Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.335/2002
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2A.335/2002 /mks

Urteil vom 23. August 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Sasag Kabelkommunikation AG, Mühlenstrasse 21, 8201 Schaffhausen,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin
Dr. Claudia Bolla-Vincenz, Kramgasse 5, Postfach 515, 3000 Bern 8,

gegen

Tele Top AG, Walzmühlestrasse 47F, Postfach 932, 8501 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin,
Bundesamt für Kommunikation, Zukunftstrasse 44, 2501 Biel/Bienne,
Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
(UVEK), 3003 Bern.

Verbreitung des Programms "Tele Top" auf allen Leitungsnetzen der
Sasag/Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung

(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen
Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation [UVEK] vom 20.
Juni 2002)

Sachverhalt:

A.
Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
(UVEK) erteilte der Tele Top AG am 22. März 1999 bzw. 12. April 2000 eine
Veranstalterkonzession zur kabelnetzgebundenen Verbreitung eines
Lokalfernsehprogramms unter anderem im Raum Schaffhausen. Mit Verfügung vom
2. Mai 2002 verpflichtete das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) die Sasag
Kabelkommunikation AG (Sasag), das Programm der Tele Top AG dort
konzessionsgemäss in all ihren Leitungsnetzen zu verbreiten, nachdem
diesbezügliche Verhandlungen unter den Parteien gescheitert waren. Einer
allfälligen Beschwerde hiergegen entzog es die aufschiebende Wirkung. Am 20.
Juni 2002 lehnte es das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr,
Energie und Kommunikation ab, diese für die Dauer des bei ihm hängig
gemachten Beschwerdeverfahrens wieder herzustellen, und verpflichtete die
Sasag, das umstrittene Programm in ihren Kabelnetzen im Raum Schaffhausen bis
spätestens 15. August 2002 konzessionsgemäss aufzuschalten.

B.
Die Sasag Kabelkommunikation AG hat hiergegen am 1. Juli 2002
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie beantragt, den Entscheid des
UVEK aufzuheben und ihrem Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung zu entsprechen.

Die Teletop AG, das Bundesamt für Kommunikation und das Eidgenössische
Departement für Verkehr, Energie und Kommunikation beantragen, die Beschwerde
abzuweisen.

C.
Mit Verfügung vom 14. August 2002 hat das präsidierende Abteilungsmitglied
davon abgesehen, der Beschwerde, wie von der Sasag am 13. August 2002
beantragt, für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens aufschiebende
Wirkung beizulegen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gegenstand des Verfahrens bildet die Frage, ob das Eidgenössische
Departement für Umwelt, Verkehr und Energie Bundesrecht verletzt hat, indem
es das Gesuch der Sasag um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
abwies und diese verpflichtete, trotz des hängigen Verfahrens das Programm
der Beschwerdegegnerin aufzuschalten. Ein solcher Zwischenentscheid ist vor
Bundesgericht selbständig anfechtbar, wenn er für den Betroffenen einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat (Art. 97 OG in Verbindung mit
Art. 45 VwVG; BGE 116 Ib 344 E. 1c S. 347, mit Hinweis) und die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde in der Sache selber nicht ausgeschlossen ist
(Art. 101 lit. a OG e contrario; BGE 116 Ib 344 E. 1b S. 346/347; 120 Ib 97
E. 1c S. 99).

1.2 Die umstrittene, gestützt auf Art. 47 des Bundesgesetzes vom 21. Juni
1991 über Radio und Fernsehen (Radio- und Fernsehgesetz; RTVG; SR 784.40)
ergangene Aufschaltverfügung wird letztinstanzlich beim Bundesgericht mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden können (Art. 97 in
Verbindung mit Art. 98 lit. b OG, Art. 47a VwVG sowie Art. 24 RTVV [SR
784.401]). Die Beschwerdeführerin macht geltend, mit der angeordneten
Aufschaltung seien für sie insofern gewichtige wirtschaftliche Nachteile
verbunden, als ihr ein personeller und administrativer Mehraufwand zur
Information der Kunden von rund Fr. 40'000.-- - bzw. des Doppelten im Falle
einer späteren (Wieder-)Abschaltung - entstehe. Die entsprechenden Zahlen
sind indessen nicht belegt, und es erscheint zweifelhaft, ob und inwiefern
der Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Entscheid insofern tatsächlich
ein nicht wiedergutzumachender Nachteil droht, da die Tele Top AG ihr die mit
der Verbreitung ihres Programms verbundenen Aufwendungen von Gesetzes wegen
abzugelten hat (vgl. Art. 47 Abs. 1 lit. d RTVG). Die Frage braucht im Rahmen
der Eintretensvoraussetzungen indessen nicht weiter geprüft zu werden, da
sich die Beschwerde in der Sache selber als unbegründet erweist.

2.
2.1 Nach Art. 55 Abs. 3 VwVG kann die Beschwerdeinstanz oder ihr Vorsitzender
die von der Vorinstanz entzogene aufschiebende Wirkung wiederherstellen; über
ein entsprechendes Begehren ist ohne Verzug zu entscheiden. Obwohl die
aufschiebende Wirkung nach Art. 55 Abs. 1 VwVG die Regel bildet,
rechtfertigen nicht nur ganz aussergewöhnliche Umstände deren Entzug bzw.
Nichtwiederherstellung (Urteil 2A.347/1990 vom 8. November 1990, E. 3b). Die
Behörde hat vielmehr zu prüfen, ob die Gründe, die eine sofortige
Vollstreckbarkeit nahe legen, wichtiger sind als jene, die für einen Aufschub
sprechen. Bei dieser Interessenabwägung kommt ihr - der Natur der Sache nach
- ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu. Sie ist nicht gehalten, für ihren
Entscheid zeitraubende zusätzliche Abklärungen zu treffen, sondern kann in
erster Linie auf die ihr zur Verfügung stehenden Akten abstellen (BGE 117 V
185 E. 2b S. 191; 110 V 40 E. 5b S. 45; 106 Ib 115 E. 2a S. 116). Das
Bundesgericht beschränkt sich auf Beschwerde hin seinerseits erst recht auf
eine vorläufige Prüfung. Es kontrolliert, ob die  Vorinstanz ihr Ermessen
überschritten oder missbraucht hat, und hebt den angefochtenen Entscheid nur
auf, wenn wesentliche Aspekte ausser Acht gelassen oder offensichtlich falsch
bewertet und im Ergebnis damit willkürlich entschieden wurde (Urteil
2A.501/2000 vom 11. Dezember 2000, E. 1b).

2.2 Dies ist hier entgegen den Einwendungen der Beschwerdeführerin nicht der
Fall:
2.2.1Nach Art. 47 Abs. 1 RTVG kann ein Weiterverbreiter auf Gesuch hin (lit.
a) verpflichtet werden, das Programm eines Veranstalters, der über eine
entsprechende Konzession verfügt, aufzuschalten, wenn seine Anlage freie
Kapazitäten aufweist oder das betreffende Programm in besonderer Weise dazu
beiträgt, die Ziele nach Artikel 3 RTVG zu erreichen (lit. b), dem
Veranstalter das Erstellen einer eigenen technischen Infrastruktur nicht
zugemutet werden kann (lit. c) und er dem Betreiber die nötigen Aufwendungen
abgilt (lit. d). Die Beschwerdegegnerin verfügt seit drei Jahren über eine
Veranstalterkonzession, die auch das von der Beschwerdeführerin versorgte
Gebiet des Kantons Schaffhausen umfasst, ohne dass es ihr zuzumuten wäre, ihr
Programm über eigene Einrichtungen zu verbreiten. Die Konzession ist ihr zur
Förderung der publizistischen Vielfalt und des Wettbewerbs in einem
monopolistisch geprägten Umfeld aus medienpolitischen Überlegungen erteilt
worden, nachdem die drei wichtigsten Medien im Kanton Schaffhausen
(Schaffhauser Nachrichten, Radio Munot und das Schaffhauser Fernsehen) im
Wesentlichen von ein und demselben Unternehmen kontrolliert werden. Es
besteht damit ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, dass der
entsprechende medienpolitische Entscheid - drei Jahre nach
Konzessionserteilung - im Rahmen einer Aufschaltverfügung nunmehr möglichst
rasch umgesetzt werden kann.

2.2.2 Der Beschwerdeführerin entstehen dadurch keine wesentlichen, auch im
Falle einer Gutheissung ihrer Beschwerde nicht wiedergutzumachenden
Nachteile: Nach den Berechnungen des BAKOM verfügt sie über die für die
Verbreitung des umstrittenen Programms erforderlichen freien Kapazitäten
(vgl. Art. 47 Abs. 1 lit. b RTVG). Zwar wendet sie ein, diese seien
vollumfänglich für das geplante digitale Fernsehen und für ihre
Internet-Nutzungen reserviert. Nachdem gemäss ihren letzten Angaben -
zumindest in einer ersten Phase - aber nur 50 Programme digital angeboten
werden sollen, wofür fünf Kanäle erforderlich sind, sie indessen hierfür
zurzeit offenbar neun Kanäle freihält, ist ihr zuzumuten, zumindest bis zum
Abschluss des Verfahrens einen Kanal zur Verbreitung des umstrittenen
Programms zur Verfügung zu stellen; dies gilt umso mehr, als mit der
Abschaltung der Programme von Tele 24 und TV 3 gewisse freie Kapazitäten
entstanden sein dürften und fraglich erscheinen mag, ob es sich heute
tatsächlich noch rechtfertigt, zwei Kanäle für Videoapplikationen
freizuhalten. Sollte die Beschwerde - zu deren Erfolgsaussichten hier nicht
weiter Stellung zu nehmen ist, nachdem auch im angefochtenen Entscheid nicht
auf den mutmasslichen Verfahrensausgang abgestellt wurde - gutgeheissen
werden, würden die behaupteten längerfristigen Projekte der
Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Entscheid nicht weiter
beeinträchtigt. Von einer Präjudizierung des Sachentscheids kann deshalb
keine Rede sein. Sollte das Publikum im Falle einer Gutheissung der
Beschwerde wünschen, vom Programm der Beschwerdegegnerin weiterhin
profitieren zu können, wird es der unternehmerische Entscheid der
Beschwerdeführerin sein, inwiefern sie diesem Anliegen Rechnung tragen oder
einer anderen Nutzung ihrer Kanäle den Vorzug geben will.

2.2.3 Die mit der Aufschaltung und der Verbreitung des umstrittenen Programms
verbundenen Kosten sind der Beschwerdeführerin durch die Beschwerdegegnerin
abzugelten (Art. 47 Abs. 1 lit. d RTVG), weshalb auch insofern kein
überwiegendes Interesse ersichtlich ist, dass die angefochtene Verfügung des
BAKOM nicht bereits vor einem Entscheid des Departements ihre Wirkung
entfalten soll. Nach den Angaben des fachkundigen Bundesamts ist das Auf- wie
das Abschalten technisch mit keinem grösseren Aufwand verbunden. Soweit die
Beschwerdeführerin einwendet, sie müsse ihre Kunden über die Aufschaltung in
einem speziellen Mailing informieren, wodurch ihr Kosten von rund Fr.
40'000.-- entstünden, erscheint dies übertrieben. Die Zuschaltung eines
einzelnen neuen Programms hat gemäss den Erfahrungen des BAKOM in der Praxis
bisher kaum je zu einem Mailing an alle Kunden Anlass gegeben. Zudem können
die nötigen Informationen vorerst auch nur über den Service-Kanal, die
Homepage oder eine entsprechende Pressemitteilung erfolgen.

2.2.4 Soweit die Beschwerdeführerin auf die den Kunden anfallenden Kosten für
die Einstellung ihrer Fernsehgeräte durch einen Fachmann verweist, übersieht
sie, dass im Anschluss an die Verfügung des BAKOM niemand gehalten ist,
seinen Fernsehapparat durch einen Dritten neu regeln zu lassen. Treffen die
Kunden zum Empfang des Programms der Beschwerdegegnerin entsprechende
Vorkehren, obwohl der Medienberichterstattung entnommen werden kann, dass der
Entscheid der zuständigen Behörden über die Aufschaltung noch nicht definitiv
ist, tun sie dies auf eigenes Risiko hin; im Übrigen erscheint die Schätzung,
wonach 80 Prozent von ihnen für die entsprechenden Manipulationen
fachmännischer Beratung bedürften, wiederum als wenig realistisch. Zu Recht
weist das BAKOM darauf hin, dass allein für die Einstellung eines einzelnen
Senders kaum je der Fachmann bemüht, sondern hierfür erfahrungsgemäss in der
Regel eine grössere Reorganisation oder die Anschaffung eines neuen Geräts
abgewartet wird.

2.3
2.3.1Hat sich die Vorinstanz bei ihrer Interessenabwägung somit nicht von
unsachgemässen Überlegungen leiten lassen, ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde unbegründet und deshalb abzuweisen, soweit
darauf eingetreten wird.

2.3.2 Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die unterliegende
Beschwerdeführerin dessen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).
Parteientschädigungen sind nicht geschuldet, nachdem die Beschwerdegegnerin
nicht anwaltlich vertreten und ihr durch das Verfahren auch kein grösserer
Aufwand entstanden ist (vgl. Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesamt für Kommunikation und dem
Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
(UVEK) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. August 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: