Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.451/2002
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2A.451/2002 /zga

Urteil vom 28. März 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler, Müller, Merkli,
Gerichtsschreiberin Müller.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Guido Fischer,
Frey-Herosé-Strasse 20, Postfach, 5001 Aarau,

gegen

Migrationsamt des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 86/88, Postfach, 5001 Aarau,
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 70,
Postfach, 5001 Aarau.

Ausweisung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts im
Ausländerrecht des Kantons Aargau
vom 12. Juli 2002.

Sachverhalt:

A.
Der am ***1970 geborene italienische Staatsbürger X.________ reiste erstmals
im Jahre 1992 in die Schweiz ein und zog nach A.________ zu seiner damaligen
Verlobten. Ohne im Besitz einer Bewilligung zu sein, war er das ganze Jahr
1993 hindurch erwerbstätig. Im Dezember 1993 zog er zu einem Freund nach
B.________ und erhielt im Jahre 1994 eine Kurzaufenthalterbewilligung zu
Erwerbszwecken. Am ***1995 verheiratete sich X.________ mit der am *** in der
Schweiz geborenen italienischen Staatsangehörigen Y._________, die über eine
Niederlassungsbewilligung verfügt, und erhielt gestützt darauf eine
Aufenthaltsbewilligung, welche in der Folge regelmässig verlängert wurde.

B.
Mit Strafbefehl vom 3. Februar 1998 verurteilte die Bezirksanwaltschaft
Zürich X.________ wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln zu einer Busse
von Fr. 500.--. Am 21. April 2000 wurde X.________ im Kanton Tessin
verhaftet. Am 23. Januar 2001 verurteilte ihn das Geschworenengericht Locarno
wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren und neun
Monaten und verwies ihn für sieben Jahre des Landes, wobei es ihm für die
Nebenstrafe den bedingten Vollzug gewährte.

C.
Mit Verfügung vom 3. Januar 2002 wies die Fremdenpolizei des Kantons Aargau
X.________ für unbestimmte Dauer aus der Schweiz aus. Die dagegen erhobene
Einsprache wies die Fremdenpolizei am 12. Februar 2002 ab. Gegen diesen
Einspracheentscheid erhob X.________ erfolglos Beschwerde beim Rekursgericht
im Ausländerrecht des Kantons Aargau.

Mit Verfügung vom 17. Mai 2002 gewährte die Strafanstalt "La Stampa"
X.________ rückwirkend ab dem 11. Mai 2002 die Vollzugsform der Halbfreiheit.

D.
Gegen den Entscheid des Rekursgerichts vom 12. Juli 2002 hat X.________ am
16. September 2002 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben.
Er beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und ihm die
Aufenthaltsbewilligung zu verlängern; eventualiter die Sache zur
Neubeurteilung an das Rekursgericht zurückzuweisen. Er ersucht zudem um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Die Fremdenpolizei des
Kantons Aargau verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Rekursgericht im
Ausländerrecht des Kantons Aargau und das Bundesamt für Ausländerfragen
beantragen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen.

E.
Mit Verfügung vom 27. September 2002 hat der Abteilungspräsident der
Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gegen die sich auf Art. 10 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) stützende
Ausweisungsverfügung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 100
Abs. 1 lit. b Ziff. 4 OG e contrario; BGE 114 Ib E. 1a S. 2).

1.2 Im Fremdenpolizeirecht stellt das Bundesgericht auf die aktuellen
tatsächlichen und rechtlichen Umstände ab, ausser wenn eine richterliche
Behörde als Vorinstanz entschieden hat. Diesfalls gilt die Regelung von Art.
105 Abs. 2 OG, wonach das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts
gebunden ist, wenn die richterliche Vorinstanz diesen nicht offensichtlich
unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensgarantien erhoben hat (BGE 124 II 361 E. 2a S. 365; 122 II 385 E. 2
S. 390). Da im vorliegenden Fall der angefochtene Entscheid durch ein Gericht
erging, gelangt Art. 105 Abs. 2 OG zur Anwendung.

1.3 Wegen der grundsätzlichen Bindung des Bundesgerichts an den vom
Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt ist die Möglichkeit, vor
Bundesgericht neue Tatsachen vorzubringen und neue Beweismittel einzureichen,
weitgehend ausgeschlossen. Das Bundesgericht lässt nur solche neuen Tatsachen
und Beweismittel zu, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte
berücksichtigen müssen und deren Nichtbeachtung eine Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 121 II 97 E. 1c S. 99 f.).
Nachträgliche Veränderungen des Sachverhalts (so genannte "echte Noven")
können in der Regel nicht mehr berücksichtigt werden, denn einer Behörde kann
nicht vorgeworfen werden, sie habe den Sachverhalt im Sinne von Art. 105 Abs.
2 OG fehlerhaft dargestellt, wenn sich dieser nach ihrem Entscheid verändert
hat (BGE 125 II 217 E. 3a S. 221).

Die dem Bundesgericht vom Migrationsamt des Kantons Aargau zugestellte
Verfügung des Consilio di vigilanza des Kantons Tessin vom 12. September 2002
(bedingte Entlassung des Beschwerdeführers auf den 20. Oktober 2002) kann
daher im vorliegenden Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden, ebenso
wenig der vom Beschwerdeführer eingereichte neue, am 11. September 2002
abgeschlossene Arbeitsvertrag. Dasselbe gilt für die Akten der Fremdenpolizei
des Kantons Glarus betreffend polizeiliche Unterlagen zu einem Vorfall vom
*** Dezember 2002, die das Migrationsamt des Kantons Aargau dem Bundesgericht
am 17. Februar 2003 zugestellt hat.

1.4 Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht bei der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Amtes wegen an, ohne an die Begründung der
Parteibegehren gebunden zu sein (Art. 114 Abs. 1 in fine OG). Es kann die
Beschwerde daher aus andern als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder
den Entscheid mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz
abweicht (BGE 121 II 473 E. Ib S. 477; 117 Ib 114 E. 4a S. 117, mit Hinweis).

2.
2.1 Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG kann ein Ausländer aus der Schweiz
ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens
gerichtlich bestraft wurde. Die Ausweisung soll jedoch nur ausgesprochen
werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint (Art. 11
Abs. 3 ANAG). Hierbei sind vor allem die Schwere des Verschuldens des
Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz und die ihm und
seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 3 der
Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer, ANAV; SR 142.201). Die Frage, ob eine Ausweisung
im Sinne der Art. 11 Abs. 3 ANAG und Art. 16 Abs. 3 ANAV "angemessen", d.h.
verhältnismässig sei, ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht im
Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde frei überprüft wird (Art. 104
lit. a OG). Dem Bundesgericht ist es jedoch verwehrt, sein eigenes Ermessen -
im Sinne einer Überprüfung der Zweckmässigkeit (Opportunität; vgl. 116 Ib 353
E. 2b) der Ausweisung - an die Stelle desjenigen der zuständigen kantonalen
Behörde zu setzen (BGE 125 II 105 E. 2a S. 107, mit Hinweisen).

2.2 Je länger ein Ausländer in der Schweiz anwesend war, desto strengere
Anforderungen sind grundsätzlich an die Anordnung einer Ausweisung zu
stellen. Zu berücksichtigen ist auch, in welchem Alter der Ausländer in die
Schweiz eingereist ist. Selbst bei einem Ausländer, der bereits hier geboren
ist und sein ganzes bisheriges Leben in der Schweiz verbracht hat (Ausländer
der "zweiten Generation"), ist eine Ausweisung nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung aber nicht ausgeschlossen. Erst recht gilt dies für Ausländer,
die erst als Kind oder Jugendlicher in die Schweiz gelangt sind. Entscheidend
ist aber in jedem Fall die Verhältnismässigkeitsprüfung, die gestützt auf die
gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist (BGE 125 II
521 E. 2b S. 523 f., mit Hinweisen).

3.
3.1 Ausgangspunkt und Massstab für die Schwere des Verschuldens und die
fremdenpolizeiliche Interessenabwägung ist die vom Strafrichter verhängte
Strafe. Der Beschwerdeführer ist wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz zu drei Jahren und neun Monaten Zuchthaus sowie einer
Landesverweisung von sieben Jahren verurteilt worden, wobei ihm für die
Landesverweisung der bedingte Strafvollzug gewährt wurde. Damit ist der
Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG gegeben.

3.2 Verübt ein Ausländer ein Verbrechen oder ein Vergehen, hat bereits der
Strafrichter die Möglichkeit, die strafrechtliche Landesverweisung anzuordnen
(Art. 55 StGB). Sieht er hievon ab oder gewährt er für die Landesverweisung
den bedingten Strafvollzug, bleibt es den Fremdenpolizeibehörden unbenommen,
den Ausländer auszuweisen; sie dürfen in diesem Fall strenger urteilen als
der Strafrichter und ihre Interessenabwägung unabhängig von dessen
Interessenabwägung vornehmen (BGE 124 II 289 E. 3a S. 291, mit Hinweisen;
vgl. BGE 122 II 433 E. 2b S. 435). Dem Resozialisierungsgedanken des
Strafrechts ist aber im Rahmen der umfassenden fremdenpolizeilichen
Interessenabwägung ebenfalls Rechnung zu tragen (BGE 122 II 433 E. 2b S. 435
f.).
3.3 Das Geschworenengericht Locarno hat festgehalten, dass der
Beschwerdeführer ungefähr 1 kg 620 g Kokain verkauft sowie ca. 91 g Kokain
mit einem Reinheitsgrad von 44.07% aufbewahrt und transportiert und ca. 70 g
Kokain an verschiedene Personen unentgeltlich abgegeben hat. Das Gericht
beurteilte das Verschulden des Beschwerdeführers als schwer; es hielt fest,
dass er während eines gewissen Zeitraums der wichtigste Lieferant für einen
grossen Kreis von Abnehmern war. Dies wog für das Gericht umso schwerer, als
der Beschwerdeführer weder selbst drogenabhängig war noch in finanziellen
Nöten steckte. Der Beschwerdeführer habe zudem gegenüber seinen Abnehmern ein
Klima der Angst geschaffen und habe Personen, die nicht bezahlten, bedroht.
In Anbetracht dieser Umstände besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse
an der Fernhaltung des Beschwerdeführers aus der Schweiz.

3.4 Der Beschwerdeführer hält sich erst seit 1994 legal in der Schweiz auf;
damals war er 24 Jahre alt. Bis zu seiner Verhaftung im Frühling 2000
verbrachte er somit sechs Jahre (legal) in der Schweiz. Er ist mit einer
Landsfrau verheiratet, mit der er keine Kinder hat. Diese ist in der Schweiz
geboren und lebt seither ununterbrochen hier. Sie besitzt die
Niederlassungsbewilligung und betreibt ein eigenes ***geschäft. Gemäss einer
Aktennotiz hat die Ehefrau des Beschwerdeführers der Fremdenpolizei am ***
Januar 2002 telefonisch mitgeteilt, sie beabsichtige, die Scheidung
einzureichen. Es sei ihr recht, dass ihr Ehemann aus der Schweiz ausgewiesen
werde, und sie habe nicht die Absicht, mit ihm nach Italien zu gehen. Laut
Mitteilung ihres Mannes habe dessen Anwalt ein Papier vorbereitet, mit
welchem sie bestätigen solle, dass sie weiterhin mit ihrem Mann zusammenleben
und mit ihm Kinder haben wolle. Dies entspreche in keinem Fall ihren
Absichten; sie habe jedoch Angst, es könnte ihr etwas angetan werden, wenn
sie dieses Schreiben nicht unterzeichne. Der Beschwerdeführer führt dazu aus,
es sei ihm nicht bekannt, dass seine Ehefrau die Scheidung einreichen wolle,
er bestreite zudem, getrennt von ihr zu leben.

Falls die Ehefrau tatsächlich beabsichtigen sollte, sich vom Beschwerdeführer
scheiden zu lassen, stellte sich die Frage, ob für sie eine Ausreise nach
Italien zumutbar wäre, nicht mehr. Da sich jedoch im vorliegenden Fall, wie
im Folgenden zu zeigen ist, eine Ausweisung des Beschwerdeführers auch dann
rechtfertigt, wenn die Beziehung zu seiner Ehefrau intakt und für diese eine
Ausreise nach Italien unzumutbar sein sollte, können  beide Fragen offen
bleiben.

3.5 Was die Arbeits- und Ausbildungssituation angeht, ist festzuhalten, dass
nicht bekannt ist, ob der Beschwerdeführer in sprachlicher Hinsicht hier
integriert ist. Der Beschwerdeführer arbeitete seit seiner Einreise in die
Schweiz unter anderem als Chauffeur, bevor er im Januar 1999 arbeitslos
wurde. Ab Ende 1999 wurde er für ein paar Monate im Rahmen eines
Beschäftigungsprogrammes von der Stiftung C.________ beschäftigt, bis er im
April 2000 im Kanton Tessin verhaftet und in Untersuchungshaft gesetzt wurde.
Es kann somit nicht von einer besonderen beruflichen Integration gesprochen
werden, aus welcher der Beschwerdeführer etwas zu seinen Gunsten ableiten
könnte. Die prägenden Jahre der Kindheit und Jugend hat der Beschwerdeführer
sodann in Italien verbracht; die kulturellen und sozialen Gepflogenheiten
dieses Landes sollten ihm daher noch vertraut sein. Seine
Wiedereingliederungschancen sind insoweit als gross zu werten. Zu betonen ist
ferner, dass Italien ein Mitglied der Europäischen Union ist und in allen
Lebensbereichen mit der Schweiz vergleichbare Standards aufweist.

3.6 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall das
öffentliche Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers dessen
privates Interesse an einem Verbleib eindeutig überwiegt.

4.
4.1 Art. 8 Abs. 1 EMRK - wie seit dem 1. Januar 2000 auch Art. 13 Abs. 1 BV -
gewährleistet das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Darauf
kann sich im Rahmen eines ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahrens
berufen, wer nahe Verwandte mit einem gefestigten Anwesenheitsrecht in der
Schweiz hat. Soweit eine familiäre Beziehung tatsächlich gelebt wird und
intakt ist, wird das der zuständigen Behörde grundsätzlich eingeräumte freie
Ermessen beschränkt (BGE 126 II 425 E. 2a S. 427, mit Hinweisen).

Angesichts der unklaren Beziehungssituation zu seiner Ehefrau ist fraglich,
ob sich der Beschwerdeführer überhaupt auf Art. 8 EMRK berufen kann. Die
Frage kann aber offen bleiben, da sich ein Eingriff in das von dieser
Bestimmung geschützte Rechtsgut gestützt auf Art. 8 Ziff. 2 EMRK auf jeden
Fall rechtfertigt.

4.2 Der in Art. 13 Abs. 1 BV garantierte Anspruch auf Achtung des Privat- und
Familienlebens entspricht materiell der Garantie von Art. 8 EMRK und gewährt
darüber hinaus im Bereich des Ausländerrechts keine zusätzlichen Ansprüche
(BGE 126 II 377 E. 7 S. 394).

5.
Am 1. Juni 2002 ist das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit
(Freizügigkeitsabkommen; FZA; SR 0.142.112.681) in Kraft getreten. Im
Folgenden ist zu prüfen, ob allenfalls dieses Abkommen einer Ausweisung des
Beschwerdeführers entgegensteht.

5.1 Gemäss Art. 1 lit. a und c FZA hat das Freizügigkeitsabkommen zu Gunsten
der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und
der Schweiz folgendes Ziel: Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt,
Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als
Selbständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der
Vertragsparteien (lit. a) sowie Einräumung eines Rechts auf Einreise und
Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für Personen, die im
Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben (lit. c).

Der Beschwerdeführer kann sich als italienischer Staatsangehöriger auf das
Freizügigkeitsabkommen berufen und hat grundsätzlich Anspruch auf Aufenthalt
in der Schweiz.

5.2
Den Staatsangehörigen einer Vertragspartei wird das Recht auf Aufenthalt und
Zugang zu einer Erwerbstätigkeit, vorbehaltlich des Art. 10 FZA
(Übergangsbestimmungen und Weiterentwicklung des Abkommens), nach Massgabe
des Anhanges I des Abkommens (im Folgenden: Anhang I FZA) eingeräumt (Art. 4
FZA).

Zur Erreichung der Ziele des Freizügigkeitsabkommens treffen die
Vertragsparteien alle erforderlichen Massnahmen, damit in ihren Beziehungen
gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der Europäischen
Gemeinschaft, auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden (Art. 16 Abs. 1
FZA).

Soweit für die Anwendung des Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts
herangezogen werden, wird hierfür die einschlägige Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der
Unterzeichnung berücksichtigt (Art. 16 Abs. 2 FZA).

5.3 Der Beschwerdeführer war bis zum 31. August 2000 im Besitze einer
Aufenthaltsbewilligung. Da er sich zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft
befand, galt diese Bewilligung als wenigstens bis zu seiner Entlassung
fortbestehend (Art. 14 Abs. 8 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum
Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAV; SR
142.201]). Er war damit im Zeitpunkt des Inkrafttretens der bilateralen
Abkommen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt und Inhaber einer
Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr und mehr, womit er gemäss Art. 10 Abs. 5
FZA automatisch ein Recht auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung hat;
allfällige übergangsrechtliche Einschränkungen (Art. 10 Abs. 1 - 4 FZA)
kommen in seinem Fall nicht zur Anwendung.

6.
6.1 Die vom Freizügigkeitsabkommen gewährten Rechtsansprüche stehen unter dem
Vorbehalt von Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und
Gesundheit (Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA). Art. 5 Abs. 2 Anhang I FZA verweist
auf die entsprechenden Richtlinien der EG, insbesondere die Richtlinie 64/221
EWG (ABl. Nr. 56, 1964, S. 850).

Die Richtlinie 64/221 EWG wurde zum Zwecke der Koordinierung der Vorschriften
über den Ordre-public-Vorbehalt erlassen; der ursprüngliche Kreis der
Berechtigten wurde in den Richtlinien 72/194 EWG (ABl. Nr. L 121, 1972, S.
32) und 75/35 EWG (ABl. Nr. L 14, 1975, S. 10) weiter ausgedehnt. Inhaltlich
enthält die Richtlinie 64/221 EWG in Art. 2 Abs. 2 bis Art. 7 eine Reihe von
Schranken, welche die Geltendmachung von nationalen Sondervorschriften
begrenzen sollen. Die Art. 8 und 9 der Richtlinie enthalten darüber hinaus
Mindeststandards für den Rechtsschutz einer von aufenthaltsbeendenden
Massnahmen betroffenen Person (Hartmut Schneider, Die öffentliche Ordnung als
Schranke der Grundfreiheiten im EG-Vertrag, Baden-Baden 1998, S. 110 f.).
6.2 Die Richtlinie definiert nicht, welches die durch den
Ordre-public-Vorbehalt geschützten Polizeigüter der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit sind, sondern überlässt die konkrete Ausgestaltung dem jeweiligen
Landesrecht (Marcel Dietrich, Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der
Europäischen Union, Zürich 1995, S. 491 f.). Der Europäische Gerichtshof (im
Folgenden: EuGH) hat festgehalten, dass der Begriff der öffentlichen Ordnung
im Gemeinschaftsrecht namentlich, wenn er eine Ausnahme vom wesentlichen
Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer rechtfertigt, eng zu verstehen
sei; daher dürfe seine Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne
Nachprüfung durch die Organe der Gemeinschaft bestimmt werden. Dennoch
könnten die besonderen Umstände, die möglicherweise die Berufung auf den
Begriff der öffentlichen Ordnung rechtfertigten, von Land zu Land und im
zeitlichen Wechsel verschieden sein, sodass insoweit den innerstaatlichen
Behörden ein Beurteilungsspielraum innerhalb der durch den Vertrag gesetzten
Grenzen zuzubilligen sei (Urteil des EuGH vom 4. Dezember 1974, van Duyn, Rs
41/74, Slg 1974 1337, Rz 18). Insgesamt stellen sich die Beschränkungen der
ausländerpolizeilichen Befugnisse der Mitgliedstaaten als eine besondere
Ausprägung des in den Art. 8 - 11 EMRK verankerten Grundsatzes dar, dass die
zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgenommenen
Einschränkungen der in den genannten Artikeln zugesicherten Rechte nicht den
Rahmen dessen überschreiten dürfen, was für diesen Schutz in einer
demokratischen Gesellschaft notwendig ist (Urteil des EuGH vom 28. Oktober
1975, Rs 36/75, Rutili, Slg 1975 1219, Rz 32).

6.3 Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (Urteil des EuGH vom
27. Oktober 1977, Rs 30/77, Bouchereau, Slg. 1977 1999, Rz 21 ff.) ist unter
einer Massnahme im Sinne der Richtlinie 64/221 EWG und damit im Sinne von
Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA jede Handlung zu verstehen, die das Recht auf
freie Einreise und Aufenthalt berührt. Da die Ausweisung, welche sowohl eine
Entfernungs- als auch eine Fernhaltemassnahme umfasst, das Recht auf freie
Einreise und Aufenthalt berührt, stellt sie eine Massnahme im Sinne von Art.
5 Abs. 1 Anhang I FZA dar.

7.
7.1 Die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist nur
zulässig, wenn sie an ein persönliches Verhalten der in Betracht kommenden
Einzelperson anknüpft (Art. 3 Abs. 1 RL 64/221 EWG). Der Begriff des
persönlichen Verhaltens drückt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die
Forderung aus, dass eine Ausweisungsmassnahme nur auf Gefährdungen der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit abstellen darf, die von der betroffenen
Einzelperson ausgehen. Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 64/221 steht daher
der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates entgegen, wenn
sie auf so genannte generalpräventive Gesichtspunkte gestützt wird (Urteil
des EuGH vom 26. Februar 1975, Rs 67/74, Bonsignore, Slg. 1975  297, Rz 6 und
7).

Der Beschwerdeführer hat über 1,6 kg Kokain verkauft und daneben Kokain
transportiert, aufbewahrt und gratis verteilt. Er wurde dafür zu drei Jahren
und neun Monaten Zuchthaus verurteilt. Es liegt somit ein persönliches
Verhalten des Beschwerdeführers vor, das zu einer Strafe geführt hat. Das
Rekursgericht hat die Ausweisung aufgrund dieses Verhaltens bestätigt und
dazu ausgeführt, dass diese dem Zwecke der zukünftigen Gefahrenabwehr diene.
Damit hat es die Massnahme auf spezialpräventive Erwägungen gestützt.

7.2 Ein Verhalten kann nicht als hinreichend schwerwiegend betrachtet werden,
um im Gebiete eines Mitgliedstaates Beschränkungen der Einreise oder des
Aufenthalts eines Angehörigen eines anderen Mitgliedstaates zu rechtfertigen,
wenn der erstgenannte Staat gegenüber dem gleichen Verhalten, das von eigenen
Staatsangehörigen ausgeht, keine Zwangsmassnahmen oder andere tatsächliche
und effektive Massnahmen zur Bekämpfung dieses Verhaltens ergreift (Urteil
des EuGH vom 18. Mai 1982, Rs 115 und 116/81, Adoui und Cornuaille, Slg. 1982
1665, Rz 8).

Dieser Hinderungsgrund für die Zulässigkeit der Ausweisung ist im
vorliegenden Fall klarerweise nicht gegeben, wird doch der Drogenhandel in
der Schweiz auch gegenüber schweizerischen Staatsangehörigen strafrechtlich
verfolgt.

7.3 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. Oktober 1977 (Rs 30/77,
Bouchereau, Slg. 1977 1999) festgestellt hat, setzt die Berufung auf den
Begriff der öffentlichen Ordnung ausser der Störung der öffentlichen Ordnung,
die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend
schwere Gefährdung voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt
(ebenso Urteil des EuGH vom 18. Mai 1989, Rs 249/86, Kommission/Deutschland,
Slg. 1989 1263, Rz 17).
Das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten stellt ohne weiteres eine
hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die ein
Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

7.4 Strafrechtliche Verurteilungen allein können jedoch nicht ohne weiteres
die Massnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit begründen (Art. 3
Abs. 2 RL 64/221 EWG). Diese Bestimmung ist dahin auszulegen, dass frühere
strafrechtliche Verurteilungen nur insoweit berücksichtigt werden dürfen, als
die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen
lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt
(Urteil des EuGH vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, Bouchereau, Slg. 1977 1999
Rz 27/28 sowie vom 19. Januar 1999, Rs  C-348/96, Calfa, Slg. 1999 I-11, Rz
24).

Der Beschwerdeführer hat, ohne selbst süchtig zu sein oder in finanziellen
Nöten zu stecken, eine beträchtliche Menge von Kokain verkauft; wie oben
ausgeführt, war er während eines bestimmten Zeitraums der wichtigste
Lieferant für einen grossen Kreis von Abnehmern. Er schuf ein Klima der
Angst, um die Kontrolle über seine Klienten zu behalten.  Damit hat der
Beschwerdeführer eine grosse Rücksichtslosigkeit gegenüber seinen Mitmenschen
an den Tag gelegt. In dieses Bild passt auch die Verurteilung zu einer Busse
von Fr. 500.-- wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln, weil er innerorts
die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um mindestens 33 km/h
überschritten und damit andere Verkehrsteilnehmer einer massiven Gefahr für
Leib und Leben ausgesetzt hat. Dazu kommt, dass er sich vor seiner Heirat
längere Zeit  illegal in der Schweiz aufgehalten und seinen Lebensunterhalt
mit Schwarzarbeit bestritten hat. Das Rekursgericht durfte daher aufgrund
seines Vorlebens und der Umstände der Tatbegehung darauf schliessen, dass in
Bezug auf seine Delinquenz im Bereiche des Drogenhandels eine
Wiederholungsgefahr zu bejahen und damit eine gegenwärtige, schwere
Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Schweiz gegeben sei.

An dieser Betrachtungsweise ändert nichts, dass das Geschworenengericht
Locarno dem Beschwerdeführer für die Nebenstrafe der Landesverweisung
gestützt auf Art. 41 StGB den bedingten Vollzug gewährt hat:

Wie oben ausgeführt (E. 3.2), ist die Ausweisung eines straffälligen
Ausländers nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch dann nicht
ausgeschlossen, wenn der Strafrichter für die Landesverweisung den bedingten
Strafvollzug gewährt hat. Die Fremdenpolizeibehörden sind nicht an die
Prognose und die Interessenabwägung des Strafrichters gebunden. Diese sind
zwar in die Überlegungen einzubeziehen, können aber nicht allein
ausschlaggebend sein.

Nichts anderes kann für straffällige Ausländer gelten, deren
Aufenthaltsregelung in den Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens fällt.
Im vorliegenden Fall lässt die äusserst knappe Begründung des
Geschworenengerichts Locarno für den bedingten Vollzug der Landesverweisung -
der Hinweis auf die Bindungen des Beschwerdeführers an unser Land (in ragione
dei legami del prevenuto con il nostro territorio) - die Bejahung einer
Wiederholungsgefahr durch das Rekursgericht nicht als unzutreffend
erscheinen.

7.5 Der Beschwerdeführer beruft sich auf das Urteil des Bundesgerichts vom
16. März 2001 (2A.468/2000) und sieht sich im Vergleich dazu als zu streng
behandelt.

In jenem Fall hat das Bundesgericht die - kantonal letztinstanzlich vom
bernischen Verwaltungsgericht bestätigte - Ausweisung eines Italieners
aufgehoben, der, hauptsächlich wegen Betäubungsmitteldelikten, zu
Freiheitsstrafen von insgesamt über acht Jahren verurteilt worden war. Der
betreffende Ausländer war selber schwer drogenabhängig. Die Fremdenpolizei,
die ihm die Ausweisung schon im Jahre 1987 angedroht hatte,  verfügte diese
erst im Jahre 1998, kurz nachdem er in das Programm der ärztlich
kontrollierten Drogenabgabe der Stadt und Region Bern (KODA-1) aufgenommen
worden war. Dieser Fall kann schon daher nicht mit dem vorliegenden
verglichen werden, weil dort die Betäubungsmittelkriminalität im Zusammenhang
mit der Sucht des Ausländers gestanden hatte und er eben im Begriff war,
diese konkret anzugehen und zumindest in den Griff zu bekommen.

7.6 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Ausweisung des
Beschwerdeführers nicht gegen das Freizügigkeitsabkommen verstösst.

8.
Der Beschwerdeführer bringt vor, das Rekursgericht habe ihm zu Unrecht die
unentgeltliche Rechtspflege verweigert.

8.1 Der Beschwerdeführer hat vor dem Rekursgericht die "unentgeltliche
Rechtspflege" verlangt. Aus der Tatsache, dass er schon damals von einem
Anwalt vertreten war, ist zu schliessen, dass er mit dieser Formulierung die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung beantragte.

8.2 Das Rekursgericht verweigerte dem Beschwerdeführer die unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung, weil es die Beschwerde als aussichtslos
bewertete.

Im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde beim Rekursgericht war das
Freizüzigkeitsabkommen noch nicht in Kraft. Nach den damals geltenden
innerstaatlichen Bestimmungen war die Beschwerde aussichtslos. Der
Beschwerdeführer hatte denn auch keine Ausführungen zum
Freizügigkeitsabkommen gemacht. Unter diesen Umständen ist die Verweigerung
des Armenrechts im kantonalen Verfahren nicht zu beanstanden.

8.3 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Da
die Beschwerde jedoch nicht von vornherein aussichtslos war, die
Bedürftigkeit des Beschwerdeführers gegeben und die Beiordnung eines
Rechtsanwalts als notwendig erscheint, ist dem  Beschwerdeführer für das
Verfahren vor Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung zu gewähren (Art. 152 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
gutgeheissen:
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.

2.2 Fürsprecher Dr. Guido Fischer wird als amtlicher Vertreter des
Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche
Verfahren aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.--
ausgerichtet.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt des Kantons
Aargau, dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau und dem
Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. März 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: