Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.367/2002
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2A.367/2002 /leb

Urteil vom 11. November 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiberin Müller

A.________,
B._________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Fürsprecher Daniel Küng, Postfach,
9302 Kronbühl,

gegen

Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001
St. Gallen,
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen.

Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 18. Juni 2002.

Sachverhalt:

A.
Der aus der Bundesrepublik Jugoslawien stammende, am **. ** 1945 geborene
A.________ hielt sich in den Jahren 1977 bis 1982 als Saisonnier in der
Schweiz auf. Seit dem Jahre 1986 verfügt er über eine
Jahresaufenthaltsbewilligung. Am 3. Juni 1990 reiste seine ebenfalls aus der
Bundesrepublik Jugoslawien stammende, am **. ** 1951 geborene Ehefrau
B.________ mit den beiden gemeinsamen Töchtern C.________ (geb. **. ** 1973)
und D.________ (geb. **. ** 1975), in die Schweiz ein; am 8. September 1990
folgten die Tochter E.________ (geb. **. ** 1977) und der Sohn F.________
(geb. **. ** 1979).

B.
Mit Verfügungen vom 19. Juni 2000 wies die Fremdenpolizei des Kantons St.
Gallen die Gesuche von A.________ und B.________ um Verlängerung ihrer
Aufenthaltsbewilligung ab. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Justiz- und
Polizeidepartement des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 19. Februar 2002
ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
St. Gallen mit Entscheid vom 18. Juni 2002 ab.

C.
Dagegen haben A.________ und B.________ am 20. Juni 2002 beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und subsidiär staatsrechtliche Beschwerde
erhoben. Sie beantragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und
die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventualiter das Verfahren bis
zum Vorliegen eines Entscheids der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St.
Gallen betreffend IV-Verfahren zu sistieren.

Das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen beantragt die
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen beantragt, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
einzutreten, eventuell sie abzuweisen; sollte die Eingabe als
staatsrechtliche Beschwerde behandelt werden, so sei darauf ebenfalls nicht
einzutreten. Das Bundesamt für Ausländerfragen beantragt, auf die Beschwerde
weder als Verwaltungsgerichtsbeschwerde noch als staatsrechtliche Beschwerde
einzutreten.

D.
Mit Verfügung vom 2. September 2002 hat der Abteilungspräsident der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Art. 100 Abs. 1 lit. b OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem
Gebiet der Fremdenpolizei aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von
Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art.
4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der
gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem
Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Es besteht
damit grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung,
es sei denn, der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen
könnten sich auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags
berufen (BGE 128 II 145 E. 1.1.1; 127 II 161 E. 1a S. 164, je mit Hinweisen).

2.
2.1 Keine Ansprüche lassen sich vorliegend aus dem innerstaatlichen
Gesetzesrecht ableiten. Sowohl der Beschwerdeführer als auch die
Beschwerdeführerin verfügten bisher lediglich über eine
Aufenthaltsbewilligung, auf deren Verlängerung sie beide keinen Anspruch
haben.

2.2 Die Beschwerdeführer können sich nicht auf den aus Art. 8 EMRK
abgeleiteten Anspruch auf Achtung des Familienlebens berufen:

Gemäss den Ausführungen der Beschwerdeführer verfügen zwar drei der vier
Kinder über die Niederlassungsbewilligung und damit über ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz (vgl. BGE 126 II 425 E. 2a S. 427); sie sind
aber alle volljährig, und eine Abhängigkeit der Eltern von ihren Kindern -
oder umgekehrt - im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist nicht
ersichtlich (vgl. dazu BGE 120 Ib 257).

2.3 Die Beschwerdeführer berufen sich auf den - ebenfalls aus Art. 8 EMRK
abgeleiteten - Anspruch auf den Schutz des Privatlebens.

Dem Recht auf Achtung des Privatlebens kann in ausländerrechtlichen Fällen
grundsätzlich auch eine (selbständige) Auffangfunktion gegenüber dem engeren
Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens zukommen, wenn
qualifizierte Familienbande nicht oder nicht mehr bestehen. Aus dem Recht auf
Achtung des Familienlebens geradezu ein Anwesenheitsrecht abzuleiten, fällt
indessen höchstens dann in Betracht, wenn besonders intensive private
Beziehungen in Frage stehen. Das Bundesgericht hat bisher nur ganz
ausnahmsweise einen derartigen Anspruch anerkannt (BGE 126 II 377 E. 2c S.
384 f., mit Hinweis auf den eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft
betreffenden BGE 126 II 425). Im vorliegenden Fall vermögen weder die relativ
lange Anwesenheit der Beschwerdeführer in der Schweiz (seit 1986 bzw. 1990)
noch ihre Beziehung zu den erwachsenen Kindern einen solchen
Bewilligungsanspruch zu begründen.

2.4 Die Beschwerdeführer leiten einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung aus
dem Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2 BV ab. Sie machen geltend,
den Beschwerdeführern werde in Tat und Wahrheit die Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung nicht deshalb verweigert, weil in Zukunft weiterhin
Fürsorgeabhängigkeit zu erwarten sei, sondern wegen der Invalidität des
Beschwerdeführers.

Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht den Beschwerdeführern die
Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung verweigert, weil es beiden
Beschwerdeführern den aus Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG abgeleiteten Vorwurf der
Arbeitsscheu macht und ferner zum Schluss gelangt ist, dass sie der
öffentlichen Wohlfahrt im Sinne von Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG fortgesetzt
und in erheblichem Masse zur Last gefallen sind und dass keine konkreten
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie in absehbarer Zeit ein
existenzsicherndes Einkommen erzielen können. Aber auch wenn es den
Beschwerdeführern den weiteren Aufenthalt aufgrund einer allfälligen
Invalidität des Beschwerdeführers verweigert hätte, könnte dieser aus dem
Diskriminierungsverbot keinen Anspruch auf Aufenthalt ableiten (BGE 126 II
377 E. 6 S. 392 ff.).

3.
3.1 Besteht kein Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung, was die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausschliesst, käme zwar subsidiär die
staatsrechtliche Beschwerde in Betracht (Art. 84 Abs. 2 OG). Mangels
Rechtsanspruchs fehlt es aber im Hinblick auf die Verweigerung einer
Aufenthaltsbewilligung am rechtlich geschützten Interesse und damit an der
Legitimationsvoraussetzung (nach Art. 88 OG) für die Ergreifung der
staatsrechtlichen Beschwerde (BGE 122 I 267 E. 1a S. 270, mit Hinweisen).
Unabhängig von der fehlenden Legitimation in der Sache selbst kann mit
staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung solcher Verfahrensgarantien
geltend gemacht werden, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung
darstellt. Das nach Art. 88 OG erforderliche rechtlich geschützte Interesse
ergibt sich diesfalls nicht aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus
der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Eine solche besteht dann, wenn
dem Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung zukommt. Ist dies
der Fall, kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem
kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung
zustehen (vgl. BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f.; 122 I 267 E. 1b S. 270, mit
Hinweisen). Damit kann der Beschwerdeführer, der in der Sache nicht
berechtigt ist, dem aber im kantonalen Verfahren Parteistellung zukam,
beispielsweise geltend machen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht
eingetreten worden, er sei nicht angehört worden, habe keine Gelegenheit
erhalten, Beweisanträge zu stellen, oder er habe nicht Akteneinsicht nehmen
können. Hingegen kann er weder die Würdigung der beantragten Beweise noch die
Tatsache, dass seine Anträge wegen Unerheblichkeit oder aufgrund
vorweggenommener Beweiswürdigung abgelehnt wurden, rügen. Die Beurteilung
dieser Fragen kann nämlich nicht von der Prüfung der Sache selbst getrennt
werden; auf eine solche hat der in der Sache selbst nicht Legitimierte keinen
Anspruch (BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 313).

3.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, die Vorinstanz habe ohne sachlichen
Grund beantragte Beweise nicht abgenommen und sich mit der Argumentation der
Beschwerdeführer nicht auseinandergesetzt.

Die Beurteilung dieser Fragen kann nicht von der Prüfung der Sache selbst
getrennt werden, womit im vorliegenden Fall auch auf die staatsrechtliche
Beschwerde nicht einzutreten ist.

4.
Auf die Beschwerde kann daher weder als Verwaltungsgerichtsbeschwerde noch
als staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden. Es kommt das Verfahren
gemäss Art. 36a OG zur Anwendung. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die
Gerichtskosten den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 und 7 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die Beschwerde wird weder als Verwaltungsgerichtsbeschwerde noch als
staatsrechtliche Beschwerde eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Justiz- und Polizeidepartement
und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen sowie dem Bundesamt für
Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. November 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: