Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4C.111/2002
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4C.111/2002 /lma

Urteil vom 19. April 2004

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett, Bundesrichter Nyffeler, Favre, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Huguenin.

Gisela Blau Guggenheim, Alfred Escher Strasse 25, 8002 Zürich,
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwältin Bettina
Schmid,

gegen

British Broadcasting Corporation BBC, White City,
201 Wood Lane, GB-London W12 7TS,
Beklagte und Berufungsbeklagte.

Urheberrechtsverletzung,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 19. November 2001.

Sachverhalt:

A.
Am 8. Januar 1997 nahm der als Wachmann arbeitende Christoph Meili im
Schredderraum der heutigen UBS am Sitz der Bank in Zürich verschiedene Akten
an sich, unter anderem zwei Folianten mit den Aufschriften
"Directions-Protokoll No XIII" und "Protokoll des Bankdirectoriums". Dieser
Vorfall wurde in der Folge im Zusammenhang mit der zu jener Zeit aktuellen
Diskussion über die seit dem Zweiten Weltkrieg nachrichtenlosen Bankkonten in
der Presse bekannt gemacht.

Die Journalistin Gisela Blau Guggenheim traf sich am 13. Januar 1997 mit
Christoph Meili und veranlasste ihn, sich zusammen mit den beiden Folianten
fotografieren zu lassen. Die Schwarzweissfotografie zeigt Christoph Meili von
vorne, direkt in die Kamera blickend, wobei er die beiden Folianten je mit
einer Hand so vor den Körper hält, dass deren Deckel mit den Aufschriften gut
sichtbar sind.

Diese Fotografie verwendete die British Broadcasting Corporation in ihrem
Film "Nazi Gold", ohne vorher die Erlaubnis von Gisela Blau Guggenheim
erhalten zu haben. Der Film wurde in verschiedenen Ländern im Fernsehen
gezeigt, im Juli 1997 auch in der Schweiz.

B.
Gisela Blau Guggenheim erhob am 3. August 1998 beim Obergericht des Kantons
Zürich Klage gegen die in London ansässige British Broadcasting Corporation.
Die Klägerin stellte in der Klageschrift folgende Anträge:
"1.Es sei die Beklagte zu verpflichten, darüber Auskunft zu erteilen, mit
welchen Fernsehanstalten sie betreffend den Film "Nazi Gold", der in den
ersten zehn Minuten Spielzeit die Photographie der Klägerin von Christoph
Meili einspielt, Lizenzverträge abgeschlossen hat und an wen sie die Rechte
verkauft hat.

2. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen noch zu
bestimmenden Betrag Lizenz- und Verletzergebühren zu bezahlen.

3. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin CHF 3'000.-- Genugtuung
zu bezahlen."
In der Replikschrift vom 29. September 2001 änderte die Klägerin ihre
Rechtsbegehren. Sie verlangte nun:
"1.Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Fr. 16'200.-- nebst Zins
zu 5 % zu bezahlen.

2. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Genugtuung von Fr.
3'000.-- zu bezahlen nebst Zins zu 5 %."
Das Obergericht des Kantons Zürich entschied mit Beschluss vom 19. November
2001, auf das Klagebegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin
Fr. 3'000.-- Genugtuung zu bezahlen, werde nicht eingetreten, und mit Urteil
vom gleichen Tag (auszugsweise abgedruckt in sic! 2002 S. 96 ff. und Medialex
2002 S. 47 f.), die Klage werde abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden
könne. Der Beschluss wurde vom Obergericht damit begründet, dass der von der
Klägerin behauptete Genugtuungsanspruch nicht auf dem Urheberrecht basiere,
sondern seine Grundlage in den Bestimmungen von Art. 28 ff. ZGB habe, weshalb
das Obergericht sachlich nicht zuständig sei. Die Forderung der Klägerin
wegen Verletzung ihres Urheberrechts wies das Obergericht mit der Begründung
ab, die von der Klägerin von Christoph Meili aufgenommene Fotografie sei
urheberrechtlich nicht geschützt. Die Entscheide erfolgten gegenüber der
Beklagten im Säumnisverfahren (§ 130 f. ZPO ZH), nachdem dieser die
Gerichtsurkunden trotz wiederholter Versuche nicht hatten zugestellt werden
können.

C.
Mit Berufung vom 5. Januar 2002 beantragte die Klägerin dem Bundesgericht,
das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. November 2001
aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Fr. 16'200.-- nebst 5 % Zins zu
verpflichten.

Im bundesgerichtlichen Verfahren ergaben sich hinsichtlich der Zustellung des
angefochtenen Urteils an die Beklagte und der Aufforderung und Fristansetzung
zur Einreichung der Berufungsantwort ähnliche Schwierigkeiten, wie sie
bereits im kantonalen Verfahren aufgetreten waren. Die Verfügung des
Bundesgerichts konnte der Beklagten schliesslich am 18. Juli 2003 zugestellt
werden, wobei diese darauf hingewiesen wurde, dass sie gemäss Art. 29 Abs. 4
OG ein Zustelldomizil in der Schweiz zu bezeichnen habe, ansonsten weitere
Zustellungen des Bundesgerichts unterbleiben oder auf dem Ediktalweg erfolgen
würden.

Die Beklagte hat innerhalb der ihr angesetzten Frist kein Zustelldomizil in
der Schweiz bezeichnet und keine Berufungsantwort eingereicht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Klägerin wirft dem Obergericht zunächst vor, es hätte den hypothetischen
Willen der Parteien betreffend Werkqualität der Fotografie berücksichtigen
müssen. Sie betrachtet als offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 63
Abs. 2 OG, dass das Obergericht nicht auf den Umstand eingegangen ist, dass
die Beklagte fünfhundert englische Pfund für die Fotografie angeboten und
auch während des Verfahrens vor Obergericht nie etwas gegen die Auffassung
der Klägerin eingewendet habe, dass die Fotografie urheberrechtlich geschützt
sei.

1.1 Diesen Vorbringen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: In der
Klageschrift an das Obergericht hat die Klägerin behauptet und belegt, dass
in der Zeit vom 3. Juli 1997 bis zum 28. Mai 1998 zwischen den Parteien ein
Briefwechsel zum Thema der Entschädigung der Klägerin für die Verwendung der
Fotografie im Film "Nazi Gold" geführt wurde. Diese Verhandlungen, in deren
Verlauf die Beklagte die angebotene Summe von anfänglich hundert auf
fünfhundert englische Pfund erhöhte, scheiterten schliesslich, als die
Klägerin auch auf das letzte Angebot der Beklagten nicht einging.

Über die Frage des Bestehens eines Urheberrechts an der Fotografie fand im
Briefwechsel keine Diskussion statt. Im ersten Brief der Beklagten vom 3.
Juli 1997, der wie alle andern in englischer Sprache abgefasst ist, wird
lediglich festgehalten, dass die Beklagte die Fotografie von Christoph Meili
selbst erhalten habe, jedoch darüber informiert worden sei, dass das
Urheberrecht der Klägerin gehöre ("that the copyright belongs to you"). In
den späteren Briefen ist nicht mehr vom Urheberrecht allein, sondern ganz
allgemein von der Berechtigung an der Fotografie die Rede (Brief der
Beklagten vom 17. Juli 1997: "the rights ownership position"; Brief der
Beklagten vom 28. Mai 1998 an die Rechtsanwältin der Klägerin mit folgender -
von der Klägerseite nicht unterschriebener - Entschädigungsvereinbarung: "We
accept the above fee on behalf of Gisela Blau in full and final settlement of
any claim that she may have in connection with the use by the BBC of the
aforementioned photograph for the purposes of the above television
programme.").
1.2 Im angefochtenen Urteil wird dieser Briefwechsel nicht erwähnt. Das
bedeutet indessen nicht, dass dem Obergericht insoweit ein offensichtliches
Versehen vorgeworfen werden kann. Ein Versehen im Sinne von Art. 55 Abs. 1
lit. d bzw. Art. 63 Abs. 2 OG liegt dann vor, wenn das kantonale Gericht bei
der Feststellung des erheblichen Sachverhalts eine bestimmte Aktenstelle
versehentlich nicht berücksichtigt hat (Poudret, Commentaire de la loi
fédérale d'organisation judiciaire, N. 1.6.3 zu Art. 55 OG; Messmer/Imboden,
Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Rz. 100 S. 138). Trifft das
kantonale Gericht in Bezug auf einen bestimmten Punkt keine tatsächlichen
Feststellungen, wie das hier der Fall war, kann von vornherein kein
offensichtliches Versehen vorliegen.

Unter solchen Umständen kommt allenfalls eine Ergänzung des vorinstanzlich
festgestellten Sachverhalts durch das Bundesgericht in Frage (Art. 64 OG).
Eine Ergänzung setzt indessen nach ständiger Praxis des Bundesgerichts
namentlich voraus, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im kantonalen
Verfahren prozesskonform aufgestellt, von der Vorinstanz aber zu Unrecht für
unerheblich gehalten oder übersehen worden sind, was in der Berufungsschrift
geltend gemacht und mit genauen Angaben belegt werden muss (BGE 115 II 484 E.
2a S. 486). Andernfalls sind die Sachbehauptungen unzulässig.

Die Klägerin hat in der Klageschrift vor Obergericht nicht behauptet, dass
die Parteien die Äusserungen im Briefwechsel übereinstimmend so verstanden
haben, dass die Beklagte die urheberrechtliche Werkqualität der Fotografie
gegenüber der Klägerin anerkannt hat. Soweit die Klägerin jetzt in der
Berufungsschrift sinngemäss eine solche Behauptung vorbringt, ist darauf in
Anwendung der zitierten ständigen Praxis des Bundesgerichts zu Art. 64 OG
nicht einzugehen. Soweit die Klägerin sodann aus der Säumnis der Beklagten im
kantonalen Verfahren etwas zu ihren Gunsten ableiten will, ist darauf
ebenfalls nicht einzutreten, da es dabei um eine Frage der Anwendung des
kantonalen Verfahrensrechts (§ 130 f. ZPO ZH) geht, die im Berufungsverfahren
vor Bundesgericht nicht aufgeworfen werden kann (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).
Falls die Klägerin schliesslich mit der Verwendung des Begriffs des
hypothetischen Parteiwillens andeuten will, dass eine Auslegung der
brieflichen Äusserungen der Parteien nach dem Vertrauensgrundsatz zum von ihr
angestrebten Ergebnis führen müsse, kann ihr nicht zugestimmt werden. Nach
den für die objektivierte Auslegung massgebenden Grundsätzen (vgl. dazu BGE
129 III 702 E. 2.4 S. 707 mit Hinweisen) durfte die Klägerin die Äusserungen
der Beklagten nicht als verbindliche Anerkennung der Werkqualität der
Fotografie verstehen. Einerseits haben die Parteien auf der Grundlage einer
umfassenden, nicht nach einzelnen materiellen Rechten spezifizierten
Berechtigung der Klägerin an der Fotografie verhandelt, wobei für die
Beklagte im Vordergrund stand, dass sie die - von der Klägerin unter welchen
Rechtstiteln auch immer geführte - Auseinandersetzung endgültig beenden
konnte. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Verhandlungen
abgebrochen wurden, nachdem die Klägerin das letzte Angebot der Beklagten
nicht angenommen hatte, und die Beklagte unter diesen Umständen an einer
allfälligen Anerkennung der Werkqualität kein Interesse mehr hatte.

Diese Überlegungen führen zum Ergebnis, dass der erwähnte Briefwechsel der
Parteien, soweit er in Anwendung von Art. 64 OG vom Bundesgericht
berücksichtigt werden kann, den von der Klägerin vertretenen Rechtsstandpunkt
nicht zu stützen vermag. Ihre in diesem Punkt gegen das Urteil des
Obergerichts erhobene Rüge erweist sich als unbegründet.

2.
Das Obergericht hat der von der Klägerin aufgenommenen Fotografie die
urheberrechtliche Werkqualität mit der Begründung abgesprochen, es fehle ihr
hinsichtlich des Einsatzes fototechnischer Mittel jegliche Besonderheit. Der
Bildausschnitt und der Bildwinkel ergäben ein frontales Porträt in einer
Grösse, bei der das Gesicht von Meili und die beiden von ihm vorgezeigten
Folianten den Mittelpunkt bildeten und die Titel der beiden Folianten in der
Originalaufnahme problemlos lesbar seien. Diese Bildelemente würde jedermann
so wählen, der zeigen wolle, dass Meili im Besitz der fraglichen Dokumente
gewesen sei. Alle anderen fototechnischen Mittel seien banal und entsprächen
dem, was eine einfache Kamera automatisch gewählt hätte. Auch die Art, wie
Meili die beiden Folianten vorzeige, nämlich mit den Titelseiten frontal
gegen die Kamera, sei naheliegend und entspreche dem, was jedermann anordnen
würde. Schliesslich sei die Beleuchtung eine Blitzlichtbeleuchtung, wie sie
bei jeder einfachen Kamera von einer eingebauten Leuchte geliefert werde.
Einmalig sei die Aufnahme nur wegen ihres Objekts. Dieses dokumentiere einen
höchst ungewöhnlichen Vorfall, der damals weltweit Aufsehen erregt habe.

Die Klägerin wirft dem Obergericht eine Verletzung von Art. 2 des
Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992 (URG; SR 231.1) vor, weil es der
Fotografie zu Unrecht die Werkqualität abgesprochen habe. Sie macht geltend,
entgegen der Auffassung des Obergerichts fehle der Fotografie weder der
geistige Charakter noch die ausreichende Individualität.

2.1 Gemäss Art. 2 URG sind Werke geistige Schöpfungen der Literatur und
Kunst, die individuellen Charakter haben, wobei es auf deren Wert und Zweck
nicht ankommt (Abs. 1). Zu diesen Werken gehören nach dem Gesetz insbesondere
auch fotografische, filmische und andere visuelle oder audiovisuelle Werke
(Abs. 2 lit. g).

Das Bundesgericht hat sich in BGE 130 III 168, der ebenfalls die Frage des
Urheberrechtsschutzes einer Fotografie betraf, insbesondere zum Werkmerkmal
des individuellen Charakters geäussert. Dort (E. 4.4) wurde festgehalten,
dass die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts, soweit sie auch nach
dem Inkrafttreten des revidierten Urheberrechtsgesetzes die Begriffe der
Originalität und der Individualität synonym verwendet hatte (vgl. BGE 125 III
328 E. 4b S. 331), dahingehend zu präzisieren sei, dass das
Urheberrechtsgesetz den Schutz gemäss der Legaldefinition vom individuellen
Charakter des Werkes abhängig mache. Originalität im Sinne einer persönlichen
Prägung durch den Urheber oder die Urheberin ist nach dem revidierten Gesetz
nicht erforderlich. Vorausgesetzt wird, dass der individuelle Charakter im
Werk selbst zum Ausdruck kommt. Massgebend ist die Werk-Individualität und
nicht die Urheber-Individualität.

In diesem Entscheid hat sich das Bundesgericht in Erwägung 4.5 der in der
schweizerischen Lehre mehrheitlich vertretenen Meinung angeschlossen, dass
die Möglichkeit, der Fotografie individuellen Charakter zu verleihen, in
deren Gestaltung zu sehen ist, zum Beispiel durch die Wahl des abgebildeten
Objekts, des Bildausschnitts und des Zeitpunkts des Auslösens, durch den
Einsatz eines bestimmten Objektivs, von Filtern oder eines besonderen Films,
durch die Einstellung von Schärfe und Belichtung sowie durch die Bearbeitung
des Negativs. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschliessend und auch nicht
so zu verstehen, dass vor allem entscheidend ist, welche fototechnischen
Mittel zur Gestaltung der Fotografie eingesetzt worden sind. Massgebend ist
vielmehr das erzielte Ergebnis, das für sich allein der Anforderung gerecht
werden muss, Ausdruck einer Gedankenäusserung mit individuellem Charakter zu
sein. Auf dieser rechtlichen Grundlage aufbauend versteht sich im Übrigen von
selbst, dass auch dokumentarische Pressefotografien nicht grundsätzlich vom
Urheberrechtsschutz ausgenommen werden dürfen, wie in der Literatur
zutreffend hervorgehoben wird (von Büren, in: Schweizerisches
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. II/1, Basel 1995, S. 110 Fussnote
233; Hug Kettmeir, Urheberrecht an der Fotografie nach schweizerischem Recht,
UFITA 136/1998, S. 151 ff., S. 159 Fussnote 27).

2.2 Die Klägerin hält dem Obergericht entgegen, es stelle zu Unrecht zu sehr
auf die technische Gestaltung ab und lasse andere Elemente vollkommen
unberücksichtigt. Sie habe gestalterisch Meili mit den Ordnern so in Szene
gesetzt, dass er den Zweck der Fotografie erfülle. Sie habe unbestreitbar die
aktuelle Bedeutung von Meili in seiner Zeit erkannt. Deshalb habe sie ihn
auch fotografiert, was ebenfalls eine geistige Tätigkeit darstelle. Sie habe
den Zeitfaktor genutzt, der in der Fotografie so wichtig sei. Sie habe zur
richtigen Zeit das richtige Bild gemacht.

Das Obergericht hat demgegenüber zu Recht festgehalten, dass das mit der
Fotografie abgebildete Objekt für sich allein weder das Merkmal der
Individualität noch das Merkmal der geistigen Schöpfung zu erfüllen vermag.
Der Umstand, dass die Klägerin "zur richtigen Zeit am richtigen Ort" war, um
Christoph Meili zusammen mit den Folianten zu fotografieren, führt nicht
automatisch zum Urheberrechtsschutz für ihre Fotografie. Darin mag eine
journalistisch wertvolle Leistung liegen, die jedoch als solche für die
Zuerkennung urheberrechtlichen Schutzes nicht ausreicht. Die Werkqualität ist
hinsichtlich des Merkmals der Individualität unabhängig von der
Entstehungsgeschichte, also auch vom getätigten materiellen oder geistigen
Aufwand zur Herstellung der Fotografie zu beurteilen (Botschaft des
Bundesrates vom 19. Juni 1989 zum Urheberrechtsgesetz vom 9. Oktober 1992;
BBl 1989 III 477 ff., 521; BGE 130 III 168 E. 5.1; vgl. zu dieser Frage Max
Kummer, Das urheberrechtlich schützbare Werk, Bern 1968, S. 209 f., der
erfolglos eine urheberrechtliche Sonderreglung für die Fotografie gefordert
hat).
Die Umstände der Entstehung der Fotografie können indessen Aufschluss über
die Frage geben, ob das Merkmal der geistigen Schöpfung erfüllt ist. So ist
Christoph Meili im vorliegenden Fall nicht zufällig, sondern mit der
erkennbaren Absicht in der dargestellten Pose fotografiert worden, den
Vorfall vom 8. Januar 1997 zu dokumentieren. Die Erzeugung und Gestaltung der
Fotografie beruht zweifellos auf menschlichem Willen und diese ist auch
Ausdruck einer Gedankenäusserung. Das Obergericht hat dies jedoch nicht
verkannt, wie sich aus dem besonderen Teil seiner Urteilsbegründung ableiten
lässt. Die Berufung erweist sich somit als unbegründet, soweit die Klägerin
rügt, das Obergericht habe den Begriff der geistigen Schöpfung im Sinne von
Art. 2 URG falsch verstanden.

2.3 Die Klägerin wendet sich mit der Berufung speziell gegen die Begründung,
mit welcher das Obergericht den individuellen Charakter verneint hat (vgl.
deren wörtliche Wiedergabe oben E. 2). Sie geht indessen im zugehörigen Teil
der Berufungsschrift gar nicht auf diese Begründung ein, sondern bringt zur
Hauptsache die gleichen Einwände vor, die bereits in der vorangehenden
Erwägung verworfen worden sind. So weist sie darauf hin, dass sie einen
Fototermin mit Meili arrangieren konnte, wobei es langer Gespräche bedurft
habe, bis dieser Vertrauen gefasst habe und bereit gewesen sei, auch noch die
Folianten zu beschaffen; und dass sie Meili sich so habe hinstellen lassen,
dass die Schrift auf den Deckeln der Folianten gut zu lesen war und das Ganze
als Beweisstück dienen konnte. Die Klägerin wiederholt sodann, dass ihre
Leistung darin bestand, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, das
heisst die historische Bedeutung des Vorfalls vom 8. Januar 1997 zu erkennen
und mit der Fotografie zu dokumentieren.

Wenn sie in diesem Zusammenhang vorbringt, in der neueren schweizerischen
Lehre werde zu Recht der individuelle Charakter bereits dann bejaht, wenn ein
einmaliges Motiv fotografiert worden sei, trifft dies - jedenfalls für die
Mehrheit der Autorinnen und Autoren - nicht zu. So weist der von ihr zitierte
Alois Troller gerade darauf hin, dass die statistische Einmaligkeit der
Bildgestaltung und nicht jene des Vorhandenseins eines Ereignisses oder einer
Sache (z.B. Momentaufnahme eines gesellschaftlichen Ereignisses) entscheidend
sei (Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Auflage, Basel 1983, S. 387). Andere
Autoren, auf die sich die Klägerin ebenfalls beruft, erwähnen die
Möglichkeit, der Fotografie insbesondere durch die Wahl oder Auswahl des
abgebildeten Objekts individuellen Charakter zu verleihen (Barrelet/ Egloff,
Das neue Urheberrecht, 2. Auflage, Bern 2000, N. 19 zu Art. 2;
Ackermann/Buri, Der Fotografenvertrag als Konsumentengeschäft, in: recht
1998, S. 144 ff., S. 153; Dessemontet, Le droit d'auteur, Rz. 122 S. 78; Hug
Kettmeir, a.a.O., S. 161 f.; die von der Klägerin zitierten Gerichtsurteile
[BGE 54 II 52 ff., 76 II 97; SJ 1964/86, S. 171 ff.] sind hinsichtlich der
hier interessierenden Rechtsfrage nicht einschlägig). Diese Meinung, der sich
das Bundesgericht in BGE 130 III 168 angeschlossen hat, bedeutet jedoch
nicht, dass der fotografischen Abbildung eines weltweit einmaligen Objekts -
zum Beispiel jener des letzten Exemplars einer aussterbenden Vogelart - eo
ipso urheberrechtlicher Schutz zukommen muss (so aber de lege ferenda Elmar
Heim, Die statistische Einmaligkeit im Urheberrecht de lege lata und de lege
ferenda, Diss. Freiburg 1971, S. 92 f.). Der Schutz hängt vielmehr davon ab,
dass die Wahl des Objekts als Gestaltungselement dazu verwendet wird, der
Fotografie individuellen Charakter zu verleihen, unabhängig davon, ob das
abgebildete Objekt als historisch einmalig angesehen werden kann. Insoweit
ist das angefochtene Urteil auch hinsichtlich der Begründung nicht zu
beanstanden. Es kann hier darauf verwiesen werden. Die Klägerin hat den an
sich bestehenden Gestaltungsspielraum beim Fotografieren von Christoph Meili
weder in fototechnischer noch in konzeptioneller Hinsicht ausgenutzt, sondern
die Fotografie so gestaltet, dass sie sich vom allgemein Üblichen nicht
abhebt. Es fehlt ihr deshalb der individuelle Charakter im Sinne von Art. 2
URG.

3.
Aus diesen Gründen ist die Berufung abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

Die Gerichtsgebühr ist dem Ausgang des Verfahrens entsprechend der Klägerin
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Beklagte, die sich nicht am
bundesgerichtlichen Verfahren beteiligt hat, hat keinen Anspruch auf eine
Parteientschädigung. Da sie trotz Aufforderung kein Zustelldomizil in der
Schweiz bezeichnet hat, ist ihr das Urteil des Bundesgerichts in Anwendung
von Art. 29 Abs. 4 OG auf dem Ediktalweg zuzustellen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Klägerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Beklagten auf dem Ediktalweg, und dem
Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. Das
für die Beklagte bestimmte Exemplar wird einstweilen zu den Akten gelegt.

Lausanne, 19. April 2004

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: