Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.343/2002
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2A.343/2002 /dxc

Urteil vom 18. Juli 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Betschart, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Uebersax.

X. ________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
Bezirksgericht Zürich, Haftrichter,
Wengistrasse 28, Postfach, 8026 Zürich.

Fortsetzung der Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b Abs. 2 ANAG

(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts
Zürich, Haftrichter, vom 28. Juni 2002)

Sachverhalt:

A.
X. ________ reiste am 2. April 2002 von Peking kommend im Flughafen
Zürich-Kloten an. Am 3. April 2002 wies sie sich bei der Passkontrolle mit
einem gefälschten koreanischen Reisepass aus. In der Folge trat sie unter
verschiedenen Identitäten auf. Mit Strafbefehl vom 4. April 2002 wurde sie
von der Bezirksanwaltschaft Bülach wegen Verstosses gegen fremdenpolizeiliche
Vorschriften mit 60 Tagen Gefängnis bedingt bestraft. Nachdem sie am 5. April
2002 aus dem Polizeiverhaft entlassen und dem Migrationsamt des Kantons
Zürich zugeführt worden war, verfügte dieses ihre Wegweisung und ordnete die
Ausschaffungshaft an. Am 8. April 2002 prüfte und bestätigte der Haftrichter
am Bezirksgericht Zürich die Haft bis zum 4. Juli 2002.

Am 25. Juni 2002 beantragte das Migrationsamt die Verlängerung der
Ausschaffungshaft um drei Monate. An der Haftrichterverhandlung vom 27. Juni
bestätigte die Gefangene, aus China zu stammen, am 8. November 1964 geboren
zu sein und Y.________ zu heissen. Der Haftrichter genehmigte die
Haftverlängerung mit Urteil vom 28. Juni 2002 bis zum 28. September 2002.

B.
Mit undatierter, der Post am 4. Juli 2002 aufgegebener, handschriftlicher
Eingabe in deutscher Sprache hat Y.________, wieder unter dem früheren Namen
X.________, Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben. Sie
macht insbesondere geltend, der der Haft zugrunde liegende
Wegweisungsentscheid sei ihr nicht korrekt eröffnet worden.

Der Haftrichter hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Migrationsamt
schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Ausländerfragen hat
innert Frist keine Stellungnahme eingereicht. Die Beschwerdeführerin nahm die
Gelegenheit nicht wahr, sich nochmals zur Sache zu äussern.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen, wenn
die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG erfüllt sind. Danach ist erforderlich,
dass ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg-
oder Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 121 II 59 E. 2 S. 61; 122 II 148
ff.), dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender Reisepapiere) noch nicht möglich,
jedoch absehbar ist (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 2a S. 379). Zudem
muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe bestehen (BGE 125
II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 3a S. 381; 124 II 1 E. 1 S. 3). Nach Art. 13b
Abs. 1 lit. c ANAG kann Ausschaffungshaft insbesondere verfügt werden, wenn
konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sich der Ausländer der
Ausschaffung entziehen will (Gefahr des Untertauchens). Das trifft namentlich
zu, wenn der Ausländer behördlichen Anordnungen keine Folge leistet oder
durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die
Vollzugsbemühungen der Behörden erschwert  (BGE 122 II 49 E. 2a S. 51).

Die Haft darf höchstens drei Monate dauern; stehen dem Vollzug der Weg- oder
Ausweisung besondere Hindernisse entgegen, so kann die Haft mit Zustimmung
der kantonalen richterlichen Behörde um höchstens sechs Monate verlängert
werden (Art. 13b Abs. 2 ANAG).

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, der gegen sie verfügte
Wegweisungsentscheid sei ihr vor der Haftanordnung nicht eröffnet worden. Im
angefochtenen Urteil hat der Haftrichter festgehalten, es sei nicht
nachweisbar, dass die Wegweisungsverfügung der Beschwerdeführerin übersetzt
und eröffnet worden sei; dies könne aber offen bleiben, da die ursprüngliche
Haftanordnung deswegen nicht nichtig, sondern höchstens anfechtbar sei,
handle es sich doch bei der Eröffnung der Wegweisungsverfügung lediglich um
eine Ordnungsvorschrift. Die Beschwerdeführerin habe die erstmalige
Haftanordnung indessen nicht angefochten. Im Rahmen der haftrichterlichen
Verhandlung über die Haftverlängerung sei ihr die Wegweisungsverfügung
übersetzt und korrekt eröffnet worden, weshalb die Ordnungsvorschrift nunmehr
erfüllt sei.

2.2 Die Begründung des Haftrichters erscheint zumindest teilweise fragwürdig.
Wie jede Verfügung ist auch die Wegweisung grundsätzlich als
Gültigkeitserfordernis korrekt zu eröffnen, damit sie Rechtswirkungen
zeitigen kann. Die fehlende Eröffnung eines Entscheides an eine Partei kann
zur Nichtigkeit desselben führen (vgl. etwa Rhinow/Koller/Kiss, Öffentliches
Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M.
1996, Rz. 380 f.). Überdies können allfällige Mängel bei der erstmaligen
Haftanordnung auch noch bei der Haftverlängerung geltend gemacht werden, und
zwar unabhängig davon, ob sie damals gerügt worden sind. Umgekehrt trifft es
freilich zu, dass rein formelle Unzulänglichkeiten unter Umständen
nachträglich wenigstens mit Wirkung für die Haftverlängerung korrigiert
werden können, wie dies der Haftrichter im vorliegenden Fall durch
nachträgliche Eröffnung der Wegweisungsverfügung zu tun versucht hat.

Nach der Rechtsprechung sind die Formerfordernisse bei der so genannten
formlosen Wegweisung nach Art. 12 ANAG, wie sie hier zur Anwendung gelangte,
freilich gering, und es ist insbesondere nicht von vornherein ausgeschlossen,
eine - vorweg angeordnete - Wegweisung zusammen mit dem Hafturteil zu
eröffnen (BGE 128 II 103 E. 1.5 S. 106 f.). Dabei genügt es, dass der
weggewiesenen Person die Tatsache, dass sie in ausländerrechtlich motivierte
Haft genommen worden ist, welche die Wegweisung sichern soll, in
verständlicher Weise mitgeteilt wird (vgl. Urteil des Bundesgerichts
2A.313/2001 vom 20. Juli 2001, E. 2b/aa).

2.3 Zwar liess sich im vorliegenden Fall nicht erstellen, ob der
Beschwerdeführerin vor der erstmaligen Haftanordnung bzw. während der
haftrichterlichen Verhandlung vom 8. April 2002 über die Haftanordnung die
eigentliche Wegweisungsverfügung korrekt übersetzt und erläutert worden ist.
Indessen geht aus dem Protokoll der Verhandlung vom 8. April 2002
zweifelsfrei hervor, dass der Beschwerdeführerin in der Befragung mitgeteilt
wurde, sie müsse die Schweiz verlassen bzw. nach Peking/China zurückkehren.
Ebenso wurde ihr die Anordnung der Ausschaffungshaft übersetzt und erläutert.
Damit musste ihr auch der Zusammenhang zwischen zwangsweiser Rückkehr und
Haft, kurz der Haftzweck, klar geworden sein, weshalb die
Minimalanforderungen an eine rechtsgenügliche Eröffnung der Wegweisung
erfüllt sind. Dies gilt genauso für die erstmalige Haftanordnung wie für die
hier angefochtene Haftverlängerung. Für die Fortsetzung der Haft kann die
korrekte Eröffnung der Wegweisung ohnehin nicht mehr strittig sein, nachdem
der Haftrichter an der Verhandlung über die Haftverlängerung vom 27. Juni
2002 die entsprechende Verfügung der Beschwerdeführerin übersetzen und
erläutern liess, womit selbst dann, wenn ursprünglich ein massgeblicher
Mangel vorgelegen wäre - was aber, wie dargelegt, nicht zutrifft -, ein
solcher pro futuro als behoben gelten müsste.

3.
Offensichtlich erfüllt sind die übrigen Haftvoraussetzungen. Namentlich ist
die Beschwerdeführerin unter verschiedenen Identitäten aufgetreten und hat
nach eigenem Eingeständnis ihren echten chinesischen Pass zerrissen und ein
gefälschtes koreanisches Ausweispapier verwendet. Damit bestehen genügend
deutliche Anzeichen dafür, dass sie behördlichen Anordnungen keine Folge
leisten würde, womit der Haftgrund der Untertauchensgefahr gemäss Art. 13b
Abs. 1 lit. c ANAG vorliegt. Auch sind keine anderen Gründe für die
Unzulässigkeit der Haft ersichtlich. Insbesondere sind die Behörden dem
Beschleunigungsgebot nach Art. 13b Abs. 3 ANAG nachgekommen, nachdem die
kantonalen Behörden nach dem Rückzug des Asylgesuchs unverzüglich den Bund um
Vollzugsunterstützung ersucht und dieser bei der chinesischen Botschaft ein
Reisepapier für die Beschwerdeführerin beantragt hat. Schliesslich liegen,
namentlich aufgrund des eigenen Verhaltens der Beschwerdeführerin, die das
Fehlen eines gültigen Reisepasses selber verursacht hat, sowie wegen der
Schwierigkeiten, ein neues Reisepapier zu beschaffen, besondere Hindernisse
vor, welche eine Verlängerung der Haft rechtfertigen.

4.
4.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als unbegründet und ist
abzuweisen.

4.2 Angesichts der offensichtlichen Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin
rechtfertigt es sich praxisgemäss, auf die Erhebung von Kosten für das
bundesgerichtliche Verfahren zu verzichten.

4.3 Das Migrationsamt des Kantons Zürich wird ersucht, dafür besorgt zu sein,
dass der Beschwerdeführerin dieses Urteil korrekt eröffnet und verständlich
gemacht wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Migrationsamt des Kantons
Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, sowie dem Bundesamt für
Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juli 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: