Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.483/2002
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2A.483/2002 /leb

Urteil vom 8. September 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Schaub.

A. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Bern,
Münstergasse 3, 3011 Bern,
Steuerrekurskommission des Kantons Bern, Sägemattstrasse 2, Postfach 54, 3097
Liebefeld.

Direkte Bundessteuer pro 1999/2000,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission
des Kantons Bern vom 20. August 2002.

Sachverhalt:

A.
A. ________ verlegte per 1. September 1998 seinen Wohnsitz von Basel-Stadt
nach Bern. Der Kanton Basel-Stadt veranlagte ihn für die direkte Bundessteuer
der Steuerperiode 1998 nach seinem System der einjährigen
Gegenwartsbemessung. Diese Veranlagung ist unbestritten.

B.
Der Kanton Bern erhob die direkte Bundessteuer für die Steuerperiode
1999/2000 nach seinem System der zweijährigen Vergangenheitsbemessung und
legte der Veranlagung das Einkommen der Jahre 1997/98 von Fr. 81'900.-- zu
Grunde. Das von A.________ in den Jahren 1999 und 2000 erzielte (tiefere)
Einkommen von Fr. 43'343.-- bzw. 62'572.-- fiel in die Bemessungslücke, weil
der Kanton Bern auf den 1. Januar 2001 zum System der einjährigen
Gegenwartsbemessung wechselte.
Die von A.________ verlangte Gegenwartsbemessung für die Steuerperiode
1999/2000 lehnte die Steuerverwaltung des Kantons Bern am 22. Januar 2002 ab.
Die Veranlagung der direkten Bundessteuer sei nicht bestritten und werde
bestätigt. Weil Erwerbsunterbrüche von weniger als einem Jahr keine
Zwischenveranlagung begründeten, lehne sie das Zwischenveranlagungsgesuch ab.

C.
Die Steuerrekurskommission des Kantons Bern (nachfolgend: Rekurskommission)
wies die dagegen erhobene Beschwerde am 20. August 2002 ab. Es liege keine
Doppelbesteuerung vor. Das von A.________ in den Jahren 1999/2000 erzielte
ordentliche Einkommen falle in die Bemessungslücke. Eine gesonderte
steuerliche Behandlung sei nur für ausserordentliche Einkünfte oder
Aufwendungen vorgesehen. Solche seien aber weder geltend gemacht noch aus den
Akten ersichtlich. Die vom Gesetz abschliessend genannten Voraussetzungen für
eine Zwischenveranlagung seien nicht erfüllt.

D.
Am 26. September 2002 erhob A.________ beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission vom
20. August 2002 mit dem Antrag, "als Bemessungsgrundlage für die Steuern für
die Jahre 1999/2000 das erzielte Einkommen der Jahre 1999/2000 einzusetzen".
In diesen Jahren sei er gegenüber den beiden Vorjahren reduziert erwerbstätig
gewesen und habe nur etwa 60% des Einkommens von 1997/98 erzielt. Mit der
angefochtenen Veranlagung werde sein Einkommen der Jahre 1997/98 zweimal
besteuert und für das verminderte Einkommen 1999/2000 künstlich eine
Bemessungslücke erzeugt. Die daraus resultierende tatsächliche
Steuerbelastung sei ungerecht und willkürlich.
Die Steuerverwaltung, die Rekurskommission und die Eidgenössische
Steuerverwaltung beantragten die kostenfällige Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Bern ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht zulässig (Art. 97 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das
Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172.021] sowie Art. 98 lit. g OG und Art. 146
des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer
[Bundessteuergesetz, DBG; SR 642.11]). Als betroffener Steuerpflichtiger ist
der Beschwerdeführer nach Art. 103 lit. a OG beschwerdebefugt. Auf die frist-
und formgerecht (vgl. Art. 106 und 108 OG) eingereichte Eingabe ist
einzutreten.

1.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von
Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens,
sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat - wie hier - eine
richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, ist das Bundesgericht an
deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, sofern diese nicht offensichtlich
unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG). Es wendet im
verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen
an, ist in Abgabestreitigkeiten weder an die Begehren noch an deren
Begründung gebunden (Art. 114 Abs. 1 OG) und kann die Beschwerde auch aus
anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE 128
II 34 E. 1c S. 37).

2.
2.1 Für die Besteuerung der natürlichen Personen geht das Bundessteuergesetz
grundsätzlich von einer zweijährigen Steuerperiode mit
Vergangenheitsbemessung aus, wobei die Steuerperiode mit dem ersten Tag jedes
ungeraden Kalenderjahres beginnt (Pränumerandobesteuerung; Art. 40 und Art.
42 ff. DBG). Es steht den Kantonen jedoch frei, eine einjährige Steuerperiode
mit Gegenwartsbemessung zu wählen (Postnumerandobesteuerung; Art. 41 und Art.
208 ff. DBG). Weil somit zwei Veranlagungssysteme nebeneinander bestehen, und
der Gesetzgeber die Schwierigkeiten erkannte, die ein Wohnsitzwechsel
zwischen Kantonen mit unterschiedlichen Systemen der zeitlichen Bemessung mit
sich bringt, wurde der Bundesrat in Art. 220 Abs. 1 DBG ermächtigt, zu den
Bestimmungen der einjährigen Veranlagung für natürliche Personen (Art.
209-218 DBG) die nötigen Ausführungsvorschriften zu erlassen und insbesondere
die Probleme zu regeln, "die sich im Verhältnis zwischen Kantonen mit
unterschiedlicher Regelung der zeitlichen Bemessung stellen (Wohnsitzwechsel,
Selbständigerwerbende mit Betriebsstätten in mehreren Kantonen und dgl.)".
Dies tat der Bundesrat mit der Verordnung vom 16. September 1992 über die
zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer bei natürlichen Personen (SR
642.117.1; nachfolgend: Verordnung).

2.2 Als Grundsatz für die zeitliche Bemessung bei Verlegung des Wohnsitzes
sieht Art. 10 der Verordnung (in der bis Ende 1998 in Kraft stehenden
Fassung; AS 1992 S. 1820) vor, dass der Wegzugskanton, entsprechend seinem
Bemessungssystem, für die Veranlagung bis Ende der laufenden ein- oder
zweijährigen Steuerperiode zuständig bleibt, wenn ein Steuerpflichtiger
seinen Wohnsitz in einen anderen Kanton verlegt. Für den Fall, dass ein
Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz von einem Kanton mit einjähriger
Gegenwartsbemessung in einen Kanton mit zweijähriger Vergangenheitsbemessung
verlegt, bleibt die örtliche Zuständigkeit des Wegzugskantons für die
Veranlagung der direkten Bundessteuer bis Ende des Kalenderjahres bestehen,
in dem der Wegzug stattgefunden hat (Art. 13 Abs. 1 der Verordnung). Die
örtliche Zuständigkeit des Zuzugskantons für die Veranlagung der direkten
Bundessteuer beginnt am 1. Januar des dem Zuzug folgenden Kalenderjahres
(Art. 13 Abs. 2). Für die erste Veranlagung ist entsprechend dem System der
Vergangenheitsbemessung grundsätzlich auf das im Wegzugskanton erzielte
Einkommen der Vorjahre abzustellen, wobei in diesen Vorjahren erzielte
ausserordentliche Einkünfte im Zuzugskanton für die Bemessung des Einkommens
ausser Betracht fallen (vgl. Art. 13 Abs. 3). Diese Bemessungsart gilt auch
nach dem am 14. Dezember 1998 geänderten Art. 13 der Verordnung (in Kraft
seit 1. Januar 1999; AS 1999 S. 596 ff.).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer stellt die örtliche Zuständigkeit des Kantons Bern
zur Veranlagung der Steuerperiode 1999/2000 zu Recht nicht in Frage. Er hält
aber die Bemessungsgrundlage und die daraus resultierende tatsächliche
Steuerbelastung für "ungerecht und willkürlich", weil die Rekurskommission
"nur auf das Steuergesetz mit Vergangenheitsbemessung abstellt und die
tatsächliche Gesamtsituation (Zuzug aus einem Kanton mit Gegenwartsbemessung,
Zuzug in einen Kanton während der letzten Veranlagungsperiode mit
Vergangenheitsbemessung, Steuersystemwechsel im Zuzugskanton zur
Gegenwartsbemessung mit Bemessungslücke, massive Einkommensverminderung (40%)
während der Bemessungslücke) nicht berücksichtigt".

3.2 In Übereinstimmung mit Art. 13 der Verordnung legte der Kanton Bern
seiner Veranlagung für die Steuerperiode 1999/2000 das vom Beschwerdeführer
in den Kalenderjahren 1997/98 erzielte Einkommen zu Grunde. Diese Regelung
ermöglicht eine möglichst nahtlose Fortsetzung der Steuererhebung, der es bei
einem Umzug eines Steuerpflichtigen innerhalb der Schweiz bedarf. Für die
direkte Bundessteuer wird der Beschwerdeführer demnach behandelt, wie wenn er
schon immer im Kanton Bern gewohnt hätte. Er ist mit den übrigen
Steuerpflichtigen im Zuzugskanton gleichstellt. Nach dem System der
Vergangenheitsbemessung ist richtigerweise auf das in den Vorjahren erzielte
Einkommen abzustellen. Dass dieses Einkommen auch vom Wegzugskanton als
Bemessungsgrundlage für die Vorperiode herangezogen wird, ist nicht zu
beanstanden, zumal im Zusammenhang mit der direkten Bundessteuer nicht von
einer Doppelbesteuerung gesprochen werden kann, wenn es wie hier schon an der
zeitlichen Identität der Steuerperioden fehlt (vgl. zur Doppelbesteuerung StR
58/2003 S. 432, 2A.349/2002, E. 2.2; BGE 123 I 264 E. 2a S. 265; 117 Ia 516
E. 2 S. 518, je mit Hinweis).

3.3 Im System der Vergangenheitsbemessung wird davon ausgegangen, dass sich
Schwankungen des ordentlichen Einkommens im Lauf der Jahre ausgleichen. Für
besondere, in Art. 45 DBG abschliessend geregelte Fälle ist eine
Zwischenveranlagung vorgesehen. Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger
seinen Wohnsitz in einen anderen Kanton mit einem anderen System der
zeitlichen Bemessung verlegt, stellt nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung (StE 2002 B 65.4 Nr. 7, 2A.124/2001, E. 3.3) keine derart
einschneidende Veränderung dar wie die Voraussetzungen für die Vornahme einer
Zwischenveranlagung (Aufnahme oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit,
Berufswechsel, Scheidung, Erbgang) oder die Beendigung der Steuerpflicht.
Der Beschwerdeführer hat weder im kantonalen noch im bundesgerichtlichen
Verfahren geltend gemacht noch ist aus den Akten ersichtlich, dass er die
Voraussetzungen für einen gesetzlichen Zwischenveranlagungsgrund erfüllt. Die
Rekurskommission verzichtete deshalb zu Recht auf die Durchführung einer
Zwischenveranlagung, nachdem sie festgestellt hatte, dass sich die
Erwerbsgrundlagen des Beschwerdeführers nicht dauernd und wesentlich im Sinn
von Art. 45 DBG geändert hatten.

3.4 Weil der Kanton Bern auf den 1. Januar 2001 auf das System der
Gegenwartsbemessung umstellte, fiel das in den Kalenderjahren 1999 und 2000
erzielte Einkommen in die Bemessungslücke. Art. 218 DBG regelt diesen Wechsel
der zeitlichen Bemessung nach dem sog. Jahressteuerverfahren (Änderung vom 9.
Oktober 1998, in Kraft seit 1. Januar 1999; vgl. StE 2002 B 65.4 Nr. 7,
2A.124/2001, E. 2.1.2). Die Einkommenssteuer der natürlichen Personen wird
für die erste Steuerperiode nach dem Systemwechsel (nur noch) nach neuem
Recht veranlagt (Abs. 1). Der Gesetzgeber trägt dem Grundsatz der Besteuerung
nach der Leistungsfähigkeit dadurch Rechnung, dass er die in der
Bemessungslücke angefallenen ausserordentlichen Einkünfte (vgl. Abs. 3) für
das Jahr, in dem sie zugeflossen sind, einer vollen Jahressteuer unterwirft
(Abs. 2) und ausserordentliche Aufwendungen zum Abzug zulässt (vgl. Abs. 2, 4
und 5). Das ordentliche Einkommen hingegen soll nach dem Willen des
Gesetzgebers in die Bemessungslücke fallen, unabhängig davon, ob dieses
Einkommen höher oder niedriger ist als dasjenige, das in der nachfolgend
ersten Periode nach dem neuen System erzielt wird, soweit die
Einkommensschwankungen nicht auf Ursachen beruhen, die zu einer
Zwischenveranlagung führen. Die Regelung von Art. 45 und 218 DBG ist insofern
abschliessend. Der Bundesrat ist namentlich nicht berechtigt, Sonderordnungen
zu erlassen für Einkommen, die in der Bemessungslücke erheblichen
Schwankungen unterworfen sind, ohne die Voraussetzungen einer
Zwischenveranlagung zu erfüllen.
Da der Beschwerdeführer keine ausserordentlichen Einkünfte oder Aufwendungen
im Sinn von Art. 218 DBG erzielte, dient sein in den Kalenderjahren 1999 und
2000 erzieltes ordentliches Einkommen nie als Bemessungsgrundlage. Dieser
Umstand betrifft allerdings sämtliche Steuerpflichtigen des Kantons Bern und
hat mit dem vom Beschwerdeführer im Jahr 1998 vorgenommenen Kantonswechsel
von Basel-Stadt nach Bern nichts zu tun. Er kann denn auch daraus, dass der
Kantons- und der Systemwechsel zeitlich nahe zusammenliegen, nichts zu seinen
Gunsten ableiten. Der Entscheid der Rekurskommission ist demnach nicht zu
beanstanden.

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist
abzuweisen. Entsprechend diesem Verfahrensausgang sind die
bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1
OG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Steuerverwaltung und der
Steuerrekurskommission des Kantons Bern sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. September 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: