Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.71/2002
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2A.71/2002/sch

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                      18. Februar 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Hungerbühler, Müller und Gerichtsschreiberin Müller.

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                         In Sachen

X.________, geb. 1974, zzt. Flughafengefängnis, Zürich,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus
Raess, Ilgenstrasse 22, Am Römerhof, Postfach 218, Zürich,

                           gegen

Migrationsamt des Kantons  Z ü r i c h,
Bezirksgericht  Z ü r i c h, Haftrichter,

                         betreffend
             Verlängerung der Ausschaffungshaft
                gemäss Art. 13b Abs. 2 ANAG,

hat sich ergeben:

     A.- Am 17. Oktober 2001 hielt die Stadtpolizei Zürich
in Zürich einen Mann an, der sich als Y.________ ausgab und
behauptete, aus Sierra Leone zu stammen, jedoch einen auf
den Namen X.________, geb. 1974, lautenden nigerianischen
Reisepass auf sich trug. Anlässlich der Befragung durch die
Stadtpolizei vom 18. Oktober 2001 gab er an, er sei am
13. Oktober 2001 mit dem Flugzeug direkt von Nigeria nach
Zürich gekommen. Am 19. Oktober 2001 wies das Migrationsamt
des Kantons Zürich X.________ aus dem Gebiet der Schweiz
weg, nahm ihn in Ausschaffungshaft und verfügte, er habe bis
zum 18. Januar 2002 in Haft zu bleiben. An der Haftrichter-
verhandlung vom 20. Oktober 2001 erklärte X.________, er er-
suche um Asyl. Mit Verfügung vom 20. Oktober 2001 genehmigte
der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich die Ausschaf-
fungshaft bis zum 18. Januar 2002.

     B.- Mit Verfügung vom 31. Oktober 2001 trat das Bundes-
amt für Flüchtlinge auf das Asylgesuch nicht ein, forderte
X.________ auf, die Schweiz sofort zu verlassen, und entzog
einer allfälligen Beschwerde gegen diese Verfügung die auf-
schiebende Wirkung.

        Am 22. November 2001 verlegte der psychiatrisch-
psychologische Dienst des Justizvollzugs des Kantons Zürich
X.________ notfallmässig in die Psychiatrische Klinik Hard
in Embrach. Mit Zwischenverfügung vom 5. Dezember 2001 wies
die Schweizerische Asylrekurskommission das Gesuch von
X.________ um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
seiner Beschwerde ab. Am 18. Dezember 2001 wurde er aus der
Klinik entlassen. Mit Entscheid vom 10. Januar 2002 trat

die Schweizerische Asylrekurskommission auf die Beschwerde
von X.________ gegen die Verfügung des Bundesamts für
Flüchtlinge vom 31. Oktober 2001 nicht ein, da dieser den
verlangten Kostenvorschuss nicht geleistet hatte.

        Mit Verfügung vom 15. Januar 2002 genehmigte die
Haftrichterin des Bezirksgerichts Zürich eine Verlängerung
der Ausschaffungshaft bis zum 17. April 2002.

     C.- Dagegen hat X.________ mit Eingabe vom 7. Februar
2002 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde er-
hoben. Er beantragt, den Entscheid des Haftrichters aufzu-
heben und ihn unverzüglich aus der Haft zu entlassen; er
ersucht zudem um unentgeltliche Rechtspflege und Verbei-
ständung.

        Das Migrationsamt des Kantons Zürich beantragt die
Abweisung der Beschwerde. Die Haftrichterin hat auf eine
Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesamt für Ausländerfragen
hat sich nicht vernehmen lassen. Der Beschwerdeführer hat
sich mit Schreiben vom 14. Februar 2002 noch einmal zur
Sache geäussert.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Aus-
schaffungshaft nehmen, wenn die Voraussetzungen von Art. 13b
ANAG erfüllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein erstin-
stanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger,
Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 121 II 59

E. 2a S. 61), dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender Reise-
papiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist. Zudem muss
einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe be-
stehen (BGE 124 II 1 E. 1 S. 3), die Ausschaffung rechtlich
und tatsächlich möglich sein (Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG;
vgl. BGE 122 II 148 E. 3 S. 152 ff.) und die Papierbeschaf-
fung mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden (Art. 13b
Abs. 3 ANAG; Beschleunigungsgebot; BGE 124 II 49 ff.). Die
Haft darf höchstens drei Monate dauern; stehen dem Vollzug
der Wegweisung besondere Hindernisse entgegen, so kann die
Haft mit Zustimmung der kantonalen richterlichen Behörde um
höchstens sechs Monate verlängert werden (Art. 13b Abs. 2
ANAG).

     2.- a) Das Migrationsamt des Kantons Zürich hat den Be-
schwerdeführer mit Verfügung vom 19. Oktober 2001 aus dem
Gebiet des Kantons Zürich weggewiesen. Der Beschwerdeführer
behauptet, die Anordnung der Ausschaffungshaft könne sich
nicht auf diesen Wegweisungsentscheid stützen, da er über
ein gültiges Transitvisum verfügt und sich daher legal in
der Schweiz aufgehalten habe.

        Der Haftrichter hat die Haftgenehmigung zu verwei-
gern, wenn sich der zu sichernde Wegweisungsentscheid als
offensichtlich unzulässig erweist (BGE 125 II 217 E. 2
S. 220); d.h. wenn eine erstinstanzliche Wegweisungsver-
fügung oder eine formlose Wegweisung vorliegt, die einen
augenfälligen Fehlentscheid darstellt (121 II 59 E. 2c
S. 62).

        Dies ist hier nicht der Fall: Trifft die Behauptung
des Beschwerdeführers, wonach er aus Sierra Leone stamme und
sich in Nigeria gestützt auf falsche Personalien einen Reise-
pass beschafft habe, zu, so war seine Einreise in die Schweiz

auf jeden Fall illegal und die Wegweisung durch das Migra-
tionsamt daher nicht zu beanstanden. Stammt er demgegenüber,
wie die kantonalen Behörden annehmen, aus Nigeria und ist
sein Reisepass echt, so ist er dank eines Transitvisums zwar
legal in die Schweiz eingereist. Nachdem er aber sein Flug-
ticket für den noch am gleichen Abend geplanten Weiterflug
nach China hat verfallen lassen, hielt er sich jedenfalls am
17. Oktober 2001, als ihn die Stadtpolizei Zürich aufgriff,
nicht mehr legal in der Schweiz auf. Daran ändert nichts,
dass das Transitvisum eine Gültigkeit vom 3. Oktober bis zum
2. November 2001 hatte: Dies bedeutet nicht, dass sich der
Beschwerdeführer so lange in der Schweiz aufhalten durfte,
sondern dass er innerhalb dieses Zeitraumes den Zeitpunkt
seiner transitmässigen Einreise selber bestimmen durfte.
Entsprechend ist aus dem Visum auf der Passkopie denn auch
ersichtlich, dass die Rubrik "durée maximale du séjour"
durchgestrichen ist; auch dies deutet darauf hin, dass das
Transitvisum in Hinblick auf einen sofortigen Weiterflug
ausgestellt worden war.

        Der Haftverlängerungsentscheid basiert im Übrigen
zusätzlich auf der - durch den Nichteintretensentscheid der
Schweizerischen Asylrekurskommission vom 10. Januar 2002
bestätigten - Wegweisungsverfügung des Bundesamts für Aus-
länderfragen.

        b) Die Untertauchensgefahr (vgl. dazu BGE 122 II 49
E. 2a S. 50 f.) ist ohne weiteres gegeben, da der Beschwer-
deführer die Behörden über seine Identität getäuscht hat:

        Es ist heute noch nicht mit aller Sicherheit aus-
geschlossen, dass er doch aus Sierra Leone stammt und sich
- möglicherweise bei einem korrupten Beamten der zuständigen
Behörde in Nigeria - einen auf einen fremden Namen lautenden
Pass beschafft hat. Sollte diese Version des Beschwerdefüh-

rers zutreffen, so hat er sich aufgrund eines Passes, der
nicht auf seinen eigenen Namen ausgestellt war, auf dem
Flughafen Kloten gegenüber den Grenzbeamten ausgewiesen und
diese damit über seine Identität getäuscht. Stammt er hin-
gegen aus Nigeria, so hat er den Behörden gegenüber zu Un-
recht angegeben, er stamme aus Sierra Leone. Zudem hat er,
nachdem das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen war,
am 15. Januar 2002 gegenüber der Haftrichterin erklärt, nach
Sierra Leone gehe er nur zurück, wenn dort Frieden herrsche;
aber auch in Nigeria sei sein Leben in Gefahr.

        Damit bietet der Beschwerdeführer keine Gewähr da-
für, dass er sich zu gegebener Zeit, wenn die Reisepapiere
vorliegen, für den Vollzug der Ausschaffung zur Verfügung
halten wird.

        c) Der Beschwerdeführer wirft den Behörden eine
Verletzung des Beschleunigungsgebotes vor.

        Nachdem der Beschwerdeführer anlässlich der ersten
Haftverhandlung ein Asylgesuch gestellt hatte, waren die
Hände der Behörden, was Abklärungen bei den beiden in Frage
kommenden Heimatländern anbelangt, vorerst gebunden (vgl.
Art. 97 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998
[SR 142.31]). Das Bundesamt für Flüchtlinge hatte in seiner
Verfügung vom 31. Oktober 2001 einer allfälligen Beschwerde
die aufschiebende Wirkung entzogen, womit der Wegweisungs-
entscheid an sich vollstreckbar wurde; nachdem der Beschwer-
deführer aber bei der Asylrekurskommission am 29. November
2001 ein Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenen Wir-
kung gestellt hatte, kann den Behörden bis zum Entscheid da-
rüber - konkret am 5. Dezember 2001 - kein Vorwurf gemacht
werden, wenn sie sich während dieser Zeitspanne (ein paar
Tage) mit Abklärungen bei den in Frage kommenden Heimat-
staaten zurückhielten.

        Der Beschwerdeführer ist immer bei seiner Aussage
geblieben, wonach er aus Sierra Leone stamme und sich sei-
nen nigerianischen Pass in Benin City verschafft habe. Am
13. November 2001 wandte sich das Migrationsamt an das Bun-
desamt für Flüchtlinge um Vollzugsunterstützung und wies
darauf hin, dass es vielleicht im Zusammenhang mit dem ni-
gerianischen Pass sinnvoll wäre, den Beschwerdeführer bei
der nigerianischen Botschaft vorzuführen. Am 19. November
2001 ersuchte ein Mitarbeiter des Bundesamtes den Migra-
tionsdienst telefonisch um Zustellung des Passes und stellte
in Aussicht, er werde diesen Pass bei der nigerianischen
Botschaft vorbeibringen und überprüfen lassen. Am 20. Novem-
ber 2001 konfrontierte die Kantonspolizei den Beschwerde-
führer mit dem Verdacht auf eine Blankofälschung des Passes;
dieser erklärte hierauf, er sei mit einer eventuellen Vor-
führung bei den nigerianischen Behörden einverstanden. Hie-
rauf ersuchte die Kantonspolizei das Migrationsamt mit
Schreiben vom 21. November 2001 darum, durch das Bundesamt
bei den nigerianischen Behörden abklären zu lassen, ob es
sich beim vorliegenden Reisepass möglicherweise um eine
Blankofälschung handle, und ob die erwähnte Passnummer mög-
licherweise in Nigeria als gestohlen gemeldet worden sei.

        Aus den Akten gehen für den Zeitraum bis zum
8. Januar 2002 keine weiteren Abklärungen der Behörden in
Bezug auf die Identität des Beschwerdeführers hervor. Dass
er selber den nigerianischen Behörden nicht vorgeführt
wurde, solange er sich in psychiatrischer Behandlung befand
(22. November bis 18. Dezember 2001), ist nicht zu beanstan-
den. Demgegenüber hätte - spätestens nach dem 5. Dezember
2001 - nichts entgegengestanden, den Pass wie geplant bei
den nigerianischen Behörden überprüfen zu lassen. Ebenso
hätten die Behörden von Sierra Leone angefragt werden können,
ob bei ihnen eine Person mit dem Namen, den der Beschwerde-
führer angegeben hat, registriert ist.

        Mit Schreiben vom 8. Januar 2002 wandte sich das
Bundesamt für Flüchtlinge an die Schweizerische Botschaft
in Lagos und bat sie darum, bei der ausstellenden nigeriani-
schen Passkontrolle anzufragen, ob die entsprechende Pass-
nummer als gestohlen gemeldet worden sei. Mit Schreiben vom
10. Januar 2002 an das Bundesamt für Flüchtlinge führte die
Schweizerische Botschaft in Lagos aus, der Pass sei garan-
tiert echt. Aus dem Schreiben geht jedoch nicht hervor, ob
sie Abklärungen zur Frage getroffen hat, ob allenfalls eine
Blankofälschung des Passes vorliegen könnte.

        Es erstaunt, dass die kantonalen und eidgenössi-
schen Behörden, obwohl der Verdacht auf eine Blankofälschung
schon auf dem Tisch lag, erst am 8. Januar 2002 bei der
Schweizer Botschaft in Nigeria vorstellig wurden; ebenfalls
erstaunt, dass sie weder bei den nigerianischen Behörden
direkt noch bei den Behörden von Sierra Leone Abklärungen
darüber vorgenommen haben, ob der Beschwerdeführer in einem
dieser beiden Länder registriert ist. Da aber seit dem
5. Dezember 2001 bis zum Haftrichtentscheid vom 15. Januar
2002 nicht mehr als ein Monat und zehn Tage vergangen sind,
kann das Beschleunigungsgebot noch als eingehalten gelten.
Die entsprechenden Abklärungen sind aber umgehend nachzu-
holen.

        d) Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, eine
Verlängerung der Ausschaffungshaft sei nicht zulässig, da
einem Vollzug der Wegweisung keine besonderen Hindernisse
entgegenstünden (Art. 13b Abs. 2 ANAG), denn die Behörden
hätten ja den Pass des Beschwerdeführers für echt gehalten
und damit die Wegweisung vollziehen können.

        Damit widerspricht er sich aber, bestand er doch
noch anlässlich der Haftrichterverhandlung vom 15. Januar
2002 ausdrücklich darauf, aus Sierra Leone zu stammen. Nach-

dem auch heute noch nicht mit aller Klarheit feststeht, ob
es sich bei seinem nigerianischen Pass nicht doch um eine
Blankofälschung handelt, ist die Identität des Beschwerde-
führers nach wie vor nicht geklärt, was ein solches beson-
deres Hindernis darstellt. Bei dieser Sachlage kann im heu-
tigen Zeitpunkt auch nicht geltend gemacht werden, eine Aus-
schaffung in seinen Heimatstaat sei nicht möglich oder nicht
zulässig. Der Vollzug der Wegweisung ist daher absehbar.

        e) Die Haftverlängerung um drei Monate erweist sich
daher als bundesrechtskonform.

     3.- Bei diesem Verfahrensausgang würde der Beschwerde-
führer an sich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Da die
Beschwerde aber nicht als von vornherein aussichtslos gelten
kann und die Prozessarmut des Beschwerdeführers gegeben er-
scheint, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung gutzuheissen (vgl. Art. 152 Abs. 1 und 2 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wird gutgeheissen:

        a) Es werden keine Kosten erhoben.

        b) Rechtsanwalt Dr. Markus Raess wird als amtlicher
Vertreter des Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm
für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichts-
kasse ein Honorar von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem
Migrationsamt des Kantons Zürich sowie dem Bezirksgericht
Zürich, Haftrichter, und dem Bundesamt für Ausländerfragen
schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 18. Februar 2002

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                  Die Gerichtsschreiberin: