Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.293/2002
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2002
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2002


2A.293/2002 /mks

Urteil vom 19. März 2003
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Müller,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

AHV-Ausgleichskasse C.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer,
Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
Eidgenössische Steuerrekurskommission, avenue Tissot 8, 1006 Lausanne.

Mehrwertsteuer 1. Quartal 1995 bis 1. Quartal 2000 (Steuerausnahme),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen
Steuerrekurskommission vom 15. Mai 2002.

Sachverhalt:

A.
Bei der AHV-Ausgleichskasse C.________ handelt es sich um die
Verbandsausgleichskasse des Verbandes C.________ im Sinne der
AHV-Gesetzgebung. Aufgrund der Ergebnisse einer Kurzkontrolle durch die
Eidgenössische Steuerverwaltung wurde sie am 28. Juni 2000 rückwirkend per 1.
Januar 1995 im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen. Mit
Ergänzungsabrechnung Nr. 247'443 gleichen Datums belastete die Eidgenössische
Steuerverwaltung der AHV-Ausgleichskasse für die Steuerperioden 1. Quartal
1995 bis 1. Quartal 2000 eine Steuer von Fr. -.-- zuzüglich Verzugszins. Die
Steuerforderung beruht auf Dienstleistungen (Umsätzen), welche die
Ausgleichskasse im so genannten übertragenen Wirkungskreis gemäss Art. 63
Abs. 4 AHVG erbrachte. Es geht um Administrations- und Kontrolltätigkeiten,
welche die Ausgleichskasse für die verbandseigene Pensionskasse sowie für
verschiedene Familienausgleichskassen erbringt und die nach Ansicht der
Eidgenössischen Steuerverwaltung als private, auf Mandat beruhende
Tätigkeiten zu versteuern sind. Mit Entscheid vom 27. September 2000 und
Einspracheentscheid vom 20. September 2001 bestätigte die Eidgenössische
Steuerverwaltung - unter Vorbehalt der Berichtigung im Zuge einer allfälligen
späteren Kontrolle - die Steuerforderung.

Eine Beschwerde der AHV-Ausgleichskasse C.________ wies die Eidgenössische
Steuerrekurskommission mit Entscheid vom 15. Mai 2002 ab.

B.
Gegen diesen Entscheid führt die AHV-Ausgleichskasse C.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragt u.a., es sei
die Steuernachforderung im Betrag von Fr. -.-- aufzuheben.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Eidgenössische Steuerrekurskommission
verzichtete auf eine Stellungnahme zur Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 4 lit. a und b der hier noch anwendbaren Verordnung über die
Mehrwertsteuer vom 22. Juni 1994 (MWSTV) unterliegen der Steuer die im Inland
gegen Entgelt erbrachten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen.
Art. 14 MWSTV enthält den Katalog der von der Steuer ausgenommenen Umsätze.
Ist ein Umsatz von der Steuer ausgenommen, kann auf Gegenständen und
Dienstleistungen, die für solche Umsätze verwendet werden, der Vorsteuerabzug
nicht geltend gemacht werden (Art. 13 MWSTV). Gemäss Art. 14 Ziff. 7 MWSTV
sind von der Steuer u.a. ausgenommen "die von Einrichtungen der
Sozialfürsorge und Sozialhilfe sowie der sozialen Sicherheit erbrachten
Leistungen ...".

Es ist unbestritten, dass die Leistungen, welche die Beschwerdeführerin als
AHV-Verbandsausgleichskasse im angestammten, eigenen Wirkungsbereich (AHV)
erbringt und abgegolten erhält, nicht zu versteuern sind. Diese Leistungen
sind bereits auf Grund von Art. 14 Ziff. 7 MWSTV von der Steuer ausgenommen.
Zum Bereich der "sozialen Sicherheit" zählen auch die Einrichtungen der
Sozialversicherung, wie namentlich die AHV-Ausgleichskassen. Soweit der
Beschwerdeführerin im nicht übertragenen, eigenen Wirkungskreis zudem
hoheitliche Befugnisse zukommt, was hier nicht zu entscheiden ist, entfällt
nach Art. 17 Abs. 4 MWSTV die subjektive Steuerpflicht. Das ist zwischen den
Parteien nicht streitig.

2.
Anders verhält es sich jedoch in Bezug auf die hier allein umstrittenen
Leistungen, welche die Beschwerdeführerin im übertragenen Wirkungskreis
gemäss Art. 63 Abs. 4 AHVG erbringt. Es geht um die Leistungen gegenüber den
verbandseigenen Einrichtungen, wie namentlich der Pensionskasse, sowie
allenfalls gegenüber Dritteinrichtungen. Diese Leistungen sind nicht solche
der "sozialen Sicherheit", auch wenn es sich beim Leistungsempfänger um eine
Institution der Sozialversicherung handelt. Es geht um Vorumsätze, die
gegebenenfalls beim Leistungsempfänger für nicht der Steuer unterliegende
Leistungen verwendet werden, selber aber von der Steuer nicht ausgenommen
sind. Werden diese Leistungen von einer privaten Unternehmung erbracht, so
unterliegen sie der Steuer. Das Bundesgericht hat bei der Auslegung von Art.
14 MWSTV stets eine auf den Normsinn beschränkte, restriktive Praxis
vertreten, weil Steuerausnahmen bei einer allgemeinen Verbrauchssteuer
systemwidrig sind und zu Wettbewerbsverzerrungen führen können.
In diesem Sinne entschied das Bundesgericht am 6. Januar 2003 bereits in
Bezug auf zwei andere Verbandsausgleichskassen, welche -  wie die
Beschwerdeführerin - Leistungen im übertragenen Wirkungskreis erbrachten
(Urteile 2A.280/2002 und 2A.305/2002). In diesen Entscheiden legte das
Bundesgericht u.a. dar, dass die parlamentarischen Arbeiten zum neuen
Mehrwertsteuergesetz, und insbesondere der am 22. Juni 2001 in Ziffer 25
ergänzte Art. 18 MWSTG, keine andere Auslegung der hier fraglichen Bestimmung
(Art. 14 Ziff. 7 MWSTV) nahe legen. Es zeigte in diesen Urteilen auch auf,
dass die Eidgenössische Steuerverwaltung ihre Praxis nicht rückwirkend
geändert hat. Die vorliegende Beschwerde gibt keinen Anlass, auf diese
Rechtsprechung zurückzukommen.

3.
Von diesen Urteilen erhielt auch die Beschwerdeführerin Kenntnis. Sie wurden
ihr zugestellt mit der Möglichkeit, die Beschwerde zurückzuziehen. Die
Beschwerdeführerin hielt an der Beschwerde fest. Sie macht geltend, anders
als in den beiden Urteilen sei sie Adressatin des Schreibens der Abteilung
Mehrwertsteuer vom 2. März 1995 gewesen. Würde sie die Beschwerde
zurückziehen, hätte dies zur Folge, dass die Verwaltung weiterhin Auskünfte
erteilen könnte, an die sie später nicht gebunden sei. Dieser Einwand ist
näher zu prüfen, zumal er bereits in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
erhoben wurde.

Das Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 2. März 1995, auf das
sich die Beschwerdeführerin beruft, hat folgenden Inhalt: "Nach Ihren
Auskünften sind bei Ihnen die Voraussetzungen der Steuerpflicht zur Zeit
nicht gegeben. Wir tragen Sie deshalb nicht in das Register der
Steuerpflichtigen ein. (...) Sollten bei Ihnen die Voraussetzungen der
Steuerpflicht in einem späteren Zeitpunkt zutreffen, müssen sie sich innert
30 Tagen nach deren Eintritt schriftlich bei uns melden." Im
Einspracheentscheid (S. 8) führte die Eidgenössische Steuerverwaltung in
Bezug auf dieses Schreiben aus: "Es handelt sich um ein
Standard-Absageschreiben der Sektion Eintragungen und Löschungen, welches in
der Regel Unternehmen zugeschickt worden ist, nachdem sie der ESTV den
ausgefüllten Fragebogen für Mehrwertsteuerpflichtige, allenfalls gewisse
weitere Unterlagen über ihre Geschäftstätigkeit haben zukommen lassen. Was im
vorliegenden Fall der ESTV vorgelegt worden ist, ist nicht mehr eruierbar.
Die Auskunft lässt jedoch darauf schliessen, dass die ESTV nicht über die
Tätigkeit der Einsprecherin im Auftrage Dritter hingewiesen worden ist,
ansonsten die Frage der Steuerbarkeit bereits dannzumal dem Rechtsdienst
unterbreitet worden wäre. Letzteres war ganz klar nicht der Fall. Mit
Sicherheit fand auch - entgegen der Behauptung der Einsprecherin - nie eine
Kontrolle gemäss Art. 50 MWSTV statt...".
Es steht somit nicht fest, auf welche Angaben (Auskünfte) der
Beschwerdeführerin das Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 2.
März 1995 sich bezog. Es ist anzunehmen, dass es damals um die Frage der
Steuerpflicht der Beschwerdeführerin im Allgemeinen ging. Es fehlen jegliche
Anhaltspunkte, dass die Beschwerdeführerin die Eidgenössische
Steuerverwaltung um eine Auskunft für die steuerliche Behandlung von Umsätzen
im übertragenen Wirkungskreis der AHV-Ausgleichskassen ersuchte. Auch die
Beschwerdeführerin macht etwas Derartiges nicht geltend. In ihrer Beschwerde
an die Vorinstanz vom 18. Oktober 2001 (Ziff. 2.2.3, 1. Absatz) führte sie
aus: "Leider ist heute nicht mehr rekonstruierbar, welcher Art die Prüfung
der Beschwerdegegnerin war, die sie zu dieser Auskunft führte. Tatsache ist
aber, dass die Beschwerdegegnerin zur Abklärung der Steuerpflicht Einsicht in
die Verhältnisse bei der Beschwerdeführerin hatte oder allenfalls gehabt
hätte. ... Die Beschwerdegegnerin kann sich also nicht darauf berufen, sie
hätte keine für die Steuerpflichtfrage zweckdienliche Überprüfung der
Verhältnisse durchgeführt. Wenn sie das eventuell nicht getan hat, was
ausdrücklich bestritten wird, dann hätte sie eine solche Unterlassung selber
zu vertreten...". Diese Ausführungen der Beschwerdeführerin lassen nicht
darauf schliessen, dass sie der Eidgenössischen Steuerverwaltung die Frage
der steuerlichen Behandlung ihrer Umsätze im übertragenen Wirkungskreis
unterbreitet hatte oder diese sich zur Frage der Besteuerung solcher Umsätze
äusserte. Ihr diesbezüglicher Einwand erscheint daher als nicht begründet.

4.
Die Beschwerdeführerin bestreitet die Höhe der von der Eidgenössischen
Steuerverwaltung festgesetzten Mehrwertsteuerforderung und verlangt eine
Nachkontrolle.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung setzte aufgrund der Ergebnisse der
Kurzkontrolle vom 28. Juni 2000 die Steuer für die fraglichen Steuerperioden
auf Fr. -.-- fest. Die Steuerberechnung erfolgte gestützt auf die
Aufwandkonti nach Pauschalsteuersätzen und ohne Prüfung der materiellen
Richtigkeit, nachdem keine Steuerabrechnungen vorlagen. Die
Beschwerdeführerin hat weder im Einspracheverfahren noch im vorinstanzlichen
Verfahren substantiiert dargelegt, weshalb die Steuerberechnung nicht den
wirklichen Verhältnissen entsprechen soll. Sie übersieht, dass die richtige
und vollständige Deklaration Sache der Steuerpflichtigen ist, welche
gegenüber der Eidgenössischen Steuerverwaltung unaufgefordert in der
vorgeschriebenen Form und Frist über die Steuer und Vorsteuer abzurechnen hat
(Art. 37 MWSTV). Die Eidgenössische Steuerverwaltung ist nur Kontrollinstanz.
Sie kann bei der Beschwerdeführerin eine Kontrolle durchführen, hierzu
verpflichtet ist sie indessen nicht (vgl. Art. 50 MWSTV). Nichts anderes
folgt aus dem Einspracheentscheid, Dispositiv Ziffer 3, wo sich die
Eidgenössische Steuerverwaltung vorbehalten hat, ihre Forderung
gegebenenfalls nachträglich zu berichtigen, wenn eine Kontrolle deren
Unrichtigkeit ergeben sollte.

5.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und im vereinfachten Verfahren
nach Art. 36aOG zu erledigen. Die Kosten des Verfahrens sind der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Eidgenössischen
Steuerverwaltung sowie der Eidgenössischen Steuerrekurskommission schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 19. März 2003

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: