Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.550/2002
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2A.550/2002 /leb

Urteil vom 8. September 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Müller,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

B. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Graubünden, Abteilung Rechnungswesen,
Steinbruchstrasse 20, 7001 Chur.

Sicherstellungsverfügung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Sicherstellungsverfügung der
Steuerverwaltung des Kantons Graubünden vom 30. Oktober 2002 betreffend
direkte Bundessteuer 1999/2000.

Sachverhalt:

A.
Am 15. August 2001 erliess die Kantonale Steuerverwaltung Graubünden
gegenüber B.________ eine Sicherstellungsverfügung für die direkte
Bundessteuer 1999/2000 über den Betrag Fr. 60'000.--. Grundlage bildete die
Veranlagungsverfügung vom 2. August 2001 mit einem steuerbaren Einkommen von
Fr. 390'800.-- (Steuerbetrag Fr. 40'017.-- pro Jahr). Gegenüber dem
deklarierten Einkommen hatte die Veranlagungsbehörde nach der
Reinvermögenszugangstheorie weitere Vermögenswerte im Betrag von über Fr.
600'000.-- als Einkommen aufgerechnet, die sie nach Auflageverfahren auf
nicht deklarierten Bankkonten entdeckt hatte und über deren Herkunft der
Steuerpflichtige keine befriedigenden Antworten geben konnte. Unter anderem
stellte der Steuerkommissär fest, dass Fr. 300'000.-- auf vom
Beschwerdeführer nicht deklarierte Bankkonti einbezahlt worden seien. Zudem
soll dem Steuerpflichtigen gemäss einer anonymen Meldung eine Zahlung seines
Arbeitgebers im Betrag von Fr. 80'164.-- über die C.________ Vaduz
zugeflossen sein. Die Veranlagungsbehörde beurteilte die Bezahlung der
Steuerforderung als gefährdet, nachdem der Steuerpflichtige Bankkonten
verheimlichte und seine Vermögensverhältnisse jeweils nur insoweit aufdeckte,
als die Behörde von Vermögenswerten Kenntnis erhalten hatte.
Der Steuerpflichtige führte sowohl Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die
Sicherstellungsverfügung vom 15. August 2001 als auch Einsprache gegen die
Veranlagungsverfügung vom 2. August 2001. Mit Entscheid 2A.380/2001 vom 12.
März 2002 wies das Bundesgericht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Der
Einspracheentscheid steht nach den vorliegenden Akten noch aus.

B.
Am 30. Oktober 2002 erliess die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden
gegenüber B.________ eine weitere Sicherstellungsverfügung für die direkten
Bundessteuern der gleichen Periode (1999/2000) über den Betrag Fr.
226'000.--. Die Steuerverwaltung ging nach Prüfung der Steuererklärung 2001A
davon aus, dass der Steuerpflichtige in den Jahren 1999 und 2000 einen regen
Wertschriftenhandel betrieben habe. Überdies entdeckte der Steuerkommissär
bei der Prüfung der Steuererklärung 2001A eine weitere nicht deklarierte
Zahlung vom 7. Mai 1999 über Fr. 200'000.-- zugunsten des Beschwerdeführers.

C.
Gegen die Sicherstellungsverfügung vom 30. Oktober 2002 führt B.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen die Sicherstellungsverfügung
betreffend Kantonssteuern (recte: direkte Bundessteuern) 1999/2000 und
Ordnungsbusse sei aufzuheben und der sichergestellte Betrag von Fr.
226'000.-- sei samt Zins zurückzuerstatten. Zudem stellt er u.a. ein
Entschädigungsbegehren für erlittenen Schaden.
Die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden und die Eidgenössische
Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde.
In der Replik und Duplik hielten die Parteien an den gestellten Anträgen
fest. Am 7. Februar 2003 reichte der Beschwerdeführer unaufgefordert eine
weitere Stellungnahme ein.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gemäss Art. 169 Abs. 1 DBG kann die kantonale Verwaltung die
Sicherstellung der direkten Bundessteuer bereits vor deren rechtskräftigen
Festsetzung verlangen, namentlich wenn die Bezahlung der vom
Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer als gefährdet erscheint. Die
Sicherstellungsverfügung gibt den sicherzustellenden Betrag an und ist sofort
vollstreckbar. Sie kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde direkt beim
Bundesgericht angefochten werden. Die vorliegende Beschwerde, die sich gegen
die Sicherstellungsverfügung der Steuerverwaltung des Kantons Graubünden vom
30. Oktober 2002 für die direkte Bundessteuer 1999/2000 richtet, ist
zulässig.
Auf das Begehren um Entschädigung für erlittenen Schaden kann in diesem
Verfahren indessen nicht eingetreten werden. Anfechtungsobjekt ist allein die
Sicherstellung gemäss Verfügung vom 30. Oktober 2002. Nur diese ist hier zu
prüfen.

1.2 Mit der Duplik vom 19. Februar 2003 ergänzte die kantonale
Steuerverwaltung ihre Sachdarstellung in wesentlichen Punkten und legte neue
Beweise vor, namentlich was die Berechnung des mutmasslichen Steuerbetrages
anbelangt. Es handelt sich um Tatsachen, die im Zeitpunkt, da die
angefochtene Verfügung erging, zwar bereits bestanden, jedoch noch nicht
bekannt waren. Solche Noven sind zulässig, weil das Bundesgericht hier den
Sachverhalt von Amtes wegen prüfen kann, nachdem keine richterliche Behörde
als Vorinstanz entschieden hat (vgl. Art. 105 Abs. 1 und 2 OG und dazu BGE
122 II 1 E. 1b; 118 II 243 E. 3b; 113 Ib 327 E. 2b).
Zuzulassen ist dafür auch die Eingabe des Beschwerdeführers vom 7. Februar
(recte: März) 2003, welche dieser im Anschluss an die Duplik der kantonalen
Steuerverwaltung vom 19. Februar 2003 eingereicht hat. Diese Eingabe erfolgte
zwar unaufgefordert, doch hätte dem Beschwerdeführer zur Wahrung des
rechtlichen Gehörs ohnehin Gelegenheit gegeben werden müssen, sich zu den
Neuerungen in der Duplik auszusprechen.

1.3 Die neue Berechnung der Steuerverwaltung in der Duplik vom 19. Februar
2003 ergibt eine mögliche ungefähre Steuerforderung, die um Fr. 60'000.--
höher liegt als diejenige, welche die Steuerverwaltung in der Vernehmlassung
vom 17. Dezember 2002 berechnet hat. Die Erhöhung des Steuerbetrages rührt
davon her, dass die Verwaltung im Zeitpunkt der Abfassung der Duplik von
weiteren Vermögenswerten Kenntnis hatte.
Andererseits unterliess es die Steuerverwaltung in der Vernehmlassung vom 17.
Dezember 2002, den bereits mit der Verfügung vom 15. August 2001
sichergestellten Betrag von Fr. 60'000.-- von der sicherzustellenden
Steuerforderung in Abzug zu bringen. Diesen Fehler korrigierte sie in der
Duplik, so dass die neue Berechnung für den Beschwerdeführer zu keiner
reformatio in peius führt. Die neue Berechnung bewirkt auch keine -
unzulässige - Änderung des Verfügungsgegenstandes. Gegenstand der Verfügung
war der sicherzustellende Betrag von Fr. 226'000.-- für die direkte
Bundessteuer 1999/2000 inklusive Busse. Dieser ist gleich geblieben.
Lediglich die Begründung zur Höhe der sicherzustellenden Forderung wird durch
eine andere substituiert, was zulässig ist.

2.
Das Bundesgericht befasste sich bereits mit Urteil vom 12. März 2002 mit der
Sicherstellung für die direkte Bundessteuer 1999/2000. Damals richtete sich
die Beschwerde gegen die Verfügung der kantonalen Steuerverwaltung vom 15.
August 2001. Es ging um einen geringeren Betrag, weil noch nicht alle
Vermögenswerte bekannt waren. Das Bundesgericht bejahte eine Gefährdung der
Steuerforderung im Sinne von Art. 169 Abs. 1 DBG. Massgebend war, dass der
Beschwerdeführer trotz eines beachtlichen Einkommens kein
Wertschriftenverzeichnis eingereicht und kein Bank- oder Postscheckkonto
deklariert hatte. Erst nach Auflagen der Steuerverwaltung wurden zwei
Bankkonten bekannt gegeben. Aufgrund eines Hinweises von dritter Seite wurden
zudem über eine Vollständigkeitsbescheinigung weitere Konten festgestellt.
Der Beschwerdeführer verheimlichte auch seine Beteiligung an der D.________
AG (heute, E.________ Y.________), welche Einzahlungen auf ein auf den Namen
des Beschwerdeführers lautendes Konto bei der Creditanstalt in Z.________/A
vorgenommen hatte. Der Beschwerdeführer legte seine Vermögensverhältnisse
jeweils nur soweit offen, als die Behörde von Vermögenswerten Kenntnisse
erhielt. Dazu kam, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau am 27. August
2001, wenige Tage nachdem die Sicherstellungsverfügung ergangen war, das
gemeinsame Haus auf ihren Sohn übertrugen.
Das waren Umstände, welche das Bundesgericht bewogen, im Urteil vom 12. März
2002 die Gefährdung der Steuerforderung als hinreichend erstellt zu
betrachten. Es besteht kein Grund, die damalige Beurteilung in Frage zu
stellen. Sie hält - im Lichte der damaligen Verhältnisse - auch heute noch
stand.

3.
Fragen kann sich somit nur, ob die seither bekannt gewordenen neuen Tatsachen
die Bezahlung der Steuerforderung als sicherer erscheinen lassen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er kurz vor dem Erwerb einer
Liegenschaft im Tessin stehe. Er legt als Beweis zwei Vereinbarungen vom
________ bzw. ________ vor, worin er sich ein käuflich zu erwerbendes
Grundstück im Tessin reservierte. Der beabsichtigte Neuerwerb ändert indessen
nichts an der Tatsache, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau ihr
ehemaliges Haus auf den Sohn übertrugen und sich damit eines Teils ihres
Vermögens entledigten. Der Kauf einer neuen Liegenschaft bewirkt demgegenüber
in erster Linie eine Vermögensumschichtung. Es müsste schon substanziiert
dargelegt werden, dass und weshalb durch die Neuerwerbung die Bezahlung der
Steuerforderung sicherer werden soll. Das ist vorliegend nicht der Fall.
Des Weiteren legt der Beschwerdeführer eine amtliche beglaubigte Erklärung
seines Sohnes vor, worin dieser sich bereit erklärt, neben dem
Beschwerdeführer solidarisch für die definitiv festgelegten Steuerschulden
1999/2000 zu haften. Dazu ist zu bemerken, dass das Vermögen des Sohnes zur
Zeit zur Hauptsache aus dem Einfamilienhaus besteht. Dieses kann von ihm
zudem jederzeit veräussert werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint
die Bezahlung der Steuerforderung im heutigen Zeitpunkt nicht sicherer. Eine
Gefährdung der Bezahlung der Steuern muss unter diesen Umständen nach wie vor
bejaht werden.

4.
Was den sicherzustellenden Betrag betrifft, so überprüft das Bundesgericht
diesen nur provisorisch und vorfrageweise. Die näheren Abklärungen und die
Festsetzung der Abgabe ist dem Veranlagungsverfahren vorbehalten (ASA 67 S.
722 E. 3b; 66 S. 479 E. 2, mit weiteren Hinweisen).

4.1 Die kantonale Steuerverwaltung geht aufgrund der im Zusammenhang mit der
Steuererklärung 2001A vorgebrachten Tatsachen nunmehr davon aus, dass der
Beschwerdeführer in der Bemessungslücke der Jahre 1999 und 2000 in einem
Ausmass Wertschriften gehandelt hat, dass er als Wertschriftenhändler im
Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu betrachten ist. Da er nach
Ansicht der Steuerverwaltung in diesen Jahren erstmals mit dieser Tätigkeit
in Erscheinung getreten ist, will sie auf den 1. Januar 1999 eine
Zwischenveranlagung durchführen. In der Vernehmlassung vom 17. Dezember 2002
schätzte die Steuerverwaltung das Einkommen aus Wertschriftenhandel auf rund
Fr. 800'000.-- (Fr. 400'000-- pro Jahr). In der Duplik (S. 7 f.) korrigierte
sie diese Berechnung, nachdem der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit dem
Steuerkommissär eine Zusammenstellung über die erzielten Gewinne und Verluste
zugestellt hatte. Diese neue Berechnung der Steuerverwaltung darf
berücksichtigt werden (vorstehend E. 1.2). Danach könnte sich der Gewinn in
den beiden Jahren auf insgesamt Fr. 1'293'697.-- belaufen (Duplik a.a.O.).
Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was diese Schätzung entkräften
könnte. Er bestreitet wie bereits im kantonalen Verfahren, dass die
Voraussetzungen für die Annahme gewerbsmässigen Wertschriftenhandels
vorliegen. Über diese Frage ist indessen im Veranlagungsverfahren zu
entscheiden. Jedenfalls kann aufgrund der Bankaufstellungen in den
Duplikbeilagen 20 und 21 über die in den Jahren 1999 und 2000 getätigten
Wertschriftentransaktionen die Möglichkeit gewerbsmässigen
Wertschriftenhandels nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
An der Besteuerung der dem Beschwerdeführer bezahlten
Management-Entschädigung im Betrag von Fr. ________.-- (davon Fr. ________.--
in Form eines ihm verbliebenen Darlehens) als Einkommen hielt die
Steuerverwaltung fest. Sie erwog allerdings, dass es sich dabei nicht um
ordentliches Einkommen handle, sondern um ausserordentliche Einkünfte, die im
Jahre 1999 mit der Sondersteuer zu erfassen sind.
Im Übrigen hielt die Steuerverwaltung daran fest, dass die C.________  Vaduz
nicht dem Beschwerdeführer gehört, so dass das für die direkte Bundessteuer
1999/2000 massgebende Einkommen um Fr. 80'164.-- (Fr. 40'082.-- im
Durchschnitt der Bemessungsjahre) herabzusetzen sei. Das lässt für die
direkte Bundessteuer 1999/2000 einen Steuerbetrag von rund Fr. 98'000.-- pro
Jahr als möglich erscheinen.

4.2 In die Berechnung der mutmasslichen Sondersteuer bezog die
Veranlagungsbehörde die Managemententschädigung samt Darlehensanteil im
Gesamtbetrag von Fr. ________.-- ein. Überdies entdeckte der Steuerkommissär
bei der Prüfung der Steuererklärung 2001A eine weitere nicht deklarierte
Zahlung vom ________ an den Beschwerdeführer über Fr. 200'000.--, welche nach
Ansicht der Steuerverwaltung ebenfalls mit der Sondersteuer zu erfassen ist.
Insgesamt rechnet die Steuerverwaltung mit mutmasslich der Sondersteuer
1999/2000 unterliegenden ausserordentlichen Einkünften von Fr. 500'000.--.
Der Steuerbetrag hieraus könnte sich auf rund Fr. 54'000.-- belaufen.

4.3 Zusammen mit der Busse für versuchte Steuerhinterziehung, deren Höhe die
Steuerverwaltung vorläufig auf Fr. 36'000.-- schätzt, könnten sich damit
Forderungen im Betrag von Fr. 286'000.-- ergeben. Vom sicherzustellenden
Betrag von Fr. 286'000.-- sind die Fr. 60'000.-- abzuziehen, für welche die
kantonale Steuerverwaltung bereits mit Verfügung vom 15. August 2001
Sicherstellung verlangte (vgl. vorstehende E. 1.3), sowie die Fr. 3'040.--,
welche der Beschwerdeführer aufgrund der provisorischen Steuerrechnung
1999/2000 bezahlt hat. Der Betrag von Fr. 226'000.--, für den Sicherstellung
verlangt wird, hält sich damit im Rahmen, der aufgrund der
prima-facie-Würdigung als Steuerfolge möglich erscheint, und ist nicht
übersetzt.

5.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als unbegründet, soweit sie
zulässig ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 153, 153a und 156 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Steuerverwaltung des Kantons
Graubünden sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. September 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: