein Treuhandverhältnis vor, auf
welches nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts Auftragsrecht zur
Anwendung gelangt (BGE 108 IB 186 E.5 S. 192; 106 IB 145 E.3 S. 150;
Fellmann, Berner Kommentar, N. 70 zu Art. 394 OR).

Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Kläger, um in
den Genuss steuerlicher Vorteile zu kommen, mit der Beklagten vereinbart,
dass diese in eigenem Namen zu Gunsten des Klägers mit dessen Altersguthaben
als Einmaleinlage einen Leibrentenversicherungsvertrag abschliesse. Das
wirtschaftliche Interesse des Klägers war für die Beklagte erkennbar, weshalb
eine blosse Gefälligkeit der Beklagten gegenüber dem Kläger ausscheidet. Auch
ein Eigeninteresse der Beklagten am Versicherungsvertrag, das einer
Subsumption unter Art. 394 OR entgegenstehen könnte (BGE 122 III 361 E. 3b S.
364), ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Vereinbarung, mit der sich die
Beklagte verpflichtete, in eigenem Namen und auf Rechnung des Auftraggebers
einen Vertrag zugunsten eines Dritten, eben des Klägers, einzugehen, lässt
sich daher entgegen der Auffassung der Beklagten zwanglos als Auftrag
qualifizieren.

2.2 Was die Frage anbelangt, ob die Beklagte mit dem Abschluss des
Leibrentenversicherungsvertrages den Auftrag erfüllt hat, so dass das
Vertragsverhältnis zum Kläger als beendet zu betrachten wäre, lässt die
Beklagte ausser Acht, dass der abzuschliessende
Leibrentenversicherungsvertrag mit Begünstigungsklausel zugunsten des Klägers
ein Dauerschuldverhältnis zwischen der Beklagten als Versicherungsnehmerin
und der Z.________ als Versicherer begründet (vgl. Koenig, Schweizerisches
Privatrecht, Basel VII/2, S. 517). Die Beklagte bleibt weiterhin
Vertragspartei des Leibrentenversicherungsvertrages, handelt aber in fremdem
Interesse und auf fremde Rechnung. Die Stellung der Beklagten als
Versicherungsnehmerin gleicht jener eines Treuhänders, der im eigenen Namen,
aber im Interesse und auf Rechnung des Treugebers auftritt (vgl. E. 2.1
hiervor). Während der Aufrechterhaltung des aus der Vermögenssphäre des
Klägers gespiesenen Leibrentenversicherungsvertrages bleibt das
Auftragsverhältnis und damit auch die für allfällige Dispositionen über das
investierte Kapital unabdingbare Weisungsbefugnis des Auftraggebers (Art. 397
Abs. 1 OR) bestehen. Dieser Umstand könnte Bedeutung erlangen, sollte der am
Versicherungsvertrag nicht als Partei mitwirkende Kläger die
Leibrentenversicherung später einmal zurückkaufen wollen. Soweit die
Vorinstanz die Auffassung vertritt, das Auftragsverhältnis zwischen Kläger
und Beklagter sei beendet, ist ihr daher nicht beizupflichten.

2.3 Somit steht fest, dass ein Auftrag zur Eingehung eines
Dauerschuldverhältnisses zugunsten des Auftraggebers vorliegt.

3.
3.1 Nach Art. 400 OR ist der Beauftragte verpflichtet, alles, was ihm infolge
der Geschäftsführung für den Auftraggeber aus irgendeinem Grunde zugekommen
ist, dem Auftraggeber zu erstatten. Diese Bestimmung soll bewirken, dass der
Beauftragte durch den Auftrag - abgesehen von einem allfälligen Honorar -
weder gewinnt noch verliert: er muss daher alle Vermögenswerte herausgeben,
welche in einem inneren Zusammenhang zur Auftragsausführung stehen und darf
nur solche Vermögenswerte für sich behalten, welche er bei Gelegenheit der
Auftragsausführung erhielt (Fellmann, Berner Kommentar, N. 127 zu Art. 400
OR; Weber, Basler Kommentar, N. 12 zu Art. 400 OR). Die Ablieferungspflicht
betrifft nicht nur diejenigen Vermögenswerte, die der Beauftragte direkt vom
Auftraggeber zur Erfüllung des Auftrags erhielt, sondern auch indirekte
Vorteile, die dem Beauftragten infolge der Auftragsausführung von Dritten
zukamen (Fellmann, a.a.O., N. 115 zu Art. 400 OR; Weber, a.a.O., N. 12 zu
Art. 400 OR). Zu diesen indirekten Vorteilen zählen beispielsweise Rabatte,
Provisionen, Schmiergelder usw. (Fellmann, a.a.O., N. 128 und N. 132 zu Art.
400 OR; Weber, a.a.O., N. 14 zu Art. 400 OR). Dabei spielt es keine Rolle, ob
die Zuwendung nach dem Willen des Dritten ausschliesslich dem Beauftragten
zugute kommen sollte oder nicht (Fellmann, a.a.O., N. 131 zu Art. 400 OR).
Was den Zeitpunkt der Rückerstattung betrifft, so hat der Beauftragte
Vermögenswerte, die er während der Auftragsausführung erlangt und für die
Vertragserfüllung nicht benötigt, mangels anderer vertraglicher Abmachung dem
Auftraggeber sofort nach ihrem Erwerb herauszugeben (vgl. BGE 91 II 442 E. 5
S. 451; Fellmann, a.a.O., N. 160 zu Art. 400 OR).

3.2 Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2
OG) erhielt die Beklagte die Gratisaktien nur deshalb von der Z.________
geschenkt, weil sie aufgrund des im Auftrag des Klägers eingegangenen
Leibrentenversicherungsvertrages Versicherungsnehmerin und Genossenschafterin
der Z.________ wurde. Weiter hielt die Vorinstanz fest, dass die Zuteilung
der Aktien aufgrund des relativen Beitrages eines jeden Genossenschafters an
den Unternehmenswert der Z.________ erfolgt sei. Dieser Beitrag wurde unter
Berücksichtigung der geleisteten Prämien der Genossenschafter in der
Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft ermittelt. Abgesehen vom
Leibrentenversicherungsvertrag zugunsten des Klägers unterhielt die Beklagte
keine weiteren Vertragsbeziehungen mit der Z.________. Aufgrund dieser
Feststellungen ist offensichtlich, dass die Schenkung der Aktien im
Zusammenhang mit dem im Auftrag des Klägers abgeschlossenen
Leibrentenversicherungsvertrages stand. Entgegen der Auffassung der Beklagten
ist für die Ablieferungspflicht des Beauftragten nicht von Bedeutung, mit
welcher Motivation die Z.________ die Gratisaktien der Beklagten zukommen
liess. Mit der Vorinstanz ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger die
Gratisaktien gestützt auf Art. 400 OR herausverlangen kann.

3.3 Nach dem Gesagten bleibt das Auftragsverhältnis aufrecht, solange der
Leibrentenversicherungsvertrag besteht. Die von der Beklagten aufgeworfene
Frage, ob sich der Kläger selbst bei beendetem Auftragsverhältnis auf den
Herausgabeanspruch nach Art. 400 OR berufen könnte, kann daher offenbleiben.

4.
Die Berufung erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Dem Ausgang des
Verfahrens entsprechend ist die Gerichtsgebühr der Beklagten aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 1 OG). Diese hat den Kläger für das bundesgerichtliche
Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Basel-Landschaft vom 29. Januar 2002 bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'500.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit

Fr. 4'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons
Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. September 2002

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:   Die Gerichtsschreiberin: