Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.454/2002
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2A.454/2002/leb

Urteil vom 20. März 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Ersatzrichter Cavelti,
Gerichtsschreiberin Diarra.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Benno P. Hafner, Genferstrasse 21, 8002 Zürich,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer,
Verrechnungssteuer, Stempelabgaben, 3003 Bern,
Eidgenössische Steuerrekurskommission,
avenue Tissot 8, 1006 Lausanne.

Verrechnungssteuer (geldwerte Leistung; Art. 9 BV, Verhalten nach Treu und
Glauben),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid  der Eidgenössischen
Steuerrekurskommission vom

30. Juli 2002.

Sachverhalt:

A.
Die B.________ AG übernahm die Aktiven und Passiven der C.________ & Cie,
X.________, und damit deren ausgewiesenen Verlustvortrag von Fr. 1'372'980.40
abzüglich Gesellschaftskapital von Fr. 100'000.-- somit mit einem
Negativsaldo von Fr. 1'272'980.40. Die B.________ AG wurde für diese
Übernahme nicht entschädigt, und sie verrechnete den genannten Negativsaldo
mit ihren ausgewiesenen offenen Reserven von Fr. 1'039'314.40 und wies somit
schliesslich einen Verlust von Fr. 183'666.-- aus. Die Eidgenössische
Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer,
Stempelabgaben, bewertete diesen Vorgang als verdeckte Gewinnausschüttung
zugunsten von A.________, der gleichzeitig unbeschränkt haftender
Gesellschafter der C.________ & Cie, X.________, sowie Alleinaktionär der
B.________ AG war. Sie ermittelte auf dem Negativsaldo von Fr. 1'272'980.40
die geschuldete Verrechnungssteuer in der Höhe von Fr. 445'543.15. Mit
Einspracheentscheid vom 11. April 2001 hielt die Eidgenössische
Steuerverwaltung an ihrer Verrechnungssteuerforderung fest und verpflichtete
zudem die B.________ AG, die Steuer auf den begünstigten A.________ zu
überwälzen.
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische
Steuerrekurskommission mit Entscheid vom 30. Juli 2002 ab. Sie hielt fest,
dass die Übernahme der Aktiven und Passiven der C.________ & Cie, X.________,
durch die B.________ AG als geldwerte Leistung in Form einer verdeckten
Gewinnausschüttung zu qualifizieren sei. Sie verneinte zudem eine Verletzung
des Grundsatzes von Treu und Glauben, weil ein Mitarbeiter der EStV der
B.________ AG Steuerfreiheit zugesagt habe.

B.
Mit Eingabe vom 17. September 2002 erhebt A.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und stellt den Antrag:
"1.Es seien der Entscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 15.
Dezember 2000, der Einspracheentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung
vom 11. April 2001 sowie der Beschwerdeentscheid der Eidgenössischen
Steuerrekurskommission vom 30. Juli 2002 aufzuheben.

2. Es sei festzustellen, dass in bezug auf die Übernahme der Aktiven und
Passiven der C.________ & Cie durch die B.________ AG keine
Verrechnungssteuer geschuldet sei.

3. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Bundeskasse."
Die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer,
Verrechnungssteuer, Stempelabgaben, beantragt Abweisung der Beschwerde. Die
Eidgenössische Steuerrekurskommission verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Entscheide der Eidgenössischen Steuerrekurskommission können nach Art. 97
ff. des Bundesrechtspflegegesetzes innert 30 Tagen nach Eröffnung mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 43
Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer,
VstG; SR 642.21). Der Beschwerdeführer ist zwar nicht selber
verrechnungssteuerpflichtig. Die steuerpflichtige Gesellschaft wurde durch
den Entscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung aber verpflichtet, die
Verrechnungssteuer auf ihn zu überwälzen. Insofern ist er durch den
angefochtenen Entscheid berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an
dessen Aufhebung. Auf die frist- und formgerechte Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sowie die
unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat jedoch - wie hier
- eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt
nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig und unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an
die Sachverhaltsfeststellungen gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG). Offensichtlich
unrichtig ist eine Sachverhaltsermittlung nicht schon dann, wenn sich Zweifel
anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist
(Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 286 mit
Hinweisen). Das Bundesgericht prüft die Anwendung des Bundesrechts von Amtes
wegen.

2.
War vor der Eidgenössischen Steuerrekurskommission auch noch die Anwendung
des Ausnahmetatbestands von Art. 5 Abs. 1 lit. a VStG strittig, so beschränkt
sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren auf die Rüge der
Verletzung des Grundsatzes des Verhaltens nach Treu und Glauben (Art. 9 BV)
sowie damit zusammenhängend einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV).

2.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist das Recht des Privaten, in einem
vor einer Verwaltungs- oder Justizbehörde geführten Verfahren mit ihren
Begehren angehört zu werden, erhebliche Beweise beizubringen, Einblick in die
Akten zu erhalten und zu den für die Entscheidung wesentlichen Punkten
Stellung nehmen zu können. Dieser Anspruch dient einerseits der
Sachaufklärung und stellt anderseits ein persönlichkeitsbezogenes
Mitwirkungsrecht der Parteien dar (BGE 127 I 54 E. 2b,S. 56; 124 I 241 E. 2
S. 242; 122 I 53 E. 4a S. 55). Die Abnahme der formgerecht angebotenen
Beweismittel ist indessen nur dann notwendig, sofern sie eine erhebliche
Tatsache betreffen und nicht offensichtlich untauglich sind, um über die
Tatsache Beweis zu erbringen.
Der Beschwerdeführer sieht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch
verletzt, dass er einerseits zur Aktennotiz über ein Gespräch vom 28. Oktober
1998 zwischen dem Vertreter der Eidgenössischen Steuerverwaltung, D.________,
und dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht habe Stellung nehmen
können und D.________ insbesondere auch nicht als Zeuge angehört worden sei.
Wie dargelegt, sind nur diejenigen Beweismittel abzunehmen, die eine
erhebliche Tatsache betreffen können und nicht offensichtlich untauglich
sind, um über die strittige Tatsache Beweis zu erbringen. Wie die
Eidgenössische Steuerrekurskommission in ihrem Entscheid dargelegt hat und im
folgenden auszuführen sein wird (siehe E. 2.2 nachfolgend), ergibt sich aus
den Akten auch ohne die im Rekursverfahren eingelegte Aktennotiz des
Vertreters der Eidgenössische Steuerverwaltung mit hinreichender Klarheit,
dass ein Verstoss gegen den Grundsatz des Verhaltens nach Treu und Glauben
nicht vorliegt. Die Eidgenössische Steuerrekurskommission hat somit weder
dadurch, dass sie die Aktennotiz dem Beschwerdeführer nicht zur Stellungnahme
unterbreitet hat, noch durch den Verzicht auf die Einvernahme der beantragten
Zeugen den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt. Im
Übrigen könnte ein allfälliger Mangel bezüglich die fragliche Aktennotiz als
im bundesgerichtlichen Verfahren geheilt gelten.

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, dass sich sein Rechtsvertreter am 28.
Oktober 1998 mit D.________ über die Steuerfolgen des beabsichtigten
Rechtsgeschäfts unterhalten habe. Dabei sei der Rechtsvertreter davon
ausgegangen, dass es sich bei D.________ um den Chef der Hauptabteilung
Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben, gehandelt habe. Bei
dieser Besprechung habe der Vertreter der Eidgenössischen Steuerverwaltung
den Rechtsvertreter im Glauben gelassen, dass unter Berücksichtigung
bestimmter Einwände die dargelegten Transaktionen steuerneutral durchgeführt
werden könnten, auch in Hinsicht auf die Verrechnungssteuer. D.________ habe
nie den Eindruck erweckt, dass er für die Auskunftserteilung nicht zuständig
sei, und er habe in Bezug auf die Steuerfreiheit der durchgeführten
fraglichen Transaktion eine positiv lautende Antwort abgegeben. Der
Sachverhalt sei korrekt und vollständig dargelegt worden und aufgrund des
dringlich erforderlichen Vollzugs des geplanten Vorgehens seien unter
Zeitdruck nicht wieder rückgängig zu machende Dispositionen getroffen worden.
Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet ein loyales und
vertrauenswürdiges Verhalten im Rechtsverkehr. Die neue Bundesverfassung
statuiert den Grundsatz von Treu und Glauben einerseits als Regel für das
Verhalten von Staat und Privaten in Art. 5 Abs. 3 BV und andererseits in Art.
9 BV als grundrechtlichen Anspruch des Privaten gegenüber dem Staat auf
Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder
sonstiges, bestimmte Erwartung begründetes Verhalten der Behörden (BGE 126 II
377 E. 3a S. 387 mit Hinweisen). Zwar verlangt das Gesetzmässigkeitsprinzip,
dass die Verwaltungsbehörden nach Massgabe des Gesetzes und nicht nach
Massgabe der vom Gesetz abweichenden Auskunft entscheiden. Eine unrichtige
behördliche Auskunft kann aber dann eine Vertrauensgrundlage bilden, wenn
kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Die unrichtige behördliche
Auskunft muss geeignet sein zur Schaffung einer Vertrauensbasis, das heisst
nur eine auf einen konkreten, die auskunftsersuchende Person direkt
betreffenden Sachverhalt bezogene Auskunft können die Behörden binden; die
Amtsstelle, welche die Auskunft gibt, muss zur Auskunftserteilung zuständig
sein bzw. der Private muss in guten Gründen annehmen können, die Behörde sei
zur Erteilung der Auskunft befugt (BGE 127 I 31 E. 3a S. 36 mit Hinweisen);
die Auskunft muss sodann vorbehaltlos erteilt werden und die Unrichtigkeit
einer behördlichen Auskunft nicht erkennbar sein; der Private muss im
Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft eine für ihn nachteilige
Disposition getroffen haben, die unwiderruflich ist; und schliesslich darf
keine Änderung des Sachverhalts oder der Rechtslage eintreten, und das
Interesse am Schutz des Vertrauens in die unrichtige Auskunft muss das
Interesse an der richtigen Rechtsanwendung überwiegen (vgl. zum Ganzen
Häfelin/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich 2002, N 668
ff. mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre).
Wie die Eidgenössische Steuerrekurskommission zu Recht ausführt, vermag der
Beschwerdeführer nicht nachzuweisen, dass ihm vor Abwicklung der strittigen
Transaktion irgendwelche verbindliche Auskünfte, gestützt auf konkrete
Angaben, durch D.________, erteilt worden sind. Vorerst ist festzuhalten,
dass die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers selber erstellte
Besprechungsnotiz über die Besprechung vom 28. Oktober 1998 zuhanden von
D.________, Eidgenössische Steuerverwaltung, Bern, keinerlei Hinweise auf
eine allfällige Zusicherung oder verbindliche Auskunft seitens des Vertreters
der EStV enthält. Sodann ist dem Schreiben des Rechtsvertreters des
Beschwerdeführers vom 10. Februar 1999 an D.________, dem auch die einzelnen
Kaufverträge beilagen, entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers keine
am 28. Oktober 1998 abgegebene Zusicherung zu entnehmen. Vielmehr wird die
"mündlich vorgetragene Frage der Verrechnungssteuerfreiheit des vorstehend
dokumentierten Vorgehens noch einmal unterbreitet". Gleichzeitig wird um die
Zustellung einer "definitiven Stellungnahme" ersucht. Dem beigelegten
Kaufvertrag vom 28.11.1998 ist sodann zu entnehmen, dass noch keine Zusage
der Eidgenössischen Steuerverwaltung betreffend Steuerbefreiung (Ziff. 13.2)
vorlag. Dasselbe geht aus dem Schreiben der E.________ AG vom 23. Dezember
1999 an die Eidgenössische Steuerverwaltung hervor, worin noch einmal auf das
"hängige Ruling" mit Herrn D.________ verwiesen wird. Eine vorbehaltlose
Auskunftserteilung, die beim Beschwerdeführer ein begründetes schutzwürdiges
Vertrauen geschaffen hätte, liegt somit offensichtlich nicht vor. Vielmehr
zeigen die vom Beschwerdeführer selbst ins Recht gelegte Akten, nämlich die
vom Rechtsvertreter selbst verfasste Aktennotiz vom 28. Oktober 1998 sowie
sein Schreiben vom 10. Februar 1999 mit den Kaufverträgen mit aller
Deutlichkeit, dass die Frage der Verrechnungssteuerpflicht "hängig" also
nicht entschieden war. Auch aus der Tatsache, dass die Eidgenössische
Steuerverwaltung auf die genannten Schreiben nicht reagierte, kann der
Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Nachdem, wie er selber
ausführt, der Steuerrechtskonsulent der Anwaltskanzlei darauf hingewiesen
habe, dass es sich nicht um einen klaren Fall handle, durfte das Schweigen
der Eidgenössischen Steuerverwaltung keinesfalls als Zustimmung zur
Steuerbefreiung ausgelegt werden. Ferner waren die Verträge bei deren
Zustellung am 10. Februar 1999 bereits abgeschlossen und der Verkauf
durchgeführt. Abgesehen davon wurde die Transaktion anders durchgeführt, als
es in der Notiz vom 28. Oktober 1998 vorgesehen war, weshalb eine allfällige
Zusicherung ohnehin keine Bindungswirkung hätte entfalten können. Es ergibt
sich somit aufgrund der Akten zweifelsfrei, dass eine verbindliche Zusage
über eine allfällige Steuerbefreiung nie vorgelegen hat; es kommt somit auf
die Aktennotiz von D.________, welche am 24. Juli 2000 nachträglich über die
Besprechung vom 28. Oktober 1998 erstellt wurde, nicht an. Ebenso kann offen
gelassen werden, ob die andern Voraussetzungen für das Vorliegen einer
Bindungswirkung einer allfällig unrichtigen behördlichen Auskunft erfüllt
sind. Auch durfte die Befragung von D.________ unterbleiben; es ist nicht
anzunehmen, dass sie zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

3.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist
abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153
und Art. 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 10'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Eidgenössischen
Steuerverwaltung, Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer,
Stempelabgaben, und der Eidgenössischen Steuerrekurskommission schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 20. März 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: