Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.566/2002
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2A.566/2002 /kil

Urteil vom 9. Januar 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

A. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Steueramt des Kantons Aargau, Sektion Verrechnungssteuern, Telli-Hochhaus,
5004 Aarau,
Steuerrekursgericht des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 70, 5001 Aarau.

Verrechnungssteuer 1999 und 2000 (Rückerstattung),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Steuerrekursgerichts
des Kantons Aargau vom 24. Oktober 2002.

Sachverhalt:

A.
Mit Verrechnungssteuer-Entscheid vom 2. April 2001 legte das Steueramt des
Kantons Aargau den Rückerstattungsanspruch von A.________ für Fälligkeiten
der Jahre 1999 und 2000 auf Fr. 8'245.95 fest. In der Begründung wurde
festgehalten, dass für Konten und Aktien, welche auf A.________ und
B.________ (seine ehemalige Lebenspartnerin) gemeinsam lauteten, nur der
halbe Anteil gewährt werden könne. Der Rückerstattungsanspruch für die andere
Hälfte sei von B.________ geltend zu machen.

Mit Eingabe vom 21. Dezember 2001 ersuchte A.________ das kantonale Steueramt
um "umgehende Auszahlung" des noch ausstehenden Verrechnungssteuerguthabens.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2002 hielt das kantonale Steueramt fest, der
Rückerstattungsanspruch für Fälligkeiten, welche die gemeinsamen Konten bzw.
Aktien betreffen, stehe Frau B.________ zu. Nach weiteren Bestreitungen durch
A.________ nahm das kantonale Steueramt dessen Schreiben vom 21. Dezember
2001 als Einsprache entgegen und forderte ihn u.a. auf, zu begründen, weshalb
er auf den Verrechnungssteuer-Entscheid vom 2. April 2001 nicht reagiert
habe. Mit Eingabe vom 15. März 2002 hielt A.________ fest:

"Ich hatte die Teilrückzahlung und Begründung damals zur Kenntnis genommen,
musste jedoch andere Prioritäten setzen. Ich sah keinen sofortigen
Handlungsbedarf, da ja die Aufforderung darin bestand, die Differenz sei auf
dem persönlichen Wertschriftenverzeichnis von Frau B.________ zu deklarieren.
Dies wurde mir selbst mit Schreiben vom 09.01.2002 (Frau C.________), erneut
bestätigt. Jedoch, so glaube ich nach wie vor, konnte dies ohne mein
Einverständnis nicht geschehen."

Mit Entscheid vom 18. April 2002 trat das kantonale Steueramt auf die
Einsprache zufolge Fristablaufs nicht ein.

B.
Mit Beschwerde an das Steuerrekursgericht des Kantons Aargau machte
A.________ u.a. geltend, der Verrechnungssteuer-Entscheid vom 2. April 2001
habe ihn in einem Zeitpunkt erreicht, da er eine tiefe Depression durchlaufen
habe. Sein fester Glaube und Wille, alles wieder in geordnete Bahnen lenken
zu können, habe ihm den Verrechnungssteuer-Entscheid weniger bedeutsam
erscheinen lassen, und er sei offenbar nicht in der Lage gewesen, die Folgen
einer Fristverwirkung zu erkennen.

Am 4. Juni 2002 teilte der Präsident des Steuerrekursgerichts dem
Beschwerdeführer mit, dass ein allfälliger Hinderungsgrund wegen Erkrankung
durch ärztliche Bescheinigung zu belegen wäre. In der Folge reichte der
Beschwerdeführer ein Arztzeugnis vom 17. Juni 2002 ein.

Mit Urteil vom 24. Oktober 2002 wies das Steuerrekursgericht die Beschwerde
ab. Es erwog, die ärztliche Bestätigung, wonach der Beschwerdeführer an je
einem Zeitpunkt vor und nach dem für die Wiederherstellung der Frist
massgeblichen Zeitraum unter Depressionen gelitten habe, reiche nicht aus, um
zu belegen, dass er auch zwischen April und Dezember 2001 wegen seiner
psychischen Beeinträchtigung nicht in der Lage gewesen sei, Einsprache zu
erheben.

C.
Mit rechtzeitiger Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt A.________, der
Entscheid des Steuerrekursgerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben und auf
seine Beschwerde an das Steuerrekursgericht (recte wohl: Einsprache) sei
einzutreten. Er macht geltend, die Nichtanerkennung des ärztlichen Zeugnisses
sei reine Willkür und verstosse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt, sondern nur die Akten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Einsprachen gegen Entscheide des kantonalen Verrechnungssteueramtes über die
Rückerstattung der Verrechnungssteuer können innert 30 Tagen nach der
Eröffnung eingereicht werden. Dabei finden Art. 42 und 44 VStG sinngemäss
Anwendung (vgl. Art. 53 VStG). Die fristgerechte Einreichung der Einsprache
ist von Amtes wegen zu prüfen. Auf verspätete Einsprachen darf nicht
eingetreten werden.

Es steht ausser Frage, dass der Verrechnungssteuer-Entscheid des kantonalen
Steueramtes vom 2. April 2001 dem Beschwerdeführer zugestellt werden konnte.
Das geht namentlich aus dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 15. März 2002
hervor, wo er bestätigte, dass er die "Teilrückzahlung und Begründung damals
zur Kenntnis genommen (habe)". Auch in der Beschwerde an das
Steuerrekursgericht führte er aus, "der Verrechnungssteuer-Entscheid vom
02.04.2001 erreichte mich zu einem Zeitpunkt, als ich eine tiefe Depression
durchlief ...". Das sind Hinweise, dass der Entscheid dem Beschwerdeführer
ordnungsgemäss eröffnet werden konnte. Der Entscheid enthielt den Hinweis auf
die Einsprachemöglichkeit. Der Beschwerdeführer reagierte darauf nicht,
sondern verlangte die Rückerstattung für den restlichen Betrag erst am 21.
Dezember 2001. Diese Eingabe ist verspätet. Sie wurde vom kantonalen
Steueramt als Einsprache gewertet und mit Nichteintreten erledigt.

2.
Auf eine verspätete Einsprache kann nur eingetreten werden, wenn ein Grund
für die Wiederherstellung der Frist besteht. Das Verrechnungsteuergesetz
enthält keine ausdrückliche Vorschrift über die Wiederherstellung der Frist,
doch ist anerkannt, dass auch im Bereich der Verrechnungssteuer
Wiederherstellung möglich ist, wenn der Einsprecher durch ein unverschuldetes
Hindernis abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln (BGE 96 I 162 E.
3). Die Wiederherstellung hat zum Zweck, die Verwirklichung des materiellen
Rechts herbeizuführen, wenn die Frist zwar versäumt worden ist, dies aber
seinen Grund in einem entschuldbaren Hindernis hat. Im Hinblick auf diesen
Zweck, dürfen an den Beweis des Grundes, der vom Gesuchsteller zu erbringen
ist, keine zu hohen  Anforderungen gestellt werden (ASA 41 619).
Im ärztlichen Zeugnis vom 11. Juli 2002, das der Beschwerdeführer der
Vorinstanz einreichte, führte Dr. med. D.________ aus:

"Hiermit bestätige ich, dass ich am 11.07.2000 Herrn A.________ notfallmässig
betreut habe wegen einer schweren depressiven Entwicklung. Diese Entwicklung
hat angehalten. Ich habe den Patienten das letzte Mal am 10.06.2002 gesehen,
die Depression ist deutlich aufgehellt, doch leidet er immer noch massivst.
Diverse persönliche und finanzielle Umstände haben den Patienten in die
depressive Entwicklung hineingetrieben. Entsprechend musste ich den Patienten
noch medikamentös behandeln."

Dieser Befund schliesst indes nicht aus, dass der Beschwerdeführer in der
Zeit vom 2. April 2001 bis zum Ablauf der Einsprachefrist die Bedeutung
behördlicher Verfügungen (Entscheide) erkennen und seine Verfahrensrechte
wahren oder damit einen Dritten beauftragen konnte. Das Arztzeugnis äussert
sich zu dieser Frage nicht. Doch lassen die Schreiben und Eingaben des
Beschwerdeführers vom 21. Dezember 2001, 12. Januar, 9. und 19. Februar, 4.
und 15. März sowie 13. April und 15. Mai 2002 erkennen, dass der
Beschwerdeführer in der Lage war, seine Positionen und Argumente klar und
widerspruchsfrei, in logischer Abfolge und mit Nachdruck vorzutragen. Das zu
beurteilen ist der Richter berufen, nicht der Arzt. Trotz seiner Depression,
die weiter anhielt und unter der er "massivst" (Dr. med. D.________) litt,
war es dem Beschwerdeführer offensichtlich möglich, seine Interessen
wahrzunehmen. Die erwähnten Schreiben wurden zwar nach Ablauf der
Einsprachefrist verfasst, doch deutet nichts darauf hin, dass die Situation
vom 2. April 2001 bis zum Ablauf der Einsprachefrist wesentlich anders zu
beurteilen ist. Mit der Krankheit lässt sich daher die Fristversäumnis nicht
begründen.

3.
Bestimmte Äusserungen in der vorinstanzlichen Beschwerde (S. 1) legen
vielmehr die Vermutung nahe, dass der Beschwerdeführer deshalb untätig blieb,
weil er die Bedeutung des Entscheides vom 2. April 2001 nicht erkannt hatte
(s. auch das Schreiben vom 21. Dezember 2001). Deswegen und weil er der
irrigen Ansicht war, der fehlende Betrag werde ihm zurückerstattet, hat er
möglicherweise nicht rechtzeitig Einsprache erhoben. Zudem hoffte er damals
noch, seine Beziehung zu Frau B.________ werde sich wieder herstellen lassen
(vgl. das Schreiben vom 15. März 2002). Ein Irrtum über die Tragweite eines
Entscheides, enttäuschte Hoffnungen oder mangelnde Rechtskenntnisse stellen
aber - wie bei einer gesunden Person - keinen Grund für eine
Fristwiederherstellung dar. Das kantonale Steueramt trat daher zu Recht auf
die Einsprache nicht ein.

Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und im vereinfachten Verfahren
nach Art. 36a OG zu erledigen. Die Kosten des Verfahrens sind dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Steueramt und dem
Steuerrekursgericht des Kantons Aargau sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung, Hauptabteilung Stempelabgaben und Verrechnungssteuer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Januar 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: