Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.56/2002
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2A.56/2002/sch

Urteil vom 14. Juni 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, Merkli,
Ersatzrichter Cavelti,
Gerichtsschreiberin Müller.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Jürg Walker, Solothurnerstrasse
101, 4600 Olten,

gegen

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundeshaus West, 3003 Bern.

Abgabe eines multiplen Rückreisevisums

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartements vom 28. Dezember 2001
Sachverhalt:

A.
Der aus Bangladesch stammende, 1970 geborene X.________ reiste am 18. August
1997 in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch, welches das Bundesamt für
Flüchtlinge mit Verfügung vom 28. Januar 1999 ablehnte. Gegen diesen
Entscheid erhob X.________ am 1. März 1999 Beschwerde bei der Schweizerischen
Asylrekurskommission. Mit Schreiben vom 9. Juli 1999 teilte die
Fremdenpolizei des Kantons Basel-Stadt dem Bundesamt für Flüchtlinge mit,
X.________ leide an einer terminalen Leberkrankheit, welche sich im
Endstadium befinde; seine einzige Chance sei eine Lebertransplantation. Es
ersuchte das Bundesamt, zu prüfen, ob eine vorläufige Aufnahme aus
medizinischen Gründen in Frage komme. Mit Verfügung vom 21. Oktober 1999 nahm
das Bundesamt für Flüchtlinge X.________ wegen Unzumutbarkeit der Wegweisung
für die Dauer von zwölf Monaten vorläufig auf. Hierauf zog X.________ seine
Beschwerde, soweit sie sich gegen die Asylverweigerung richtete, zurück.

B.
Am 10. Dezember 1999 liess X.________ mitteilen, er sei mittlerweile im
Besitz eines heimatlichen Reisepasses, und ersuchte um die Ausstellung eines
multiplen Rückreisevisums, damit er - noch vor seiner Operation - ins
benachbarte Ausland reisen könne. Das Bundesamt für Flüchtlinge wies das
Gesuch mit Schreiben vom 1. März 2000 ab. Mit Eingabe vom 8. März 2000
erneuerte X.________ das Gesuch und teilte mit, die Lebertransplantation sei
mittlerweile erfolgt. Dieses Gesuch lehnte das Bundesamt für Flüchtlinge mit
Verfügung vom 13. Juli 2000 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement mit Entscheid vom 28. Dezember
2001 ab.

C.
Dagegen hat X.________ am 30. Januar 2002 beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Er beantragt, den Entscheid des
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements aufzuheben und ihm ein
Rückreisevisum für mehrere Rückreisen in die Schweiz auszustellen. Er
beantragt zudem, das EJPD zu verpflichten, ihm die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren, und ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung für das Verfahren vor Bundesgericht.

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt, auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm eingereichten
Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 125 II 293 E. 1a S.
299, mit Hinweisen).

1.1 Gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei unzulässig
gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das
Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Dieser Ausschlussgrund kommt im
vorliegenden Fall nicht zum Tragen, da der Beschwerdeführer keine
fremdenpolizeiliche Anwesenheitsbewilligung verlangt.

1.2 Das Bundesgericht hat die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen die Verweigerung eines Identitätsausweises bejaht mit der Begründung,
dass mit dem Identitätsausweis für schriftenlose Ausländer ohne
Niederlassungsbewilligung, vorläufig Aufgenommene und Internierte nicht ein
Anwesenheitsstatus in der Schweiz geregelt oder irgendein Aufenthalt
bewilligt werde. Vielmehr handle es sich um ein Ausweispapier, das zwar nicht
geeignet sei, über die Personalien und die Staatsangehörigkeit des Inhabers
Beweis zu leisten, das diesem aber die Reise über die Schweizer Grenze hinaus
ermögliche. Ob der Identitätsausweis überhaupt einen Bewilligungscharakter
aufweise, sei zweifelhaft; aber selbst wenn dies zuträfe, könnte er nur zum
Teil als Bewilligung bezeichnet werden. Da es somit nicht - oder allenfalls
nicht nur - um die Verweigerung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung gehe,
sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Urteile vom 16. März 1992
[2A.309/1991] E. 1a; vom 20. Mai 1996 [2A.173/1995] E. 1a und vom 28. Oktober
1996 [2A.205/1996] E. 1b, publiziert in Asyl 1997/1 S. 20 f.). Diese Urteile
ergingen noch in Anwendung der alten Verordnung vom 9. März 1987 über
Reisepapiere für schriftenlose Ausländer (AS 1987 538, 1990 1585, 1995 5048,
1996 1230).

Auch unter dem neuen Recht hat sich der Charakter der Bewilligung nicht
geändert: Nach Art. 1 der Verordnung vom 11. August 1999 über die Abgabe von
Reisepapieren an schriftenlose Ausländer (RPAV; SR 143.5) gibt das Bundesamt
für Flüchtlinge anerkannten Flüchtlingen, staaten- und schriftenlosen
ausländischen Personen, vorläufig Aufgenommenen, Schutzbedürftigen und
Asylsuchenden für die Ausreise aus der Schweiz Reisepapiere ab. Dabei handelt
es sich entweder um einen Reiseausweis (Art. 1 lit. a), einen Pass für eine
ausländische Person (Art. 1 lit. b), einen Identitätsausweis (Art. 1 lit. c)
oder ein Reiseersatzdokument (Art. 1 lit. d). Diese Reisepapiere sind
fremdenpolizeiliche Ausweispapiere. Sie gelten nicht als Nachweis der
Identität und der Staatsangehörigkeit der ausländischen Personen (Art. 7 Abs.
1 RPAV). Wer einen Reiseausweis oder einen Pass für ausländische Personen
besitzt, ist während der Gültigkeitsdauer zur Rückkehr in die Schweiz
berechtigt (Art. 7 Abs. 2 RPAV). Der Identitätsausweis und das
Reiseersatzdokument berechtigen hingegen nur zur Rückkehr oder zur Einreise,
wenn sie ein gültiges Rückreise- beziehungsweise Einreisevisum enthalten
(Art. 7 Abs. 4 RPAV). Diese in der Verordnung vorgesehenen Reisepapiere
verschaffen dem Gesuchsteller keinen bestimmten Anwesenheitsstatus in der
Schweiz; es kommt daher der Ausschlussgrund von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff.
3 OG ebenso wenig zum Tragen wie unter der Herrschaft der aufgehobenen
Verordnung.

1.3 Im Gegensatz zu den oben zitierten Fällen verlangt der bereits über einen
Reisepass verfügende Beschwerdeführer indessen kein Reisepapier; er ersucht
vielmehr um ein Rückreisevisum für mehrere Rückreisen in die Schweiz. Damit
verlangt er im Voraus für den Fall, dass er sich ins Ausland begibt, eine
Genehmigung der Wiedereinreise.

Gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 OG ist auf dem Gebiet der
Fremdenpolizei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen die
Einreiseverweigerung, die Einreisebeschränkung und die Einreisesperre.

Die Verweigerung eines Rückreisevisums ist nichts anderes als eine im Voraus
ausgesprochene (Wieder)Einreiseverweigerung und fällt damit unter diesen
Ausschlussgrund. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher nicht
einzutreten.

2.
2.1Der Beschwerdeführer beantragt, das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement zu verpflichten, ihm "für das dortige Beschwerdeverfahren
die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren".

Aus dem angefochtenen Entscheid geht hervor, dass das Departement für das bei
ihm hängige Verfahren ausnahmsweise keine Verfahrenskosten erhoben und
demzufolge das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege als gegenstandslos
abgeschrieben hat. Hingegen hat es das Gesuch um unentgeltliche
Rechtsverbeiständung abgelehnt, weil es die Beschwerde als von vornherein
aussichtslos wertete.

Der Antrag ist daher so zu verstehen, dass der Beschwerdeführer vor
Bundesgericht die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung durch
das Departement anficht.

2.2 Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen jeden Teil-, Zwischen- oder auch
Nichteintretensentscheid unzulässig, wenn sie auch in der Hauptsache
unzulässig wäre (BGE 111 Ib 73 E. 2a S. 74 f.). Art. 101 lit. b OG
konkretisiert diesen allgemeinen Grundsatz ausdrücklich für Verfügungen über
Verfahrenskosten und Parteientschädigungen. Die gegen die Verweigerung eines
multiplen Rückreisevisums unzulässige Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit
auch ausgeschlossen, soweit das Departement das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung im Beschwerdeverfahren betreffend Rückreisevisum abgewiesen
hat (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 30. September 1993 [2A.283/1993]
sowie BGE 119 Ib 412).

3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens würde der Beschwerdeführer grundsätzlich
kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).

Der Beschwerdeführer hat für das Verfahren vor Bundesgericht um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Dass auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden kann, liegt nicht so
klar auf der Hand, dass die Beschwerde geradezu als aussichtslos bezeichnet
werden müsste. Da zudem die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers als gegeben
und die Beiordnung eines Rechtsanwalts als notwendig erscheint, ist ihm die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren (Art. 152 Abs. 1
und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
gutgeheissen:
2.1Es werden keine Kosten erhoben.

2.2 Fürsprech Jürg Walker wird als amtlicher Vertreter des Beschwerdeführers
bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.

3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Juni 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: