Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.266/2002
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2A.266/2002 /zga

Urteil vom 11. Juni 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merkli,
Gerichtsschreiberin Müller.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Ausländerfragen Zug, Aabachstrasse 1, Postfach 857, 6301 Zug,
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Haftrichter,
An der Aa 6, Postfach 760, 6301 Zug.

Verlängerung der Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b Abs. 2 ANAG

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zug, Haftrichter,
vom 26. April 2002
Sachverhalt:

A.
Der gemäss eigenen Angaben aus Tschetschenien stammende X.________ (geb. ***
1964) reiste am 14. Februar 2001 illegal in die Schweiz ein und ersuchte tags
darauf um Asyl. Mit Verfügung vom 6. Juli 2001 trat das Bundesamt für
Flüchtlinge auf das Asylgesuch nicht ein und wies X.________ aus dem Gebiet
der Schweiz weg. Es war aufgrund eines sprach- und länderkundlichen
Gutachtens zum Schluss gelangt, dass X.________ aus Russland oder aus der
Ukraine, mit Sicherheit aber nicht aus Tschetschenien stamme und dass er auch
nicht im tschetschenischen Milieu sozialisiert worden sei. Mit Verfügung vom
18. Juli 2001 ordnete das Ausländeramt des Kantons Zug über X.________ die
Ausschaffungshaft an. Der Haftrichter des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug
(im Folgenden: Haftrichter) bestätigte jedoch die Haftanordnung nicht,
sondern entliess X.________ mit Verfügung vom 20. Juli 2001 aus der
Ausschaffungshaft.

Mit Eingabe vom 20. Juli 2001 erhob X.________ bei der Schweizerischen
Asylrekurskommission Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des
Bundesamts für Flüchtlinge. Mit Strafbefehl vom 24. August 2001 verurteilte
ihn das Einzelrichteramt des Kantons Zug wegen Ladendiebstahls, Hehlerei
sowie Konsums von Marihuana zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zehn
Tagen. Am 25. Oktober wurde er wegen Verdachts auf Diebstahl,
Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Widerhandlung gegen das Waffengesetz und
Vorbereitungshandlung zum Raub verhaftet und blieb bis zum 5. November in
Untersuchungshaft. Mit Entscheid vom 22. Januar 2002 wies die Schweizerische
Asylrekurskommission die Beschwerde gegen die Verfügung des Bundesamts für
Flüchtlinge ab.

B.
Am 29. Januar 2002 nahm das Amt für Ausländerfragen des Kantons Zug
X.________ in Ausschaffungshaft. Der Haftrichter prüfte und bestätigte die
Ausschaffungshaft in der Verhandlung vom 1. Februar 2001 für maximal drei
Monate. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil
vom 18. März 2002 (2A.109/2002) ab, soweit es darauf eintrat.

Mit Gesuch vom 24. April 2002 beantragte das Amt für Ausländerfragen eine
Haftverlängerung um sechs Monate. Mit Verfügung vom 26. April 2002 genehmigte
der Haftrichter eine Haftverlängerung um drei Monate bis zum 28. Juli 2002.

C.
Dagegen hat X.________ mit in russischer Sprache verfasster Eingabe vom 25.
Mai (Postaufgabe: 27. Mai) 2002 beim Bundesgericht Beschwerde erhoben. Die
Eingabe wurde von Amtes wegen übersetzt. Er ersucht das Bundesgericht, sich
in seine Lage zu versetzen und seine Probleme zu verstehen.
Das Amt für Ausländerfragen des Kantons Zug und der Haftrichter beantragen,
die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für
Ausländerfragen hat sich nicht vernehmen lassen. Der Beschwerdeführer hat
sich nicht mehr zur Sache geäussert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Bei Laieneingaben, welche sich gegen die Genehmigung der
Ausschaffungshaft richten, stellt das Bundesgericht keine hohen Anforderungen
an die Beschwerdebegründung (vgl. BGE 122 I 275 E. 3b S. 277). Ist daraus -
wie hier - ersichtlich, dass sich der Betroffene (zumindest auch) gegen seine
Haft wendet, nimmt es entsprechende Eingaben als
Verwaltungsgerichtsbeschwerden entgegen.

1.2 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet nur die Rechtmässigkeit der
Ausschaffungshaft, nicht auch die Asyl- bzw. Wegweisungsfrage (vgl. BGE 121
II 59 E. 2b S. 61). Auf die entsprechenden Vorbringen ist daher nicht
einzutreten.

2.
2.1Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen,
sofern die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG erfüllt sind. Danach ist
erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch
rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 121 II 59
E. 2 S. 61; 125 II 369 E. 3a S. 374; 122 II 148 E. 1 S. 150), dessen Vollzug
(z.B. wegen fehlender Reisepapiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist
(BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 2a S. 379). Sodann muss einer der in
Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe bestehen (BGE 125 II 369 E. 3a S.
374, 377 E. 3a S. 381; 124 II 1 E. 1 S. 3) und die Ausschaffung rechtlich und
tatsächlich möglich sein (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; dazu BGE 125 II
217 E. 2 S. 220, 377 E. 5 S. 384). Auf Seiten der Behörden sind die für den
Vollzug der Wegweisung notwendigen Vorkehrungen (wie Identitäts- und
Herkunftsabklärungen, Papierbeschaffung) umgehend zu treffen (Art. 13b Abs. 3
ANAG, Beschleunigungsgebot; vgl. BGE 124 II 49 ff.). Die Haft darf höchstens
drei Monate dauern; stehen dem Vollzug der Wegweisung besondere Hindernisse
entgegen, so kann die Haft mit Zustimmung der kantonalen richterlichen
Behörde um höchstens sechs Monate verlängert werden (Art. 13b Abs. 2 ANAG).

2.2 Der Beschwerdeführer ist rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen
worden. Dem Vollzug der Wegweisung stehen besondere Hindernisse entgegen,
sind doch die Identität und die Herkunft des Beschwerdeführers nach wie vor
nicht geklärt und liegen entsprechend noch keine Reisedokumente vor. Der
Vollzug der Wegweisung erscheint jedoch absehbar; dafür, dass er tatsächlich
oder rechtlich unmöglich sein sollte, bestehen zurzeit keine Hinweise. Dass
sich der Beschwerdeführer auf seine Hepatitis C beruft, ist unbehelflich:
Diese Krankheit schliesst einen Transport ins Ausland nicht aus. Soweit er
geltend machen will, aufgrund seiner Erkrankung sei die Wegweisung als solche
unzulässig, ist er im vorliegenden Verfahren nicht zu hören (vgl. E. 1.2);
dieses Argument müsste mit einem Wiedererwägungsgesuch vor den Asylbehörden
geltend gemacht werden.

2.3 Die Behörden haben dem Beschleunigungsgebot auch seit der erstmaligen
Anordnung der Ausschaffungshaft nachgelebt:

Mit Schreiben vom 5. Februar 2002 ersuchte das Amt für Ausländerfragen das
Bundesamt für Flüchtlinge um Organisation eines Vorsprachetermins bei den
russischen Behörden. Am 27. Februar 2002 wurde der Beschwerdeführer bei der
Russischen Botschaft in Bern vorgeführt. Dort weigerte sich der
Beschwerdeführer, das Antragsformular für ein Passersatzdokument auszufüllen.
Am 26. März 2002 führte ein Mitarbeiter des Bundesamts für Flüchtlinge ein
Telefongespräch mit dem Beschwerdeführer. Er kam zum Schluss, dass der
Beschwerdeführer mit einem "ukrainischen Einschlag" spreche. Das für den 23.
April 2002 vorgesehene Gespräch mit einem Mitarbeiter des Bundesamts für
Flüchtlinge konnte nicht stattfinden, da der Beschwerdeführer wegen
disziplinarischer Probleme in ein Ausschaffungsgefängnis in Basel verlegt
werden musste.

2.4 Das Bundesgericht hat die Untertauchensgefahr unter anderem aufgrund der
Verurteilung wegen Eigentumsdelikten bejaht (Urteil vom 18. März 2002
[2A.109/2002], E. 2.4).

Der Haftgrund der Untertauchensgefahr besteht nach wie vor, zeigt doch
zusätzlich das verstärkt renitente Verhalten des Beschwerdeführers anlässlich
der Identitätsabklärungen - die Weigerung, ein Antragsformular auszufüllen,
sowie das Auflegen des Hörers gegenüber einem ihn befragenden Mitarbeiter des
Bundesamts für Flüchtlinge -, dass er nach wie vor keine Gewähr dafür bietet,
dass er sich ohne Haft zu gegebener Zeit, d.h. bei Vorliegen der
Reisepapiere, für den Ausschaffungsvollzug zur Verfügung halten wird (vgl.
BGE 122 II 49 E. 2a S. 50 f.).

Die Untertauchensgefahr wurde damit zu Recht bejaht, womit die Anordnung der
Ausschaffungshaft rechtmässig ist.

3.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich nach dem Gesagten als
unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem
Verfahrensausgang entsprechend würde der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Es
rechtfertigt sich angesichts seiner Mittellosigkeit jedoch, von der Erhebung
einer Gerichtsgebühr abzusehen (vgl. Art. 153a Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Ausländerfragen und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zug sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Juni 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: